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Zum Erscheinen der ersten "Neuen Rheinischen Zeitung" vor 170 Jahren – am 1. Juni 1848
Im Kampf gegen Zensur und Tabu
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Es ist Donnerstag, der 1. Juni im Jahr 1848 – ein bemerkenswerter Tag. Es erscheint (einen Monat vorgezogen, um das günstige Presserecht auszuschöpfen) die erste Ausgabe der "Neuen Rheinischen Zeitung". Sie tritt auf mit dem radikalen Anspruch als "Organ der Demokratie". Als Redakteure genannt sind Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff und Wilhelm Wolff. Chefredakteur ist der 30jährige Karl Marx. „Die Neue Rheinische Zeitung erscheint vom 1. Juni an täglich“, wird verkündet. Doch es ist nicht sicher, wie lange sie wird erscheinen können. Es sind bewegte Zeiten. Zu Beginn des Jahres haben Karl Marx und Friedrich Engels im Auftrag des Zweiten Kongresses des Bundes der Kommunisten das Kommunistische Manifest verfasst.
Erste Ausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung, 1. Juni 1848
Jeder Tag ohne Zensur soll genutzt werden. In diesem Sinne heißt es: „Das Erscheinen der Neuen Rheinischen Zeitung war ursprünglich auf den ersten Juli festgesetzt... Da jedoch bei dem erneuten frechen Auftreten der Reaktion deutsche Septembergesetze [wie in Frankreich] in naher Aussicht stehen, so haben wir jeden freien Tag benutzen wollen, und erscheinen schon mit dem ersten Juni. Unsre Leser werden es uns also nachsehen müssen, wenn wir in den ersten Tagen an Nachrichten und mannigfaltigen Correspondenzen noch nicht das reichhaltige Material liefern, wozu unsere ausgedehnten Verbindungen uns befähigen. In wenig Tagen werden wir auch hierin allen Anforderungen genügen können.“ Schließlich werden 301 Ausgaben erscheinen. In ihnen spiegeln sich die Revolutionsjahre 1848/49. Das zeigt sich bereits in der Inhaltsübersicht der Ausgabe vom 1. Juni 1848.
Berichtet wird demnach über Ereignisse und Entwicklungen in Deutschland, Belgien, Italien, Frankreich und England. Als Orte werden genannt: Köln, Berlin, Wien, Brüssel, Verona, Neapel, Paris und London. In Deutschland geht es u.a. um die "Frankfurter Versammlung", "Robert Blums Erklärung" (1) und die "Preußische Staatsanleihe", in Wien um die "neue Revolution", in Verona um den dortigen "Kriegsschauplatz", in Neapel um die "Auflösung der Deputirtenkammer", in Paris um die "Absetzung von Thomas", "Fortschritte der Reaktion", die "Commision für die Nationalwerkstätten" und das "Gerücht über eine neue Revolution in Neapel", in London um "Mitchells Verurtheilung".
Erscheinungsort ist das preußische Köln. Die Auflage liegt zwischen 5000 und 6000 Exemplaren. Die aus Protest gegen die Zensurübergriffe der preußischen Behörden vollständig in rot gedruckte letzte Ausgabe hat eine Auflage von fast 20.000 Exemplaren. Sie erscheint am 19. Mai 1849.
Motto von Marx: An allem ist zu zweifeln. De omnibus dubitandum.
Bemerkenswert ist neben dem wissenschaftlichen Ansatz das journalistische "Talent" des 30jährigen Chefredakteurs, der mit seinem Freund und Redaktionskollegen Friedrich Engels das Kommunistische Manifest entworfen hatte. Hier waren starke Wort der Agitation gebraucht worden, die noch heute geläufig sind. So heißt es einführend: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“. Es endet mit dem Kampfruf: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“ In der Neuen Rheinischen Zeitung ist das Manifest nie abgedruckt worden. Es wurde aber von Marx am 6. Mai 1849 – wenige Tage vor der Totalzensur der Neuen Rheinischen Zeitung und Ausweisung von Karl Marx – im Kölner Gürzenich vorgetragen. (2) 1923 übernahm Egon Erwin Kisch zwei Artikel des Redaktionsteams Karl Marx und Friedrich Engels in seine Anthologie "Klassischer Journalismus. Die Meisterwerke der Zeitung" (Der Fall Wiens, 1848, und die Polendebatte im Frankfurter Parlament, 1848).
Die Vorgängerin der Neuen Rheinischen Zeitung, die ebenfalls in Köln (1842/43) erscheinende (alte) "Rheinische Zeitung – für Politik, Handel und Gewerbe" mit dem 24jährigen Karl Marx als Chefredakteur – gefördert von bürgerlichen Oppositionellen – war vom preußischen Patriarchen Friedrich IV. als "Hure vom Rhein" beschimpft und verboten worden. In der Debatte um die Einschränkung der Freiheit der Presse und deren Zuordnung zur Gewerbefreiheit formulierte Marx seinen berühmt gewordenen Satz: „Die erste Freiheit der Presse ist es, kein Gewerbe zu sein“.
Die Pressefreiheit des 19. Jahrhunderts ist nicht mit der heutigen Pressefreiheit zu vergleichen. Die Kräfte des Einwirkens sind weniger offensichtlich – oder auch nicht? „Das Geschäft des Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, rundheraus zu lügen, zu verdrehen, zu verleumden, zu Füssen des Mammons zu kriechen und sein Land und sein Geschlecht für sein tägliches Brot zu verkaufen. Sie wissen es, und ich weiß es... Unsere Fähigkeiten, unsere Möglichkeiten und unsere Leben sind alle das Eigentum anderer Leute. Wir sind intellektuelle Prostituierte.“, sprach der Redaktionsleiter der als seriös geltenden New York Times, John Swinton, bei seinem Abschied 1880 noch zu Marx Lebzeiten. Aus "Prostituierte" entwickelte sich sinnigerweise der Begriff "Presstituierte". Die Aufteilung des Pressemarktes durch wenige Konzerne und die Hofberichterstattung (sprich: Meinungsmache statt Berichterstattung) durch Flaggschiffe wie die "Tagesschau“ forcieren den Verlust an echter Pressefreiheit.
2005: Neugründung der "Neuen Rheinischen Zeitung"
2005 gründet sich im Zeitalter des Internets auf Initiative des Journalisten, Fernseh- und Filmemachers Peter Kleinert (Kanal 4) ein Zeitungsprojekt als im Wochenrhythmus erscheinende elektronische Publikation – unter Fortführung des Namens Neue Rheinische Zeitung (online) – unter der web-Adresse nrhz.de. Redaktionelles Zentrum ist wiederum Köln – und für eine Reihe von Jahren die Türkei. Sie agiert auf Basis der digitalen Möglichkeiten von Anfang an mit Bild-, Film- und Toneinbindung, noch bevor die großen Zeitungsverlage zu ihrer gedruckten Ausgabe – entsprechend dem Kundenbedürfnis – ebenfalls online-Ausgaben anbieten.
Von Bürgerinitiativen wird der Mangel an Öffentlichkeit angemahnt, den die Mainstream-Medien als quasi-Monopol durch Nichtberichterstattung über nicht genehme Themen entstehen lässt. Die (neue) Neue Rheinische Zeitung will diese Lücke der Lückenpresse füllen. Das tut sie mit Genuss. Frühe Absichten einiger Mitwirkender (Redakteure), die Neue Rheinische Zeitung als ein Stadtteil-Blatt zu etablieren, haben glücklicherweise keine Durchsetzungskraft. Der Anspruch ist durchaus weit über die Region gespannt. Denn Stadtteile, die über Wohnungsnot und Wasserprivatisierung klagen, gibt es nicht nur in Köln, die gibt es in Berlin und andernorts.
Zudem entschließt sich die Neue Rheinische Zeitung, einen dem Aachener Karlspreis konträren „Kölner Karlspreis für engagierte Literatur und Publizisitik“ für Aufklärungsarbeit zu verleihen, der erstmals 2008 an den investigativen Journalisten und interventionistischen Philosophen Dr. Werner Rügemer verliehen wird. Es folgen 2010 Dr. Wolfgang Bittner, 2012 Dr. Rolf Gössner, 2014 Evelyn Hecht-Galinski. Und im Herbst 2017 geht der Preis nach einem Jahr des Aussetzens – nach dem Tod von Peter Kleinert im Februar 2016 – an Ken Jebsen und das unabhängige Medienportal KenFM. Das Aufjaulen der Mainstreampresse und der rechtsgekaperten Linken um den Berliner Kultur-Zensur-Senator Klaus Lederer ist ein Lehrstück deutscher Politik- und Mediengeschichte… Lobende Erwähnung finden beim Festakt im Berliner Kino Babylon das Werk von Peter Kleinert und das Werk des weit über die Kölner Szene hinaus bekannten Walter Herrmann mit seiner „Kölner Klagemauer für Frieden und Völkerverständigung“ – seit 1991 Fortsetzung der „Kölner Klagemauer gegen Wohnungsnot“. Diese reklamierte äußerst erfolgreich für sich über 30 Jahre den öffentlichen Raum, die Straße, den prädestinierten Platz unmittelbar vor dem Kölner Dom. In der aktuellen Ausgabe dieser NrhZ wird die 113. Folge der Sammlung von Meinungen zu Krieg und Frieden von – teils sehr prominenten – Passanten (darunter Stephane Hessel: „Empört Euch“) dokumentiert.
Am 13. Januar 2016 heißt es in der NRhZ anlässlich der Übergabe der Herausgeberschaft von Peter Kleinert an Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann: „In ihrer unabhängigen, engagierten und kritischen Berichterstattung orientiert sich die NRhZ an der traditionsreichen Neuen Rheinischen Zeitung, die am 1. Juni 1848 in Köln von Karl Marx gegründet wurde und sich der Aufklärung verpflichtet hatte. Die NRhZ zeigt Zusammenhänge auf und gibt den Leserinnen und Lesern so die Möglichkeit, eigene Schlüsse zu ziehen. Vor allem Nachrichten, die keinen Eingang in die großen Medien finden, weil sie nicht in den konzernabhängigen Mainstream passen, sind in der NRhZ Programm. Die NRhZ versteht sich als Plattform für politischen Einspruch und Einflussnahme sowie kontroverse Auseinandersetzungen über aktuelle Themen…“
Seit 2005 hat sich die Medienlandschaft weiter verändert. Die Anzahl der Publikationen im Netz ist stark angestiegen – auch solche aus dem Linken Spektrum. Aber auch dieser Teil der Medienlandschaft ist umkämpft. Das hat auch die NRhZ zu spüren bekommen. Auch ihr drohte eine feindliche Übernahme. Peter Kleinert hat es verstanden, sie abzuwenden.
Abhängigkeiten gibt es nicht nur im Bereich des konzernabhängigen Mainstreams. Durchweg ist eine Tabuisierung von Themenfeldern zu beobachten. Dabei spielt die Neue Rheinische Zeitung nicht mit. Sie erhebt den Anspruch, sich von Verleumdungskampagnen und Drohungen nicht einschüchtern zu lassen. Tabus sind dazu da, um von ihr gebrochen zu werden – wenn es im Sinne von Frieden und Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie geboten erscheint.
Fussnoten:
1 Robert Blum (1807-1848): Journalist und Buchhändler in Leipzig, kleinbürgerlicher Demokrat; 1848 Vizepräsident des Vorparlaments und Führer der Linken in der Frankfurter Nationalversammlung; nahm im Oktober 1848 am Wiener Aufstand teil; nach dem Sieg der Reaktion standrechtlich erschossen.
2 Die Veranstaltung am 6. Mai 1849, bei der Karl Marx das Manifest vorgetragen haben soll, ist verschiedentlich genannt (Kölner LINKE, Kölnische Rundschau, Stadtführer etc.). Ob die Veranstaltung tatsächlich in der erwähnten Form stattgefunden hat, scheint aber noch der Klärung zu bedürfen.
Siehe auch:
Fotogalerie
Frau Kapital und Dr. Marx
Aufführung des Weber-Herzog Musiktheaters zum 200. Geburtstag von Karl Marx im Mai 2018 in Duisburg
Von Arbeiterfotografie
NRhZ 661 vom 30.05.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24891
Filmclip
Was ist der Mensch?
Klaus Hartmann zum 200. Geburtstag von Karl Marx bei der Konferenz des Deutschen Freidenker-Verbands am 28. April 2018 in Hannover
NRhZ 661 vom 30.05.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24890
Ja, das ist richtig!
Passagen aus dem kommunistischen Manifest und Thesen zu ihrer Bedeutung heute
Von Karl Marx, Friedrich Engels und Arbeiterfotografie
NRhZ 661 vom 30.05.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24893
Online-Flyer Nr. 661 vom 30.05.2018
Zum Erscheinen der ersten "Neuen Rheinischen Zeitung" vor 170 Jahren – am 1. Juni 1848
Im Kampf gegen Zensur und Tabu
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Es ist Donnerstag, der 1. Juni im Jahr 1848 – ein bemerkenswerter Tag. Es erscheint (einen Monat vorgezogen, um das günstige Presserecht auszuschöpfen) die erste Ausgabe der "Neuen Rheinischen Zeitung". Sie tritt auf mit dem radikalen Anspruch als "Organ der Demokratie". Als Redakteure genannt sind Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff und Wilhelm Wolff. Chefredakteur ist der 30jährige Karl Marx. „Die Neue Rheinische Zeitung erscheint vom 1. Juni an täglich“, wird verkündet. Doch es ist nicht sicher, wie lange sie wird erscheinen können. Es sind bewegte Zeiten. Zu Beginn des Jahres haben Karl Marx und Friedrich Engels im Auftrag des Zweiten Kongresses des Bundes der Kommunisten das Kommunistische Manifest verfasst.
Erste Ausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung, 1. Juni 1848
Jeder Tag ohne Zensur soll genutzt werden. In diesem Sinne heißt es: „Das Erscheinen der Neuen Rheinischen Zeitung war ursprünglich auf den ersten Juli festgesetzt... Da jedoch bei dem erneuten frechen Auftreten der Reaktion deutsche Septembergesetze [wie in Frankreich] in naher Aussicht stehen, so haben wir jeden freien Tag benutzen wollen, und erscheinen schon mit dem ersten Juni. Unsre Leser werden es uns also nachsehen müssen, wenn wir in den ersten Tagen an Nachrichten und mannigfaltigen Correspondenzen noch nicht das reichhaltige Material liefern, wozu unsere ausgedehnten Verbindungen uns befähigen. In wenig Tagen werden wir auch hierin allen Anforderungen genügen können.“ Schließlich werden 301 Ausgaben erscheinen. In ihnen spiegeln sich die Revolutionsjahre 1848/49. Das zeigt sich bereits in der Inhaltsübersicht der Ausgabe vom 1. Juni 1848.
Berichtet wird demnach über Ereignisse und Entwicklungen in Deutschland, Belgien, Italien, Frankreich und England. Als Orte werden genannt: Köln, Berlin, Wien, Brüssel, Verona, Neapel, Paris und London. In Deutschland geht es u.a. um die "Frankfurter Versammlung", "Robert Blums Erklärung" (1) und die "Preußische Staatsanleihe", in Wien um die "neue Revolution", in Verona um den dortigen "Kriegsschauplatz", in Neapel um die "Auflösung der Deputirtenkammer", in Paris um die "Absetzung von Thomas", "Fortschritte der Reaktion", die "Commision für die Nationalwerkstätten" und das "Gerücht über eine neue Revolution in Neapel", in London um "Mitchells Verurtheilung".
Erscheinungsort ist das preußische Köln. Die Auflage liegt zwischen 5000 und 6000 Exemplaren. Die aus Protest gegen die Zensurübergriffe der preußischen Behörden vollständig in rot gedruckte letzte Ausgabe hat eine Auflage von fast 20.000 Exemplaren. Sie erscheint am 19. Mai 1849.
Motto von Marx: An allem ist zu zweifeln. De omnibus dubitandum.
Bemerkenswert ist neben dem wissenschaftlichen Ansatz das journalistische "Talent" des 30jährigen Chefredakteurs, der mit seinem Freund und Redaktionskollegen Friedrich Engels das Kommunistische Manifest entworfen hatte. Hier waren starke Wort der Agitation gebraucht worden, die noch heute geläufig sind. So heißt es einführend: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“. Es endet mit dem Kampfruf: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“ In der Neuen Rheinischen Zeitung ist das Manifest nie abgedruckt worden. Es wurde aber von Marx am 6. Mai 1849 – wenige Tage vor der Totalzensur der Neuen Rheinischen Zeitung und Ausweisung von Karl Marx – im Kölner Gürzenich vorgetragen. (2) 1923 übernahm Egon Erwin Kisch zwei Artikel des Redaktionsteams Karl Marx und Friedrich Engels in seine Anthologie "Klassischer Journalismus. Die Meisterwerke der Zeitung" (Der Fall Wiens, 1848, und die Polendebatte im Frankfurter Parlament, 1848).
Die Vorgängerin der Neuen Rheinischen Zeitung, die ebenfalls in Köln (1842/43) erscheinende (alte) "Rheinische Zeitung – für Politik, Handel und Gewerbe" mit dem 24jährigen Karl Marx als Chefredakteur – gefördert von bürgerlichen Oppositionellen – war vom preußischen Patriarchen Friedrich IV. als "Hure vom Rhein" beschimpft und verboten worden. In der Debatte um die Einschränkung der Freiheit der Presse und deren Zuordnung zur Gewerbefreiheit formulierte Marx seinen berühmt gewordenen Satz: „Die erste Freiheit der Presse ist es, kein Gewerbe zu sein“.
Die Pressefreiheit des 19. Jahrhunderts ist nicht mit der heutigen Pressefreiheit zu vergleichen. Die Kräfte des Einwirkens sind weniger offensichtlich – oder auch nicht? „Das Geschäft des Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, rundheraus zu lügen, zu verdrehen, zu verleumden, zu Füssen des Mammons zu kriechen und sein Land und sein Geschlecht für sein tägliches Brot zu verkaufen. Sie wissen es, und ich weiß es... Unsere Fähigkeiten, unsere Möglichkeiten und unsere Leben sind alle das Eigentum anderer Leute. Wir sind intellektuelle Prostituierte.“, sprach der Redaktionsleiter der als seriös geltenden New York Times, John Swinton, bei seinem Abschied 1880 noch zu Marx Lebzeiten. Aus "Prostituierte" entwickelte sich sinnigerweise der Begriff "Presstituierte". Die Aufteilung des Pressemarktes durch wenige Konzerne und die Hofberichterstattung (sprich: Meinungsmache statt Berichterstattung) durch Flaggschiffe wie die "Tagesschau“ forcieren den Verlust an echter Pressefreiheit.
2005: Neugründung der "Neuen Rheinischen Zeitung"
2005 gründet sich im Zeitalter des Internets auf Initiative des Journalisten, Fernseh- und Filmemachers Peter Kleinert (Kanal 4) ein Zeitungsprojekt als im Wochenrhythmus erscheinende elektronische Publikation – unter Fortführung des Namens Neue Rheinische Zeitung (online) – unter der web-Adresse nrhz.de. Redaktionelles Zentrum ist wiederum Köln – und für eine Reihe von Jahren die Türkei. Sie agiert auf Basis der digitalen Möglichkeiten von Anfang an mit Bild-, Film- und Toneinbindung, noch bevor die großen Zeitungsverlage zu ihrer gedruckten Ausgabe – entsprechend dem Kundenbedürfnis – ebenfalls online-Ausgaben anbieten.
Von Bürgerinitiativen wird der Mangel an Öffentlichkeit angemahnt, den die Mainstream-Medien als quasi-Monopol durch Nichtberichterstattung über nicht genehme Themen entstehen lässt. Die (neue) Neue Rheinische Zeitung will diese Lücke der Lückenpresse füllen. Das tut sie mit Genuss. Frühe Absichten einiger Mitwirkender (Redakteure), die Neue Rheinische Zeitung als ein Stadtteil-Blatt zu etablieren, haben glücklicherweise keine Durchsetzungskraft. Der Anspruch ist durchaus weit über die Region gespannt. Denn Stadtteile, die über Wohnungsnot und Wasserprivatisierung klagen, gibt es nicht nur in Köln, die gibt es in Berlin und andernorts.
Zudem entschließt sich die Neue Rheinische Zeitung, einen dem Aachener Karlspreis konträren „Kölner Karlspreis für engagierte Literatur und Publizisitik“ für Aufklärungsarbeit zu verleihen, der erstmals 2008 an den investigativen Journalisten und interventionistischen Philosophen Dr. Werner Rügemer verliehen wird. Es folgen 2010 Dr. Wolfgang Bittner, 2012 Dr. Rolf Gössner, 2014 Evelyn Hecht-Galinski. Und im Herbst 2017 geht der Preis nach einem Jahr des Aussetzens – nach dem Tod von Peter Kleinert im Februar 2016 – an Ken Jebsen und das unabhängige Medienportal KenFM. Das Aufjaulen der Mainstreampresse und der rechtsgekaperten Linken um den Berliner Kultur-Zensur-Senator Klaus Lederer ist ein Lehrstück deutscher Politik- und Mediengeschichte… Lobende Erwähnung finden beim Festakt im Berliner Kino Babylon das Werk von Peter Kleinert und das Werk des weit über die Kölner Szene hinaus bekannten Walter Herrmann mit seiner „Kölner Klagemauer für Frieden und Völkerverständigung“ – seit 1991 Fortsetzung der „Kölner Klagemauer gegen Wohnungsnot“. Diese reklamierte äußerst erfolgreich für sich über 30 Jahre den öffentlichen Raum, die Straße, den prädestinierten Platz unmittelbar vor dem Kölner Dom. In der aktuellen Ausgabe dieser NrhZ wird die 113. Folge der Sammlung von Meinungen zu Krieg und Frieden von – teils sehr prominenten – Passanten (darunter Stephane Hessel: „Empört Euch“) dokumentiert.
Am 13. Januar 2016 heißt es in der NRhZ anlässlich der Übergabe der Herausgeberschaft von Peter Kleinert an Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann: „In ihrer unabhängigen, engagierten und kritischen Berichterstattung orientiert sich die NRhZ an der traditionsreichen Neuen Rheinischen Zeitung, die am 1. Juni 1848 in Köln von Karl Marx gegründet wurde und sich der Aufklärung verpflichtet hatte. Die NRhZ zeigt Zusammenhänge auf und gibt den Leserinnen und Lesern so die Möglichkeit, eigene Schlüsse zu ziehen. Vor allem Nachrichten, die keinen Eingang in die großen Medien finden, weil sie nicht in den konzernabhängigen Mainstream passen, sind in der NRhZ Programm. Die NRhZ versteht sich als Plattform für politischen Einspruch und Einflussnahme sowie kontroverse Auseinandersetzungen über aktuelle Themen…“
Seit 2005 hat sich die Medienlandschaft weiter verändert. Die Anzahl der Publikationen im Netz ist stark angestiegen – auch solche aus dem Linken Spektrum. Aber auch dieser Teil der Medienlandschaft ist umkämpft. Das hat auch die NRhZ zu spüren bekommen. Auch ihr drohte eine feindliche Übernahme. Peter Kleinert hat es verstanden, sie abzuwenden.
Abhängigkeiten gibt es nicht nur im Bereich des konzernabhängigen Mainstreams. Durchweg ist eine Tabuisierung von Themenfeldern zu beobachten. Dabei spielt die Neue Rheinische Zeitung nicht mit. Sie erhebt den Anspruch, sich von Verleumdungskampagnen und Drohungen nicht einschüchtern zu lassen. Tabus sind dazu da, um von ihr gebrochen zu werden – wenn es im Sinne von Frieden und Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie geboten erscheint.
Fussnoten:
1 Robert Blum (1807-1848): Journalist und Buchhändler in Leipzig, kleinbürgerlicher Demokrat; 1848 Vizepräsident des Vorparlaments und Führer der Linken in der Frankfurter Nationalversammlung; nahm im Oktober 1848 am Wiener Aufstand teil; nach dem Sieg der Reaktion standrechtlich erschossen.
2 Die Veranstaltung am 6. Mai 1849, bei der Karl Marx das Manifest vorgetragen haben soll, ist verschiedentlich genannt (Kölner LINKE, Kölnische Rundschau, Stadtführer etc.). Ob die Veranstaltung tatsächlich in der erwähnten Form stattgefunden hat, scheint aber noch der Klärung zu bedürfen.
Siehe auch:
Fotogalerie
Frau Kapital und Dr. Marx
Aufführung des Weber-Herzog Musiktheaters zum 200. Geburtstag von Karl Marx im Mai 2018 in Duisburg
Von Arbeiterfotografie
NRhZ 661 vom 30.05.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24891
Filmclip
Was ist der Mensch?
Klaus Hartmann zum 200. Geburtstag von Karl Marx bei der Konferenz des Deutschen Freidenker-Verbands am 28. April 2018 in Hannover
NRhZ 661 vom 30.05.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24890
Ja, das ist richtig!
Passagen aus dem kommunistischen Manifest und Thesen zu ihrer Bedeutung heute
Von Karl Marx, Friedrich Engels und Arbeiterfotografie
NRhZ 661 vom 30.05.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24893
Online-Flyer Nr. 661 vom 30.05.2018