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Kultur und Wissen
1968 in der Schweiz:
«Jahr der Träume» und die Zeit danach
Von Heinrich Frei
Benedikt Weibel war von 1993 bis 2006 Chef der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). (1) Er hat kürzlich ein Buch über die 68er Bewegung veröffentlicht, «Das Jahr der Träume». Weibel war als Student aktiv an dieser Bewegung in der Schweiz beteiligt. Der Nachfolger von Weibel bei der SBB AG ist Andreas Meyer. Er arbeitete vorher bei der Deutschen Bahn AG. Bei der SBB verdient Meyer jetzt total 1.051.571 Franken (902.000 Euro) im Jahr. Das ist etwa 20mal mehr, als eine Mitarbeiterin bei der SBB mit einem kleinen Lohn verdient.
NZZ: «Wehret den Anfängen», verhindert die Revolution
Es ist schon erstaunlich, wie weit es der frühere 68er Rebell Benedikt Weibel gebracht hat. 1968 prophezeite man den 68er-Demonstranten doch eher eine düstere Zukunft. Damals verdächtigten die Regierenden, die angepassten Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die Unternehmer, die Polizei und auch private Aufpasser, wie Ernst Cincera Angst, diese Leute würden unsere Demokratie mit dem roten Virus infizieren und unseren gut funktionierenden Rechtsstaat wegfegen. Heimlich wurden schwarze Listen erstellt, damit die «Revolutionäre» sich nicht ins System einschleichen konnten. Der Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung Fred Luchsinger forderte «Wehret den Anfängen» und «kompromisslose Rechtsstaatlichkeit» in seinem Leitartikel in der NZZ nach den Zürcher Globus-Krawallen vom 29. Juni 1968.
Die Revolution fand aber 1968 in der Schweiz nicht statt. Die 68er in Zürich, meist brave Schüler, Lehrlinge, Arbeiter, Angestellte und nur wenige Studenten, forderten damals ein autonomes Jugendzentrum, protestierten gegen den Vietnamkrieg, die Diskriminierung der Fremdarbeiter, gegen die Ausbeutung der Dritten Welt und verlangten wie viele andere damals auch, die Einführung des Frauenstimmrechtes und gleiche Löhne für Frauen und Männer. Die 68-er Revoluzzer wollten auch einen Zivildienst für Kriegsdienstverweigerer und alle Kriegsmaterialexporte stoppen.
1968 war für Vietnam, Laos und Kambodscha kein «Jahr der Träume», wie in Europa für die 68er, sondern ein furchtbarer Albtraum. Der Krieg in Südostasien der USA und ihren Verbündeten forderte schlussendlich 2 bis 5,1 Millionen Opfer. Niemand weiß genau wie viele Menschen in diesen Kriegen umgekommen, verletzt und vergiftet worden sind.
Frauenstimmrecht 1971, Zivildienst für Militärverweigerer 1996
Immerhin wurde nach 1968 das Frauenstimmrecht 1971 von den Männern per Volksabstimmung in der Schweiz eingeführt, im Kanton Appenzell Innerrhoden zwar erst 1990. Kriegsdienstverweigerer mussten hingegen in der Schweiz erst seit 1996 nicht mehr ins Gefängnis. Sie können heute einen zivilen Ersatzdienst leisten der anderthalb Mal länger als der Militärdienst dauert. Vor 1996 wurden Militärverweigerer hart angefasst. Ein Bekannter von mir erhielt eine unbedingte Gefängnisstrafe von 16 Monaten, weil er in der Armee nicht töten lernen wollte. An seinen Prozessen in Lenzburg und Luzern vor den Divisionsgerichten argumentierte mein Kollege der Internationalen der Kriegsdienstverweigerer (IdK) politisch, was den Militärrichtern besonders sauer aufstieß. Er erwähnte in seinem Plädoyer, dass die Schweizer Armee mehrmals gegen inneren Feinde im unserem Land eingesetzt wurde und nie gegen äussere Feinde.
Auch heute ist der Einsatz der Armee gegen die eigene Bevölkerung in der Schweiz und auch in Europa wieder aktuell: (2)
Kriegsdienstverweigerer ins Gefängnis, Dieter Bührle nicht
Einige tausend Militärverweigerer wurden in der Schweiz vor 1996 eingesperrt, weil sie Nein sagten zur Armee. Dieter Bührle von Oerlikon-Contraves hingegen, der für dutzende Millionen Franken Kriegsmaterial illegal verkauft hatte, kam vor dem Bundesgericht in Lausanne nach seinen Verbrechen mit einer bedingten Gefängnisstrafe von sieben Monaten und einer Busse von 200 000 Franken davon. Nur einer seiner Direktoren sperrte man ein. (3)
1970 wurden Dieter Bührle und drei seiner Mitarbeiter wegen illegaler Waffenlieferungen in die Konfliktländer Südafrika und Nigeria vom Bundesgericht verurteilt. Zwischen 1963 und 1968 verletzte der Konzern, damals mit ca. 2'000 Angestellten einer der größten Arbeitgeber der Schweiz, die Ausfuhrverbote des Bundesrates für Kriegsmaterial, indem er die in Konflikte verwickelten Länder Nigeria, Südafrika, Malaysia, Israel, Saudi-Arabien, Ägypten und Libanon mit Waffen belieferte. Die nötigen Ausfuhrbewilligungen erlangte Oerlikon-Bührle mit Gesuchen, die falsche Bestimmungsländer angaben. Diese Praxis wurde 1968 publik, nachdem Medien über den Einsatz von Oerlikon-Kanonen im nigerianischen Bürgerkrieg berichteten. Flugzeuge des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) wurden mit Bührle Kanonen beschossen.
Der Schaden für den Konzern blieb aber gering, weil der Bundesrat Bührle zwar die Kriegsmaterialproduktionsbewilligung entzog, sie aber der Oerlikon-Bührle-Gruppe wieder übertrug. (4) 1999 wurde der Rüstungsbereich Oerlikon Contraves Defence an die deutsche Rheinmetall DeTec veräußert, – heute Rheinmetall Air Defence AG.
Ein Direktor von Bührle verbüßte seine Gefängnisstrafe nach dem Prozess in der offenen Strafanstalt Saxeriet im Rheintal, das heißt er arbeitete dort auf dem Büro, wie ein Bekannter mir später erzählte. Mein Bekannter war damals auch gerade in Saxeriet zusammen mit dem Bührle Direktor inhaftiert, weil er aus ethischen und religiösen Gründen den Kriegsdienst verweigert hatte.
Bührle: Kanonen und Granaten für Hitler-Deutschland
Während dem Zweiten Weltkrieg lieferte die Firma Bührle in Zürich-Oerlikon vor allem Deutschland Fliegerabwehrkanonen und Granaten. Georg Bührle «erarbeitete» sich mit diesen Geschäften ein grosses Vermögen. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen in Zürich-Oerlikon immer noch Kanonen bereit für Hitlerdeutschland, mit eingravierten Hakenkreuzen, vermutlich vom Tausendjährigen Reich bereits bezahlt. Was war zu tun? Man beauftragte Lehrlinge von Bührle die Hakenkreuze wegzuschleifen, damit man die Kanonen anderweitig verkauft werden konnten.
Weder die Einführung des Frauenstimmrechtes noch des Zivildienstes für Militärverweigerer destabilisierten die Schweiz, wie konservative Kreise befürchtet hatten. Die Waffenexporte wurden auch nach 1968 nach dem Bührle Prozess fortgesetzt, wieder wurden wie während dem Zweiten Weltkrieg «neutral» oft beide Kriegsparteien mit Waffen beliefert, zum Beispiel der Iran wie der Irak während dem siebenjährigen Krieg zwischen 1980 und 1988. Mir ist nicht bekannt, dass die Neue Zürcher Zeitung je im Zusammenhang mit den widerrechtlichen Kriegsmaterialexporten dann einmal «kompromisslose Rechtsstaatlichkeit» verlangt hätte, wie damals 1968 nach den Globus-Krawallen.
68er machte aus SBB ein modernes Unternehmen
Während andere 68er von heimlichen Berufsverboten betroffen waren, machte Benedikt Weibel Karriere bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die SBB mauserte sich unter dem Chef Benedikt Weibel zu einem schlagkräftigen kommerziellen Unternehmen. Weibel gilt als Vater der Bahn 2000. Heute investiert die SBB AG in der Europaallee in Zürich in Luxusappartements und in Zürich-Oerlikon zieht sie den Andreas und der Franklin Tower hoch, zwei riesige Büroburgen, obwohl in Zürich und Umgebung sehr viele Büros leer stehen und günstige Wohnungen kaum zu finden sind. Auch wenig Verdienende SBB-Angestellte haben Mühe in Zürich eine Wohnung zu finden.
Jeder 13. Schweizer gilt als arm
Die Basellandschaftliche Zeitung schreibt: «Es gibt mehr Obdachlose in der Schweiz, als die meisten glauben. Eine Studie des Bundesamts für Statistik zeigt, dass jeder 13. Schweizer als arm gilt. Viele Leute können sich ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten. Die meisten müssen aus ihren Wohnungen ausziehen, weil die Mieten zu teuer sind. Wohnungen für Leute die finanziell schlecht dastehen, gibt es zu wenige. (5)
Die SBB AG baut in Zürich-Oerlikon zwei riesige Türme, Büroburgen, der Andreas- und der Franklin-Tower (oben links und rechts), obwohl in Zürich und Umgebung sehr viele Büros leer stehen und günstige Wohnungen kaum zu finden sind - 50.000 qm Büros zu vermieten, am Stadtrand Zürichs (Fotos: Heinrich Frei)
Profitmaximierung ohne Grenzen und arme Leute?
In der Schweiz sind heute über 2,249 Millionen Quadratmeter Bürofläche zur Miete ausgeschrieben. Das ist circa eine Fläche von 22'249 4-Zimmerwohnungen à 100 Quadratmetern. Die 2,249 Millionen Quadratmeter leer stehenden Büroflächen stellen eine ungeheure Verschwendung dar. Umso unverständlicher ist es, dass die SBB AG, ein öffentliches Unternehmen, immer noch Bürohäuser baut. Auch Läden und Gastronomieflächen, die in den Andreas und Franklin Türmen in Zürich-Oerlikon jetzt vorgesehen sind, braucht es eigentlich nicht. Rund um den Marktplatz in Zürich-Oerlikon und in Zürich Nord hat es genügend Läden und Restaurants. In den beiden neuen Bahn-Unterführungen und dem alten Bahnhof Oerlikon wurden kürzlich schon über 29 neue Läden und Gastrobetriebe eröffnet.
Der Profitmaximierung bei der SBB AG sollten Grenzen gesetzt werden. Öffentliche Betriebe müssten gesamtwirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, sollten sich nach dem Gemeinwohl richten, nicht nach einer engstirnigen Gewinnmaximierungs-Ideologie von Spekulanten.
Pensionskasse SBB investiert in Waffenfabriken
Auch die Pensionskasse der SBB AG folgt heute modernen unternehmerischen Grundsätzen bei Investitionen. Sie investiert aus Profitgründen, skrupellos auch in Firmen die Kriegsmaterialien herstellen, die sogar verbotene Waffen, wie Atomaffen, Streubomben und Antipersonenminen produzieren. Die Pensionskasse SBB begründete diese Investitionen wie folgt: «Die Politik hält auch fest, dass die erwartete Rendite des Anlageportfolios durch entsprechende Einschränkungen nicht geschmälert werden darf, da das finanzielle Ziel gute und nachhaltige Renditen zu erwirtschaften, vorgängig ist.» «Zurzeit ist die Pensionskasse SBB in die von Ihnen genannten Firmen investiert. » (6)
Dies wurde mir von meiner Pensionskasse, der SBB AG schriftlich mitgeteilt. Nun gut: Ich bin auch froh, wenn die Kasse mir regelmäßig monatlich meine Pension auf mein Konto überweist. Was braucht mich als Eisenbahner Gewerkschafter die Frage zu kümmern wie meine Pensionskasse zu Geld kommt? Ich habe noch nie gesehen, dass an meinen Banknoten der Pension Blut klebt…
100 Atombomben: ein nuklearer Winter
Bei Geldanlagen in die Kriegsindustrie sind große Gewinne zu machen, da weltweit wieder aufgerüstet wird und viele «schöne» Kriege im Gange sind. Gerade die alten Atombomben der USA werden jetzt auch in unserem Nachbarland Deutschland durch neue Nuklearsprengkörper ersetzt. - Piloten der deutschen Luftwaffen üben seit Jahren den Abwurf von Atombomben. - Weltweit sollen 16 300 nukleare Sprengköpfe vorhanden sein, darunter seien rund 4 000 im einsatzbereiten Zustand, heißt es. Dabei ist zu erwähnen: Wenn 100 Atombomben zum Einsatz kämen, die heute jeweils zehnmal stärker sind als die Hiroshima Bombe, würde dies weltweit einen nuklearen Winter zur Folge haben, ein Temperaturabfall würde zu Ernteausfällen führen, mit hunderten von Millionen Hungertoten und einer radioaktiven Verseuchung der Atmosphäre. Auch viele Atomkraftwerke könnten durch eine solche nukleare Katastrophe wie Fukushima außer Kontrolle geraten. (7) und (8)
Geschäft mit dem Krieg heilig
Aber was soll‘s Grossbanken, die Nationalbank, Versicherungen und andere Pensionskassen stecken ihr Geld wie die SBB Pensionskasse auch schamlos in Firmen die Kriegsmaterialien herstellen und in Konzerne die nuklearen Sprengkörper, Streubomben und Antipersonenminen produzieren. Sie tätigen diese abscheulichen Investitionen mit dem Segen der Schweizer Bundesrätinnen und Bundesräte, die auch schon seit Jahrzehnten grünes Licht gaben für Waffenexporte an Nato Staaten, die auf dem Balkan, in Afghanistan, dem Irak, in Somalia, im Tschad, in Libyen, in Syrien usw. Kriege führten. Das Bundesgericht, oft beschäftigt mit Lappalien, darf und will nicht bei diesen Geschäften mit dem Tod einschreiten: Das Geschäft mit dem Krieg ist heilig. 65 Millionen Menschen sind heute auf der Flucht, auch als Folge der Kriege die auch mit Munition, Granaten, Sturmgewehren, Minen und Kanonen aus der Schweiz ausgefochten werden.
17,5 Milliarden Franken zum Töten
Wie viel Kriegsmaterial exportiert die kleine Schweiz? Laut der offiziellen Statistik des Bundes exportierte die Schweiz von 1975 - 2016 für 17,5 Milliarden Franken (15 Mia. Euro) Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem großen Teil an kriegführende Staaten, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt, in denen Menschen hungern und verhungern. In den 17,5 Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht. Wie ich schon erwähnt habe, Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Anti-Personenminen und Clusterbomben beteiligt sind. Dies zeigt: Die Einhaltung des Kriegsmaterialgesetzes und der Kriegmaterialverordnung wurde zugunsten des Business mit dem Krieg «vergessen».
Hier noch einmal: Mir ist nicht bekannt, dass die Neue Zürcher Zeitung im Zusammenhang mit all den widerrechtlichen Kriegsmaterialexporten einmal «kompromisslose Rechtsstaatlichkeit» verlangt hätte, wie damals 1968 nach den Globus-Polizeikrawallen.
„Stopp Kriegsmaterialexporte“ - Keine Waffen ins Pulverfass des Nahen Ostens - Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) vor der Pressekonferenz des Staatssekretariats für Wirtschaft in Bern am 26. Februar 2015 (Screenshot SRF Tagesschau Mittag)
Fussnoten
(1) http://www.benediktweibel.ch/biografie/
(2) « Die Armee gegen die eigene Bevölkerung“
http://www.chefduzen.ch/viewtopic.php?t=644
(3) https://www.eda.admin.ch/content/dam/parl-vor/southafrica/1948-1979/buehrle-prozess-allgoewer.pdf
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Oerlikon-B%C3%BChrle#.C2.ABB.C3.BChrle-Aff.C3.A4re.C2.BB_der_1960er_Jahre
(5) https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/immer-mehr-obdachlose-leben-auf-basels-strassen-128346562
(6) Finanzplatz Schweiz: Weltweit Vermögensverwalter Nummer 1
Finanziere keine Atombomben, Streubomben, Anti-Personenminen und überhaupt kein Kriegsmaterial, Von Heinrich Frei
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24180
(7) http://www.zeit.de/2012/25/Interview-Robock
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearer_Winter
Online-Flyer Nr. 638 vom 22.11.2017
1968 in der Schweiz:
«Jahr der Träume» und die Zeit danach
Von Heinrich Frei
Benedikt Weibel war von 1993 bis 2006 Chef der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). (1) Er hat kürzlich ein Buch über die 68er Bewegung veröffentlicht, «Das Jahr der Träume». Weibel war als Student aktiv an dieser Bewegung in der Schweiz beteiligt. Der Nachfolger von Weibel bei der SBB AG ist Andreas Meyer. Er arbeitete vorher bei der Deutschen Bahn AG. Bei der SBB verdient Meyer jetzt total 1.051.571 Franken (902.000 Euro) im Jahr. Das ist etwa 20mal mehr, als eine Mitarbeiterin bei der SBB mit einem kleinen Lohn verdient.
NZZ: «Wehret den Anfängen», verhindert die Revolution
Es ist schon erstaunlich, wie weit es der frühere 68er Rebell Benedikt Weibel gebracht hat. 1968 prophezeite man den 68er-Demonstranten doch eher eine düstere Zukunft. Damals verdächtigten die Regierenden, die angepassten Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die Unternehmer, die Polizei und auch private Aufpasser, wie Ernst Cincera Angst, diese Leute würden unsere Demokratie mit dem roten Virus infizieren und unseren gut funktionierenden Rechtsstaat wegfegen. Heimlich wurden schwarze Listen erstellt, damit die «Revolutionäre» sich nicht ins System einschleichen konnten. Der Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung Fred Luchsinger forderte «Wehret den Anfängen» und «kompromisslose Rechtsstaatlichkeit» in seinem Leitartikel in der NZZ nach den Zürcher Globus-Krawallen vom 29. Juni 1968.
Die Revolution fand aber 1968 in der Schweiz nicht statt. Die 68er in Zürich, meist brave Schüler, Lehrlinge, Arbeiter, Angestellte und nur wenige Studenten, forderten damals ein autonomes Jugendzentrum, protestierten gegen den Vietnamkrieg, die Diskriminierung der Fremdarbeiter, gegen die Ausbeutung der Dritten Welt und verlangten wie viele andere damals auch, die Einführung des Frauenstimmrechtes und gleiche Löhne für Frauen und Männer. Die 68-er Revoluzzer wollten auch einen Zivildienst für Kriegsdienstverweigerer und alle Kriegsmaterialexporte stoppen.
1968 war für Vietnam, Laos und Kambodscha kein «Jahr der Träume», wie in Europa für die 68er, sondern ein furchtbarer Albtraum. Der Krieg in Südostasien der USA und ihren Verbündeten forderte schlussendlich 2 bis 5,1 Millionen Opfer. Niemand weiß genau wie viele Menschen in diesen Kriegen umgekommen, verletzt und vergiftet worden sind.
Frauenstimmrecht 1971, Zivildienst für Militärverweigerer 1996
Immerhin wurde nach 1968 das Frauenstimmrecht 1971 von den Männern per Volksabstimmung in der Schweiz eingeführt, im Kanton Appenzell Innerrhoden zwar erst 1990. Kriegsdienstverweigerer mussten hingegen in der Schweiz erst seit 1996 nicht mehr ins Gefängnis. Sie können heute einen zivilen Ersatzdienst leisten der anderthalb Mal länger als der Militärdienst dauert. Vor 1996 wurden Militärverweigerer hart angefasst. Ein Bekannter von mir erhielt eine unbedingte Gefängnisstrafe von 16 Monaten, weil er in der Armee nicht töten lernen wollte. An seinen Prozessen in Lenzburg und Luzern vor den Divisionsgerichten argumentierte mein Kollege der Internationalen der Kriegsdienstverweigerer (IdK) politisch, was den Militärrichtern besonders sauer aufstieß. Er erwähnte in seinem Plädoyer, dass die Schweizer Armee mehrmals gegen inneren Feinde im unserem Land eingesetzt wurde und nie gegen äussere Feinde.
Auch heute ist der Einsatz der Armee gegen die eigene Bevölkerung in der Schweiz und auch in Europa wieder aktuell: (2)
Kriegsdienstverweigerer ins Gefängnis, Dieter Bührle nicht
Einige tausend Militärverweigerer wurden in der Schweiz vor 1996 eingesperrt, weil sie Nein sagten zur Armee. Dieter Bührle von Oerlikon-Contraves hingegen, der für dutzende Millionen Franken Kriegsmaterial illegal verkauft hatte, kam vor dem Bundesgericht in Lausanne nach seinen Verbrechen mit einer bedingten Gefängnisstrafe von sieben Monaten und einer Busse von 200 000 Franken davon. Nur einer seiner Direktoren sperrte man ein. (3)
1970 wurden Dieter Bührle und drei seiner Mitarbeiter wegen illegaler Waffenlieferungen in die Konfliktländer Südafrika und Nigeria vom Bundesgericht verurteilt. Zwischen 1963 und 1968 verletzte der Konzern, damals mit ca. 2'000 Angestellten einer der größten Arbeitgeber der Schweiz, die Ausfuhrverbote des Bundesrates für Kriegsmaterial, indem er die in Konflikte verwickelten Länder Nigeria, Südafrika, Malaysia, Israel, Saudi-Arabien, Ägypten und Libanon mit Waffen belieferte. Die nötigen Ausfuhrbewilligungen erlangte Oerlikon-Bührle mit Gesuchen, die falsche Bestimmungsländer angaben. Diese Praxis wurde 1968 publik, nachdem Medien über den Einsatz von Oerlikon-Kanonen im nigerianischen Bürgerkrieg berichteten. Flugzeuge des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) wurden mit Bührle Kanonen beschossen.
Der Schaden für den Konzern blieb aber gering, weil der Bundesrat Bührle zwar die Kriegsmaterialproduktionsbewilligung entzog, sie aber der Oerlikon-Bührle-Gruppe wieder übertrug. (4) 1999 wurde der Rüstungsbereich Oerlikon Contraves Defence an die deutsche Rheinmetall DeTec veräußert, – heute Rheinmetall Air Defence AG.
Ein Direktor von Bührle verbüßte seine Gefängnisstrafe nach dem Prozess in der offenen Strafanstalt Saxeriet im Rheintal, das heißt er arbeitete dort auf dem Büro, wie ein Bekannter mir später erzählte. Mein Bekannter war damals auch gerade in Saxeriet zusammen mit dem Bührle Direktor inhaftiert, weil er aus ethischen und religiösen Gründen den Kriegsdienst verweigert hatte.
Bührle: Kanonen und Granaten für Hitler-Deutschland
Während dem Zweiten Weltkrieg lieferte die Firma Bührle in Zürich-Oerlikon vor allem Deutschland Fliegerabwehrkanonen und Granaten. Georg Bührle «erarbeitete» sich mit diesen Geschäften ein grosses Vermögen. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen in Zürich-Oerlikon immer noch Kanonen bereit für Hitlerdeutschland, mit eingravierten Hakenkreuzen, vermutlich vom Tausendjährigen Reich bereits bezahlt. Was war zu tun? Man beauftragte Lehrlinge von Bührle die Hakenkreuze wegzuschleifen, damit man die Kanonen anderweitig verkauft werden konnten.
Weder die Einführung des Frauenstimmrechtes noch des Zivildienstes für Militärverweigerer destabilisierten die Schweiz, wie konservative Kreise befürchtet hatten. Die Waffenexporte wurden auch nach 1968 nach dem Bührle Prozess fortgesetzt, wieder wurden wie während dem Zweiten Weltkrieg «neutral» oft beide Kriegsparteien mit Waffen beliefert, zum Beispiel der Iran wie der Irak während dem siebenjährigen Krieg zwischen 1980 und 1988. Mir ist nicht bekannt, dass die Neue Zürcher Zeitung je im Zusammenhang mit den widerrechtlichen Kriegsmaterialexporten dann einmal «kompromisslose Rechtsstaatlichkeit» verlangt hätte, wie damals 1968 nach den Globus-Krawallen.
68er machte aus SBB ein modernes Unternehmen
Während andere 68er von heimlichen Berufsverboten betroffen waren, machte Benedikt Weibel Karriere bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die SBB mauserte sich unter dem Chef Benedikt Weibel zu einem schlagkräftigen kommerziellen Unternehmen. Weibel gilt als Vater der Bahn 2000. Heute investiert die SBB AG in der Europaallee in Zürich in Luxusappartements und in Zürich-Oerlikon zieht sie den Andreas und der Franklin Tower hoch, zwei riesige Büroburgen, obwohl in Zürich und Umgebung sehr viele Büros leer stehen und günstige Wohnungen kaum zu finden sind. Auch wenig Verdienende SBB-Angestellte haben Mühe in Zürich eine Wohnung zu finden.
Jeder 13. Schweizer gilt als arm
Die Basellandschaftliche Zeitung schreibt: «Es gibt mehr Obdachlose in der Schweiz, als die meisten glauben. Eine Studie des Bundesamts für Statistik zeigt, dass jeder 13. Schweizer als arm gilt. Viele Leute können sich ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten. Die meisten müssen aus ihren Wohnungen ausziehen, weil die Mieten zu teuer sind. Wohnungen für Leute die finanziell schlecht dastehen, gibt es zu wenige. (5)
Die SBB AG baut in Zürich-Oerlikon zwei riesige Türme, Büroburgen, der Andreas- und der Franklin-Tower (oben links und rechts), obwohl in Zürich und Umgebung sehr viele Büros leer stehen und günstige Wohnungen kaum zu finden sind - 50.000 qm Büros zu vermieten, am Stadtrand Zürichs (Fotos: Heinrich Frei)
Profitmaximierung ohne Grenzen und arme Leute?
In der Schweiz sind heute über 2,249 Millionen Quadratmeter Bürofläche zur Miete ausgeschrieben. Das ist circa eine Fläche von 22'249 4-Zimmerwohnungen à 100 Quadratmetern. Die 2,249 Millionen Quadratmeter leer stehenden Büroflächen stellen eine ungeheure Verschwendung dar. Umso unverständlicher ist es, dass die SBB AG, ein öffentliches Unternehmen, immer noch Bürohäuser baut. Auch Läden und Gastronomieflächen, die in den Andreas und Franklin Türmen in Zürich-Oerlikon jetzt vorgesehen sind, braucht es eigentlich nicht. Rund um den Marktplatz in Zürich-Oerlikon und in Zürich Nord hat es genügend Läden und Restaurants. In den beiden neuen Bahn-Unterführungen und dem alten Bahnhof Oerlikon wurden kürzlich schon über 29 neue Läden und Gastrobetriebe eröffnet.
Der Profitmaximierung bei der SBB AG sollten Grenzen gesetzt werden. Öffentliche Betriebe müssten gesamtwirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, sollten sich nach dem Gemeinwohl richten, nicht nach einer engstirnigen Gewinnmaximierungs-Ideologie von Spekulanten.
Pensionskasse SBB investiert in Waffenfabriken
Auch die Pensionskasse der SBB AG folgt heute modernen unternehmerischen Grundsätzen bei Investitionen. Sie investiert aus Profitgründen, skrupellos auch in Firmen die Kriegsmaterialien herstellen, die sogar verbotene Waffen, wie Atomaffen, Streubomben und Antipersonenminen produzieren. Die Pensionskasse SBB begründete diese Investitionen wie folgt: «Die Politik hält auch fest, dass die erwartete Rendite des Anlageportfolios durch entsprechende Einschränkungen nicht geschmälert werden darf, da das finanzielle Ziel gute und nachhaltige Renditen zu erwirtschaften, vorgängig ist.» «Zurzeit ist die Pensionskasse SBB in die von Ihnen genannten Firmen investiert. » (6)
Dies wurde mir von meiner Pensionskasse, der SBB AG schriftlich mitgeteilt. Nun gut: Ich bin auch froh, wenn die Kasse mir regelmäßig monatlich meine Pension auf mein Konto überweist. Was braucht mich als Eisenbahner Gewerkschafter die Frage zu kümmern wie meine Pensionskasse zu Geld kommt? Ich habe noch nie gesehen, dass an meinen Banknoten der Pension Blut klebt…
100 Atombomben: ein nuklearer Winter
Bei Geldanlagen in die Kriegsindustrie sind große Gewinne zu machen, da weltweit wieder aufgerüstet wird und viele «schöne» Kriege im Gange sind. Gerade die alten Atombomben der USA werden jetzt auch in unserem Nachbarland Deutschland durch neue Nuklearsprengkörper ersetzt. - Piloten der deutschen Luftwaffen üben seit Jahren den Abwurf von Atombomben. - Weltweit sollen 16 300 nukleare Sprengköpfe vorhanden sein, darunter seien rund 4 000 im einsatzbereiten Zustand, heißt es. Dabei ist zu erwähnen: Wenn 100 Atombomben zum Einsatz kämen, die heute jeweils zehnmal stärker sind als die Hiroshima Bombe, würde dies weltweit einen nuklearen Winter zur Folge haben, ein Temperaturabfall würde zu Ernteausfällen führen, mit hunderten von Millionen Hungertoten und einer radioaktiven Verseuchung der Atmosphäre. Auch viele Atomkraftwerke könnten durch eine solche nukleare Katastrophe wie Fukushima außer Kontrolle geraten. (7) und (8)
Geschäft mit dem Krieg heilig
Aber was soll‘s Grossbanken, die Nationalbank, Versicherungen und andere Pensionskassen stecken ihr Geld wie die SBB Pensionskasse auch schamlos in Firmen die Kriegsmaterialien herstellen und in Konzerne die nuklearen Sprengkörper, Streubomben und Antipersonenminen produzieren. Sie tätigen diese abscheulichen Investitionen mit dem Segen der Schweizer Bundesrätinnen und Bundesräte, die auch schon seit Jahrzehnten grünes Licht gaben für Waffenexporte an Nato Staaten, die auf dem Balkan, in Afghanistan, dem Irak, in Somalia, im Tschad, in Libyen, in Syrien usw. Kriege führten. Das Bundesgericht, oft beschäftigt mit Lappalien, darf und will nicht bei diesen Geschäften mit dem Tod einschreiten: Das Geschäft mit dem Krieg ist heilig. 65 Millionen Menschen sind heute auf der Flucht, auch als Folge der Kriege die auch mit Munition, Granaten, Sturmgewehren, Minen und Kanonen aus der Schweiz ausgefochten werden.
17,5 Milliarden Franken zum Töten
Wie viel Kriegsmaterial exportiert die kleine Schweiz? Laut der offiziellen Statistik des Bundes exportierte die Schweiz von 1975 - 2016 für 17,5 Milliarden Franken (15 Mia. Euro) Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem großen Teil an kriegführende Staaten, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt, in denen Menschen hungern und verhungern. In den 17,5 Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht. Wie ich schon erwähnt habe, Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Anti-Personenminen und Clusterbomben beteiligt sind. Dies zeigt: Die Einhaltung des Kriegsmaterialgesetzes und der Kriegmaterialverordnung wurde zugunsten des Business mit dem Krieg «vergessen».
Hier noch einmal: Mir ist nicht bekannt, dass die Neue Zürcher Zeitung im Zusammenhang mit all den widerrechtlichen Kriegsmaterialexporten einmal «kompromisslose Rechtsstaatlichkeit» verlangt hätte, wie damals 1968 nach den Globus-Polizeikrawallen.
„Stopp Kriegsmaterialexporte“ - Keine Waffen ins Pulverfass des Nahen Ostens - Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) vor der Pressekonferenz des Staatssekretariats für Wirtschaft in Bern am 26. Februar 2015 (Screenshot SRF Tagesschau Mittag)
Fussnoten
(1) http://www.benediktweibel.ch/biografie/
(2) « Die Armee gegen die eigene Bevölkerung“
http://www.chefduzen.ch/viewtopic.php?t=644
(3) https://www.eda.admin.ch/content/dam/parl-vor/southafrica/1948-1979/buehrle-prozess-allgoewer.pdf
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Oerlikon-B%C3%BChrle#.C2.ABB.C3.BChrle-Aff.C3.A4re.C2.BB_der_1960er_Jahre
(5) https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/immer-mehr-obdachlose-leben-auf-basels-strassen-128346562
(6) Finanzplatz Schweiz: Weltweit Vermögensverwalter Nummer 1
Finanziere keine Atombomben, Streubomben, Anti-Personenminen und überhaupt kein Kriegsmaterial, Von Heinrich Frei
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24180
(7) http://www.zeit.de/2012/25/Interview-Robock
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearer_Winter
Online-Flyer Nr. 638 vom 22.11.2017