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Lokales
"Berlin-Energie"-Chef Wolfgang Neldner beim Berliner Wasserrat:
Gas-, Strom- Wärme-Netze "3 mal 100% kommunal"!
Von Ulrike von Wiesenau

Überlegungen zur aktuellen Energie- und Wasserpolitik des Landes Berlinnwaren Gegenstand der 16. Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates. Es ging dabei auch um die Entwicklungen in der Berliner Energie-Politik und ihre Verquickung mit der Berliner Wasserpolitik, um Konzessionsvergaben und um die neuesten in Berlin sich abzeichnenden Entwicklungen zu eventuellen weiteren PPP-Vorhaben des Berliner Senates.


Teilnehmer der 16. Sitzung des Berliner Wasserrates
Foto: Dr. Frank Wecker

"Es ist an der Zeit, auch in Berlin die unterschiedlichen Netze gebündelt zu planen, zu bauen und zu betreiben, einen integrierten Netzbetrieb von Strom-, Gas- und Fernwärme umzusetzen" lautete die Auffassung des Referenten Wolfgang Neldner,  Geschäftsführer des landeseigenen Betriebes "Berlin Energie" bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, am 30.10.2015 beim Berliner Wasserrat. Lange schon leistet der Berliner Wassertisch einen kontroversen Beitrag zur stadtpolitischen Diskussion dieses zentralen Zukunftsthemas.

Im Mai 2013 hatte der damalige Stadtentwicklungssenator Michael Müller den neuen Chef von "Berlin Energie", Dipl.-Ing. Wolfgang Neldner, vorgestellt. "Ich freue mich, dass es uns gelungen, ist mit Wolfgang Neldner einen erfahrenen und kompetenten Netzspezialisten für Berlin Energie zu gewinnen, der die Bewerbung um die Netze für das Land Berlin erfolgreich voranbringen wird", sagte Müller damals. Die energie- und klimaschutzpolitische Strategie  des Senats zur Umsetzung der Energiewende in Berlin sei eines der zentralen Themen der Nachkriegsgeschichte, sie stelle eine große wirtschaftliche, technologische, ökologische und soziale Herausforderung dar. Energie- und Klimaschutzpolitik müsse in Zukunft gemeinsam gedacht werden. Dazu strebe das Land mit der landeseigenen Gesellschaft "Berlin Energie" die Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze an und erarbeite Szenarien für die Gründung eines landeseigenen Stadtwerkes.


Berlin-Energie-Chef Wolfgang Neldner beim Berliner Wasserrat
Foto: Dr. Frank Wecker

Zentrale Zielvorstellungen formulierte der Geschäftsführer von "Berlin Energie" gleich zu Beginn seines Vortrags. Eine Zusammenführung der verschiedenen Versorgungsnetze Berlins: Strom, gekoppelt mit Kommunikationsleitungsnetzen; Gas; Wasser, gekoppelt mit Wärme, und deren integrierter Betrieb. Unabdingbare Voraussetzung dafür sei, dass alle Netze sich zu 100% in kommunalem Eigentum befinden. Für diese Ziele gibt es einen entsprechenden Beschluss der Berliner SPD und für diese Ziele ist der Referent als Geschäftsleiter von „Berlin Energie" berufen worden. Aufgabe des "Landesbetrieb Berlin Energie" sei die Sicherstellung einer sozial verträglichen, sicheren, bezahlbaren und ökologischen Energieversorgung, als wesentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge.

Der Referent führte weiter aus: Im Unterschied zu Wasserkonzessionen ist die Neuvergabe von Wegenutzungsrechten für Strom- und Gasnetze gesetzlich geregelt  - u.a. im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Außerdem unterliegen die Wettbewerbsverfahren den europäischen Vergabeprinzipien wie Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung. An einem vollständigen wettbewerbsrechtlichen Auswahlverfahren führt kein Weg vorbei - selbst dann nicht, wenn Kommunen ihre Energiekonzessionen auf einen Eigenbetrieb oder ein eigenes Stadtwerk übertragen wollen. Zudem muss die Kommune während des gesamten Wettbewerbsverfahrens alle Bewerber gleich behandeln. Das Verbot der Inhouse-Vergabe folgt aus der Regelung des §46 Abs. 4 EnWG und seinem Zweck der Verhinderung von Ewigkeitsrechten. Dabei ist zu beachten: Strom und Gasmärkte sind liberalisiert und unterliegen somit den Wettbewerbskriterien. Wasser aber ist von dieser europaweiten Liberalisierung ausgenommen.

Für die Zusammenführung der Netze und ihren "integrierten Betrieb" sprechen mehrere Faktoren. Die Bündelung der Netze hätte den enormen Vorteil, dass Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen konzertiert geplant und durchgeführt werden können. Das würde die Kosten enorm senken, denn der Tiefbau mit seinem unvermeidlichen Untergrundaushub ist die teuerste Bauform. Zurzeit werden die Netze noch unkoordiniert gehandhabt, d.h. der Untergrund wird für jede Maßnahme getrennt ausgebaggert und wieder geschlossen. Bei integriertem Vorgehen würde man die an den verschiedenen Netzen nötigen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit planen und, von unten nach oben gestaffelt, mit nur einem Tiefbau-Eingriff abarbeiten. Das würde die Baustellen-Misere und den daraus resultierenden Verkehrsstress in Berlin massiv verringern.

Nach physikalischen Gegebenheiten liegen einerseits Gas und Wasser, dazu auch Wärme, eng zusammen, andererseits Strom und die Kommunikationsnetze. Einzubeziehen sei auch das Netz des Öffentlichen Verkehrs: die BVG hat sich gegen Diesel und für Strom entschieden, die Fahrzeuge können induktiv elektrifiziert werden, technisch sei das kein Problem. Politische Voraussetzung dafür aber sei, dass die Betriebe vollständig in kommunaler Hand sind. Zentral sei auch, dass Fachleute die Betriebe führen und keine Gefälligkeitsposten vergeben werden.

Die Frage, wie man einer neuen Privatisierungsgefahr vorbeugen kann, bleibe hoch aktuell. Auf jeden Fall sind Stadtwerke, die unter dem Dach der BWB als privatrechtliche Konstruktion angesiedelt sind, gefährdet, weil mit der Verbindung von liberalisierten Strommärkten und Wasser als natürlichem Monopol der Wasserprivatisierung eine Hintertür geöffnet wird.

In der sich anschließenden Diskussion wurden durch weitere Beiträge sowohl des Referenten als auch der Teilnehmenden die Grundzüge bestehender und angestrebter Strukturen genauer herausgearbeitet. Entsprechend dem Berliner Haushaltsplan seien infrastrukturelle Ausstattung und deren Bewirtschaftung zu unterscheiden (sog. „Unbundling"/Entbündelung), bei Gas und Strom, bei dem Netzbetrieb und Vertrieb von Strom voneinander separiert werden (Haushaltsplan S. 419). Bei den Kosten für diese Versorgungsnetze seien jeweils die Anteile nach Leistung der Netze aufzuschlüsseln und den einzelnen Netzen entsprechend zuzurechnen. Bei der davon getrennten Bewirtschaftung der Netze richteten sich die Anteile nach der Produktionsmenge. Es sollen dabei echte Kostenanteile gezahlt werden, d.h. keine Mengenrabatte eingeräumt werden. Aus den erhobenen Netzgebühren werden dann sowohl die Betriebs- und Kapitalkosten als auch die Investitionen bezahlt.

Bei der Gaskonzession, die der Landesbetrieb "Berlin Energie" zunächst gewonnen hatte, wäre darüber hinaus sogar noch eine Entgeltabsenkung, wie beim Wasser zu vollziehen, möglich gewesen. Zum jetzigen Zeitpunkt aber ist "Berlin Energie" nicht für Wasser zuständig, die Netze für Frischwasser und Abwasser gehören den Berliner Wasserbetrieben (BWB), die seit dem durch den Volksentscheid ausgelösten Rückkauf ebenfalls wieder zu 100% Eigentum des Landes Berlin sind. Es gilt seitens des  Berliner Wassertisches „Medium zahlt Medium": Entsprechend der Forderung "Wasser zahlt Wasser", dürfen den Kunden nur die echten Investitions- und Produktions- bzw. Verteilungskosten in Rechnung gestellt, aber keine Gewinnanteile zur Abführung an den Berliner Landeshaushalt in die Preise einkalkuliert werden - ist dies auch auf die anderen  Bereiche der Grundversorgung anzuwenden.

Mit dem „integrierten Betrieb" der Netze habe sich auch die Enquetekommission „Neue Energie für Berlin" befasst, referierte Neldner. Standard in ganz Deutschland, außer in Berlin und Hamburg, die derzeit noch auf den separierten Betrieb der Infrastrukturen setzen, seien heute Leistungen von „Kombinations-Netzbetreibern", d.h. es gibt die Berufe des „Netz-Ingenieurs" und des „Kombi-Monteurs", die das gesamte technische Spektrum des Unterhalts verschiedener Netze beherrschen. Auch komplexe Maßnahmen z.B. in Haushalten würden von einem „Kombimonteur" durchgeführt, der Kunde bekomme nur eine Rechnung und nicht mehrere nach Sparten getrennte. Es würden jeweils Mischkalkulationen vorgenommen, die intern genaue Kosten-Trennung und -Zuweisung zulassen. Insgesamt führe integrierter Betrieb zu erheblicher Kostensenkung. Doch auch im Fall von Rekommunalisierungen privatisierter oder teilprivatisierter Energie-Betriebe müssten laufende Konzessionsverfahren zu Ende geführt werden. In Berlin laufen zurzeit bei Gas und Strom Konzessionsverfahren. Es gibt jeweils 3 Bieter, die nach einem vorgeschriebenen Verfahren („Verfahrensbriefe") informiert werden müssen, aktuell ist Stadium 2 dieser Verfahrensbriefe erreicht. Unter den Bewerbern ist jeweils auch „Berlin Energie".

Wolfgang Neldner sieht die Aufgabe, für die er ins Amt geholt worden ist, darin, sich bei Gas, Strom, Wärme für 100% kommunales Eigentum einzusetzen. Hierin liegt eine klare Übereinstimmung  mit den Forderungen, die beim Berliner Wassertisch und beim Berliner Wasserrat Konsens sind: Einrichtungen der Daseinsvorsorge gehören zu 100% in öffentliche Hand, sogenannte Public-Private-Partnership-Modelle sind unbedingt zu vermeiden.

Wie aus seiner Pressemitteilung  vom 10.11.2015 zu erfahren war, hat der Senat nun die Absicht, bei Gas, Strom und Wärme neue Öffentlich-Private-Partnerschafts-Verträge einzugehen. Wenn der Senat jetzt wieder mit privaten „industriellen Partnern" Verträge eingehen will, zeigt sich einmal mehr, dass aus den leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit nichts gelernt wurde. Denn die Mehrheit des Landes am Eigentum sorgt keineswegs für eine Kostensenkung, wie sich bei den Berliner Wasserbetrieben drastisch gezeigt hat. PPP führt im Gegenteil überall und immer nur zu „Beutegemeinschaft" zwischen Konzernen und Öffentlicher Hand auf Kosten der Bürger. Auch bei Energie bzw. Strom darf der bereits bestehende Beschluss der Berliner SPD gegen Öffentlich-Private-Partnerschaften in der bestehenden Regierungskoalition nicht durch neue Geheimverträge unterlaufen werden. Wassertisch und Wasserrat fordern, ähnlich wie der landeseigene Betrieb „Berlin Energie": "100% öffentliches Eigentum bei Einrichtungen der Daseinsvorsorge"! Gas-, Strom- und Wärme-Netze: 3 mal 100% kommunal!" (PK)

Zur Autorin: Ulrike von Wiesenau ist Expertin für direkte Demokratie und Pressesprecherin des "Berliner Wassertischs". Die Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des Berliner Wasserrates arbeitet für die Organisation "Gemeingut in Bürgerhand" gegen Demokratieabbau und Privatisierung der Daseinsvorsorge. Als Beraterin von NGO´s, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Regierungsdelegationen sieht sie das Demokratiegebot der Zukunft in einer Partizipation mit klar definierten Mitwirkungs- und Mitbestimmunsrechten.

 



Online-Flyer Nr. 538  vom 25.11.2015



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