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Inland
Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung 100 Jahre nach der Wahl Konrad Adenauers zum Kölner Oberbürgermeister
Oberbürgermeister Konrad Adenauer und das Kapital
Von Werner Rügemer
Angeregt durch Werner Rügemer, der an einem Buch über den ehemaligen Kölner Oberbürgermeister und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer arbeitet, hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW in Kooperation mit der Volkshochschule Köln, dem EL-DE-Haus-Verein und dem Friedensbildungswerk Köln eine Podiumsdiskussion arrangiert. Ihr Titel: "Der 'Überbürgermeister' - Konrad Adenauer - Kölner Lichtgestalt und Autokrat". Wie die Stiftung der "Linken" die Diskussionsrunde zusammengestellt hatte, war bemerkenswert. Neben Werner Rügemer, dem ein Platz links außen zugeordnet war, saßen auf dem Podium als Diskutanten Hanns Jürgen Küsters (Konrad-Adenauer-Stiftung), Corinna Franz (Adenauerhaus Rhöndorf), Wolfgang Uellenberg-van Dawen (Ex-DGB-Vorsitzender von Köln) und Werner Jung (NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln). Eingeleitet von Karl-Heinz Heinemann (Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW) und moderiert durch Martin Stankowski wurde ohne Beteiligung des Publikums diskutiert. In einer einleitenden Runde kamen alle Diskutanten mit einem Statement zu Wort - zuletzt, nachdem die anderen bereits ca. eine Stunde gesprochen hatten, Werner Rügemer. Seine leicht überarbeiteten Ausführungen, die sich von allen anderen Beiträgen deutlich abhoben, sind im Folgenden wiedergegeben.
"Der Krieg und sein Schatten – Zwei alte Herren: reif fürs Panoptikum", Fotomontage von John Heartfield, 1961 (aus der Ausstellung "Die Kunst ist tot" in der Galerie Arbeiterfotografie, Köln)
Kurze Vorbemerkung: Den Begriff „Kapital“ verwandte Adenauer nicht – weil er zu eng mit ihm verbunden war. Auch seine Erben wie Angela Merkel beherrschen diese Technik. Adenauer war als Kölner Oberbürgermeister – und gleichzeitiger Präsident des Preußischen Staatsrates - gnadenlos opportunistisch, aber in einer Hinsicht gnadenlos unbeugsam, nämlich als Verteidiger des Partialinteresses der großen kapitalistischen Privateigentümer. Beide Eigenschaften hängen ursächlich zusammen.
Der erste politische Förderer Adenauers war der Kölner Bankier Louis Hagen. Ihm gehörte die Investmentbank Levy, also keine Bank für Laufkundschaft, sondern für Industriefinanzierung. Als Stadtverordneter der Unternehmerpartei der Liberalen sorgte er dafür, dass Adenauer, Mitglied der katholischen Zentrumspartei zum Beigeordneten gewählt wurde. Vor und im 1. Weltkrieg waren im Stadtrat nur Liberale und Zentrumspartei vertreten, Sozialdemokraten waren aufgrund des Drei-Klassen-Wahlrechts nicht zugelassen. Hagen und Adenauer stiegen in der Folgezeit gemeinsam weiter auf: Hagen trat in die Zentrumspartei ein, wurde Präsident der Kölner IHK und mit mehreren Dutzend Aufsichtsratsmandaten in den 1920er Jahren einer der mächtigsten Bankiers im Deutschen Reich. Die persönliche Freundschaft mit Adenauer dauerte bis zum Tod Hagens 1932.
Monarchist und Militarist Adenauer
Während des 1. Weltkriegs war Adenauer als Erster Beigeordneter verantwortlich für die kriegswirtschaftliche Steuerung der westlichen Frontstadt Köln. Nachdem der Kaiser die friedensbereite Reichsregierung 1917 absetzte, bejubelte der Monarchist und Militarist Adenauer in seiner Antrittsrede als Oberbürgermeister den Kaiser und rief zur Fortführung des Krieges auf. Deshalb befreundeten sich die Chemie- und Rüstungsindustriellen mit ihm, die auch in Köln Betriebe hatten und den Krieg fortsetzen wollten, so der Chef der Bayer AG, Carl Duisberg (1925-1935 Chef der IG Farben), und die Eigentümer der wichtigsten Rüstungskonzerne, Hugo Stinnes, August Thyssen, Otto Wolff, Albert Vögler und Peter Klöckner. Die persönliche Freundschaft mit Adenauer dauerte bis zum Tod Duisbergs 1935.
Nach dem verlorenen Krieg lehnten sie den „Diktatfrieden von Versailles“ ab: Sie hatten mit ihm ihr 1870 im Krieg gegen Frankreich geraubtes Eigentum in Elsaß-Lothringen und ihre billigen Rohstoffquellen in den deutschen Kolonien verloren. Man wollte auch keine Reparationen bezahlen. Mit Adenauer, der ebenfalls gegen das „Versailler Diktat“ als „Sklaverei“ hetzte, lehnte man auch demokratische Elemente der Weimarer Verfassung ab, so die Aufwertung der Gewerkschaften und Betriebsräte und die mögliche Verstaatlichungen.
Deshalb jonglierte man mit Adenauer von 1919 bis 1924 diverse Pläne für einen Teil- oder auch Separatstaat. Er lief unter Bezeichnungen wie „rheinische Republik“. Auch eine rheinische Bank, neben der Reichsbank, war geplant. Stinnes nahm 1923 Adenauer zu Verhandlungen nach Paris mit. Gewerkschaften waren zum Streik gegen die Abspaltung bereit. Schließlich verhinderten die Wall Street, die City of London und Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht die Pläne.
Adenauer and friends lehnten sich wendig an die neue Macht an. Ab 1924 vergaben die USA über den Dawes-Plan Kredite an das Deutsche Reich, damit es die Reparationen zahlen konnte. Auch die Ruhrindustrie und Großstädte erhielten Kredite. Adenauer nutzte sie für seine Großprojekte. US-Konzerne kauften Unternehmensanteile in Deutschland und errichteten Niederlassungen – IBM, Ford, GM, Coca Cola usw.
Während der Weimarer Republik wurde Adenauer in ein Dutzend Aufsichtsräte berufen: Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke (RWE), Rheinbraun, Ruhrgas, Deutsche Lufthansa; Krönung war die Deutsche Bank. Hier traf er sich wieder mit seinen Freunden wie Hagen, Duisberg, Thyssen, Vögler, Silverberg, Klöckner und Pferdmenges. Die Deutsche Bank schickte Adenauer Insider-Angebote ins Rathaus, etwa für einen Aktienkauf zum Vorzugspreis. Wenn er dafür mal nicht genug Geld hatte, ließ er sich aus der städtischen Haushaltskasse einen zinslosen Kredit geben. Eine solche korruptive Handlung war in seinem Milieu Routine.
Adenauer überall dabei
Adenauer war neben seinem Amt als Oberbürgermeister vielfältig auf Reichsebene aktiv. Während er bei den Separatstaats-Aktivitäten gegenüber Frankreich und dem rheinischen Publikum gegen das böse und protestantische Preußen polemisierte, nutzte er gleichzeitig seine Position als Präsident des Preußischen Staatsrates. Der Freistaat Preußen war ein Wurmfortsatz der Monarchie mitten in der Weimarer Republik – genauso wie Adenauer seine Wahlperiode von 12 Jahren als Oberbürgermeister aus dem preußischen Kommunalrecht in die Republik rettete und erst 1929 sich wieder der Wahl stellen musste. Auch im Staatsrat saßen wieder Hagen, Vögler, Klöckner und Krupp. Sie trafen sich in etwas anderer Zusammensetzung auch im Bund zur Erneuerung des Reiches und ventilierten hier autoritäre Konzepte zur Ablösung der Weimarer Republik, ebenso im Reichswirtschaftsrat, in dem sich führende Unternehmer neben dem Reichsverband der Deutschen Industrie zusammentaten – Adenauer überall dabei.
In der Deutschen Kolonialgesellschaft warben sie für die Wiedergewinnung der deutschen Kolonien. Auf der Kölner Presseausstellung 1928 richtete Adenauer eine koloniale Sonderschau ein. Dort prangte ein Plakat mit dem Adenauer-Zitat: „Wir müssen für unser Volk mehr Raum haben und darum Kolonien.“ Daneben hing eine kleine Deutschlandkarte mit der Überschrift „60 Millionen ohne Raum“, daneben eine große Afrikakarte mit der Überschrift „Raum ohne Volk“.
Als Vizepräsident der Kolonialgesellschaft polemisierte Adenauer 1931 bei der Kolonial-Kundgebung im Gürzenich gegen „die Haltlosigkeit der kolonialen Schuldlüge“ der Siegermächte. Es sei unhaltbar, dass man Kleinstaaten wie Portugal, Belgien und Holland „riesige Kolonialräume mit Millionen von Eingeborenen anvertraue, dem größten Volk Europas aber, den 60-80 Millionen Deutschen, jeden Raum zur freien Entfaltung seiner Kräfte verweigere, ja uns Deutsche von der großen Kulturaufgabe der Leitung und Erziehung der unmündigen Völker… ausschließe“. Bei der Kolonialausstellung hatte er Schwarze im Baströckchen herumtanzen lassen.
Business um jeden Preis - Antisemitismus kein Problem
Der Kölner OB umwarb Henry Ford für eine Niederlassung in Köln, auch mithilfe heimlicher Steuererlässe. Ford war der weltweit bekannteste Antisemit, sein Buch „Der Internationale Jude“ hatte in Deutschland Dutzende Auflagen. In seinen Fabriken verfolgte er Gewerkschafter mit eigenem Geheimdienst und Prügelkommandos. Das alles störte den christlichen Politiker Adenauer nicht, seine handlungsleitende Moral war Business um jeden Preis.
Gegenüber dem US-Botschafter Frederic Sackett diente Adenauer sich bei der Einweihung der Ford-Hallen den USA an, mit verschwurbeltem Geraune: „Ich habe die Überzeugung, dass Ihr großes und starkes Land, Herr Botschafter, die weltgeschichtliche Rolle, die das Geschick ihm zugewiesen hat, erfasst hat und dass es den Mut hat und das Vertrauen zu sich und der Welt hat, im geeigneten Augenblick die Führerschaft auf dem Wege zur wirklichen politischen und wirtschaftlichen Befriedung Europas mit entschlossener Hand zu übernehmen.“
Mit seinen kapitalen Freunden förderte Adenauer gegen Ende der Weimarer Republik Faschismus und Nationalsozialismus. Den zögernden Mussolini umwarb er mit großem Aufwand, ein italienisches Kulturinstitut in Köln einzurichten. Mit dem Ideologen des Faschismus und Kulturminister Giovanni Gentile unterzeichnete er den Vertrag. Das Institut sollte der Selbstdarstellung des damaligen italienischen Staates dienen. Direktor wurde Erwin von Beckerath, der bekannteste professorale Propagandist des Faschismus in Deutschland („Wesen und Werden des Faschismus“, 1927), der auf Betreiben Adenauers an die Kölner Universität berufen worden war. Damit machte der Kölner OB auch Außenpolitik gegen das Deutsche Reich. Außenminister Stresemann hielt auf Distanz zu Mussolini. Und weil das Reich die Mitfinanzierung des Instituts verweigerte, griff Adenauer in die überschuldete städtische Kasse.
"Meinetwegen auch Hitler"
Ab Mitte 1932 trat Adenauer mit seinen Freunden für die Regierungs-Beteiligung der NSDAP ein, sowohl im Deutschen Reich wie im Freistaat Preußen. Nach seiner Absetzung, im Juni 1933, schrieb er aus dem Kloster Maria Laach an die Bankiersgattin Dora Pferdmenges, dass seine Partei, das katholische Zentrum, leider nicht der Geist der neuen Zeit erfasst habe. Deshalb: „Meines Erachtens ist unsere einzige Rettung ein Monarch, ein Hohenzoller oder meinetwegen auch Hitler“. Das hieß: Wenn schon nicht das Zentrum den deutschen Kapitalismus retten kann, dann eben Hitler: Faschismus als notwendiger Kollateralschaden.
1917 jubelte der katholische Preuße Adenauer dem deutschen Kaiser und Kriegsherrn zu. Nach dem verlorenen Krieg polemisierte er gegen das böse und protestantische Preußen - gleichzeitig nutzte er den Preußischen Staatsrat als Instrument gegen die Republik. Dann diente er sich der Schutzmacht USA an und umwarb deren führenden Antisemiten. Dann sah er Hitler als einzige Lösung. Mit dieser jeweils kapitaldienlichen Mischung qualifizierte sich der gnadenlose Opportunist dann als Vorsitzender einer neuen christlichen Partei namens CDU und als Kanzler eines neuen Teilstaats namens Bundesrepublik Deutschland.
Das Podium; Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Historiker, ehem. DGB-Vorsitzender von Köln; Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters, Leiter Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.; Moderator Dr. Martin Stankowski; Dr. Corinna Franz, Geschäftsführerin des Adenauerhauses in Rhöndorf; Dr. Werner Jung, Historiker, Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln; Dr. Werner Rügemer, investigativer Publizist und Autor
Werner Rügemer: "Adenauer diente sich der Schutzmacht USA an und umwarb deren führenden Antisemiten. Dann sah er Hitler als einzige Lösung. Mit dieser jeweils kapitaldienlichen Mischung qualifizierte sich der gnadenlose Opportunist dann als Vorsitzender einer neuen christlichen Partei namens CDU und als Kanzler eines neuen Teilstaats namens Bundesrepublik Deutschland."
Hanns Jürgen Küsters von der Konrad-Adenauer-Stiftung während des Vortrags von Werner Rügemer - Anschließend entrüstet er sich: "Also Herr Rügemer, ich muss ganz ehrlich sagen: wenn Sie sich investigativer Journalist nennen, dann haben auch Sie eine Verpflichtung zum Kontext und zur Wahrheit." Auf die mehrfache Nachfrage (aus dem Publikum, das ansonsten nicht zu Wort kommt), ob die von Werner Rügemer vorgetragenen Zitate korrekt sind, antwortet der Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung nicht.
Von Werner Rügemer erscheint im Herbst 2018 die erste kritische Adenauer-Biografie (Papyrossa-Verlag, Köln)
Online-Flyer Nr. 637 vom 15.11.2017
Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung 100 Jahre nach der Wahl Konrad Adenauers zum Kölner Oberbürgermeister
Oberbürgermeister Konrad Adenauer und das Kapital
Von Werner Rügemer
Angeregt durch Werner Rügemer, der an einem Buch über den ehemaligen Kölner Oberbürgermeister und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer arbeitet, hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW in Kooperation mit der Volkshochschule Köln, dem EL-DE-Haus-Verein und dem Friedensbildungswerk Köln eine Podiumsdiskussion arrangiert. Ihr Titel: "Der 'Überbürgermeister' - Konrad Adenauer - Kölner Lichtgestalt und Autokrat". Wie die Stiftung der "Linken" die Diskussionsrunde zusammengestellt hatte, war bemerkenswert. Neben Werner Rügemer, dem ein Platz links außen zugeordnet war, saßen auf dem Podium als Diskutanten Hanns Jürgen Küsters (Konrad-Adenauer-Stiftung), Corinna Franz (Adenauerhaus Rhöndorf), Wolfgang Uellenberg-van Dawen (Ex-DGB-Vorsitzender von Köln) und Werner Jung (NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln). Eingeleitet von Karl-Heinz Heinemann (Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW) und moderiert durch Martin Stankowski wurde ohne Beteiligung des Publikums diskutiert. In einer einleitenden Runde kamen alle Diskutanten mit einem Statement zu Wort - zuletzt, nachdem die anderen bereits ca. eine Stunde gesprochen hatten, Werner Rügemer. Seine leicht überarbeiteten Ausführungen, die sich von allen anderen Beiträgen deutlich abhoben, sind im Folgenden wiedergegeben.
"Der Krieg und sein Schatten – Zwei alte Herren: reif fürs Panoptikum", Fotomontage von John Heartfield, 1961 (aus der Ausstellung "Die Kunst ist tot" in der Galerie Arbeiterfotografie, Köln)
Kurze Vorbemerkung: Den Begriff „Kapital“ verwandte Adenauer nicht – weil er zu eng mit ihm verbunden war. Auch seine Erben wie Angela Merkel beherrschen diese Technik. Adenauer war als Kölner Oberbürgermeister – und gleichzeitiger Präsident des Preußischen Staatsrates - gnadenlos opportunistisch, aber in einer Hinsicht gnadenlos unbeugsam, nämlich als Verteidiger des Partialinteresses der großen kapitalistischen Privateigentümer. Beide Eigenschaften hängen ursächlich zusammen.
Der erste politische Förderer Adenauers war der Kölner Bankier Louis Hagen. Ihm gehörte die Investmentbank Levy, also keine Bank für Laufkundschaft, sondern für Industriefinanzierung. Als Stadtverordneter der Unternehmerpartei der Liberalen sorgte er dafür, dass Adenauer, Mitglied der katholischen Zentrumspartei zum Beigeordneten gewählt wurde. Vor und im 1. Weltkrieg waren im Stadtrat nur Liberale und Zentrumspartei vertreten, Sozialdemokraten waren aufgrund des Drei-Klassen-Wahlrechts nicht zugelassen. Hagen und Adenauer stiegen in der Folgezeit gemeinsam weiter auf: Hagen trat in die Zentrumspartei ein, wurde Präsident der Kölner IHK und mit mehreren Dutzend Aufsichtsratsmandaten in den 1920er Jahren einer der mächtigsten Bankiers im Deutschen Reich. Die persönliche Freundschaft mit Adenauer dauerte bis zum Tod Hagens 1932.
Monarchist und Militarist Adenauer
Während des 1. Weltkriegs war Adenauer als Erster Beigeordneter verantwortlich für die kriegswirtschaftliche Steuerung der westlichen Frontstadt Köln. Nachdem der Kaiser die friedensbereite Reichsregierung 1917 absetzte, bejubelte der Monarchist und Militarist Adenauer in seiner Antrittsrede als Oberbürgermeister den Kaiser und rief zur Fortführung des Krieges auf. Deshalb befreundeten sich die Chemie- und Rüstungsindustriellen mit ihm, die auch in Köln Betriebe hatten und den Krieg fortsetzen wollten, so der Chef der Bayer AG, Carl Duisberg (1925-1935 Chef der IG Farben), und die Eigentümer der wichtigsten Rüstungskonzerne, Hugo Stinnes, August Thyssen, Otto Wolff, Albert Vögler und Peter Klöckner. Die persönliche Freundschaft mit Adenauer dauerte bis zum Tod Duisbergs 1935.
Nach dem verlorenen Krieg lehnten sie den „Diktatfrieden von Versailles“ ab: Sie hatten mit ihm ihr 1870 im Krieg gegen Frankreich geraubtes Eigentum in Elsaß-Lothringen und ihre billigen Rohstoffquellen in den deutschen Kolonien verloren. Man wollte auch keine Reparationen bezahlen. Mit Adenauer, der ebenfalls gegen das „Versailler Diktat“ als „Sklaverei“ hetzte, lehnte man auch demokratische Elemente der Weimarer Verfassung ab, so die Aufwertung der Gewerkschaften und Betriebsräte und die mögliche Verstaatlichungen.
Deshalb jonglierte man mit Adenauer von 1919 bis 1924 diverse Pläne für einen Teil- oder auch Separatstaat. Er lief unter Bezeichnungen wie „rheinische Republik“. Auch eine rheinische Bank, neben der Reichsbank, war geplant. Stinnes nahm 1923 Adenauer zu Verhandlungen nach Paris mit. Gewerkschaften waren zum Streik gegen die Abspaltung bereit. Schließlich verhinderten die Wall Street, die City of London und Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht die Pläne.
Adenauer and friends lehnten sich wendig an die neue Macht an. Ab 1924 vergaben die USA über den Dawes-Plan Kredite an das Deutsche Reich, damit es die Reparationen zahlen konnte. Auch die Ruhrindustrie und Großstädte erhielten Kredite. Adenauer nutzte sie für seine Großprojekte. US-Konzerne kauften Unternehmensanteile in Deutschland und errichteten Niederlassungen – IBM, Ford, GM, Coca Cola usw.
Während der Weimarer Republik wurde Adenauer in ein Dutzend Aufsichtsräte berufen: Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke (RWE), Rheinbraun, Ruhrgas, Deutsche Lufthansa; Krönung war die Deutsche Bank. Hier traf er sich wieder mit seinen Freunden wie Hagen, Duisberg, Thyssen, Vögler, Silverberg, Klöckner und Pferdmenges. Die Deutsche Bank schickte Adenauer Insider-Angebote ins Rathaus, etwa für einen Aktienkauf zum Vorzugspreis. Wenn er dafür mal nicht genug Geld hatte, ließ er sich aus der städtischen Haushaltskasse einen zinslosen Kredit geben. Eine solche korruptive Handlung war in seinem Milieu Routine.
Adenauer überall dabei
Adenauer war neben seinem Amt als Oberbürgermeister vielfältig auf Reichsebene aktiv. Während er bei den Separatstaats-Aktivitäten gegenüber Frankreich und dem rheinischen Publikum gegen das böse und protestantische Preußen polemisierte, nutzte er gleichzeitig seine Position als Präsident des Preußischen Staatsrates. Der Freistaat Preußen war ein Wurmfortsatz der Monarchie mitten in der Weimarer Republik – genauso wie Adenauer seine Wahlperiode von 12 Jahren als Oberbürgermeister aus dem preußischen Kommunalrecht in die Republik rettete und erst 1929 sich wieder der Wahl stellen musste. Auch im Staatsrat saßen wieder Hagen, Vögler, Klöckner und Krupp. Sie trafen sich in etwas anderer Zusammensetzung auch im Bund zur Erneuerung des Reiches und ventilierten hier autoritäre Konzepte zur Ablösung der Weimarer Republik, ebenso im Reichswirtschaftsrat, in dem sich führende Unternehmer neben dem Reichsverband der Deutschen Industrie zusammentaten – Adenauer überall dabei.
In der Deutschen Kolonialgesellschaft warben sie für die Wiedergewinnung der deutschen Kolonien. Auf der Kölner Presseausstellung 1928 richtete Adenauer eine koloniale Sonderschau ein. Dort prangte ein Plakat mit dem Adenauer-Zitat: „Wir müssen für unser Volk mehr Raum haben und darum Kolonien.“ Daneben hing eine kleine Deutschlandkarte mit der Überschrift „60 Millionen ohne Raum“, daneben eine große Afrikakarte mit der Überschrift „Raum ohne Volk“.
Als Vizepräsident der Kolonialgesellschaft polemisierte Adenauer 1931 bei der Kolonial-Kundgebung im Gürzenich gegen „die Haltlosigkeit der kolonialen Schuldlüge“ der Siegermächte. Es sei unhaltbar, dass man Kleinstaaten wie Portugal, Belgien und Holland „riesige Kolonialräume mit Millionen von Eingeborenen anvertraue, dem größten Volk Europas aber, den 60-80 Millionen Deutschen, jeden Raum zur freien Entfaltung seiner Kräfte verweigere, ja uns Deutsche von der großen Kulturaufgabe der Leitung und Erziehung der unmündigen Völker… ausschließe“. Bei der Kolonialausstellung hatte er Schwarze im Baströckchen herumtanzen lassen.
Business um jeden Preis - Antisemitismus kein Problem
Der Kölner OB umwarb Henry Ford für eine Niederlassung in Köln, auch mithilfe heimlicher Steuererlässe. Ford war der weltweit bekannteste Antisemit, sein Buch „Der Internationale Jude“ hatte in Deutschland Dutzende Auflagen. In seinen Fabriken verfolgte er Gewerkschafter mit eigenem Geheimdienst und Prügelkommandos. Das alles störte den christlichen Politiker Adenauer nicht, seine handlungsleitende Moral war Business um jeden Preis.
Gegenüber dem US-Botschafter Frederic Sackett diente Adenauer sich bei der Einweihung der Ford-Hallen den USA an, mit verschwurbeltem Geraune: „Ich habe die Überzeugung, dass Ihr großes und starkes Land, Herr Botschafter, die weltgeschichtliche Rolle, die das Geschick ihm zugewiesen hat, erfasst hat und dass es den Mut hat und das Vertrauen zu sich und der Welt hat, im geeigneten Augenblick die Führerschaft auf dem Wege zur wirklichen politischen und wirtschaftlichen Befriedung Europas mit entschlossener Hand zu übernehmen.“
Mit seinen kapitalen Freunden förderte Adenauer gegen Ende der Weimarer Republik Faschismus und Nationalsozialismus. Den zögernden Mussolini umwarb er mit großem Aufwand, ein italienisches Kulturinstitut in Köln einzurichten. Mit dem Ideologen des Faschismus und Kulturminister Giovanni Gentile unterzeichnete er den Vertrag. Das Institut sollte der Selbstdarstellung des damaligen italienischen Staates dienen. Direktor wurde Erwin von Beckerath, der bekannteste professorale Propagandist des Faschismus in Deutschland („Wesen und Werden des Faschismus“, 1927), der auf Betreiben Adenauers an die Kölner Universität berufen worden war. Damit machte der Kölner OB auch Außenpolitik gegen das Deutsche Reich. Außenminister Stresemann hielt auf Distanz zu Mussolini. Und weil das Reich die Mitfinanzierung des Instituts verweigerte, griff Adenauer in die überschuldete städtische Kasse.
"Meinetwegen auch Hitler"
Ab Mitte 1932 trat Adenauer mit seinen Freunden für die Regierungs-Beteiligung der NSDAP ein, sowohl im Deutschen Reich wie im Freistaat Preußen. Nach seiner Absetzung, im Juni 1933, schrieb er aus dem Kloster Maria Laach an die Bankiersgattin Dora Pferdmenges, dass seine Partei, das katholische Zentrum, leider nicht der Geist der neuen Zeit erfasst habe. Deshalb: „Meines Erachtens ist unsere einzige Rettung ein Monarch, ein Hohenzoller oder meinetwegen auch Hitler“. Das hieß: Wenn schon nicht das Zentrum den deutschen Kapitalismus retten kann, dann eben Hitler: Faschismus als notwendiger Kollateralschaden.
1917 jubelte der katholische Preuße Adenauer dem deutschen Kaiser und Kriegsherrn zu. Nach dem verlorenen Krieg polemisierte er gegen das böse und protestantische Preußen - gleichzeitig nutzte er den Preußischen Staatsrat als Instrument gegen die Republik. Dann diente er sich der Schutzmacht USA an und umwarb deren führenden Antisemiten. Dann sah er Hitler als einzige Lösung. Mit dieser jeweils kapitaldienlichen Mischung qualifizierte sich der gnadenlose Opportunist dann als Vorsitzender einer neuen christlichen Partei namens CDU und als Kanzler eines neuen Teilstaats namens Bundesrepublik Deutschland.
Das Podium; Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Historiker, ehem. DGB-Vorsitzender von Köln; Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters, Leiter Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.; Moderator Dr. Martin Stankowski; Dr. Corinna Franz, Geschäftsführerin des Adenauerhauses in Rhöndorf; Dr. Werner Jung, Historiker, Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln; Dr. Werner Rügemer, investigativer Publizist und Autor
Werner Rügemer: "Adenauer diente sich der Schutzmacht USA an und umwarb deren führenden Antisemiten. Dann sah er Hitler als einzige Lösung. Mit dieser jeweils kapitaldienlichen Mischung qualifizierte sich der gnadenlose Opportunist dann als Vorsitzender einer neuen christlichen Partei namens CDU und als Kanzler eines neuen Teilstaats namens Bundesrepublik Deutschland."
Hanns Jürgen Küsters von der Konrad-Adenauer-Stiftung während des Vortrags von Werner Rügemer - Anschließend entrüstet er sich: "Also Herr Rügemer, ich muss ganz ehrlich sagen: wenn Sie sich investigativer Journalist nennen, dann haben auch Sie eine Verpflichtung zum Kontext und zur Wahrheit." Auf die mehrfache Nachfrage (aus dem Publikum, das ansonsten nicht zu Wort kommt), ob die von Werner Rügemer vorgetragenen Zitate korrekt sind, antwortet der Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung nicht.
Von Werner Rügemer erscheint im Herbst 2018 die erste kritische Adenauer-Biografie (Papyrossa-Verlag, Köln)
Online-Flyer Nr. 637 vom 15.11.2017