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Wirtschaft und Umwelt
Dubiose Investoren setzen ihre Interessen durch
Knicken Kommunen ein?
Von Werner Rügemer
Am Dienstag, dem 2. Februar 2016, wollte der Kölner Stadtrat Merkwürdiges beschließen: Man werde dem Esch-Oppenheim-Fonds statt der bisherigen 21 Millionen Euro Jahresmiete für vier Messehallen nur noch 15,5 Millionen Euro zahlen. Fünf Millionen weniger Miete bis 2035, das klingt gut für den überschuldeten Stadthaushalt. Auf Antrag der Linken und anderer Oppositionskräfte wurde die Abstimmung allerdings vertagt. Denn der Deal ist schlecht. Denn der Kölner Rat mit seiner CDU-SPD-Grünen-Mehrheit und der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker an der Spitze, hat noch etwas anderes beschlossen: Den Verlust für den Investor gleicht die Stadt zur Hälfte durch eine sofortige Zahlung von 57 Millionen Euro aus. Die niedrigere Miete ist also eine Täuschung.
koelnmesse (Foto: arbeiterfotografie.com)
Und es ist noch schlimmer. 2005 schloss die Stadt Köln mit dem Fonds einen Vertrag: Der Investor baut vier Ausstellungshallen, und die städtische Messegesellschaft mietet diese für 21 Millionen Euro pro Jahr an. Vertragslaufzeit: 30 Jahre. Bei dem Deal ging es nicht transparent zu. Auf Anraten des Beraterkonzerns Ernst & Young verzichtete die Stadt auf die vorgeschriebene öffentliche Ausschreibung und vergab den Auftrag an den Fonds mit der Kölner Traditionsbank Sal. Oppenheim. Anleger waren u.a. Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, der Deichmann- und der Oppenheim-Clan sowie Madeleine Schickedanz, Erbin des Versandkonzerns Quelle. Doch der aufmerksame Kölner Bürger Professor Klaus Feinen, immobilienrechtlich geschult, brachte die EU-Kommission dazu, die Bundesrepublik Deutschland zu verklagen. Der Europäische Gerichtshof EuGH urteilte am 29. Oktober 2009: Der Vertrag ist ungültig, er muss rückabgewickelt werden.
Eine ordentliche Rückabwicklung hätte so ausgesehen: Köln kauft dem Investor die Hallen ab und betreibt sie selbst. Das hätte der Stadt im Vergleich zum ursprünglichen Vertrag etwa 300 Millionen Euro erspart. Doch die Kölschen Klüngelmeister kündigten zwar den Vertrag, aber nicht ganz, sondern zahlten eine etwas niedrigere Nutzungsgebühr und verhandelten und verhandelten, sechs Jahre lang. Es kam zu einem Vergleich.
Gabe an Multimillionäre
Der »Ausgleichsbetrag« von 57 Millionen Euro enthält 5,5 Millionen, mit denen die reichen Anleger in dem als Steuersparmodell angelegten Fonds »entschädigt« werden. Denn durch die etwas niedrigere Miete erleiden sie eine Minderung ihrer Steuervorteile. Das dürfen wir den Multimillionären nicht zumuten, sagen die Stadtoberen.
Den Vergleich abgelehnt haben im Stadtparlament nur Die Linke, die Piraten, die Gruppe »Deine Freunde« und der Einzelvertreter der Freien Wähler. Jörg Detjen von der Linksfraktion kommentierte: »Eine solche Zahlung würde den Oppenheim-Esch-Fonds dafür belohnen, ein rechtswidriges Geschäft abgeschlossen zu haben. Wir lehnen das ab.«
Der Vertrag wurde somit nicht rückabgewickelt, sondern nur ein bisschen verändert. Wie selbst die investorenfreundlichen Gutachter von Price Waterhouse Coopers (PWC) anmerken, ist ein gewerblicher Mietvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren völlig unüblich. Unternehmen mieten Bürogebäude oder Lagerhallen meist fünf bis zehn Jahre, maximal 15 Jahre. Dann wird neu verhandelt. Denn der Markt, die Nutzungsbedürfnisse ändern sich heute schnell. Bei Mietverlängerung gibt es dann meist Vergünstigungen, etwa mietfreie Monate. Kein Unternehmer würde sich in einen 30-Jahres-Vertrag einsperren lassen. Außerdem ist im Vergleich nicht geregelt, wie am Ende 2035 verfahren werden soll: Rückkauf durch die Stadt? Zu welchem Preis? Weiterer Mietvertrag? In welchem Zustand müssen die Hallen dann sein? Alles unsicher.
Andere zahlen auch
Die Kölner Stadtkämmerin Gabriele Klug meint: »Wir wollen mit diesem Vergleich Rechtssicherheit schaffen, den Streit mit dem Fonds befrieden und Ruhe in das Geschäft der Messe bringen.« Doch was ist das für eine Rechtssicherheit, die Unrecht zukleistert und noch dazu belohnt? Und die den Stadthaushalt schädigt: Während kein Geld beispielsweise für die Flüchtlinge da ist, werden Millionen Euro Multimillionären hinterhergeworfen.
Frau Klug, Mitglied der Grünen und des Kölner Rotary-Clubs, ist auch im Bundesvorstand der deutschen Sektion von Transparency International. Diese Organisation, die ihren guten Ruf errungen hat, weil sie gegen Korruption und für Transparenz eingetreten ist, hilft wohl inzwischen mit, Korruption und deren moderne Formen eher zu verdecken.
Am 20. Januar gab der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung bekannt: Die Stadt zahlt dem US-Konzern Verizon 39 Millionen Euro. Damit darf sie vorzeitig aus einem sogenannten Cross-Border-Leasing-Vertrag aussteigen. Den hatte sie 2005 abgeschlossen. Damals boten US-Investoren an, städtische Infrastruktur, im konkreten Fall Leipzigs Trinkwassernetz, zu kaufen und 100 Jahre lang an die Stadt zu vermieten. Das sei alles legal, der Investor spare in den USA Steuern, und die Stadt werde für ihr Mittun mit einigen Millionen belohnt. Anscheinend war es aber doch nicht so legal, wie die Berater behauptet hatten, und nun verlangen die Investoren von den Städten Entschädigung für den vorzeitigen Ausstieg. Jung teilte seinen Stadträten freudig mit: »Jetzt können wir alle zufrieden sein.« Übrigens: Leipzig steckt noch in zwei weiteren solchen Verträgen.
Es ist eine alte Leier: Stadtobere wollen vor dubiosen Investoren und gewinngeilen Steuerartisten kuschen. Die Berater bleiben ungenannt und ungeschoren. Gewählte Volksvertreter geben es als Erfolg aus, dass sie das Unrecht und die korrupte Dummheit ihrer Vorgänger mit Millionenbeträgen vergolden. Den Bürgern bleibt indes, weiter dafür Steuern zu zahlen. Und die Verschuldung der ohnehin überschuldeten Stadthaushalte steigt weiter.
Veröffentlichung in der NRhZ mit freundlicher Genehmigung des Autors - Erstveröffentlichung in junge Welt vom 04.02.2016
Online-Flyer Nr. 548 vom 10.02.2016
Dubiose Investoren setzen ihre Interessen durch
Knicken Kommunen ein?
Von Werner Rügemer
Am Dienstag, dem 2. Februar 2016, wollte der Kölner Stadtrat Merkwürdiges beschließen: Man werde dem Esch-Oppenheim-Fonds statt der bisherigen 21 Millionen Euro Jahresmiete für vier Messehallen nur noch 15,5 Millionen Euro zahlen. Fünf Millionen weniger Miete bis 2035, das klingt gut für den überschuldeten Stadthaushalt. Auf Antrag der Linken und anderer Oppositionskräfte wurde die Abstimmung allerdings vertagt. Denn der Deal ist schlecht. Denn der Kölner Rat mit seiner CDU-SPD-Grünen-Mehrheit und der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker an der Spitze, hat noch etwas anderes beschlossen: Den Verlust für den Investor gleicht die Stadt zur Hälfte durch eine sofortige Zahlung von 57 Millionen Euro aus. Die niedrigere Miete ist also eine Täuschung.
koelnmesse (Foto: arbeiterfotografie.com)
Und es ist noch schlimmer. 2005 schloss die Stadt Köln mit dem Fonds einen Vertrag: Der Investor baut vier Ausstellungshallen, und die städtische Messegesellschaft mietet diese für 21 Millionen Euro pro Jahr an. Vertragslaufzeit: 30 Jahre. Bei dem Deal ging es nicht transparent zu. Auf Anraten des Beraterkonzerns Ernst & Young verzichtete die Stadt auf die vorgeschriebene öffentliche Ausschreibung und vergab den Auftrag an den Fonds mit der Kölner Traditionsbank Sal. Oppenheim. Anleger waren u.a. Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, der Deichmann- und der Oppenheim-Clan sowie Madeleine Schickedanz, Erbin des Versandkonzerns Quelle. Doch der aufmerksame Kölner Bürger Professor Klaus Feinen, immobilienrechtlich geschult, brachte die EU-Kommission dazu, die Bundesrepublik Deutschland zu verklagen. Der Europäische Gerichtshof EuGH urteilte am 29. Oktober 2009: Der Vertrag ist ungültig, er muss rückabgewickelt werden.
Eine ordentliche Rückabwicklung hätte so ausgesehen: Köln kauft dem Investor die Hallen ab und betreibt sie selbst. Das hätte der Stadt im Vergleich zum ursprünglichen Vertrag etwa 300 Millionen Euro erspart. Doch die Kölschen Klüngelmeister kündigten zwar den Vertrag, aber nicht ganz, sondern zahlten eine etwas niedrigere Nutzungsgebühr und verhandelten und verhandelten, sechs Jahre lang. Es kam zu einem Vergleich.
Gabe an Multimillionäre
Der »Ausgleichsbetrag« von 57 Millionen Euro enthält 5,5 Millionen, mit denen die reichen Anleger in dem als Steuersparmodell angelegten Fonds »entschädigt« werden. Denn durch die etwas niedrigere Miete erleiden sie eine Minderung ihrer Steuervorteile. Das dürfen wir den Multimillionären nicht zumuten, sagen die Stadtoberen.
Den Vergleich abgelehnt haben im Stadtparlament nur Die Linke, die Piraten, die Gruppe »Deine Freunde« und der Einzelvertreter der Freien Wähler. Jörg Detjen von der Linksfraktion kommentierte: »Eine solche Zahlung würde den Oppenheim-Esch-Fonds dafür belohnen, ein rechtswidriges Geschäft abgeschlossen zu haben. Wir lehnen das ab.«
Der Vertrag wurde somit nicht rückabgewickelt, sondern nur ein bisschen verändert. Wie selbst die investorenfreundlichen Gutachter von Price Waterhouse Coopers (PWC) anmerken, ist ein gewerblicher Mietvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren völlig unüblich. Unternehmen mieten Bürogebäude oder Lagerhallen meist fünf bis zehn Jahre, maximal 15 Jahre. Dann wird neu verhandelt. Denn der Markt, die Nutzungsbedürfnisse ändern sich heute schnell. Bei Mietverlängerung gibt es dann meist Vergünstigungen, etwa mietfreie Monate. Kein Unternehmer würde sich in einen 30-Jahres-Vertrag einsperren lassen. Außerdem ist im Vergleich nicht geregelt, wie am Ende 2035 verfahren werden soll: Rückkauf durch die Stadt? Zu welchem Preis? Weiterer Mietvertrag? In welchem Zustand müssen die Hallen dann sein? Alles unsicher.
Andere zahlen auch
Die Kölner Stadtkämmerin Gabriele Klug meint: »Wir wollen mit diesem Vergleich Rechtssicherheit schaffen, den Streit mit dem Fonds befrieden und Ruhe in das Geschäft der Messe bringen.« Doch was ist das für eine Rechtssicherheit, die Unrecht zukleistert und noch dazu belohnt? Und die den Stadthaushalt schädigt: Während kein Geld beispielsweise für die Flüchtlinge da ist, werden Millionen Euro Multimillionären hinterhergeworfen.
Frau Klug, Mitglied der Grünen und des Kölner Rotary-Clubs, ist auch im Bundesvorstand der deutschen Sektion von Transparency International. Diese Organisation, die ihren guten Ruf errungen hat, weil sie gegen Korruption und für Transparenz eingetreten ist, hilft wohl inzwischen mit, Korruption und deren moderne Formen eher zu verdecken.
Am 20. Januar gab der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung bekannt: Die Stadt zahlt dem US-Konzern Verizon 39 Millionen Euro. Damit darf sie vorzeitig aus einem sogenannten Cross-Border-Leasing-Vertrag aussteigen. Den hatte sie 2005 abgeschlossen. Damals boten US-Investoren an, städtische Infrastruktur, im konkreten Fall Leipzigs Trinkwassernetz, zu kaufen und 100 Jahre lang an die Stadt zu vermieten. Das sei alles legal, der Investor spare in den USA Steuern, und die Stadt werde für ihr Mittun mit einigen Millionen belohnt. Anscheinend war es aber doch nicht so legal, wie die Berater behauptet hatten, und nun verlangen die Investoren von den Städten Entschädigung für den vorzeitigen Ausstieg. Jung teilte seinen Stadträten freudig mit: »Jetzt können wir alle zufrieden sein.« Übrigens: Leipzig steckt noch in zwei weiteren solchen Verträgen.
Es ist eine alte Leier: Stadtobere wollen vor dubiosen Investoren und gewinngeilen Steuerartisten kuschen. Die Berater bleiben ungenannt und ungeschoren. Gewählte Volksvertreter geben es als Erfolg aus, dass sie das Unrecht und die korrupte Dummheit ihrer Vorgänger mit Millionenbeträgen vergolden. Den Bürgern bleibt indes, weiter dafür Steuern zu zahlen. Und die Verschuldung der ohnehin überschuldeten Stadthaushalte steigt weiter.
Veröffentlichung in der NRhZ mit freundlicher Genehmigung des Autors - Erstveröffentlichung in junge Welt vom 04.02.2016
Online-Flyer Nr. 548 vom 10.02.2016