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Scharf gewürzt
Glücklich und willensschwach mit Pfeffer und Fluor
Von Wolfgang Bittner
Anfang Februar erschien im Westend Verlag das Satire-Buch „Die Abschaffung der Demokratie“ von Wolfgang Bittner. In seinem Vorwort schreibt der Autor: "Die Politik fordert Satire heraus, sie ist nicht erst seit heute derart fragwürdig, dass in vielen Fällen nur noch der Ausweg in Spott, Ironie, Sarkasmus und Hohn bleibt. Denn bei genauerem Hinsehen liegt der Schluss nicht allzu fern, dass uns in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit die reale Idiotie umgibt. Nehmen wir die in letzter Zeit so intensiv betriebene Aufrüstung auf Kosten des Volksvermögens gegen einen fingierten Feind. Dachten nicht die meisten Mitmenschen um die Jahrtausendwende, das sei vorbei? Doch nicht wenige unserer Zeitgenossen scheinen als Couch-Potatoes nichts als ihr tägliches Tittitainment zu genießen, und die Medien unterstützen sie fleißig und beflissen dabei. (…) Wozu Satire? Lässt sich mit Satire überhaupt etwas ändern? Wer Satire liest und versteht, weiß doch sowieso schon Bescheid. Aber bisweilen dachte ich dann, dass manche dieser Texte, die schließlich auch einen unterhaltenden Charakter haben, diesen und jene, wenn schon nicht aufrütteln, so doch wenigstens amüsieren oder bestätigen könnten. Und eine positive Seite hat die Satire auf jeden Fall, nämlich für den Satiriker: Er lässt den Dampf ab, der gefährlich angestiegen ist, und danach geht es ihm besser. Ist das etwa nichts?" Ein Beispiel für viele aus dem Buch "Die Abschaffung der Demokratie":
Wir haben es schon seit Langem geahnt: An den Protestbewegungen hierzulande sind überwiegend Menschen beteiligt, die sich vegetarisch ernähren und sich nicht ordentlich die Zähne putzen. Das bestätigt eine neuere wissenschaftliche Studie, die jedoch leider nicht die Frage nach den Ursachen beantwortet. Darüber habe ich mir Gedanken gemacht, lassen Sie sich aufklären.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass unsere Wurst- und Fleischwaren, aber auch viele Salate, seit einiger Zeit übermäßig scharf gewürzt sind? Nicht nur Feinschmecker sind der Meinung, dadurch werde den Speisen das ihnen eigene Aroma genommen, weil sie hauptsächlich noch nach Cayennepfeffer oder Tabasco schmecken. Aber das wäre das Wenigste, zumal sich über Geschmack trefflich streiten lässt – soweit man nicht unter einer Magenerkrankung leidet.
Viel gravierenden ist die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit nicht weniger Konsumenten, die ihre Speisen lieber nach eigenem Gusto würzen würden. An dieser Stelle fragen wir uns, was der Grund für diese Kränkung der Geschmacksnerven eines Teils der Bevölkerung sein könnte. Denn irgendeinen mehr oder weniger logischen Grund für das systematische Verpfeffern unserer Lebensmittel muss es schließlich geben.
Ich habe mich in einschlägigen Schlemmerkreisen umgehört und bin fündig geworden. Gemunkelt wird nämlich, die Regierung stecke dahinter. Warum? Ist doch klar: Pfeffer macht bekanntlich glücklich. Und die Regierung, besorgt um unsere Gesundheit und unser Wohlergehen, wünscht sich nichts sehnlicher als ein glückliches Volk. Und außerdem ersehnt sie sich Harmonie, wie aus berufenem Munde immer wieder beteuert wird.
Nun hat Harmonie wiederum etwas mit Ruhe und Ordnung zu tun. Wo keine Ruhe und Ordnung herrschen, ist ein gedeihliches Miteinander gefährdet, wenn nicht unmöglich. Wie stünden wir da, wenn die Bürger massenhaft auf die Straße gingen, um gegen korrupte Politiker, Manager und Banker zu demonstrieren, ihnen die Fensterscheiben einzuschmeißen und ihre Nobelkarossen zu demolieren, womöglich ihre Villen anzuzünden? Das wird selbstverständlich niemand machen, der glücklich und harmoniesüchtig, also passiv und willensschwach ist.
Deswegen hat sich unsere Regierung – wie weiter von Gewährsleuten aus dem Bundesnachrichtendienst zu erfahren war – in höchst vertraulichen Absprachen mit den Herstellern von Zahnpasten noch etwas anderes einfallen lassen. Fast jeder putzt sich nämlich die Zähne, nicht selten zwei oder drei Mal am Tag. Und schon des Längeren ist bekannt, dass die meisten Zahnpasten Fluorid enthalten, denn diese Chemikalie soll angeblich die Zähne härten und vor Karies schützen.
Allerdings liegen Forschungsergebnisse vor, nach denen die Einnahme von Fluorid auch in geringen Dosen nicht ohne Einfluss auf die Psyche bleibt. So enthalten viele Psychopharmaka Fluor, weil es eine beruhigende, aktivitätshemmende Wirkung entfaltet und auch das Gedächtnis beeinflussen kann. Wenn wir uns also passiv verhalten, negative Erfahrungen möglichst bald vergessen und scharf gewürzte Speisen zu uns nehmen, ist die Harmonie gewährleistet. Unter diesem Aspekt wird auch die entsetzte Ablehnung eines „Veggiedays“ durch viele unserer Politiker erst so richtig verständlich: Sie sorgten sich um unser Glück.
Einen eindrucksvollen Beweis für den wohltuenden Einsatz von Gewürzen und Chemikalien zum Wohle der Bevölkerung bietet übrigens das Land, das wir uns in vielerlei Hinsicht zum Vorbild nehmen: die USA. Dass es dort immer noch einigermaßen zivilisiert zugeht, liegt nach Aussage von Fachleuten angeblich an der Ernährung mit dem beliebten scharf gewürzten Fastfood sowie an der Zwangsmedikation mit Fluor durch die Trinkwasserversorgung. So weit sind wir bei uns noch nicht. Aber wäre das nicht eine Perspektive?
Wolfgang Bittner
Die Abschaffung der Demokratie
Westend Verlag, Frankfurt am Main 2017, 16 Euro
https://www.westendverlag.de/buch/die-abschaffung-der-demokratie/
Online-Flyer Nr. 607 vom 05.04.2017
Scharf gewürzt
Glücklich und willensschwach mit Pfeffer und Fluor
Von Wolfgang Bittner
Anfang Februar erschien im Westend Verlag das Satire-Buch „Die Abschaffung der Demokratie“ von Wolfgang Bittner. In seinem Vorwort schreibt der Autor: "Die Politik fordert Satire heraus, sie ist nicht erst seit heute derart fragwürdig, dass in vielen Fällen nur noch der Ausweg in Spott, Ironie, Sarkasmus und Hohn bleibt. Denn bei genauerem Hinsehen liegt der Schluss nicht allzu fern, dass uns in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit die reale Idiotie umgibt. Nehmen wir die in letzter Zeit so intensiv betriebene Aufrüstung auf Kosten des Volksvermögens gegen einen fingierten Feind. Dachten nicht die meisten Mitmenschen um die Jahrtausendwende, das sei vorbei? Doch nicht wenige unserer Zeitgenossen scheinen als Couch-Potatoes nichts als ihr tägliches Tittitainment zu genießen, und die Medien unterstützen sie fleißig und beflissen dabei. (…) Wozu Satire? Lässt sich mit Satire überhaupt etwas ändern? Wer Satire liest und versteht, weiß doch sowieso schon Bescheid. Aber bisweilen dachte ich dann, dass manche dieser Texte, die schließlich auch einen unterhaltenden Charakter haben, diesen und jene, wenn schon nicht aufrütteln, so doch wenigstens amüsieren oder bestätigen könnten. Und eine positive Seite hat die Satire auf jeden Fall, nämlich für den Satiriker: Er lässt den Dampf ab, der gefährlich angestiegen ist, und danach geht es ihm besser. Ist das etwa nichts?" Ein Beispiel für viele aus dem Buch "Die Abschaffung der Demokratie":
Wir haben es schon seit Langem geahnt: An den Protestbewegungen hierzulande sind überwiegend Menschen beteiligt, die sich vegetarisch ernähren und sich nicht ordentlich die Zähne putzen. Das bestätigt eine neuere wissenschaftliche Studie, die jedoch leider nicht die Frage nach den Ursachen beantwortet. Darüber habe ich mir Gedanken gemacht, lassen Sie sich aufklären.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass unsere Wurst- und Fleischwaren, aber auch viele Salate, seit einiger Zeit übermäßig scharf gewürzt sind? Nicht nur Feinschmecker sind der Meinung, dadurch werde den Speisen das ihnen eigene Aroma genommen, weil sie hauptsächlich noch nach Cayennepfeffer oder Tabasco schmecken. Aber das wäre das Wenigste, zumal sich über Geschmack trefflich streiten lässt – soweit man nicht unter einer Magenerkrankung leidet.
Viel gravierenden ist die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit nicht weniger Konsumenten, die ihre Speisen lieber nach eigenem Gusto würzen würden. An dieser Stelle fragen wir uns, was der Grund für diese Kränkung der Geschmacksnerven eines Teils der Bevölkerung sein könnte. Denn irgendeinen mehr oder weniger logischen Grund für das systematische Verpfeffern unserer Lebensmittel muss es schließlich geben.
Ich habe mich in einschlägigen Schlemmerkreisen umgehört und bin fündig geworden. Gemunkelt wird nämlich, die Regierung stecke dahinter. Warum? Ist doch klar: Pfeffer macht bekanntlich glücklich. Und die Regierung, besorgt um unsere Gesundheit und unser Wohlergehen, wünscht sich nichts sehnlicher als ein glückliches Volk. Und außerdem ersehnt sie sich Harmonie, wie aus berufenem Munde immer wieder beteuert wird.
Nun hat Harmonie wiederum etwas mit Ruhe und Ordnung zu tun. Wo keine Ruhe und Ordnung herrschen, ist ein gedeihliches Miteinander gefährdet, wenn nicht unmöglich. Wie stünden wir da, wenn die Bürger massenhaft auf die Straße gingen, um gegen korrupte Politiker, Manager und Banker zu demonstrieren, ihnen die Fensterscheiben einzuschmeißen und ihre Nobelkarossen zu demolieren, womöglich ihre Villen anzuzünden? Das wird selbstverständlich niemand machen, der glücklich und harmoniesüchtig, also passiv und willensschwach ist.
Deswegen hat sich unsere Regierung – wie weiter von Gewährsleuten aus dem Bundesnachrichtendienst zu erfahren war – in höchst vertraulichen Absprachen mit den Herstellern von Zahnpasten noch etwas anderes einfallen lassen. Fast jeder putzt sich nämlich die Zähne, nicht selten zwei oder drei Mal am Tag. Und schon des Längeren ist bekannt, dass die meisten Zahnpasten Fluorid enthalten, denn diese Chemikalie soll angeblich die Zähne härten und vor Karies schützen.
Allerdings liegen Forschungsergebnisse vor, nach denen die Einnahme von Fluorid auch in geringen Dosen nicht ohne Einfluss auf die Psyche bleibt. So enthalten viele Psychopharmaka Fluor, weil es eine beruhigende, aktivitätshemmende Wirkung entfaltet und auch das Gedächtnis beeinflussen kann. Wenn wir uns also passiv verhalten, negative Erfahrungen möglichst bald vergessen und scharf gewürzte Speisen zu uns nehmen, ist die Harmonie gewährleistet. Unter diesem Aspekt wird auch die entsetzte Ablehnung eines „Veggiedays“ durch viele unserer Politiker erst so richtig verständlich: Sie sorgten sich um unser Glück.
Einen eindrucksvollen Beweis für den wohltuenden Einsatz von Gewürzen und Chemikalien zum Wohle der Bevölkerung bietet übrigens das Land, das wir uns in vielerlei Hinsicht zum Vorbild nehmen: die USA. Dass es dort immer noch einigermaßen zivilisiert zugeht, liegt nach Aussage von Fachleuten angeblich an der Ernährung mit dem beliebten scharf gewürzten Fastfood sowie an der Zwangsmedikation mit Fluor durch die Trinkwasserversorgung. So weit sind wir bei uns noch nicht. Aber wäre das nicht eine Perspektive?
Wolfgang Bittner
Die Abschaffung der Demokratie
Westend Verlag, Frankfurt am Main 2017, 16 Euro
https://www.westendverlag.de/buch/die-abschaffung-der-demokratie/
Online-Flyer Nr. 607 vom 05.04.2017