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Filmbesprechung
Die Mannschaft ist der Star – Turbine Potsdam
Von Bernd J.R. Henke
"Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball." In diesen Tagen steht jenes bekannte Zitat von Albert Camus ganz gewiss in größtmöglichem Widerspruch zu den genannten hässlichen Seiten dieser Sportart: Doping, Korruption, Wettbetrug, Spielmanipulation, Transfermogelei. Sollte die Öffentlichkeit einen Beweis benötigen, der beispielhaft aufzeigen kann, dass die realen Wurzeln des Fußballs im Leistungssport zeitgemäß interpretiert und immer noch gelebt werden können, soll sie sich den Dokumentarfilm "Die Mannschaft ist der Star - Turbine Potsdam" ansehen.
Über fünf Jahre hat die Produktionsfirma "à-jour" Film und Regisseur Torsten Lüders die Potsdamer Frauenmannschaft und das Team hinter den Kulissen begleitet. Die Frauen zeigen, dass kämpferisch nicht gleich aggressiv ist. Frauen spielen leichter Fußball, nicht so verbissen. Der Hauptprotagonist der Dokumentation, der erfolgreiche Trainer Bernd Schröder, erinnert sich in 90 Minuten an Vergangenes, erklärt Gegenwärtiges und beschreibt Zukünftiges. Seine Kämpfernatur und sein strategisches Denken entwickelte seinen Verein zu einem Kulturgut einer ganzen Region.
Im Mai 2012, als die Mannschaft von Bernd Schröder zum vierten Mal in Folge die deutsche Meisterschaft feiern konnte, blickte der Klub zugleich auf eine mehr als 40-jährige Geschichte des Frauenfußballs in Potsdam zurück. Hier startet die filmische Begleitung. Im Zentrum des Films steht die Philosophie des Klubs, geprägt durch den Meistertrainer. Der Kern dieser Philosophie ist eine tiefe humanistische Ethik der Tat: dass man sein Wort hält, Regeln achtet und den Anderen respektiert. Die erste Übungseinheit der Turbine Frauen geschah 1971 als Betriebssport der VEB Energieversorgung Potsdam.
Im Turbine-System gibt es keine Pseudo-Stars, keine astronomischen Gagen, keine Bestrebungen, den Frauenfußball und die Spielerinnen zu vermarkten. Diese Haltung steht hinter dem Spiel der Frauen und nimmt den Zuschauer gefangen. Die Bereitschaft durch drei- und viermaliges Trainingspensum ganz nach vorne an die Weltspitze zu gelangen, erfordert viel Zeiteinsatz der Spielerinnen. Der Film widmet sich dem harten Training in der Halle. Selbst in den spielfreien Wintermonaten ist die zeitliche Belastung der Spitzenspielerinnen unweit größer als die ihrer männlichen Kollegen, die am Ende einer Profi-Karriere finanziell ausgesorgt haben.
Natürlich erwähnt und reflektiert der Film den Champions League Sieg 2010, als im "Coliseum Alfonso Pérez" im spanischen Getafe nahe Madrid in einem 7:6 Elfmeterschießen nach 120 Minuten Torlosigkeit mit geradezu tollkühner Virtuosität ein scheinbar verloren geglaubtes Fußballspiel nach zwei Fehltreffern im Elfmeterschießen (Jennifer Zietz und Anja Mittag) durch zwei Superparaden einer 17-jährige Torhüterin (Anna Felicitas Sarholz) und dem eiskalt servierten finalen Schuss einer Verteidigerin (Bianca Schmidt) gewendet wurde.
Die Dokumentation erzählt eine vielschichtige, komplexe Story aus verschiedenen Blickwinkeln und vermittelt so ein Gesamtbild von Turbine Potsdam. Der Zuschauer lernt nicht nur die Spielerinnen besser kennen, sondern erfährt Einiges aus dem Betreuerumfeld, einem Netzwerk engagierter Menschen, er nimmt Geschehenes hinter den Kabinentüren wahr. Jeder typisierende Pinselstrich des Regisseurs zeigt den familiären Rahmen des Vereins und erzeugt ein Wohlbefinden beim Publikum. Hervorzuheben sind die geschickt verwobenen Anekdoten mit den Spielerinnen (Christiane, Anonma) aus fremden Kontinenten.
Einzigartige meist schicksalhafte zufällige Verkettungen und deren weitreichende Folgen, der Film fasziniert durch Klarheit. Deutlich wird ein funktionierendes Nachwuchskonzept in Verbindung mit einem dualen System, welches Sport und Beruf aufeinander abstimmt und verbindet. Ergebnis: in den Jahren zuvor sind 28 Turbine Spielerinnen zur Nationalmannschaft berufen worden. Ganz nebenbei: der Meistertrainer übergab sein Amt einem kompetenten Nachfolger und einem Co-Trainergespann, darunter eine Co-Trainerin, die zukünftig das weibliche Element in die Waagschale der Männer werfen wird - Jennifer Zietz, eine Stammspielerin aus der Ära Schröder. Der Film lässt die Ex-Kapitänin zu Wort kommen. Das ist Turbine.
Die Mannschaft ist der Star – Turbine Potsdam
Dokumentarfilm / 90 Minuten / Farbe
Regie: Torsten Lüders
Produktion: á-jour Film- & Fernsehproduktion, Klaus Schmutzer
Premiere im Filmtheater Thalia, Potsdam-Babelsberg
Sonntag, den 28. Mai 2017 um 11 Uhr
Siehe auch:
Trailer zum Film "Die Mannschaft ist der Star..."
Das ist Turbine - ein Frauenfußballklub der Meisterinnenklasse
Von á-jour Film- & Fernsehproduktion, Klaus Schmutzer
NRhZ 615 vom 31.05.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23849
Online-Flyer Nr. 615 vom 31.05.2017
Filmbesprechung
Die Mannschaft ist der Star – Turbine Potsdam
Von Bernd J.R. Henke
"Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball." In diesen Tagen steht jenes bekannte Zitat von Albert Camus ganz gewiss in größtmöglichem Widerspruch zu den genannten hässlichen Seiten dieser Sportart: Doping, Korruption, Wettbetrug, Spielmanipulation, Transfermogelei. Sollte die Öffentlichkeit einen Beweis benötigen, der beispielhaft aufzeigen kann, dass die realen Wurzeln des Fußballs im Leistungssport zeitgemäß interpretiert und immer noch gelebt werden können, soll sie sich den Dokumentarfilm "Die Mannschaft ist der Star - Turbine Potsdam" ansehen.
Über fünf Jahre hat die Produktionsfirma "à-jour" Film und Regisseur Torsten Lüders die Potsdamer Frauenmannschaft und das Team hinter den Kulissen begleitet. Die Frauen zeigen, dass kämpferisch nicht gleich aggressiv ist. Frauen spielen leichter Fußball, nicht so verbissen. Der Hauptprotagonist der Dokumentation, der erfolgreiche Trainer Bernd Schröder, erinnert sich in 90 Minuten an Vergangenes, erklärt Gegenwärtiges und beschreibt Zukünftiges. Seine Kämpfernatur und sein strategisches Denken entwickelte seinen Verein zu einem Kulturgut einer ganzen Region.
Im Mai 2012, als die Mannschaft von Bernd Schröder zum vierten Mal in Folge die deutsche Meisterschaft feiern konnte, blickte der Klub zugleich auf eine mehr als 40-jährige Geschichte des Frauenfußballs in Potsdam zurück. Hier startet die filmische Begleitung. Im Zentrum des Films steht die Philosophie des Klubs, geprägt durch den Meistertrainer. Der Kern dieser Philosophie ist eine tiefe humanistische Ethik der Tat: dass man sein Wort hält, Regeln achtet und den Anderen respektiert. Die erste Übungseinheit der Turbine Frauen geschah 1971 als Betriebssport der VEB Energieversorgung Potsdam.
Im Turbine-System gibt es keine Pseudo-Stars, keine astronomischen Gagen, keine Bestrebungen, den Frauenfußball und die Spielerinnen zu vermarkten. Diese Haltung steht hinter dem Spiel der Frauen und nimmt den Zuschauer gefangen. Die Bereitschaft durch drei- und viermaliges Trainingspensum ganz nach vorne an die Weltspitze zu gelangen, erfordert viel Zeiteinsatz der Spielerinnen. Der Film widmet sich dem harten Training in der Halle. Selbst in den spielfreien Wintermonaten ist die zeitliche Belastung der Spitzenspielerinnen unweit größer als die ihrer männlichen Kollegen, die am Ende einer Profi-Karriere finanziell ausgesorgt haben.
Natürlich erwähnt und reflektiert der Film den Champions League Sieg 2010, als im "Coliseum Alfonso Pérez" im spanischen Getafe nahe Madrid in einem 7:6 Elfmeterschießen nach 120 Minuten Torlosigkeit mit geradezu tollkühner Virtuosität ein scheinbar verloren geglaubtes Fußballspiel nach zwei Fehltreffern im Elfmeterschießen (Jennifer Zietz und Anja Mittag) durch zwei Superparaden einer 17-jährige Torhüterin (Anna Felicitas Sarholz) und dem eiskalt servierten finalen Schuss einer Verteidigerin (Bianca Schmidt) gewendet wurde.
Die Dokumentation erzählt eine vielschichtige, komplexe Story aus verschiedenen Blickwinkeln und vermittelt so ein Gesamtbild von Turbine Potsdam. Der Zuschauer lernt nicht nur die Spielerinnen besser kennen, sondern erfährt Einiges aus dem Betreuerumfeld, einem Netzwerk engagierter Menschen, er nimmt Geschehenes hinter den Kabinentüren wahr. Jeder typisierende Pinselstrich des Regisseurs zeigt den familiären Rahmen des Vereins und erzeugt ein Wohlbefinden beim Publikum. Hervorzuheben sind die geschickt verwobenen Anekdoten mit den Spielerinnen (Christiane, Anonma) aus fremden Kontinenten.
Einzigartige meist schicksalhafte zufällige Verkettungen und deren weitreichende Folgen, der Film fasziniert durch Klarheit. Deutlich wird ein funktionierendes Nachwuchskonzept in Verbindung mit einem dualen System, welches Sport und Beruf aufeinander abstimmt und verbindet. Ergebnis: in den Jahren zuvor sind 28 Turbine Spielerinnen zur Nationalmannschaft berufen worden. Ganz nebenbei: der Meistertrainer übergab sein Amt einem kompetenten Nachfolger und einem Co-Trainergespann, darunter eine Co-Trainerin, die zukünftig das weibliche Element in die Waagschale der Männer werfen wird - Jennifer Zietz, eine Stammspielerin aus der Ära Schröder. Der Film lässt die Ex-Kapitänin zu Wort kommen. Das ist Turbine.
Die Mannschaft ist der Star – Turbine Potsdam
Dokumentarfilm / 90 Minuten / Farbe
Regie: Torsten Lüders
Produktion: á-jour Film- & Fernsehproduktion, Klaus Schmutzer
Premiere im Filmtheater Thalia, Potsdam-Babelsberg
Sonntag, den 28. Mai 2017 um 11 Uhr
Siehe auch:
Trailer zum Film "Die Mannschaft ist der Star..."
Das ist Turbine - ein Frauenfußballklub der Meisterinnenklasse
Von á-jour Film- & Fernsehproduktion, Klaus Schmutzer
NRhZ 615 vom 31.05.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23849
Online-Flyer Nr. 615 vom 31.05.2017