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Aktueller Online-Flyer vom 22. November 2024  

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Krieg und Frieden
Ein Zwischenruf mit Nachfragen
Wie sollte die Friedensbewegung mit Donald Trump umgehen?
Von Karl-Heinz Peil, Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V.

Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wurde in der Friedensbewegung überwiegend mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen, was allerdings nur vor dem Hintergrund der Kriegstreiberin Hillary Clinton und ihrer Politik als US-Außenministerin von 2009 bis 2012 zu verstehen ist. Ob damit in Bezug auf die globale Kriegsgefahr auch das kleinere Übel gewählt wurde, muss sich allerdings noch zeigen. Für US-amerikanische Intellektuelle wie Noam Chomsky und Angela Davis hingegen war vor der Wahl Hillary Clinton aus innenpolitischen Gründen das kleinere, zu wählende Übel.

Viel Spekulationen sind bis heute nach wie vor möglich durch widersprüchliche Aussagen von Donald Trump, vor allem in Bezug auf sein künftiges Verhältnis zu Russland. Dieses sorgt auch für Kontroversen innerhalb der Friedensbewegung.

Für eine außenpolitische Bewertung von Donald Trump kann man den Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser zitieren. Kürzlich hierzu in einem Interview befragt bzw. auch von ihm im Rahmen eines Vortrages zur US-Politik als selbst gestellte Frage, ist seine Antwort in etwa folgende: Als Historiker beschränkt er sich auf Analysen aus der Vergangenheit. Deshalb wären bezüglich der kommenden Präsidentschaft von Donald Trump folgende Fragen zu stellen: Wird das Pentagon-Budget von derzeit 600 Mrd. US-Dollar erhöht oder reduziert? Wird er fremde Länder bombardieren lassen? Werden die weltweiten US-Militärstützpunkte in derzeit mehr als 40 Ländern reduziert? Fragen, die sich aus seiner Sicht heute noch nicht beantworten lassen. [1]

Ein Blick in die Vergangenheit kann eine Beantwortung dieser Fragen erleichtern. Anfang 1961 warnte Dwight D. Eisenhower bei seinem Ausscheiden aus dem Amt als US-Präsident erstmals vor der Macht des Militär-Industriellen Komplexes [2] und prägte damit einen Begriff, der die tatsächlichen Machtverhältnisse in den USA umschreibt. Sein Nachfolger im Amt, John F. Kennedy, wird heute meistens in Verbindung mit der explosiven Kuba-Krise 1962 zitiert. Er war jedoch auch derjenige, der Mitte 1963 Friedensbotschaften in Richtung Sowjetunion aussandte, bevor einige Monate später durch das Mordkomplott in Dallas seine Präsidentschaft beendet wurde und sein Nachfolger den Vietnam-Krieg eskalieren lies.

Der derzeitige Präsident Barack Obama war in seinem Wahlkampf 2008 und auch nach seiner Amtseinführung Anfang 2009 mit Friedensbotschaften angetreten, die glaubwürdig vermittelt wurden. Den Krieg gegen den Terror hat er allerdings nur rhetorisch beendet. Gleichzeitig wurde der Terror des US-Drohnenkrieges massiv ausgeweitet. In seiner Prager Rede am 5.April 2009 sprach er sich für eine Welt ohne Atomwaffen aus. Am Ende seiner Amtszeit stehen jedoch Programme zur Modernisierung der vorhandenen Atomwaffen an sowie eine Ablehnung des aktuell vorliegenden UN-Resolutionsentwurfes zu einem Verbot von Atomwaffen, der von der großen Mehrheit der UN-Mitglieder unterstützt wird. Seine vor der ersten Amtsperiode bekundete Absicht, Guantanamo zu schließen, wurde nicht umgesetzt. Nur aufgrund seiner noch in 2009 vorhandenen Absichtsbekundungen erhielt er allerdings in jenem Jahr den Friedensnobelpreis. [3]

Die Äußerungen von Donald Trump zu einer Verbesserung des Verhältnisses zu Russland sind sicher interessant. Zu seinem Wahlkampf gehörte aber auch der Spruch "Make our military great again" und die auf seiner Kampagnen-Homepage [4] detailliert bekundete Absicht zur militärischen Aufrüstung. Auch seine bisherigen personellen Weichenstellungen lassen zudem erkennen, dass ein Aufbegehren gegen die Macht des militärisch-industriellen Komplexes in den USA keineswegs zu erwarten ist. Damit dürften auch die oben zitierten Fragestellungen von Daniele Ganser eindeutig zu beantworten sein.

Das Anheizen der Spannungen gegenüber Russland seit Beginn der Ukraine-Krise in 2014 geht zwar auf die US-Politik zurück, konnte aber nur mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen Außenpolitik erfolgen, die sich mit ihrer politischen Stärke innerhalb der EU dagegen sträubt, zu normalen Beziehungen zu Russland zurück zu kehren.

Für uns als Friedensbewegung sollte deshalb gelten: Wir müssen im nächsten Jahr bei einer Vielzahl von Anlässen präsent sein, bei denen es um den Gegner im eigenen Land geht, vor allem um eine Auseinandersetzung mit der beschleunigten Militarisierung und einer aggressiver werdenden deutschen Außenpolitik mit globalem Führungsansprüchen. Beispielsweise werden auch bei der Ramstein-Kampagne (gegen den dortigen US-Militärstützpunkt) Forderungen an die Adresse der deutschen Bundesregierung formuliert, da diese auf eine Schließung der dortigen Relaisstation für den US-Drohnenkrieg hinwirken könnte.

Eine Trump-Debatte wäre für die Friedensbewegung hingegen kontraproduktiv. Zur Positionierung gegenüber Donald Trump passt hingegen (derzeit noch) am besten der Ausspruch aus Goethes Faust: "Die Botschaft hör´ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube".


Nachfrage der NRhZ:

Für uns gibt es in Sachen Trump eine Schlüsselfrage, die wir Dir gerne mit der Bitte um Beantwortung stellen möchten: Was führt dazu, dass Trump - wie wohl in der Weise noch nie in der Geschichte der US-Präsidentschaftswahlen - von weiten Teilen der Herrschaftsapparate inklusive ihrer Medien in extremer Weise angegriffen worden ist und wird? Der SPIEGEL beispielsweise sah nach der Wahl von Trump auf seiner Titelseite "das Ende der Welt" gekommen. Was stört die Herrschenden an Trump? Wessen Interessen droht er zu verletzen?

Antwort von Karl-Heinz Peil:

Trump stand im Wahlkampf nicht für die kriegstreiberische Politik der Wall-Street-Kandidatin Clinton. Inwieweit seine anderen Akzente in Bezug auf Russland als Teil einer wahlkampf-strategischen Selbstinszenierung oder tatsächliche politische Ausrichtung darstellen, muss derzeit immer noch offen bleiben. Auch seine jüngsten Äußerungen diesbezüglich lassen noch spekulativen Spielraum für Interpretationen zu - seine personellen Festlegungen für die künftige Regierungsadministration deuten eher in eine andere Richtung. Deshalb plädiere ich für eine vorsichtige Bewertung, wozu die sehr kluge Sichtweise von Daniele Ganser einen passenden Rahmen darstellt.


"Jage nicht, was Du nicht töten kannst" (Foto: arbeiterfotografie.com)

Das Verhalten der "Leitmedien" hierzulande und auch in den USA ist ein eigenes Thema. Auch ich gehöre zu denjenigen, die erst mal Genugtuung über das Scheitern deren völlig einseitig ausgerichteten Parteinahme für Clinton empfunden haben. Für diese Medien gab es ebenso wie für die politische Klasse keinen Plan B. Unsere Reaktion darauf verführt aber leicht zu einer bewussten oder unbewussten Sichtweise "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Eine bekannte anglo-amerikanische Redewendung lautet aber: "If you can't beat them, join them". Das soll heißen: Es ist kaum zu erwarten, dass die aggressive Gegnerschaft der Herrschenden diesseits und jenseits des Atlantiks noch lange aufrechterhalten wird.

Erneute Nachfrage der NRhZ:

Hab herzlichen Dank für Deine Antwort. Es ist interessant, was Du schreibst. Entschuldige aber, wenn wir erneut nachfragen. Du bestätigst zwar, dass es die Gegnerschaft herrschender Kreise gegenüber Trump gibt. Unsere Frage zielte aber in die Richtung: WARUM gibt es diese Gegnerschaft in bisher nicht dagewesener Weise und die daraus resultierende, immer noch anhaltende Kampagne gegen ihn? Was stört welche herrschenden Kreise an Trump? Welche Interessen droht er zu verletzen? Wodurch wird er zum Gegner der Wallstreet und der Medien? Wir denken: die Beantwortung dieses Fragenkomplexes ist eine wichtige Basis für die Beurteilung, wie wir - die Linke bzw. die Friedensbewegung - uns zu Trump stellen. Das heißt noch lange nicht, dass er als Kapitalist und als Vertreter von Kreisen des Kapitals unser "Freund" sein oder werden könnte.

Antwort von Karl-Heinz Peil:

Rainer Rupp hat bereits sehr früh auf die Chancen von Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf hingewiesen und damit ebenso für Irritationen gesorgt, wie mit seiner Aussage, dass Trump im Vergleich zu Hillary Clinton ein ehrlicher Geschäftsmann sei und dass er das Zeug habe, sich mit dem Pentagon anzulegen.

Dazu muss man sich die Frage stellen, wie dieser Mensch Donald Trump eigentlich tickt. Als Chef eines Konzernimperiums versucht er sicherlich, seine Vorgehensweise im Konzern auf die Politik zu übertragen. Vielen Konzernlenkern wird zugesprochen, dass sie in ihrem Unternehmen mit einem "knallharten Kostenmanagement" auf Erfolgskurs gekommen sind. Für das Pentagon gilt, dass hier Milliardenbeträge im Sumpf von Lobbyismus und Korruption versenkt werden. Kürzlich war dazu über die Pläne Trumps zu lesen, dass er gesetzlich den personellen Wechsel von Pentagon-Mitarbeitern in die Industrie rigoros unterbinden will. Das könnte in der Tat die Profite von Rüstungsfirmen beschneiden und für effizientere Rüstungsausgaben sorgen. Oder nehmen wir seine Ankündigung, dass US-Militärstützpunkte geschlossen werden könnten, wenn sich die Standort-Länder nicht an den Kosten beteiligen bzw. diese übernehmen würden. Ein Konzernchef mit 800 Auslandsfilialen in mehr als 40 Ländern hinterfragt natürlich, ob diese Filialen sich selbst tragen, d.h. ohne Subventionen aus der Konzernzentrale profitabel sind. So jedenfalls könnten seine diesbezüglichen Äußerungen zu verstehen sein. Für den Oligarchen Trump ist Putin gewissermaßen der Chef eines von Oligarchen beherrschten Landes. Was liegt also näher, als mit diesem "Konzernchef" mögliche Kooperationen auszuloten, unabhängig von Wettbewerbskonstellationen. (Neueste Nachricht: Exxon-Chef soll Außenminister werden.)

Das Alleinstellungsmerkmal von Trump bzw. das absolute Novum in der US-Politik besteht darin, dass jemand Präsident wird, der nicht von Großkonzernen gekauft worden ist. Damit konnte er sich im Wahlkampf hervorragend selbst inszenieren, indem er die Korruptheit von Clinton anprangerte - also eigentlich den Normalfall in der US-Politik. Mehr als seine problematische Persönlichkeitsstruktur ist dieser Umstand für den größten Teil der herrschenden Klasse ein Alarmsignal gewesen. Trump könnte einiges anders machen wie gewünscht, aber ein "effizienter" Imperialismus ändert nichts an dessen Wesen. Im Unterschied zu den Leitmedien hierzulande und in den USA haben aber die Großkonzerne bereits sehr früh einen Plan B in Betracht gezogen und nicht nur an Hillary Clinton Wahlkampfspenden geleistet, sondern - wenn auch in wesentlich geringerem Umfang - auch an Donald Trump.

Ihr schreibt: "Gegnerschaft in bisher nicht dagewesener Weise" Richtig. "Anhaltende Kampagne gegen ihn": Das ist sicher am (vielleicht langsamen) Abbröckeln zugunsten der bereits von mir zitierten Devise: "If you can't beat them, join them" zu erkennen. "Welche Interessen droht er zu verletzen?" Partikularinteressen ja.


Fußnoten:

1 Das US Imperium ist eine Oligarchie - Vortrag von Dr. Daniele Ganser in Landau / Pfalz am 20.11.2016, https://www.youtube.com/watch?v=7qSLGo3zIO4

2 Video-Clip mit Redeausschnitt: https://www.youtube.com/watch?v=CwSk5Jqoadk

3 Begründung des Nobelpreiskomitees und Kommentierungen dazu siehe http://www.agfriedensforschung.de/themen/Friedenspreise/nobel2009.html

4 https://www.donaldjtrump.com/policies/national-defense/

Online-Flyer Nr. 592  vom 14.12.2016



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