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Kommentar
Gedanken zu Aktionen gegen den Krieg
September-Erwachen
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Plant der "Deutsche Imperialismus" einen Dritten Weltkrieg? Anne Rieger, Co-Sprecherin Bundesausschuss Friedensratschlag und Ex-IG-Metall-Bevollmächtigte in Waiblingen, sagt dazu bei der Kundgebung zum Antikriegstag am 1. September 2016 in Bremen: „Zweimal bereits haben deutsche Großkonzerne mit deutschen Regierungen Eroberungskriege geführt... Immer war das Ziel höhere Profite für Konzerne. Wir stehen heute hier, damit solcher Terror nicht zum dritten Mal geschieht.“ Den Hauptkriegsakteur von heute erwähnt sie nicht. Auf einem roten Transparent ist Deutschland als Stiefel mit Stahlhelm dargestellt, und es ist zu lesen: „Ein drittes Mal? Mit uns nie wieder!“ Die Macht, von der die Hauptkriegsgefahr ausgeht, bleibt unbenannt.


Antikriegstag 2016 in Bremen (Foto: arbeiterfotografie.com)

Anne Rieger verurteilt die Invasion türkischer Truppen in Syrien: „Wir verurteilen die Zusammenarbeit und Unterstützung der Bundesregierung mit Kriegstreibern wie Erdogan. Der Einmarsch der türkischen Armee in Syrien ist Völkerrechtsbruch und muss mit Sanktionen beantwortet werden.“ Der Hauptverursacher des Krieges in Syrien bleibt unbenannt. „Wir verurteilen die Zusammenarbeit und Unterstützung der Bundesregierung mit Kriegstreibern wie Obama und seinen Hintermännern. Das Operieren des US-Imperiums in Syrien ist Völkerrechtsbruch und muss mit Sanktionen beantwortet werden.“ Das sagt Anne Rieger nicht.

Szenenwechsel: Kurden-Kundgebung zwei Tage später in Köln. An der Großbühne steht: „Weder Militärputsch noch AKP-Diktatur!“ „Ein paar junge Frauen tragen grüne Kampfanzüge, versehen mit einem Aufnäher der YPG – jener syrisch-kurdischen Truppe, die im Norden Syriens eine friedliche Zone gegen den Islamischen Staat verteidigt und als engster Verbündeter von NATO und USA in dem Land gilt.“ Das schreibt n-tv über die Kundgebung am 3.9.2016 in einem Artikel mit der Überschrift „Erdogan, du Mörder“. „Keine Kumpanei mit Erdogan“, ist beim Antikriegstag in Bremen zu lesen. Wo bleibt der Slogan „Keine Kumpanei mit Obama“? Und auch ein Slogan wie „Obama, du Mörder“ ist nicht zu finden.

Im "Friedensforum – Zeitschrift der Friedensbewegung", Ausgabe September/Oktober 2016, werden Passagen aus dem Interview wiedergegeben, das die Tageszeitung "junge Welt" mit Tobias Pflüger, stellvertretender Vorsitzender der Partei Die Linke und einer der Initiatoren für die Gründung der Informationsstelle Militarisierung (IMI), geführt und am 2.7.2016 mit dem Titel „Wer nur die USA sieht, entschuldigt den deutschen Imperialismus“ veröffentlicht hat. Der junge-Welt-Interviewer formuliert zum Schluss folgenden Satz: „Von Deutschland aus betrachtet sind die USA ein wenig weit entfernt. Der deutsche Imperialismus liegt als Ziel doch viel näher.“ Dazu Tobias Pflüger: „Das sehe ich auch so, da bin ich völlig Liebknechtianer: Der Hauptfeind steht im eigenen Land...“ Die USA betreiben hunderte von Militärbasen weltweit – nicht wenige davon in Deutschland. Sind die – wie beispielsweise Ramstein – womöglich Teil der USA und damit auch „ein wenig weit entfernt“?

Am 9. September 2016 erfahren wir von einem Pfarrer, wie wir denken sollen. Hans Christoph Stoodt schreibt in der Wochenzeitung "Unsere Zeit" – in einem von der Redaktion nicht mitgetragenen Debattenbeitrag: „Je weiter sich heutige linke Kräfte von der Aufgabe des Kampfs gegen den im jeweils eigenen Land stehenden Hauptfeind entfernen, um so mehr leisten sie einen Beitrag zur Verlängerung des Elends, unter dem sie leiden und das sie bekämpfen wollen. Wenn sie dafür antiimperialistische und internationalistische Begrifflichkeiten und Slogans nutzen, leisten sie damit objektiv einen Beitrag dazu, diesen ihre Glaubwürdigkeit zu nehmen.“

Den gegenwärtigen Hauptfeind der Menschheit, der fast die ganze Welt mit seinen Metastasen, mit Militärbasen und Krieg überzieht, sollen wir nicht sehen. Er sei „ein wenig weit entfernt“. Wer den Hauptkriegsmotor ins Blickfeld rückt, leiste angeblich "einen Beitrag zur Verlängerung des Elends". Und wer dabei noch antiimperialistisch und internationalistisch argumentiert, nehme der Argumentation ihre Glaubwürdigkeit. Die Strategen der "Einzigen Weltmacht" können sich bedanken für diese Versuche der Desorientierung. Wacht auf, Verdammte dieser Erde!


Vorab-Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 18 (September 2016) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.

 

Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/



Siehe auch:

Der Hauptfeind steht im eigenen Land
Betrachtung in der Imperialismus-Frage
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 545 vom 13.01.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22464

Rockefeller, die Ford Foundation und das Weltsozialforum
Das große Geld finanziert sozialen Aktivismus
"...das gilt auch für die Friedensbewegung... sie wird finanziert, um sie besser kontrollieren zu können"
Von Michel Chossudovsky / LUFTPOST
NRhZ 579 vom 14.09.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23125

Online-Flyer Nr. 579  vom 14.09.2016



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