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Globales
Nach der US-Präsidentschaftswahl
US-Präsident Donald Trump: Europa sortiert sich neu
Von Werner Rügemer
Die politischen und medialen Eliten der Europäischen Union prangern Donald Trump (noch) als „Rechtspopulisten“ an. Doch auch in der Europäischen Union tobt der Kampf zwischen den Primärpopulisten der (noch) regierenden „Volks“Parteien und den Sekundärpopulisten der neuen Rechten. Militärs, Geheimdienste und Investoren sehen das gelassen, bisher.
Deutsche Regierung und EU: „Mehr Eigenständigkeit!“
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die politische Führungsfigur in der Europäischen Union, machte nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses etwas Einmaliges: Sie stellte dem künftigen US-Präsidenten Bedingungen für die Zusammenarbeit. Noch nie hatte ein Regierungschef eines europäischen NATO-Mitgliedsstaats – außer dem Franzosen Charles de Gaulle in den 1960er Jahren – so etwas getan. Als Bedingung nannte Merkel die Achtung von „Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde jedes einzelnen Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung und politischer Einstellung.“ Damit spielte sie kritisch auf Äußerungen Trumps an, der Mexikaner und Muslime angegriffen und sich Frauen gegenüber als Macho gezeigt hatte. Damit begab sich Merkel auf die populistische Ebene, die harten Fragen der weltweiten Kriege, der Niedriglöhnerei und der Arbeitslosigkeit in der maroden westlichen Wirtschaft blendete sie aus.
Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker bezeichnete Trump als gefährlich, „weil er die NATO infrage stellt, das heißt das Modell, auf dem die Verteidigung Europas beruht“. Die deutsche Ministerin, die zusammen mit der bisherigen US-Regierung unter Barack Obama für die neuen Kriege zuständig ist, Ursula von der Leyen, kritisierte Trumps Forderung, dass die Europäer für die militärische Präsenz der USA mehr bezahlen. Von der Leyen forderte prinzipielle Bündnistreue. So wie alle NATO-Mitglieder im bisher einzigen Bündnisfall an der Seite der USA gestanden hätten, nämlich nach dem Angriff auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001. Gegenwärtig bestehe die Bündnistreue vor allem darin, gemeinsam die Aggression Russlands zu bekämpfen. Außerdem versucht die Ministerin die Situation zu nutzen, um alte Pläne des wichtigsten europäischen US-Vasallen, der Bundesrepublik Deutschland, nach vorn zu bringen: Die Europäische Union müsse selber stärker aufrüsten. Aber das hatte auch schon Obama gefordert und die NATO 2014 beschlossen.
Nötig sei irgendetwas wie eine Europäische Verteidigungsunion. Daran basteln auch die französische Regierung und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Dieses europäische Gebilde müsse aber weiter Teil der NATO bleiben und von den USA geführt werden, bettelte der norwegische NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Amerikanische Führung ist wichtig wie immer. Unsere Allianz hat die engsten Freunde der USA in Zeiten von Frieden und Konflikten zusammengebracht und dies für fast 70 Jahre.“
Die privilegierten Verbündeten
Nach der Wahl rief Trump die neun Regierungschefs an, die ihm offensichtlich am wichtigsten sind. Darunter waren nur wenige Europäer. An erster Stelle versicherte Trump Benjamin Netanyahu die ganz besondere Beziehung zu Israel: Er sei ein „Freund, wie ihn der jüdische Staat noch niemals zuvor gesehen habe“.
Dann sprach sich Trump mit den Regierungschefs der anderen für ihn wichtigen Staaten ab: Ägypten, Japan, Südkorea, Mexiko, Indien und Australien. In Europa bekamen diese Auszeichnung der türkische Diktator Erdogan, denn die Türkei ist – neben Israel – traditionell der wichtigste NATO- und militärische US-Partner im Vorderen Orient. Danach folgte der irische Ministerpräsident Enda Kenny – Irland ist innerhalb der Europäischen Union eine wichtige Finanzoase und Standort für Billigproduktion US-amerikanischer Konzerne. Außerdem betreibt der Immobilienmogul Trump in Irland eine luxuriöse Golf-Hotel-Freizeit-Anlage.
Dann kontaktierte er die britische Ministerpräsidentin Theresa May. Trump – „Theresa is my Maggie“ – will an das Bündnis zwischen Ronald Reagan und Margret Thatcher in 1980er Jahren anknüpfen. Welche Seiten des damaligen antikommunistischen und neoliberalen Kreuzzugs Trump genau meint, ließ er offen. Jedenfalls solle die special relationship neu belebt werden. Brexit, der Ausstieg Großbritanniens aus der EU, sei ein hervorragender Anlass.
Ein anderer Brite hat schon länger enge Beziehungen zum künftigen Präsidenten: Nigel Farage, Vorsitzender der britischen Unabhängigkeitspartei (United Kingdom Independent Party, UKIP). Er trieb seit einem Jahrzehnt den Brexit voran. Er unterstützte Trump schon während des Wahlkampfes in den USA und hat sich mit ihm nach dem Wahlsieg bereits in der New Yorker Residenz des nächsten US-Präsidenten getroffen, im Trump Tower.
Die braven Verbündeten
Die restlichen westeuropäischen Regierungschefs hatten sich für Hillary Clinton eingesetzt, finden sich aber schnell mit Trump zurecht. Der französische Staatschef Francois Hollande deutete zunächst an, es könne „eine Periode der Unsicherheit“ in den Beziehungen geben. Doch der sozialistische Populist gab bekannt, er habe sich in einem Telefonat mit Trump verständigt: Beim Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus sowie in der Ukraine gegen Russland; auch über Syrien und den Irak habe man gesprochen. Hollande sucht den Konsens und beschwört die seit dem US-Unabhängigkeitskrieg bestehende französisch-amerikanische Freundschaft.
Der italienische Premierminister Matteo Renzi schwärmte von einer „neuen Ära“. Der Mitte-Links-Populist beschwor die „strategische Allianz zwischen Italien und den Vereinigten Staaten“, sie bleibe „stark und stabil“. Italien beherbergt traditionell nach Deutschland die meisten US-Militärbasen und unterliegt seit dem 2. Weltkrieg starkem politischem US-Einfluss.
Ähnlich äußerte sich der spanische Regierungschef Mariano Rajoy. „Wir werden weiter daran arbeiten, die traditionell guten Beziehungen mit den Vereinigten Staaten zu verstärken. Sie sind der unersetzliche Bündnispartner.“ Die spanischen „Konservativen“ hoffen auf die Hilfe der USA in der Abwehr der aufkommenden linken Kräfte.
Überraschen mag die positive Haltung des linken griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Trump hatte im Wahlkampf betont, dass nicht die USA, sondern vor allem die deutsche Regierung für das griechische Schuldenproblem zuständig sei. Freilich ließ Trump ähnlich wie Obama die ursächliche Rolle des IWF und der Wall Street – Goldman Sachs, Blackrock und der US-Ratingagenturen – ungenannt. Tsipras beteuerte, Griechenland werde „weiter eine große Bedeutung für die US-Außenpolitik spielen“. Dabei vergaß er freundlich den von CIA und NATO organisierten Militärputsch von 1967, der den wahrscheinlichen Wahlsieg einer US-kritischen Koalition verhinderte. Griechenland unterhält auch weiter bei allen schmerzhaften sozialen Kürzungen den höchsten Militärhaushalt in der EU (bezogen auf die Zahl der Bevölkerung).
Russland und Osteuropa
Trump hatte im Wahlkampf angedeutet, dass er sich aus Konflikten in Europa eher heraushalten und in Syrien den IS statt Assad bekämpfen wolle. In den westlichen Leitmedien wurde deshalb von einer gefährlichen „Männerfreundschaft“ zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Putin gefaselt. Der gratulierte Trump ohne Euphorie. „Ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingen wird, die russisch-amerikanischen Beziehungen aus der Krise zu holen.“
Ost- und westeuropäische Regierungen waren schockiert, als Putin Trump nun vorschlug, die neuerdings an der russischen Grenze aufgestellten US- und NATO-Truppen zurückzuziehen. Ojars Kalnius, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament Lettlands klagte: Es sei „gefährlich und verantwortungslos“, dass der NATO-Schutz zukünftig „eine bezahlte Dienstleistung“ sein solle. Die baltischen Regierungen fürchten, Trump werde sie schutzlos dem russischen Bären überlassen. Vor allem die deutsche Regierung, der treueste US-Vasall in Europa, sieht das Grundgerüst der NATO bedroht, obwohl es keine Anzeichen einer russischen Expansion gibt und Russland gegenüber den NATO-Staaten wirtschaftlich und militärisch weit unterlegen ist.
Eine besondere Rolle spielt die Ukraine. Trump hatte sich am Rande der UN-Vollversammlung geweigert, den ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko zu empfangen, im Unterschied zu Killary Clinton. Nach einiger Zeit rang sich Poroschenko zu einem Glückwunsch durch, der mit dem Wunsch verbunden war, „gemeinsam gegen die russische Aggression, für Freiheit und Demokratie“ vorzugehen. Dafür müssten die Vereinigten Staaten „unser wichtigster Partner“ bleiben. Es ist schon eine (scheinbar) vertrackte Situation: US-Regierung, NATO und die Europäische Union arbeiten eng mit den rechtsradikalen Putschisten in der Ukraine zusammen – und der als Rechtspopulist gescholtene Trump ist hier skeptisch.
Bedeutsame, aber gar nicht von Trump ausgelöste Reaktionen zeigten sich in anderen osteuropäischen Staaten bei jetzigen Wahlen. In Bulgarien wurde Rumen Radew zum neuen Staatspräsidenten gewählt. Er will das durch die EU-Mitgliedschaft verarmte Land enger an Russland anbinden. Wie bei Trump kam diese Wahl für die EU-Populisten „überraschend“.
In Moldawien/Republik Moldau gewann ebenso „überraschend“ der Sozialist Igor Dodon, der ebenfalls mehr mit Russland kooperieren will: Er siegte mit seinem Programm gegen die grassierende Korruption der prowestlichen Führung.
Gegenüber dem verarmten, abgehängten EU-Hinterhof Osteuropas sind die führenden EU-Populisten mindestens genauso blind wie gegenüber den verarmten und abgehängten Bevölkerungsteilen in den großen EU-Staaten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien. Überall braut sich Kritik und Widerstand zusammen, der vielfach noch verqueren Ausdruck findet wie beim Brexit – aber das muss nicht so bleiben.
Die moderne europäische Rechte
Die modernisierte Rechte in Europa begrüßte einhellig den Wahlsieg Trumps. Mit ihm und den verwandten Bewegungen in Europa sei das „Ende des 20. Jahrhunderts“ gekommen, es entstehe „eine neue Welt“. Allerdings will man Trumps ruppige Tonart nicht so direkt nach Westeuropa übertragen.
Geert Wilders, Vorsitzender der niederländischen Partei für die Freiheit, sieht mit Trumps Sieg über die Eliten und das Establishment eine „neue revolutionäre Ordnung geboren“. Wilders will nun die Niederlande „den Holländern zurückgeben“. Die Alternative für Deutschland (AfD) imitiert Trumps Slogan ähnlich zu „Make Germany Great Again“.
Die wichtigste Repräsentantin dieser Szene ist Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front National in Frankreich. Sie hofft nach dem selbstzerstörerischen Niedergang der Sozialistischen Partei unter Francois Hollande und der Zerstrittenheit der Konservativen darauf, 2017 zur Staatspräsidentin gewählt zu werden. Trumps Wahl bestätige ihre eigene Strategie: „Wenn die Menschen ihr Schicksal in die Hand nehmen wollen, dann können sie es tun, trotz ständiger Verunglimpfung und Infantilisierung.“ Wie in den USA seien „viele Franzosen Opfer der Globalisierung und Einwanderung“ – in de-industrialisierten Regionen wird der Front National auch von ehemaligen Anhängern der kommunistischen und sozialistischen Parteien gewählt.
Für Rechte dieser Art gehört zu ihrer neuen Welt auch der endgültige Abschied von „der Linken“. Dazu wird auch alles gemäßigt Sozialdemokratische und Linksliberale gezählt. „Die Linken und das korrupte, arrogante Establishment werden nun Zug und Zug bestraft“, so Heinz-Christian Strache, Vorsitzender der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ).
Diese Parteien treten wie Trump zum Teil auch für eine Verständigung mit Russland ein, so etwa die AfD. Das ergibt eine komplizierte Gemengelage.
Zufriedene Investoren – und was macht die Friedensbewegung?
Die Wahlbeteiligung in den USA war jetzt mit gut 50 Prozent noch niedriger als früher. Zwischen dem Stimmenanteil der beiden korrupten US-Regierungsparteien hat sich wenig geändert. Trump wie Clinton wurden jeweils von weniger als einem Viertel der Wahlberechtigten gewählt. Und eigentlich hat Clinton mit 200.000 Stimmen mehr die Wahl gewonnen. Aber das von 1786 stammende Wahlmännersystem, das die südlichen Sklavenstaaten aufwertete (Schwarze durften nicht wählen, wurden aber für die Berechnung der Wahlmänner mitgezählt) verfälschte das Ergebnis zugunsten von Trump. Keine der beiden großen „Volks“Parteien hat bisher versucht, dieses antidemokratische System abzuschaffen.
Das Ergebnis wird in der „westlichen Wertegemeinschaft“ trotzdem anerkannt und hat eine hohe symbolische Bedeutung oder besser: Es wird für bisher mehr oder weniger latente Absichten zu einer relativen Neuordnung genutzt. Welche Dynamik damit auf mittlere und längere Sicht ausgelöst wird, ist in der politisch, ökonomisch, militärisch und moralisch instabilen Situation des transatlantischen Kapitalismus jetzt nicht absehbar.
Einiges ist aber sehr klar. Erstens: Auf der Konzernebene sieht es anders aus als auf der politischen Ebene. Zu den Großspendern für den Wahlkampf Trumps gehörten aus Deutschland die Chemiekonzerne Bayer und BASF, die Deutsche Bank und der Versicherungskonzern Allianz, die United Bank of Switzerland, der französische Chemiekonzern Sanofi und der britische Rüstungskonzern BAE Systems. Sie erwirtschaften hohe Gewinne in den USA, nutzen dort die niedrigen Löhne und die Steuerfluchten. Und sie bespenden gleichzeitig auch die sogenannten „Volks“Parteien in Europa – in Deutschland sind das CDU, CSU und SPD. Da wird deutlich, was zusammengehört.
Zweitens: Trump, der im Wahlkampf gegen Lobbyisten, die Wall Street und das Washingtoner Establishment gewettert hatte, besetzt sein Übergangsteam nun mit Unternehmens-Lobbyisten, Wall Street-Bankern und Mitgliedern des Washingtoner Establishments. Das hatte sein Vorgänger, der Populist Obama von der demokratischen Partei, auch schon getan. In der zufriedenen Wirtschaftspresse werden die Namen genannt: Steven Mnuchin/Ex-Goldman Sachs, Michael Catanzaro/Öl- und Gasindustrie, Cindy Hayden/Philip Morris, Mike Rogers/Vorstand in Rüstungs- und Überwachungsunternehmen, Keith Kellogg/Ex-Besatzungschef im Irak, Ron Nichol/Boston Consulting Group, Michael Korbey/Ex-Reagan-Beauftragter für die Privatisierung des Rentensystems, Reince Priebus/Republikaner-Geschäftsführer.
Der transatlantische Kapitalismus sortiert sich neu. Auf der politischen Ebene gibt es viel Getöse. Die intensive US-amerikanisch-europäische Kapital- und Handelsverflechtung unter der Dominanz der Blackrock- und Private Equity-Investoren wird sich weiterentwickeln, mit und ohne Freihandelsverträge. Auch unter Trump wird es den US-Eliten nationalistisch um die einseitigen Vorteile für die US-Wirtschaft gehen. Die ungewählten, mitprofitierenden EU-Eliten haben ihn bisher schon unterstützt. Die US-geführte NATO soll bleiben, auch wenn es eine Europäische „Verteidigungs“union oder ein EU-Hauptquartier für schnelle Eingriffskräfte geben sollte.
Die EU-Eliten murren da und dort ein bisschen, aber sie bestreiten auch in der gesamten Trump-Kritik ernsthaft nicht die US-Vorherrschaft auf dem Gebiet der Geheimdienste, der digitalen (Ausspähungs)Technologien und der populistischen Populärkultur.
Die wichtigste Änderung kann sich, so kann man allerdings hoffen, im Verhältnis zu Russland ergeben. Aber das hängt auch von der Friedensbewegung ab. Der Rückzug der US- und NATO- und deutschen und französischen usw. Truppen von der russischen Grenze ist ebenso notwendig wie die Austritte aus der NATO und deren Auflösung auf die Tagesordnung kommen müssen.
Primär- und Sekundärpopulisten: Lehren für die Linken
Jedenfalls sollte für die weiteren Auseinandersetzungen die Linke endlich ihre Begriffe klären. Nicht nur Trump und die moderne europäische Rechte sind nationalistisch und populistisch. Nationalismus und Populismus sind wesentlicher Bestandteil der westlichen Kapitaldemokratie.
Gerade die herrschende Politik der USA ist seit Beginn nationalistisch und populistisch geprägt. US-Nationalismus: Die Eliten verstehen die USA als die „einzige Nation“, die „unverzichtbare Nation“, zudem geheiligt als „God’s own country“. Diese Nation behandelt die Zusammensetzung jeder anderen Regierung auf dem Planeten Erde als Angelegenheit der US-nationalen Sicherheit. Dieser Nationalismus ist auch der Kern der „Globalisierung“ und kein Widerspruch zu ihr. Das zeigt sich auch darin, dass gerade die US-Außenpolitik der republikanischen wie der demokratischen Partei überall nationalistische Kräfte fördert, ob in Israel, Ex-Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien, in den saudi-arabischen Diktaturen, in der Ukraine, in Polen und den baltischen Staaten.
Der dazugehörige, von den US-Regierungen, US-Stiftungen und US-Geheimdiensten geförderte Populismus zeigt sich bei den genannten Kräften unter anderem darin, dass sie ethnizistisch und religiös-fundamentalistisch ausgerichtet und ebenfalls kleine christliche, zionistische oder wahabitische Gottesstaaten sind.
Der Rassismus des herrschenden Primär-Populismus etwa der Demokratischen Partei manifestiert sich subkutan in der Praxis: Unter den Regierungen von William Clinton und Brack Obama wurden die Gefängnisse etwa durch die Drogenpolitik vor allem mit Schwarzen gefüllt, wurden Schwarze auf vielfältige Weise diskriminiert. Die republikanische Regierung mit George W. Bush machte das auch nicht anders. Der Hochsicherheitszaun zu Mexiko wurde nicht unter einem Präsidenten Trump ausgebaut, sondern auch unter Clinton und Obama. Unter Obama wurden jedes Jahr etwa 400.000 Migranten, vor allem Mexikaner abgeschoben. Wegen tödlicher Schüsse wurde bisher noch kein US-Grenzbeamter verurteilt.
Der imperiale Populismus innerhalb der USA manifestiert sich in der rituellen Beschwörung der Demokratie und des Wohlstands für alle. Doch sobald nach ein oder meist zwei Regierungsperioden klar wird, dass die Politik immer noch gekauft und dass der Wohlstand doch nicht für alle da ist, kommt die andere Partei an die Regierung. Und jede kommt mit den „einfachen Lösungen“, die dann doch nicht funktionieren, die aber als Wesensmerkmal den Rechtspopulisten zugeschrieben werden. Dieser Mechanismus zermürbt zudem die Menschen, die Wahlbeteiligung sinkt, die „repräsentative Demokratie“ ist auch von daher nicht mehr repräsentativ.
Wenn die bisherigen „Volks“Parteien und Primär-Populisten sich nach einiger Zeit diskreditiert haben wie jetzt extrem in den USA, dann schlägt die Stunde des Sekundär-Nationalismus und des Sekundär-Populismus: Trump statt Clinton. Diese Logik wirkt ähnlich in Europa. Francois Hollande von der bisherigen sozialistischen „Volks“partei wetterte im Wahlkampf gegen die Finanzhaie und besetzte danach seine Regierung mit Mitarbeitern der Investmentbanken Lazard und Rothschild.
Beide Varianten des Nationalismus und Populismus gleichen sich zudem darin, dass nur das politische Establishment angeprangert wird, gelegentlich das finanzielle Establishment, aber nie das privatkapitalistische System.
In den USA prangerte der Kandidat der Demokratischen Partei Bernie Sanders die Korruption des herrschenden Politikbetriebs ebenso an wie die Degradierung der Arbeiter und Arbeitslosen und die Überschuldung der meisten Studenten. Er forderte höhere Löhne. Aber die Führung der Demokratischen Partei wie auch die regierenden Populisten in der EU verteufelten Sanders als „Populisten“.
Sanders hatte millionenfache Zustimmung, repräsentierte einen Aufbruch, erschloss neue und auch junge Wählerschichten und hätte die Chance gehabt, Trump zu schlagen. Die Primärpopulisten diesseits und jenseits des Atlantiks aber haben das verhindert und dem Sekundär-Populisten Trump zum Sieg verholfen.
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Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker bezeichnete Trump als gefährlich, „weil er die NATO infrage stellt, das heißt das Modell, auf dem die Verteidigung Europas beruht“. Die deutsche Ministerin, die zusammen mit der bisherigen US-Regierung unter Barack Obama für die neuen Kriege zuständig ist, Ursula von der Leyen, kritisierte Trumps Forderung, dass die Europäer für die militärische Präsenz der USA mehr bezahlen. Von der Leyen forderte prinzipielle Bündnistreue. So wie alle NATO-Mitglieder im bisher einzigen Bündnisfall an der Seite der USA gestanden hätten, nämlich nach dem Angriff auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001. Gegenwärtig bestehe die Bündnistreue vor allem darin, gemeinsam die Aggression Russlands zu bekämpfen. Außerdem versucht die Ministerin die Situation zu nutzen, um alte Pläne des wichtigsten europäischen US-Vasallen, der Bundesrepublik Deutschland, nach vorn zu bringen: Die Europäische Union müsse selber stärker aufrüsten. Aber das hatte auch schon Obama gefordert und die NATO 2014 beschlossen.
Nötig sei irgendetwas wie eine Europäische Verteidigungsunion. Daran basteln auch die französische Regierung und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Dieses europäische Gebilde müsse aber weiter Teil der NATO bleiben und von den USA geführt werden, bettelte der norwegische NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Amerikanische Führung ist wichtig wie immer. Unsere Allianz hat die engsten Freunde der USA in Zeiten von Frieden und Konflikten zusammengebracht und dies für fast 70 Jahre.“
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Dann sprach sich Trump mit den Regierungschefs der anderen für ihn wichtigen Staaten ab: Ägypten, Japan, Südkorea, Mexiko, Indien und Australien. In Europa bekamen diese Auszeichnung der türkische Diktator Erdogan, denn die Türkei ist – neben Israel – traditionell der wichtigste NATO- und militärische US-Partner im Vorderen Orient. Danach folgte der irische Ministerpräsident Enda Kenny – Irland ist innerhalb der Europäischen Union eine wichtige Finanzoase und Standort für Billigproduktion US-amerikanischer Konzerne. Außerdem betreibt der Immobilienmogul Trump in Irland eine luxuriöse Golf-Hotel-Freizeit-Anlage.
Dann kontaktierte er die britische Ministerpräsidentin Theresa May. Trump – „Theresa is my Maggie“ – will an das Bündnis zwischen Ronald Reagan und Margret Thatcher in 1980er Jahren anknüpfen. Welche Seiten des damaligen antikommunistischen und neoliberalen Kreuzzugs Trump genau meint, ließ er offen. Jedenfalls solle die special relationship neu belebt werden. Brexit, der Ausstieg Großbritanniens aus der EU, sei ein hervorragender Anlass.
Ein anderer Brite hat schon länger enge Beziehungen zum künftigen Präsidenten: Nigel Farage, Vorsitzender der britischen Unabhängigkeitspartei (United Kingdom Independent Party, UKIP). Er trieb seit einem Jahrzehnt den Brexit voran. Er unterstützte Trump schon während des Wahlkampfes in den USA und hat sich mit ihm nach dem Wahlsieg bereits in der New Yorker Residenz des nächsten US-Präsidenten getroffen, im Trump Tower.
Die braven Verbündeten
Die restlichen westeuropäischen Regierungschefs hatten sich für Hillary Clinton eingesetzt, finden sich aber schnell mit Trump zurecht. Der französische Staatschef Francois Hollande deutete zunächst an, es könne „eine Periode der Unsicherheit“ in den Beziehungen geben. Doch der sozialistische Populist gab bekannt, er habe sich in einem Telefonat mit Trump verständigt: Beim Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus sowie in der Ukraine gegen Russland; auch über Syrien und den Irak habe man gesprochen. Hollande sucht den Konsens und beschwört die seit dem US-Unabhängigkeitskrieg bestehende französisch-amerikanische Freundschaft.
Der italienische Premierminister Matteo Renzi schwärmte von einer „neuen Ära“. Der Mitte-Links-Populist beschwor die „strategische Allianz zwischen Italien und den Vereinigten Staaten“, sie bleibe „stark und stabil“. Italien beherbergt traditionell nach Deutschland die meisten US-Militärbasen und unterliegt seit dem 2. Weltkrieg starkem politischem US-Einfluss.
Ähnlich äußerte sich der spanische Regierungschef Mariano Rajoy. „Wir werden weiter daran arbeiten, die traditionell guten Beziehungen mit den Vereinigten Staaten zu verstärken. Sie sind der unersetzliche Bündnispartner.“ Die spanischen „Konservativen“ hoffen auf die Hilfe der USA in der Abwehr der aufkommenden linken Kräfte.
Überraschen mag die positive Haltung des linken griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Trump hatte im Wahlkampf betont, dass nicht die USA, sondern vor allem die deutsche Regierung für das griechische Schuldenproblem zuständig sei. Freilich ließ Trump ähnlich wie Obama die ursächliche Rolle des IWF und der Wall Street – Goldman Sachs, Blackrock und der US-Ratingagenturen – ungenannt. Tsipras beteuerte, Griechenland werde „weiter eine große Bedeutung für die US-Außenpolitik spielen“. Dabei vergaß er freundlich den von CIA und NATO organisierten Militärputsch von 1967, der den wahrscheinlichen Wahlsieg einer US-kritischen Koalition verhinderte. Griechenland unterhält auch weiter bei allen schmerzhaften sozialen Kürzungen den höchsten Militärhaushalt in der EU (bezogen auf die Zahl der Bevölkerung).
Russland und Osteuropa
Trump hatte im Wahlkampf angedeutet, dass er sich aus Konflikten in Europa eher heraushalten und in Syrien den IS statt Assad bekämpfen wolle. In den westlichen Leitmedien wurde deshalb von einer gefährlichen „Männerfreundschaft“ zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Putin gefaselt. Der gratulierte Trump ohne Euphorie. „Ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingen wird, die russisch-amerikanischen Beziehungen aus der Krise zu holen.“
Ost- und westeuropäische Regierungen waren schockiert, als Putin Trump nun vorschlug, die neuerdings an der russischen Grenze aufgestellten US- und NATO-Truppen zurückzuziehen. Ojars Kalnius, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament Lettlands klagte: Es sei „gefährlich und verantwortungslos“, dass der NATO-Schutz zukünftig „eine bezahlte Dienstleistung“ sein solle. Die baltischen Regierungen fürchten, Trump werde sie schutzlos dem russischen Bären überlassen. Vor allem die deutsche Regierung, der treueste US-Vasall in Europa, sieht das Grundgerüst der NATO bedroht, obwohl es keine Anzeichen einer russischen Expansion gibt und Russland gegenüber den NATO-Staaten wirtschaftlich und militärisch weit unterlegen ist.
Eine besondere Rolle spielt die Ukraine. Trump hatte sich am Rande der UN-Vollversammlung geweigert, den ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko zu empfangen, im Unterschied zu Killary Clinton. Nach einiger Zeit rang sich Poroschenko zu einem Glückwunsch durch, der mit dem Wunsch verbunden war, „gemeinsam gegen die russische Aggression, für Freiheit und Demokratie“ vorzugehen. Dafür müssten die Vereinigten Staaten „unser wichtigster Partner“ bleiben. Es ist schon eine (scheinbar) vertrackte Situation: US-Regierung, NATO und die Europäische Union arbeiten eng mit den rechtsradikalen Putschisten in der Ukraine zusammen – und der als Rechtspopulist gescholtene Trump ist hier skeptisch.
Bedeutsame, aber gar nicht von Trump ausgelöste Reaktionen zeigten sich in anderen osteuropäischen Staaten bei jetzigen Wahlen. In Bulgarien wurde Rumen Radew zum neuen Staatspräsidenten gewählt. Er will das durch die EU-Mitgliedschaft verarmte Land enger an Russland anbinden. Wie bei Trump kam diese Wahl für die EU-Populisten „überraschend“.
In Moldawien/Republik Moldau gewann ebenso „überraschend“ der Sozialist Igor Dodon, der ebenfalls mehr mit Russland kooperieren will: Er siegte mit seinem Programm gegen die grassierende Korruption der prowestlichen Führung.
Gegenüber dem verarmten, abgehängten EU-Hinterhof Osteuropas sind die führenden EU-Populisten mindestens genauso blind wie gegenüber den verarmten und abgehängten Bevölkerungsteilen in den großen EU-Staaten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien. Überall braut sich Kritik und Widerstand zusammen, der vielfach noch verqueren Ausdruck findet wie beim Brexit – aber das muss nicht so bleiben.
Die moderne europäische Rechte
Die modernisierte Rechte in Europa begrüßte einhellig den Wahlsieg Trumps. Mit ihm und den verwandten Bewegungen in Europa sei das „Ende des 20. Jahrhunderts“ gekommen, es entstehe „eine neue Welt“. Allerdings will man Trumps ruppige Tonart nicht so direkt nach Westeuropa übertragen.
Geert Wilders, Vorsitzender der niederländischen Partei für die Freiheit, sieht mit Trumps Sieg über die Eliten und das Establishment eine „neue revolutionäre Ordnung geboren“. Wilders will nun die Niederlande „den Holländern zurückgeben“. Die Alternative für Deutschland (AfD) imitiert Trumps Slogan ähnlich zu „Make Germany Great Again“.
Die wichtigste Repräsentantin dieser Szene ist Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front National in Frankreich. Sie hofft nach dem selbstzerstörerischen Niedergang der Sozialistischen Partei unter Francois Hollande und der Zerstrittenheit der Konservativen darauf, 2017 zur Staatspräsidentin gewählt zu werden. Trumps Wahl bestätige ihre eigene Strategie: „Wenn die Menschen ihr Schicksal in die Hand nehmen wollen, dann können sie es tun, trotz ständiger Verunglimpfung und Infantilisierung.“ Wie in den USA seien „viele Franzosen Opfer der Globalisierung und Einwanderung“ – in de-industrialisierten Regionen wird der Front National auch von ehemaligen Anhängern der kommunistischen und sozialistischen Parteien gewählt.
Für Rechte dieser Art gehört zu ihrer neuen Welt auch der endgültige Abschied von „der Linken“. Dazu wird auch alles gemäßigt Sozialdemokratische und Linksliberale gezählt. „Die Linken und das korrupte, arrogante Establishment werden nun Zug und Zug bestraft“, so Heinz-Christian Strache, Vorsitzender der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ).
Diese Parteien treten wie Trump zum Teil auch für eine Verständigung mit Russland ein, so etwa die AfD. Das ergibt eine komplizierte Gemengelage.
Zufriedene Investoren – und was macht die Friedensbewegung?
Die Wahlbeteiligung in den USA war jetzt mit gut 50 Prozent noch niedriger als früher. Zwischen dem Stimmenanteil der beiden korrupten US-Regierungsparteien hat sich wenig geändert. Trump wie Clinton wurden jeweils von weniger als einem Viertel der Wahlberechtigten gewählt. Und eigentlich hat Clinton mit 200.000 Stimmen mehr die Wahl gewonnen. Aber das von 1786 stammende Wahlmännersystem, das die südlichen Sklavenstaaten aufwertete (Schwarze durften nicht wählen, wurden aber für die Berechnung der Wahlmänner mitgezählt) verfälschte das Ergebnis zugunsten von Trump. Keine der beiden großen „Volks“Parteien hat bisher versucht, dieses antidemokratische System abzuschaffen.
Das Ergebnis wird in der „westlichen Wertegemeinschaft“ trotzdem anerkannt und hat eine hohe symbolische Bedeutung oder besser: Es wird für bisher mehr oder weniger latente Absichten zu einer relativen Neuordnung genutzt. Welche Dynamik damit auf mittlere und längere Sicht ausgelöst wird, ist in der politisch, ökonomisch, militärisch und moralisch instabilen Situation des transatlantischen Kapitalismus jetzt nicht absehbar.
Einiges ist aber sehr klar. Erstens: Auf der Konzernebene sieht es anders aus als auf der politischen Ebene. Zu den Großspendern für den Wahlkampf Trumps gehörten aus Deutschland die Chemiekonzerne Bayer und BASF, die Deutsche Bank und der Versicherungskonzern Allianz, die United Bank of Switzerland, der französische Chemiekonzern Sanofi und der britische Rüstungskonzern BAE Systems. Sie erwirtschaften hohe Gewinne in den USA, nutzen dort die niedrigen Löhne und die Steuerfluchten. Und sie bespenden gleichzeitig auch die sogenannten „Volks“Parteien in Europa – in Deutschland sind das CDU, CSU und SPD. Da wird deutlich, was zusammengehört.
Zweitens: Trump, der im Wahlkampf gegen Lobbyisten, die Wall Street und das Washingtoner Establishment gewettert hatte, besetzt sein Übergangsteam nun mit Unternehmens-Lobbyisten, Wall Street-Bankern und Mitgliedern des Washingtoner Establishments. Das hatte sein Vorgänger, der Populist Obama von der demokratischen Partei, auch schon getan. In der zufriedenen Wirtschaftspresse werden die Namen genannt: Steven Mnuchin/Ex-Goldman Sachs, Michael Catanzaro/Öl- und Gasindustrie, Cindy Hayden/Philip Morris, Mike Rogers/Vorstand in Rüstungs- und Überwachungsunternehmen, Keith Kellogg/Ex-Besatzungschef im Irak, Ron Nichol/Boston Consulting Group, Michael Korbey/Ex-Reagan-Beauftragter für die Privatisierung des Rentensystems, Reince Priebus/Republikaner-Geschäftsführer.
Der transatlantische Kapitalismus sortiert sich neu. Auf der politischen Ebene gibt es viel Getöse. Die intensive US-amerikanisch-europäische Kapital- und Handelsverflechtung unter der Dominanz der Blackrock- und Private Equity-Investoren wird sich weiterentwickeln, mit und ohne Freihandelsverträge. Auch unter Trump wird es den US-Eliten nationalistisch um die einseitigen Vorteile für die US-Wirtschaft gehen. Die ungewählten, mitprofitierenden EU-Eliten haben ihn bisher schon unterstützt. Die US-geführte NATO soll bleiben, auch wenn es eine Europäische „Verteidigungs“union oder ein EU-Hauptquartier für schnelle Eingriffskräfte geben sollte.
Die EU-Eliten murren da und dort ein bisschen, aber sie bestreiten auch in der gesamten Trump-Kritik ernsthaft nicht die US-Vorherrschaft auf dem Gebiet der Geheimdienste, der digitalen (Ausspähungs)Technologien und der populistischen Populärkultur.
Die wichtigste Änderung kann sich, so kann man allerdings hoffen, im Verhältnis zu Russland ergeben. Aber das hängt auch von der Friedensbewegung ab. Der Rückzug der US- und NATO- und deutschen und französischen usw. Truppen von der russischen Grenze ist ebenso notwendig wie die Austritte aus der NATO und deren Auflösung auf die Tagesordnung kommen müssen.
Primär- und Sekundärpopulisten: Lehren für die Linken
Jedenfalls sollte für die weiteren Auseinandersetzungen die Linke endlich ihre Begriffe klären. Nicht nur Trump und die moderne europäische Rechte sind nationalistisch und populistisch. Nationalismus und Populismus sind wesentlicher Bestandteil der westlichen Kapitaldemokratie.
Gerade die herrschende Politik der USA ist seit Beginn nationalistisch und populistisch geprägt. US-Nationalismus: Die Eliten verstehen die USA als die „einzige Nation“, die „unverzichtbare Nation“, zudem geheiligt als „God’s own country“. Diese Nation behandelt die Zusammensetzung jeder anderen Regierung auf dem Planeten Erde als Angelegenheit der US-nationalen Sicherheit. Dieser Nationalismus ist auch der Kern der „Globalisierung“ und kein Widerspruch zu ihr. Das zeigt sich auch darin, dass gerade die US-Außenpolitik der republikanischen wie der demokratischen Partei überall nationalistische Kräfte fördert, ob in Israel, Ex-Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien, in den saudi-arabischen Diktaturen, in der Ukraine, in Polen und den baltischen Staaten.
Der dazugehörige, von den US-Regierungen, US-Stiftungen und US-Geheimdiensten geförderte Populismus zeigt sich bei den genannten Kräften unter anderem darin, dass sie ethnizistisch und religiös-fundamentalistisch ausgerichtet und ebenfalls kleine christliche, zionistische oder wahabitische Gottesstaaten sind.
Der Rassismus des herrschenden Primär-Populismus etwa der Demokratischen Partei manifestiert sich subkutan in der Praxis: Unter den Regierungen von William Clinton und Brack Obama wurden die Gefängnisse etwa durch die Drogenpolitik vor allem mit Schwarzen gefüllt, wurden Schwarze auf vielfältige Weise diskriminiert. Die republikanische Regierung mit George W. Bush machte das auch nicht anders. Der Hochsicherheitszaun zu Mexiko wurde nicht unter einem Präsidenten Trump ausgebaut, sondern auch unter Clinton und Obama. Unter Obama wurden jedes Jahr etwa 400.000 Migranten, vor allem Mexikaner abgeschoben. Wegen tödlicher Schüsse wurde bisher noch kein US-Grenzbeamter verurteilt.
Der imperiale Populismus innerhalb der USA manifestiert sich in der rituellen Beschwörung der Demokratie und des Wohlstands für alle. Doch sobald nach ein oder meist zwei Regierungsperioden klar wird, dass die Politik immer noch gekauft und dass der Wohlstand doch nicht für alle da ist, kommt die andere Partei an die Regierung. Und jede kommt mit den „einfachen Lösungen“, die dann doch nicht funktionieren, die aber als Wesensmerkmal den Rechtspopulisten zugeschrieben werden. Dieser Mechanismus zermürbt zudem die Menschen, die Wahlbeteiligung sinkt, die „repräsentative Demokratie“ ist auch von daher nicht mehr repräsentativ.
Wenn die bisherigen „Volks“Parteien und Primär-Populisten sich nach einiger Zeit diskreditiert haben wie jetzt extrem in den USA, dann schlägt die Stunde des Sekundär-Nationalismus und des Sekundär-Populismus: Trump statt Clinton. Diese Logik wirkt ähnlich in Europa. Francois Hollande von der bisherigen sozialistischen „Volks“partei wetterte im Wahlkampf gegen die Finanzhaie und besetzte danach seine Regierung mit Mitarbeitern der Investmentbanken Lazard und Rothschild.
Beide Varianten des Nationalismus und Populismus gleichen sich zudem darin, dass nur das politische Establishment angeprangert wird, gelegentlich das finanzielle Establishment, aber nie das privatkapitalistische System.
In den USA prangerte der Kandidat der Demokratischen Partei Bernie Sanders die Korruption des herrschenden Politikbetriebs ebenso an wie die Degradierung der Arbeiter und Arbeitslosen und die Überschuldung der meisten Studenten. Er forderte höhere Löhne. Aber die Führung der Demokratischen Partei wie auch die regierenden Populisten in der EU verteufelten Sanders als „Populisten“.
Sanders hatte millionenfache Zustimmung, repräsentierte einen Aufbruch, erschloss neue und auch junge Wählerschichten und hätte die Chance gehabt, Trump zu schlagen. Die Primärpopulisten diesseits und jenseits des Atlantiks aber haben das verhindert und dem Sekundär-Populisten Trump zum Sieg verholfen.
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