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Krieg und Frieden
Hochschule Bremen: Krasser Verstoß gegen die Zivilklausel! Verstoß zügig annullieren!
Zivilklausel raus aus Papiertiger!
Von Dietrich Schulze
In Bremen ist es weiter stürmisch in Sachen Hochschule und Bundeswehr. Die Leitung der Hochschule Bremen, Rektorin Karin Luckey, hatte einen Kooperationsvertrag für einen dualen militärischen Frauenstudiengang Informatik mit der Bundeswehr unterzeichnet. In einer Pressemitteilung des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) vom 24. Mai 2016 [1] wird das als krasser Verstoß gegen die Zivilklausel der Hochschule bezeichnet, in der es heißt: »Studium, Lehre und Forschung an der Hochschule Bremen dienen ausschließlich friedlichen Zwecken. Der Akademische Senat lehnt die Beteiligung von Wissenschaft und Forschung an Projekten mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab.«
Collage: Dietrich Schulze
Selbsthilfe gegen Intransparenz
Die Hochschule bestreitet eine inhaltliche Einflussnahme der Bundeswehr und verweigert die Einsichtnahme in den Vertrag. Ein Student griff zur Selbsthilfe [2] und fragte die Bundeswehr direkt. Ergebnis: »In § 2 heißt es: „Die zeitliche und thematische Aufteilung der Ausbildung wird in einer gesonderten Vereinbarung (Studienverlaufsplan) zwischen Hochschule und BAPersBW [Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr] festgelegt. Bei der Festlegung haben die jeweiligen Belange der Vertragspartner Berücksichtigung zu finden.«
Maßnahmen gegen Hochschule
Damit ist nachgewiesen, dass die Hochschule nicht nur gegen die gültige Zivilklausel verstößt, sondern die Öffentlichkeit belügt. Gegen eine derartige Leitung einer öffentlichen Hochschule müsste die Bremer Landesregierung dringend Maßnahmen einleiten.
Raus aus dem Papiertiger
Das Bremer Friedensforum hatte die Selbsthilfe zusammen mit einer PM [3] am 18. August verbreitet, worin erneut die Annullierung des Kooperationsvertrags gefordert wird. Tags darauf erschien ein interessanter Artikel von Sara Sundermann vom Weser-Kurier im Presseportal [4]. Sie schreibt: »Wenn die Zivilklausel, die Rot-Grün im vergangenen Jahr gezielt gestärkt und im Gesetz verankert hat, etwas wert ist, wie kann dann eine Kooperation mit der Bundeswehr damit vereinbar sein? … Wenn die Zivilklausel nicht greift, verkümmert sie zum Papiertiger.«
Neuer Anlauf
Ja, genau darum geht es. Wie kann die in der Zivilklausel-Frage derzeit vereinzelte Bremer Friedens-, Studierenden- und Gewerkschaftsbewegung einen neuen Anlauf schaffen, um der Zivilklausel Geltung zu verschaffen und den Papiertiger zu Grabe zu tragen? Dieser Frage möchte ich mich mit den folgenden Überlegungen widmen.
Zuvor noch ein kurzer Blick in die Vorgeschichte anhand der bekannten WebDoku [5a] in Form eines Auszugs [5b] zum Suchwort „Hochschule Bremen“. Die Beiträge gehen bis 2012 zurück.
Gehen wir nun „in medias res“. Wie kann ein neuer Anlauf zur wirksamen Zurückweisung der Bundeswehr-Offensive in Bremen aussehen? Dazu habe ich aus anderem Grund im Juni 2015 unter dem Titel „Bremer, hört die Signale“ [6] in Neue Rheinische Zeitung (NRhZ) Stellung bezogen. Es ging um eine Kampagne der Wirtschaftslobby gegen die damals gerade beschlossene Bremer gesetzliche Zivilklausel »Die Hochschulen verfolgen in Forschung, Lehre und Studium ausschließlich friedliche Zwecke.« Warum soll man sich zur Abwechslung nicht einmal selbst zitieren?
Bremer, hört die Signale
Ich schrieb zu der Kampagne:»Wie damit umgehen? Dazu gibt es in Bremen eine großartige Tradition, die lediglich wieder ausgegraben werden muss. Gegen die OHB-Erpressung veröffentlichte im Februar 2011 eine Gruppe von 66 Hochschullehrern und Wissenschaftlern eine Erklärung [7a], in der sie unter Berufung auf die Unabhängigkeit der Universität die steigende Zahl von Stiftungsprofessuren kritisierte. ... Das Bremer Friedensforum hatte damals eine ausführliche Information über die Bremer Rüstungsindustrie im Buch "Rüstungsstandort an der Weser“ [7b] herausgebracht. ... Mit der Erklärung der Hochschullehrer und Wissenschaftler wurde eine lebhafte Diskussion über die Freiheit der Wissenschaft in Bremen und bundesweit initiiert. Alle Friedensbewegten konnten sich auf diese Initiative direkt aus der Wissenschaft berufen. ... Warum sollte es nicht gelingen, heute erneut eine solche ProfessorInnen-Initiative zu einer aktualisierten Erklärung zu gewinnen? ... Ja, ein solcher Neuanlauf erfordert Zivilcourage. Die nachfolgend benannten Bremer Persönlichkeiten mögen mir bitte verzeihen, wenn ich sie beispielhaft und stellvertretend für andere darstelle.« Es folgen zwei Wissenschaftler der Uni Bremen und einer aus der Hochschule Bremen: »Prof. Sönke Hundt, emeritierter Hochschullehrer an der Hochschule Bremen, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Er ist ebenfalls damaliger Unterzeichner, Mitglied im Bremer Friedensforum und durch vielfältige Aktivitäten und Publikationen zur Zivilklausel-Thematik bekannt. ... In den Studierendenvertretungen und im Bremer Friedensforum haben die ProfessorInnen erfahrene und kongeniale Partner für eine neue ProfessorInnen-Erklärung…. Wenn ich mir das abschließend zu erklären erlauben darf. Der Antikriegstag im 70. Jahr der Befreiung von Faschismus und Krieg wäre für die ProfessorInnen-Erklärung ein ausgezeichneter Termin.«
Daraus ist im letzten Jahr nichts geworden. Es gibt sicherlich viele nachvollziehbare Gründe dafür. Aber ebenso nachvollziehbar sollte sein, wenn der Vorschlag hier in Erinnerung gerufen wird.
Bericht Weser-Kurier
Am 20. August hatte die eingangs zitierte Autorin des Weserkurier die unterschiedlichen Positionen veröffentlicht [8]. Die Kritiker: »Im Vorfeld übten bereits der AStA von Hochschule [9a] und Uni [9b], die Jungsozialisten, die Gewerkschaft ver.di und das Bremer Friedensforum Kritik an der Zusammenarbeit. ... Ein langjähriger Lehrbeauftragter will nun wegen der Bundeswehr-Kooperation ab diesem Wintersemester nicht mehr für die Hochschule arbeiten: Der Psychologe Ralf E. Streibl, der neben seiner Arbeit für die Bremer Uni seit 16 Jahren zum Thema „Informatik und Gesellschaft“ an der Hochschule lehrt, steigt aus. Das hatte er bereits im Mai in einem offenen Brief [9c] angekündigt. Ein zweiter Lehrbeauftragter soll hochschulintern ebenfalls seinen Ausstieg aus der Lehre an der Hochschule angekündigt haben. ... Die Linke hingegen erneuert ihre Kritik: „Im Kooperationsvertrag wird festgelegt, dass die Bundeswehr Einfluss auf den Studienverlaufsplan nehmen kann“, sagt Miriam Strunge, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion [9d]. Strunge sieht in der Kooperation, die auch ihre Gründe in der Unterfinanzierung der Hochschule habe, einen Verstoß gegen die Zivilklausel.«
Dass die Wissenschaftsbehörde in Kenntnis der gesetzlichen Zivilklausel keinen Verstoß sieht, zeigt die Unverfrorenheit der Bürokraten. Die von dort überlegte Einrichtung einer Prüfungskommission zur Zivilklausel ist nichts anderes als die Entsorgung der Zivilklausel, was an vielen Hochschulen z.B. mit Ethikkommissionen zur Vertuschung des Militärischen praktiziert wird.
Heutige Kriegspolitik
Zum gegenwärtigen politischen Umfeld hatte Hans-Jörg Kreowski [1] einen einprägsamen Gedanken geäußert:
Dazu noch ein Rückblick in die Bremer Zivilklausel-Geschichte. Am 14. Mai 1986 beschloss der Akademische Senat der Universität Bremen die folgende Zivilklausel: »Der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung an Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Universität auf, Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen können.«
SDI und Zivilklausel
Die äußerst interessante Entstehungsgeschichte wird in dem zuvor zitierten Buch "Rüstungsstandort an der Weser“ [7b] von Rudolph Bauer geschildert. Der Einfachheit darf mich erneut selber zitieren aus diesem Buch:
»Rudolph Bauer zeichnet in seinem Beitrag zur Broschüre die Geschichte der Zivilklausel an der Uni Bremen anschaulich nach, wie diese aus einem Kompromiss aufgrund des 1986 vom Ministerium geforderten forcierten Aufbaus einer Weltraumforschung vor dem Hintergrund einer deutschen Teilnahme an Ronald Reagans „Strategischer Verteidigungsinitiative“ (SDI) entstanden ist. Im Beitrag wird deutlich, dass die Auseinandersetzung heute wie damals im Kern um den gleichen Sachverhalt geht: Wirtschaft, Politik und etablierte Wissenschaft wollen die Universitäten dienstbar machen für deutsche Großmachtpolitik und beteiligen sich an der Militarisierung. Studierende, Beschäftigte, kritische WissenschaftlerInnen und Friedensorganisationen suchen Wege, die Autonomie, die Freiheit des Denkens und die geschichtliche Verpflichtung der Hochschulen zu Friedensbeiträgen zu verteidigen. Eine ähnliche Auseinandersetzung zur geforderten Teilnahme am SDI-Programm gab es vor 25 Jahren in den ehemaligen Kernforschungseinrichtungen. Die öffentlich finanzierten Großforschungseinrichtungen haben seit ihrer Gründung 1956 wegen des Kernwaffenforschungsverbots eine Zivilklausel mit dem Wortlaut: „Die Gesellschaft verfolgt nur friedliche Zwecke.“ In meiner Betriebsrats-Dokumentation werden die aufschlussreichen Ereignisse treffend skizziert [10]. Die wichtigste Botschaft: Die Zivilklausel wurde geschützt und die erfolgreichen Proteste haben das Verantwortungsbewusstsein gestärkt. Mehrere weitere Versuche einer zivilmilitärischen Aushöhlung der Zivilklausel wurden gleichfalls zurück gewiesen. Die Friedensbindung wurde gelebt und dadurch zum Selbstverständnis der WissenschaftlerInnen, Beschäftigten und des Managements.«
Beitrag zum Friedensratschlag 2016
Nun zurück zur Gegenwart. Zum angepeilten Termin einer neuen ProfessorInnen-Erklärung ist natürlich der 77. Jahrestag des Antikriegstags deutlich zu früh. Die als erkämpfte Abwehr gegen Militärisches entstandene Bremer Zivilklausel sollte nach 30 Jahren Verpflichtung zum Schutz des Erkämpften gegen neue deutsche Militär- und Großmachtpolitik sein. Es wäre wunderbar, wenn eine neue ProfessorInnen-Erklärung im Vorfeld des Kasseler Friedensratschlag veröffentlicht werden könnte, auch im Sinne einer Ehrung von Peter Strutynski. Hier sind viele unterstützende Persönlichkeiten und Gruppen benannt. Klug koordinierende Köpfe und Hände müssten das doch schaffen können.
Quellen:
[1] http://www.fiff.de/presse/pressemitteilungen/fiff-kritisiert-kooperation-der-hochschule-bremen-mit-der-bundeswehr
[2] https://fragdenstaat.de/anfrage/ifg-anfrage-zum-vertrag-mit-der-hochschule-bremen/
[3] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20160818bff.pdf
[4] http://www.presseportal.de/pm/30479/3408341
[5a] http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf
[5b] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20160819wd.pdf
[6] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21705
[7a] http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Schule/bremen-uni.html
[7b] http://www.bremerfriedensforum.de/pdf/Broschuere_gesamt.pdf
[8] http://www.weser-kurier.de/bremen_artikel,-Krieg-Frieden-und-Frauenfoerderung-_arid,1440666.html
[9a] http://www.asta-hsb.de/einfuehrung-dualer-studiengaenge-sorgt-fuer-unmut-kooperation-mit-der-bundeswehr-und-fehlende-konzepte-bringen-studierende-auf-die-barrikaden-blockade-des-akademischen-senats-am-26-04-2016/
[9b] http://www.asta.uni-bremen.de/solidaritaetserklaerung-mit-ralf-streibl/
[9c] http://www.bremerfriedensforum.de/pdf/HSB_offener_brief.pdf
[9d] http://www.linksfraktion-bremen.de/nc/buergerschaft/aktuell/detail/zurueck/aktuell-2/artikel/bundeswehr-studiengang-trotz-zivilklausel-keine-kooperation-mit-der-armee-an-der-hochschule-bremen/
[10] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20020614.pdf
Über den Autor: Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord). 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit und publizistisch tätig. Email dietrich.schulze@gmx.de
Online-Flyer Nr. 576 vom 24.08.2016
Hochschule Bremen: Krasser Verstoß gegen die Zivilklausel! Verstoß zügig annullieren!
Zivilklausel raus aus Papiertiger!
Von Dietrich Schulze
In Bremen ist es weiter stürmisch in Sachen Hochschule und Bundeswehr. Die Leitung der Hochschule Bremen, Rektorin Karin Luckey, hatte einen Kooperationsvertrag für einen dualen militärischen Frauenstudiengang Informatik mit der Bundeswehr unterzeichnet. In einer Pressemitteilung des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) vom 24. Mai 2016 [1] wird das als krasser Verstoß gegen die Zivilklausel der Hochschule bezeichnet, in der es heißt: »Studium, Lehre und Forschung an der Hochschule Bremen dienen ausschließlich friedlichen Zwecken. Der Akademische Senat lehnt die Beteiligung von Wissenschaft und Forschung an Projekten mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab.«
Collage: Dietrich Schulze
Selbsthilfe gegen Intransparenz
Die Hochschule bestreitet eine inhaltliche Einflussnahme der Bundeswehr und verweigert die Einsichtnahme in den Vertrag. Ein Student griff zur Selbsthilfe [2] und fragte die Bundeswehr direkt. Ergebnis: »In § 2 heißt es: „Die zeitliche und thematische Aufteilung der Ausbildung wird in einer gesonderten Vereinbarung (Studienverlaufsplan) zwischen Hochschule und BAPersBW [Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr] festgelegt. Bei der Festlegung haben die jeweiligen Belange der Vertragspartner Berücksichtigung zu finden.«
Maßnahmen gegen Hochschule
Damit ist nachgewiesen, dass die Hochschule nicht nur gegen die gültige Zivilklausel verstößt, sondern die Öffentlichkeit belügt. Gegen eine derartige Leitung einer öffentlichen Hochschule müsste die Bremer Landesregierung dringend Maßnahmen einleiten.
Raus aus dem Papiertiger
Das Bremer Friedensforum hatte die Selbsthilfe zusammen mit einer PM [3] am 18. August verbreitet, worin erneut die Annullierung des Kooperationsvertrags gefordert wird. Tags darauf erschien ein interessanter Artikel von Sara Sundermann vom Weser-Kurier im Presseportal [4]. Sie schreibt: »Wenn die Zivilklausel, die Rot-Grün im vergangenen Jahr gezielt gestärkt und im Gesetz verankert hat, etwas wert ist, wie kann dann eine Kooperation mit der Bundeswehr damit vereinbar sein? … Wenn die Zivilklausel nicht greift, verkümmert sie zum Papiertiger.«
Neuer Anlauf
Ja, genau darum geht es. Wie kann die in der Zivilklausel-Frage derzeit vereinzelte Bremer Friedens-, Studierenden- und Gewerkschaftsbewegung einen neuen Anlauf schaffen, um der Zivilklausel Geltung zu verschaffen und den Papiertiger zu Grabe zu tragen? Dieser Frage möchte ich mich mit den folgenden Überlegungen widmen.
Zuvor noch ein kurzer Blick in die Vorgeschichte anhand der bekannten WebDoku [5a] in Form eines Auszugs [5b] zum Suchwort „Hochschule Bremen“. Die Beiträge gehen bis 2012 zurück.
Gehen wir nun „in medias res“. Wie kann ein neuer Anlauf zur wirksamen Zurückweisung der Bundeswehr-Offensive in Bremen aussehen? Dazu habe ich aus anderem Grund im Juni 2015 unter dem Titel „Bremer, hört die Signale“ [6] in Neue Rheinische Zeitung (NRhZ) Stellung bezogen. Es ging um eine Kampagne der Wirtschaftslobby gegen die damals gerade beschlossene Bremer gesetzliche Zivilklausel »Die Hochschulen verfolgen in Forschung, Lehre und Studium ausschließlich friedliche Zwecke.« Warum soll man sich zur Abwechslung nicht einmal selbst zitieren?
Bremer, hört die Signale
Ich schrieb zu der Kampagne:»Wie damit umgehen? Dazu gibt es in Bremen eine großartige Tradition, die lediglich wieder ausgegraben werden muss. Gegen die OHB-Erpressung veröffentlichte im Februar 2011 eine Gruppe von 66 Hochschullehrern und Wissenschaftlern eine Erklärung [7a], in der sie unter Berufung auf die Unabhängigkeit der Universität die steigende Zahl von Stiftungsprofessuren kritisierte. ... Das Bremer Friedensforum hatte damals eine ausführliche Information über die Bremer Rüstungsindustrie im Buch "Rüstungsstandort an der Weser“ [7b] herausgebracht. ... Mit der Erklärung der Hochschullehrer und Wissenschaftler wurde eine lebhafte Diskussion über die Freiheit der Wissenschaft in Bremen und bundesweit initiiert. Alle Friedensbewegten konnten sich auf diese Initiative direkt aus der Wissenschaft berufen. ... Warum sollte es nicht gelingen, heute erneut eine solche ProfessorInnen-Initiative zu einer aktualisierten Erklärung zu gewinnen? ... Ja, ein solcher Neuanlauf erfordert Zivilcourage. Die nachfolgend benannten Bremer Persönlichkeiten mögen mir bitte verzeihen, wenn ich sie beispielhaft und stellvertretend für andere darstelle.« Es folgen zwei Wissenschaftler der Uni Bremen und einer aus der Hochschule Bremen: »Prof. Sönke Hundt, emeritierter Hochschullehrer an der Hochschule Bremen, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Er ist ebenfalls damaliger Unterzeichner, Mitglied im Bremer Friedensforum und durch vielfältige Aktivitäten und Publikationen zur Zivilklausel-Thematik bekannt. ... In den Studierendenvertretungen und im Bremer Friedensforum haben die ProfessorInnen erfahrene und kongeniale Partner für eine neue ProfessorInnen-Erklärung…. Wenn ich mir das abschließend zu erklären erlauben darf. Der Antikriegstag im 70. Jahr der Befreiung von Faschismus und Krieg wäre für die ProfessorInnen-Erklärung ein ausgezeichneter Termin.«
Daraus ist im letzten Jahr nichts geworden. Es gibt sicherlich viele nachvollziehbare Gründe dafür. Aber ebenso nachvollziehbar sollte sein, wenn der Vorschlag hier in Erinnerung gerufen wird.
Bericht Weser-Kurier
Am 20. August hatte die eingangs zitierte Autorin des Weserkurier die unterschiedlichen Positionen veröffentlicht [8]. Die Kritiker: »Im Vorfeld übten bereits der AStA von Hochschule [9a] und Uni [9b], die Jungsozialisten, die Gewerkschaft ver.di und das Bremer Friedensforum Kritik an der Zusammenarbeit. ... Ein langjähriger Lehrbeauftragter will nun wegen der Bundeswehr-Kooperation ab diesem Wintersemester nicht mehr für die Hochschule arbeiten: Der Psychologe Ralf E. Streibl, der neben seiner Arbeit für die Bremer Uni seit 16 Jahren zum Thema „Informatik und Gesellschaft“ an der Hochschule lehrt, steigt aus. Das hatte er bereits im Mai in einem offenen Brief [9c] angekündigt. Ein zweiter Lehrbeauftragter soll hochschulintern ebenfalls seinen Ausstieg aus der Lehre an der Hochschule angekündigt haben. ... Die Linke hingegen erneuert ihre Kritik: „Im Kooperationsvertrag wird festgelegt, dass die Bundeswehr Einfluss auf den Studienverlaufsplan nehmen kann“, sagt Miriam Strunge, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion [9d]. Strunge sieht in der Kooperation, die auch ihre Gründe in der Unterfinanzierung der Hochschule habe, einen Verstoß gegen die Zivilklausel.«
Dass die Wissenschaftsbehörde in Kenntnis der gesetzlichen Zivilklausel keinen Verstoß sieht, zeigt die Unverfrorenheit der Bürokraten. Die von dort überlegte Einrichtung einer Prüfungskommission zur Zivilklausel ist nichts anderes als die Entsorgung der Zivilklausel, was an vielen Hochschulen z.B. mit Ethikkommissionen zur Vertuschung des Militärischen praktiziert wird.
Heutige Kriegspolitik
Zum gegenwärtigen politischen Umfeld hatte Hans-Jörg Kreowski [1] einen einprägsamen Gedanken geäußert:
Dazu noch ein Rückblick in die Bremer Zivilklausel-Geschichte. Am 14. Mai 1986 beschloss der Akademische Senat der Universität Bremen die folgende Zivilklausel: »Der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung an Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Universität auf, Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen können.«
SDI und Zivilklausel
Die äußerst interessante Entstehungsgeschichte wird in dem zuvor zitierten Buch "Rüstungsstandort an der Weser“ [7b] von Rudolph Bauer geschildert. Der Einfachheit darf mich erneut selber zitieren aus diesem Buch:
»Rudolph Bauer zeichnet in seinem Beitrag zur Broschüre die Geschichte der Zivilklausel an der Uni Bremen anschaulich nach, wie diese aus einem Kompromiss aufgrund des 1986 vom Ministerium geforderten forcierten Aufbaus einer Weltraumforschung vor dem Hintergrund einer deutschen Teilnahme an Ronald Reagans „Strategischer Verteidigungsinitiative“ (SDI) entstanden ist. Im Beitrag wird deutlich, dass die Auseinandersetzung heute wie damals im Kern um den gleichen Sachverhalt geht: Wirtschaft, Politik und etablierte Wissenschaft wollen die Universitäten dienstbar machen für deutsche Großmachtpolitik und beteiligen sich an der Militarisierung. Studierende, Beschäftigte, kritische WissenschaftlerInnen und Friedensorganisationen suchen Wege, die Autonomie, die Freiheit des Denkens und die geschichtliche Verpflichtung der Hochschulen zu Friedensbeiträgen zu verteidigen. Eine ähnliche Auseinandersetzung zur geforderten Teilnahme am SDI-Programm gab es vor 25 Jahren in den ehemaligen Kernforschungseinrichtungen. Die öffentlich finanzierten Großforschungseinrichtungen haben seit ihrer Gründung 1956 wegen des Kernwaffenforschungsverbots eine Zivilklausel mit dem Wortlaut: „Die Gesellschaft verfolgt nur friedliche Zwecke.“ In meiner Betriebsrats-Dokumentation werden die aufschlussreichen Ereignisse treffend skizziert [10]. Die wichtigste Botschaft: Die Zivilklausel wurde geschützt und die erfolgreichen Proteste haben das Verantwortungsbewusstsein gestärkt. Mehrere weitere Versuche einer zivilmilitärischen Aushöhlung der Zivilklausel wurden gleichfalls zurück gewiesen. Die Friedensbindung wurde gelebt und dadurch zum Selbstverständnis der WissenschaftlerInnen, Beschäftigten und des Managements.«
Beitrag zum Friedensratschlag 2016
Nun zurück zur Gegenwart. Zum angepeilten Termin einer neuen ProfessorInnen-Erklärung ist natürlich der 77. Jahrestag des Antikriegstags deutlich zu früh. Die als erkämpfte Abwehr gegen Militärisches entstandene Bremer Zivilklausel sollte nach 30 Jahren Verpflichtung zum Schutz des Erkämpften gegen neue deutsche Militär- und Großmachtpolitik sein. Es wäre wunderbar, wenn eine neue ProfessorInnen-Erklärung im Vorfeld des Kasseler Friedensratschlag veröffentlicht werden könnte, auch im Sinne einer Ehrung von Peter Strutynski. Hier sind viele unterstützende Persönlichkeiten und Gruppen benannt. Klug koordinierende Köpfe und Hände müssten das doch schaffen können.
Quellen:
[1] http://www.fiff.de/presse/pressemitteilungen/fiff-kritisiert-kooperation-der-hochschule-bremen-mit-der-bundeswehr
[2] https://fragdenstaat.de/anfrage/ifg-anfrage-zum-vertrag-mit-der-hochschule-bremen/
[3] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20160818bff.pdf
[4] http://www.presseportal.de/pm/30479/3408341
[5a] http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf
[5b] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20160819wd.pdf
[6] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21705
[7a] http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Schule/bremen-uni.html
[7b] http://www.bremerfriedensforum.de/pdf/Broschuere_gesamt.pdf
[8] http://www.weser-kurier.de/bremen_artikel,-Krieg-Frieden-und-Frauenfoerderung-_arid,1440666.html
[9a] http://www.asta-hsb.de/einfuehrung-dualer-studiengaenge-sorgt-fuer-unmut-kooperation-mit-der-bundeswehr-und-fehlende-konzepte-bringen-studierende-auf-die-barrikaden-blockade-des-akademischen-senats-am-26-04-2016/
[9b] http://www.asta.uni-bremen.de/solidaritaetserklaerung-mit-ralf-streibl/
[9c] http://www.bremerfriedensforum.de/pdf/HSB_offener_brief.pdf
[9d] http://www.linksfraktion-bremen.de/nc/buergerschaft/aktuell/detail/zurueck/aktuell-2/artikel/bundeswehr-studiengang-trotz-zivilklausel-keine-kooperation-mit-der-armee-an-der-hochschule-bremen/
[10] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20020614.pdf
Über den Autor: Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord). 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit und publizistisch tätig. Email dietrich.schulze@gmx.de
Online-Flyer Nr. 576 vom 24.08.2016