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Da War doch noch was?
Flunderquasseln
Von Harald Schauff
Medial bestens geschürt griffen vor einigen Jahren Ängste vor globalen Seuchen, ‘Pandemien’, um sich. Keine der ausgerufenen Epidemien schaffte es auf eine Stufe mit Pest und Cholera. Dabei wurde sich fraglos heftigst bemüht, Schweinegrippe, Vogelgrippe & Co Landstriche auslöschendes Potenzial anzuheften. Wenigstens lohnte sich das Geschäft für die pharmazeutischen Impfstoff-Hersteller. Im Schatten des pandemischen Medienspektakels breitete sich die unbemerkt die eigentliche Seuchenkatastrophe aus: Die ‘Smartphonitis’, auch unter dem Terminus ‘Handyrismus’ geläufig. Die Krankheitssymptome sind schwerlich zu übersehen: Ständiges Zücken und Im-Händchen-Halten der flachen Multimedia-Geräte, gebanntes Display-Anstarren, dauerndes Betatschen und Betippen und insbesondere: Permanentes Bequatschen der Wunderflundern.
Mit den Brabbelflundern hat sich endgültig ein neuer Typus Mensch in der Entwicklungsgeschichte etabliert: Aus dem ‘homo sapiens’, dem ‘wissenden Menschen’, hat sich der Abzweig des ‘homo orans’, des ‘redenden Menschen’ gebildet. Alternativ, lateinisch nicht ganz korrekt, ließe er sich auch als ‘homo laber’ bezeichnen. Völlig frei übersetzt bedeutet das soviel wie ‘Brabbelmonster’. Die CT-Aufnahme zeigt sein anatomisch hervorstechendes Wesensmerkmal: Ein hyperaktives Sprachzentrum. Das zieht alle Hirnströme auf sich, der Rest der grauen Masse bleibt unterversorgt, vor allem der für das Denken zuständige Bereich. Von den Stirnlappen glüht nur noch ein einziger: Der Schwätzlappen. Dessen erzeugte Wärme wird sogleich vom Zungenmuskel in Bewegungsenergie umgewandelt.
Die smarte Flunder passt zur Gattung der Schwadronisten wie die Computermaus auf das Pad. Der Schwallomat ersetzt den Gegenüber, dessen Ohren ansonsten in den Böen des Redestroms flatterten und denen Überflutung infolge der feuchten Aussprache drohte. Insofern ist er eine zuhörerfreundliche Erfindung. Und das will etwas heißen in der egomanischen Quatschkultur, die immer hektischer und gedankenloser um sich selbst kreist. Wo mehr übereinander als miteinander gesprochen wird und das Reden zum Ein- und Überreden verkommen ist.
Traditionelle Quasselrunden in Kneipen sind dabei eher harmlos. Das Gehör arg gequält, weil viel erzählt, wird im Fernsehen: Talkshows, Interviews, Streitgespräche... Oral-Akrobatik auf allen Kanälen. Die Flimmerkiste wird zum Schwätzkasten. Die Flucht auf die Straße bringt nichts. Dort sind die kleinen Geschwister des flimmernden Schwallkörpers aktiv: Die Brabbelflundern. Sie haben das Geschwätz in die letzten Winkel des öffentlichen Raumes transportiert. Und nicht nur das: Durch sie ist es nicht länger an Ort und Zeit gebunden. Quasselduette können sich aus der Ferne kurzschließen und brauchen sich nicht mehr gegenseitig ins Angesicht zu sabbeln.
Die Flunder soll für moderne Kommunikation stehen, für den Austausch von Informationen und Gedanken. Die Gespräche kreisen zumeist um Banales: Einkaufswünsche, Beschwerden über anderer Leute Kinder und Erlebnisse mit den lieben Mitmenschen. Stundenlang. Sicher: Ganz ohne verbale Kommunikation geht es nicht. Dennoch bedeutet Reden noch längst nicht Denken. Nur Letzteres macht uns schlauer und eben nicht die Vielrederei, der das aufmerksame Zuhören abgeht. Eben so wenig das ständige Glotzen aufs Mobilphon.
Die Smartphonitis erscheint wie eine unschöne Nebenwirkung der Digitalisierung, ein Abfallprodukt des technischen Fortschritts. So hat man sich das Zeitalter der Digitalisierung nicht vorgestellt. Doch vielleicht hat es ja noch gar nicht richtig begonnen. Möglicherweise kommt der eigentlich homo digitalensis irgendwann durchdachter, ruhiger, speichelsparender und gehörschonender daher als der gegenwärtige homo laber smartphonensis. Vielleicht schauen sie eines Tages belustigt wie kopfschüttelnd zurück auf die Epoche der blubbernden Flunderhalter.
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe Oktober 2017, erschienen.
Online-Flyer Nr. 632 vom 11.10.2017
Da War doch noch was?
Flunderquasseln
Von Harald Schauff
Medial bestens geschürt griffen vor einigen Jahren Ängste vor globalen Seuchen, ‘Pandemien’, um sich. Keine der ausgerufenen Epidemien schaffte es auf eine Stufe mit Pest und Cholera. Dabei wurde sich fraglos heftigst bemüht, Schweinegrippe, Vogelgrippe & Co Landstriche auslöschendes Potenzial anzuheften. Wenigstens lohnte sich das Geschäft für die pharmazeutischen Impfstoff-Hersteller. Im Schatten des pandemischen Medienspektakels breitete sich die unbemerkt die eigentliche Seuchenkatastrophe aus: Die ‘Smartphonitis’, auch unter dem Terminus ‘Handyrismus’ geläufig. Die Krankheitssymptome sind schwerlich zu übersehen: Ständiges Zücken und Im-Händchen-Halten der flachen Multimedia-Geräte, gebanntes Display-Anstarren, dauerndes Betatschen und Betippen und insbesondere: Permanentes Bequatschen der Wunderflundern.
Mit den Brabbelflundern hat sich endgültig ein neuer Typus Mensch in der Entwicklungsgeschichte etabliert: Aus dem ‘homo sapiens’, dem ‘wissenden Menschen’, hat sich der Abzweig des ‘homo orans’, des ‘redenden Menschen’ gebildet. Alternativ, lateinisch nicht ganz korrekt, ließe er sich auch als ‘homo laber’ bezeichnen. Völlig frei übersetzt bedeutet das soviel wie ‘Brabbelmonster’. Die CT-Aufnahme zeigt sein anatomisch hervorstechendes Wesensmerkmal: Ein hyperaktives Sprachzentrum. Das zieht alle Hirnströme auf sich, der Rest der grauen Masse bleibt unterversorgt, vor allem der für das Denken zuständige Bereich. Von den Stirnlappen glüht nur noch ein einziger: Der Schwätzlappen. Dessen erzeugte Wärme wird sogleich vom Zungenmuskel in Bewegungsenergie umgewandelt.
Die smarte Flunder passt zur Gattung der Schwadronisten wie die Computermaus auf das Pad. Der Schwallomat ersetzt den Gegenüber, dessen Ohren ansonsten in den Böen des Redestroms flatterten und denen Überflutung infolge der feuchten Aussprache drohte. Insofern ist er eine zuhörerfreundliche Erfindung. Und das will etwas heißen in der egomanischen Quatschkultur, die immer hektischer und gedankenloser um sich selbst kreist. Wo mehr übereinander als miteinander gesprochen wird und das Reden zum Ein- und Überreden verkommen ist.
Traditionelle Quasselrunden in Kneipen sind dabei eher harmlos. Das Gehör arg gequält, weil viel erzählt, wird im Fernsehen: Talkshows, Interviews, Streitgespräche... Oral-Akrobatik auf allen Kanälen. Die Flimmerkiste wird zum Schwätzkasten. Die Flucht auf die Straße bringt nichts. Dort sind die kleinen Geschwister des flimmernden Schwallkörpers aktiv: Die Brabbelflundern. Sie haben das Geschwätz in die letzten Winkel des öffentlichen Raumes transportiert. Und nicht nur das: Durch sie ist es nicht länger an Ort und Zeit gebunden. Quasselduette können sich aus der Ferne kurzschließen und brauchen sich nicht mehr gegenseitig ins Angesicht zu sabbeln.
Die Flunder soll für moderne Kommunikation stehen, für den Austausch von Informationen und Gedanken. Die Gespräche kreisen zumeist um Banales: Einkaufswünsche, Beschwerden über anderer Leute Kinder und Erlebnisse mit den lieben Mitmenschen. Stundenlang. Sicher: Ganz ohne verbale Kommunikation geht es nicht. Dennoch bedeutet Reden noch längst nicht Denken. Nur Letzteres macht uns schlauer und eben nicht die Vielrederei, der das aufmerksame Zuhören abgeht. Eben so wenig das ständige Glotzen aufs Mobilphon.
Die Smartphonitis erscheint wie eine unschöne Nebenwirkung der Digitalisierung, ein Abfallprodukt des technischen Fortschritts. So hat man sich das Zeitalter der Digitalisierung nicht vorgestellt. Doch vielleicht hat es ja noch gar nicht richtig begonnen. Möglicherweise kommt der eigentlich homo digitalensis irgendwann durchdachter, ruhiger, speichelsparender und gehörschonender daher als der gegenwärtige homo laber smartphonensis. Vielleicht schauen sie eines Tages belustigt wie kopfschüttelnd zurück auf die Epoche der blubbernden Flunderhalter.
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe Oktober 2017, erschienen.
Online-Flyer Nr. 632 vom 11.10.2017