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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Vergiftetes Klima
Von Evelyn Hecht-Galinski
Was müssen sich jüdische Bürger in Deutschland heute gefallen lassen? Wie ist es möglich, dass der Staat seiner Fürsorgepflicht nur für die Juden, die sich mit dem "Jüdischen Staat" solidarisieren, nachgeht, während Juden, die die Politik des „Jüdischen Staates“ kritisieren und die BDS-Bewegung unterstützen, ausgegrenzt und mundtot gemacht werden. In diesen Zeiten, in denen sich Kanzlerin Merkel nicht in "interne" Angelegenheiten des "Jüdischen Staates" einmischen will, obwohl dieser Besatzerstaat sich immer mehr von allen demokratischen Werten verabschiedet, und sich ständig jüdische und israelische Politiker und Funktionsträger in deutsche "interne" Angelegenheiten einmischen, ist es nun wirklich an der Zeit, sich zu wehren gegen jegliche Zensur und dreiste Angriffe auf die Meinungsfreiheit.
Klima-Katastrophe der besonderen Art
In dieser Zeit mit seinem rassistisch vergifteten Klima, wo Muslime die heutigen Juden sind, da fragt man sich schon, was ist nur aus Deutschland geworden? Es ist eine Klima-Katastrophe der besonderen Art. Dabei ist es erschreckend, dass sich Rechtsextremisten und jüdische Funktionäre so ähneln, wenn es um den Islamhass geht. Wenn unisono vor muslimischem Antisemitismus in Deutschland gewarnt wird, damit per se die muslimische Gesellschaft unter Generalverdacht gestellt wird und andererseits linke Gruppen, die sich für die Freiheit Palästinas einsetzen, ebenso diffamiert werden, können braune Horden ganz ungeniert agieren, dann stimmt etwas nicht mehr in Deutschland.
Nicht das BDS-Netzwerk (Boykott, Divestment, Sanktionen) ist antisemitisch, sondern es sind die Politiker und Medien, die jüdischen Bürgern in Deutschland wieder ein Redeverbot erteilen wollen.
Ich erinnere mich noch allzu gut an das Jahr 2008, als ich einen Prozess gegen den jüdischen Populisten und Journalisten H.M. Broder führte und ihn verklagte, weil er über mich schrieb "Antisemitische und antizionistische Statements sind ihre Spezialität". Schon damals versuchte man, den Antisemitismus und Antizionismus in einen Topf zu werfen. Auch der Zentralrat der Juden stand voll hinter Broders Aussagen und unterstützte ihn tatkräftig im Prozess, der schließlich obsiegte. Schon damals stellte der damalige Feuilleton-Chef der FAZ, Patrick Bahners, die Frage: "Was darf eine Jüdin in Deutschland gegen Israel sagen"?
Der damalige Generalsekretär des Zentralrats und heutige thüringische Verfassungsschutz-Chef, Stephan J. Kramer war seinerzeit –zusammen mit dem berüchtigten Jerusalem-Post Korrespondenten Benjamin Weinthal – eine treibende Kraft in der Treibjagd gegen mich. Weinthal treibt bis heute sein mediales Unwesen und versucht mit seinem medialen Gift, jeden zu bekämpfen, der sich gegen die Besatzung und für die Freiheit Palästinas positioniert. Wie momentan gerade die MLPD, die einzige Partei Deutschlands, die sich aktiv gegen die zionistische Besatzung Palästinas einsetzt.
Niederbrüllen: die neue Ära im politischen und medialen Kampf
Warum ich so weit zurück blicke und aushole? Weil zur Zeit eine neue Ära im politischen und medialen Kampf angebrochen ist, und die philosemitisch übersteigerte Israel-Liebe zu neuer Höchstform aufläuft, wo eine aufgebrachte zionistische Horde sich das Recht nimmt, andere jüdische Bürger, die sich für die gewaltlose BDS-Kampagne engagieren, niederschreien. Dies war der Fall am letzten Samstag, den 18.August, in Bochum auf einer Podiumsdiskussion zur Ruhrtriennale.
Da sitzen doch tatsächlich Davidstern-schwenkende jüdische und christliche Zionisten gemeinsam und versuchen, jede Diskussion kaputt zu krakeelen. Und das aus gutem Grund, denn nur mit niederbrüllen können unangenehme Wahrheiten zum Schweigen gebracht werden. Allerdings ließen sich weder Hildegard de Veuyst, die als Dramaturgin von Alain Platel an dessen Stelle gekommen war und sehr richtig forderte, dass Deutschland endlich aufhören müsse, sich als Ausnahme zu betrachten und BDS ein gewaltfreies Instrument gegen einen Staat ist, der internationales Recht verletzt. Auch der US-amerikanische jüdische Komponist Elliot Sharp, selbst Nachkomme von Holocaust-Überlebenden, führte aus, dass Kritik an der israelischen Politik eben nicht mehr ausreiche und daher BDS so wichtig sei und er es als peinlich empfinde, von einem Mob unhöflicher Menschen niedergebrüllt zu werden.
Als der israelische Aktivist und Filmemacher Udo Aloni zum Mikrofon eilte und dort als Jude, der Israel liebe, aber dessen Politik rassistisch finde und er sich von Deutschen nicht sagen lasse, was er als Jude zu sagen habe, da kam es zum absoluten Tumult, bei dem die "zionistischen Schrei-Horden" diese "Feindes-Juden" niederschrieen. Der ehemalige nordrhein-westfälische Kulturminister und heutige Vorsitzender des Freundeskreises Ruhrtriennale, Michael Vesper, offenbart sein eklatantes Unwissen, denn er meint doch tatsächlich, dass sich die Assoziation "kauft nicht beim Juden" nicht verdrängen lässt. Ebenso unwissend ein hilfloser und überforderter Moderator, der Ex-Bundestagspräsident Lammert ließ schließlich alles laufen. Es war ein schwarzer Tag für die Meinungsfreiheit, in Deutschland. (1)
Ende der Demokratie und aller von der Verfassung gestützter Werte
Wenn es tatsächlich schon so weit ist, dass es für so unbedeutende Israel-Lobbyistinnen wie Malca Goldstein-Wolf, die von einer ehemaligen “christlichen Zionistin“ zum Judentum konvertierte(!), mit Protestbriefen – wie jetzt gegen Stefanie Carp und früher mit ihrer Intervention beim WDR-Intendanten Buhrow gegen Roger Waters – möglich ist, die Deutungshoheit über die Antisemitismus-Debatte zu übernehmen und Israel-Kritiker zu verleumden, dann ist das das Ende der Demokratie und aller von der Verfassung gestützter Werte. (2)
Auch Björn Gottstein, der Leiter der legendären SWR-Donaueschinger Musiktage in meinem Bundesland Baden-Württemberg hat dem renommierten deutsch-britischen Komponisten Wieland Hoban die Aufführung einer Komposition abgelehnt, die sich unter dem Titel "Rules of engagement I und II, mit Israels Angriff auf Gaza 2008-2009 beschäftigt und schon 2013 und 2014 vor einem kleineren Publikum in Berlin, damals noch ohne Kontroversen, aufgeführt wurde. Gottstein lehnte die Aufführung mit der skandalösen Begründung ab, dass er keine Kritik an Israel auf dem Festival dulde und das Aufführen eines Stückes im Programm, das solche Kritik enthalte, nicht zulassen würde. Am 15. August veröffentlichte Hoban daraufhin einen offenen Brief der innerhalb weniger Tage mehr als 180 Unterzeichner hatte, meist von Komponisten, Interpreten und Musikwissenschaftlern und prominenten Persönlichkeiten wie Noam Chomsky, Norman Finkelstein, Ilan Pappe, Sara Roy und Avi Shlaim, Dror Feiler, Roger Waters und Esther Bejerano. Auch eine Online-Petition, in der der SWR aufgefordert wird, seine Zensur-Politik, wenn es um Israel geht, zu beenden. Auch palästinensische Themen und deren Rechte sollten in geeigneter Form in den Programmen des (öffentlich-rechtlichen!!) Senders SWR und auch bei den Musiktagen präsent sein. Der Sender sollte dafür sorgen, dass Wieland Hoban durch seine mutige Haltung keine beruflichen oder sonstigen Nachteile erleidet. Alle Versuche blieben zwecklos, Gottstein blieb weiter kompromisslos, gegen den Komponisten. (3)(4)
Nach dem öffentlich-rechtlichen Bann gegen Roger Waters ist dies ein weiterer beschämender Zensurfall, den sich ein mit Steuer- und unseren Zwangsgeldern finanzierter öffentlich-rechtlicher Sender leistet. Den Artikel 5 des Grundgesetztes: “Eine Zensur findet nicht statt“, müsste man diesen furchtbaren Machern eigentlich täglich um die Ohren schlagen.
Gerade für Deutsche sollte es sich nicht "verbieten", den "Jüdischen Staat" als Apartheidstaat zu bezeichnen! Genau das trifft es doch, denn Israel ist ein Staat, der die Rechte seiner Minderheiten mit Füßen tritt und kürzlich ein Nationalgesetz erließ, das uns an die Nürnberger Rassegesetze erinnert! Diese Wahrheit nicht sagen zu dürfen ist Zensur!
Nicht wegschauen, wenn Unrecht geschieht!
Und gerade für Deutsche sollte es sich nicht "verbieten", die systematischen Vertreibungen und die illegale Siedlungspolitik und den steten Landraub anzuprangern! Und gerade für uns Deutsche sollte es Pflicht sein, auf die vor unser aller Augen begangene ethnische Säuberung, die mörderischen Massaker und die inhumane Käfighaltung im Konzentrationslager Gaza, die von Woche zu Woche immer mehr unschuldige palästinensische Opfer fordert, und auf die unzähligen Administrativhäftlinge in zionistischer Willkürhaft hinzuweisen! Nicht wegschauen, wenn Unrecht geschieht, sollte die Devise sein! Die bigotten Besatzungsverteidiger jedoch ficht das nicht an, denen nicht nur jeglicher Sinn für Gerechtigkeit fehlt. Wie in der Nazizeit, nur dass ihr Leben nicht bedroht ist, wenn sie die Wahrheit aussprechen, ziehen sie es vor, feige den Mund zu halten.
Nein und nochmals nein, es ist längst an der Zeit, dass deutsche Bürger keine Angst mehr haben müssen, wenn sie für die Freiheit Palästinas eintreten. Ich kenne so viele Beamte, Journalisten und auch demokratische Politiker, die alle von einem „Berufsverbot“ bedroht sind, wenn sie sich in dieser Richtung exponieren. In Zeiten von Kontensperrungen und Springernden Verleumdungskampagnen ist es längst überfällig, die Verantwortung für die Palästinenser zu übernehmen und für deren Freiheit einzutreten.
„Der Fisch stinkt vom Kopf“, heißt es so schön, und wir haben einen aus einer Mitläufer-Familie stammenden Außenminister Maas, der versucht, seine Komplexe mit seiner Israel-Liebe zu kaschieren, der „wegen Auschwitz“ in die Politik ging und am Montag, dem 20. August, erstmals als Außenminister Auschwitz besuchte und mit theatralischen Worten – "Die Hölle auf Erden – sie war eine deutsche Schöpfung namens Auschwitz " – seine nie endende Verantwortung auch für die nachfolgenden Generationen bekräftigte, wobei er schon vor seiner Polen-Reise zum Einsatz für die Menschenwürde aufgerufen hat mit dem Satz "für mich ist Auschwitz die immerwährende Mahnung, für die unantastbare Würde des Menschen weltweit einzustehen". Bei diesem Pensum gibt es keinen Raum für die Gaza-Hölle auf Erden, bereitet von den israelischen Snipern.
Tatsächlich vergisst dieser Außenminister die Würde der illegal besetzten Palästinenser im "Jüdischen Staat", die ihn völlig kalt lassen. Das ist eine schreckliche Außenpolitik, gerade nach Auschwitz. Er instrumentalisiert Auschwitz in einem Ausmaß, das uns alle betroffen machen sollte. Wie kann man das Schicksal der Hölle in Gaza vergessen, wenn man von Verantwortung und Menschenwürde spricht? Am liebsten würde ich ihn anschreiben: „Vergessen sie Heinz Galinski nicht, als den Mahner und Zeugen für Auschwitz, der sein Lebensmotto nach der Hölle von Auschwitz: "Ich habe Auschwitz nicht überlebt, um zu neuem Unrecht zu schweigen" als Mahnung für die Einhaltung der Menschenwürde wissen wollte, und das Leiden der Palästinenser nie vergaß, auch wenn der heutige Zentralrat davon nichts mehr wissen will.
Angstfrei sagen, was Sache ist!
So lassen wir uns das Klima nicht noch mehr vergiften und die Freiheit der Kunst und die Würde aller Menschen erhalten, und vor allem angstfrei sagen, was Sache ist!
In der Nacht zum Montag verstarb der große israelische Friedensaktivist Uri Avnery – kurz vor seinem 95. Geburtstag – am 10. September. Uri Avnery, der als Helmut Ostermann in Beckum geboren wurde und gemeinsam mit dem späteren Spiegel-Gründer Rudolf Augstein die Schulbank in Hannover drückte, wanderte 1933, unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung mit seiner Familie nach Palästina aus. Ab 1950 war er Herausgeber und Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Haolam Haseh", Parlamentsabgeordneter, Gründer der Menschenrechtsorganisation Gush Shalom, und erhielt 2001 zusammen mit seiner Frau Rachel den Alternativen Nobelpreis. Sein ganzes Leben hat er sich für den Frieden in Palästina eingesetzt. Wöchentlich veröffentlichte er seine Kommentare, die so meisterhaft von Ellen Rohlfs, seiner "autorisierten deutschen Stimme" ins Deutsche übersetzt wurden. Diese Stimme werden wir schmerzlich vermissen. Bundespräsident Steinmeier und AA Maas wären gut beraten, zu seiner Beerdigung nach Israel zu reisen, um ein Zeichen zu setzen.
Zum Schluss wünsche ich allen meinen muslimischen Freunden und Unterstützern ein gesegnetes Opferfest 2018, Kuban Bayrami, Bayraminz, mubarek olsun und Id mabruk.
Fußnoten:
(1) https://www.dw.com/de/ruhrtriennale-diskutiert-%C3%BCber-bds-und-die-freiheit-der-kunst/a-45138367
(2) https://www.express.de/koeln/-sind-sie-eine-juedische-aktivistin---koelnerin-legt-sich-mit-pink-floyd-legende-an-31133008#
(3) https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.donaueschingen-zensurvorwurf-gegen-musikfestival.852c6ad0-444f-45df-8648-d2524a3f4485.html
(4) https://www.change.org/p/stop-the-censorship-for-the-sake-of-israel-we-demand-palestine-back-on-the-cultural-stage-sign-the-petition-and-share?signed=true
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.
Siehe auch:
Erklärung der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF)
Solidarität mit Stefanie Carp und der Ruhrtriennale 2018
Von Bernhard Nolz
NRhZ 670 vom 22.08.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25105
Mit Uri Avnery verstarb ein unermüdlicher und radikaler Kämpfer für die Versöhnung mit den Palästinensern und für einen Frieden im Nahen Osten
Die Stimme des "anderen Israel"
Von Arn Strohmeyer
NRhZ 670 vom 22.08.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25106
Online-Flyer Nr. 670 vom 22.08.2018
Kommentar vom Hochblauen
Vergiftetes Klima
Von Evelyn Hecht-Galinski
Was müssen sich jüdische Bürger in Deutschland heute gefallen lassen? Wie ist es möglich, dass der Staat seiner Fürsorgepflicht nur für die Juden, die sich mit dem "Jüdischen Staat" solidarisieren, nachgeht, während Juden, die die Politik des „Jüdischen Staates“ kritisieren und die BDS-Bewegung unterstützen, ausgegrenzt und mundtot gemacht werden. In diesen Zeiten, in denen sich Kanzlerin Merkel nicht in "interne" Angelegenheiten des "Jüdischen Staates" einmischen will, obwohl dieser Besatzerstaat sich immer mehr von allen demokratischen Werten verabschiedet, und sich ständig jüdische und israelische Politiker und Funktionsträger in deutsche "interne" Angelegenheiten einmischen, ist es nun wirklich an der Zeit, sich zu wehren gegen jegliche Zensur und dreiste Angriffe auf die Meinungsfreiheit.
Klima-Katastrophe der besonderen Art
In dieser Zeit mit seinem rassistisch vergifteten Klima, wo Muslime die heutigen Juden sind, da fragt man sich schon, was ist nur aus Deutschland geworden? Es ist eine Klima-Katastrophe der besonderen Art. Dabei ist es erschreckend, dass sich Rechtsextremisten und jüdische Funktionäre so ähneln, wenn es um den Islamhass geht. Wenn unisono vor muslimischem Antisemitismus in Deutschland gewarnt wird, damit per se die muslimische Gesellschaft unter Generalverdacht gestellt wird und andererseits linke Gruppen, die sich für die Freiheit Palästinas einsetzen, ebenso diffamiert werden, können braune Horden ganz ungeniert agieren, dann stimmt etwas nicht mehr in Deutschland.
Nicht das BDS-Netzwerk (Boykott, Divestment, Sanktionen) ist antisemitisch, sondern es sind die Politiker und Medien, die jüdischen Bürgern in Deutschland wieder ein Redeverbot erteilen wollen.
Ich erinnere mich noch allzu gut an das Jahr 2008, als ich einen Prozess gegen den jüdischen Populisten und Journalisten H.M. Broder führte und ihn verklagte, weil er über mich schrieb "Antisemitische und antizionistische Statements sind ihre Spezialität". Schon damals versuchte man, den Antisemitismus und Antizionismus in einen Topf zu werfen. Auch der Zentralrat der Juden stand voll hinter Broders Aussagen und unterstützte ihn tatkräftig im Prozess, der schließlich obsiegte. Schon damals stellte der damalige Feuilleton-Chef der FAZ, Patrick Bahners, die Frage: "Was darf eine Jüdin in Deutschland gegen Israel sagen"?
Der damalige Generalsekretär des Zentralrats und heutige thüringische Verfassungsschutz-Chef, Stephan J. Kramer war seinerzeit –zusammen mit dem berüchtigten Jerusalem-Post Korrespondenten Benjamin Weinthal – eine treibende Kraft in der Treibjagd gegen mich. Weinthal treibt bis heute sein mediales Unwesen und versucht mit seinem medialen Gift, jeden zu bekämpfen, der sich gegen die Besatzung und für die Freiheit Palästinas positioniert. Wie momentan gerade die MLPD, die einzige Partei Deutschlands, die sich aktiv gegen die zionistische Besatzung Palästinas einsetzt.
Niederbrüllen: die neue Ära im politischen und medialen Kampf
Warum ich so weit zurück blicke und aushole? Weil zur Zeit eine neue Ära im politischen und medialen Kampf angebrochen ist, und die philosemitisch übersteigerte Israel-Liebe zu neuer Höchstform aufläuft, wo eine aufgebrachte zionistische Horde sich das Recht nimmt, andere jüdische Bürger, die sich für die gewaltlose BDS-Kampagne engagieren, niederschreien. Dies war der Fall am letzten Samstag, den 18.August, in Bochum auf einer Podiumsdiskussion zur Ruhrtriennale.
Da sitzen doch tatsächlich Davidstern-schwenkende jüdische und christliche Zionisten gemeinsam und versuchen, jede Diskussion kaputt zu krakeelen. Und das aus gutem Grund, denn nur mit niederbrüllen können unangenehme Wahrheiten zum Schweigen gebracht werden. Allerdings ließen sich weder Hildegard de Veuyst, die als Dramaturgin von Alain Platel an dessen Stelle gekommen war und sehr richtig forderte, dass Deutschland endlich aufhören müsse, sich als Ausnahme zu betrachten und BDS ein gewaltfreies Instrument gegen einen Staat ist, der internationales Recht verletzt. Auch der US-amerikanische jüdische Komponist Elliot Sharp, selbst Nachkomme von Holocaust-Überlebenden, führte aus, dass Kritik an der israelischen Politik eben nicht mehr ausreiche und daher BDS so wichtig sei und er es als peinlich empfinde, von einem Mob unhöflicher Menschen niedergebrüllt zu werden.
Als der israelische Aktivist und Filmemacher Udo Aloni zum Mikrofon eilte und dort als Jude, der Israel liebe, aber dessen Politik rassistisch finde und er sich von Deutschen nicht sagen lasse, was er als Jude zu sagen habe, da kam es zum absoluten Tumult, bei dem die "zionistischen Schrei-Horden" diese "Feindes-Juden" niederschrieen. Der ehemalige nordrhein-westfälische Kulturminister und heutige Vorsitzender des Freundeskreises Ruhrtriennale, Michael Vesper, offenbart sein eklatantes Unwissen, denn er meint doch tatsächlich, dass sich die Assoziation "kauft nicht beim Juden" nicht verdrängen lässt. Ebenso unwissend ein hilfloser und überforderter Moderator, der Ex-Bundestagspräsident Lammert ließ schließlich alles laufen. Es war ein schwarzer Tag für die Meinungsfreiheit, in Deutschland. (1)
Ende der Demokratie und aller von der Verfassung gestützter Werte
Wenn es tatsächlich schon so weit ist, dass es für so unbedeutende Israel-Lobbyistinnen wie Malca Goldstein-Wolf, die von einer ehemaligen “christlichen Zionistin“ zum Judentum konvertierte(!), mit Protestbriefen – wie jetzt gegen Stefanie Carp und früher mit ihrer Intervention beim WDR-Intendanten Buhrow gegen Roger Waters – möglich ist, die Deutungshoheit über die Antisemitismus-Debatte zu übernehmen und Israel-Kritiker zu verleumden, dann ist das das Ende der Demokratie und aller von der Verfassung gestützter Werte. (2)
Auch Björn Gottstein, der Leiter der legendären SWR-Donaueschinger Musiktage in meinem Bundesland Baden-Württemberg hat dem renommierten deutsch-britischen Komponisten Wieland Hoban die Aufführung einer Komposition abgelehnt, die sich unter dem Titel "Rules of engagement I und II, mit Israels Angriff auf Gaza 2008-2009 beschäftigt und schon 2013 und 2014 vor einem kleineren Publikum in Berlin, damals noch ohne Kontroversen, aufgeführt wurde. Gottstein lehnte die Aufführung mit der skandalösen Begründung ab, dass er keine Kritik an Israel auf dem Festival dulde und das Aufführen eines Stückes im Programm, das solche Kritik enthalte, nicht zulassen würde. Am 15. August veröffentlichte Hoban daraufhin einen offenen Brief der innerhalb weniger Tage mehr als 180 Unterzeichner hatte, meist von Komponisten, Interpreten und Musikwissenschaftlern und prominenten Persönlichkeiten wie Noam Chomsky, Norman Finkelstein, Ilan Pappe, Sara Roy und Avi Shlaim, Dror Feiler, Roger Waters und Esther Bejerano. Auch eine Online-Petition, in der der SWR aufgefordert wird, seine Zensur-Politik, wenn es um Israel geht, zu beenden. Auch palästinensische Themen und deren Rechte sollten in geeigneter Form in den Programmen des (öffentlich-rechtlichen!!) Senders SWR und auch bei den Musiktagen präsent sein. Der Sender sollte dafür sorgen, dass Wieland Hoban durch seine mutige Haltung keine beruflichen oder sonstigen Nachteile erleidet. Alle Versuche blieben zwecklos, Gottstein blieb weiter kompromisslos, gegen den Komponisten. (3)(4)
Nach dem öffentlich-rechtlichen Bann gegen Roger Waters ist dies ein weiterer beschämender Zensurfall, den sich ein mit Steuer- und unseren Zwangsgeldern finanzierter öffentlich-rechtlicher Sender leistet. Den Artikel 5 des Grundgesetztes: “Eine Zensur findet nicht statt“, müsste man diesen furchtbaren Machern eigentlich täglich um die Ohren schlagen.
Gerade für Deutsche sollte es sich nicht "verbieten", den "Jüdischen Staat" als Apartheidstaat zu bezeichnen! Genau das trifft es doch, denn Israel ist ein Staat, der die Rechte seiner Minderheiten mit Füßen tritt und kürzlich ein Nationalgesetz erließ, das uns an die Nürnberger Rassegesetze erinnert! Diese Wahrheit nicht sagen zu dürfen ist Zensur!
Nicht wegschauen, wenn Unrecht geschieht!
Und gerade für Deutsche sollte es sich nicht "verbieten", die systematischen Vertreibungen und die illegale Siedlungspolitik und den steten Landraub anzuprangern! Und gerade für uns Deutsche sollte es Pflicht sein, auf die vor unser aller Augen begangene ethnische Säuberung, die mörderischen Massaker und die inhumane Käfighaltung im Konzentrationslager Gaza, die von Woche zu Woche immer mehr unschuldige palästinensische Opfer fordert, und auf die unzähligen Administrativhäftlinge in zionistischer Willkürhaft hinzuweisen! Nicht wegschauen, wenn Unrecht geschieht, sollte die Devise sein! Die bigotten Besatzungsverteidiger jedoch ficht das nicht an, denen nicht nur jeglicher Sinn für Gerechtigkeit fehlt. Wie in der Nazizeit, nur dass ihr Leben nicht bedroht ist, wenn sie die Wahrheit aussprechen, ziehen sie es vor, feige den Mund zu halten.
Nein und nochmals nein, es ist längst an der Zeit, dass deutsche Bürger keine Angst mehr haben müssen, wenn sie für die Freiheit Palästinas eintreten. Ich kenne so viele Beamte, Journalisten und auch demokratische Politiker, die alle von einem „Berufsverbot“ bedroht sind, wenn sie sich in dieser Richtung exponieren. In Zeiten von Kontensperrungen und Springernden Verleumdungskampagnen ist es längst überfällig, die Verantwortung für die Palästinenser zu übernehmen und für deren Freiheit einzutreten.
„Der Fisch stinkt vom Kopf“, heißt es so schön, und wir haben einen aus einer Mitläufer-Familie stammenden Außenminister Maas, der versucht, seine Komplexe mit seiner Israel-Liebe zu kaschieren, der „wegen Auschwitz“ in die Politik ging und am Montag, dem 20. August, erstmals als Außenminister Auschwitz besuchte und mit theatralischen Worten – "Die Hölle auf Erden – sie war eine deutsche Schöpfung namens Auschwitz " – seine nie endende Verantwortung auch für die nachfolgenden Generationen bekräftigte, wobei er schon vor seiner Polen-Reise zum Einsatz für die Menschenwürde aufgerufen hat mit dem Satz "für mich ist Auschwitz die immerwährende Mahnung, für die unantastbare Würde des Menschen weltweit einzustehen". Bei diesem Pensum gibt es keinen Raum für die Gaza-Hölle auf Erden, bereitet von den israelischen Snipern.
Tatsächlich vergisst dieser Außenminister die Würde der illegal besetzten Palästinenser im "Jüdischen Staat", die ihn völlig kalt lassen. Das ist eine schreckliche Außenpolitik, gerade nach Auschwitz. Er instrumentalisiert Auschwitz in einem Ausmaß, das uns alle betroffen machen sollte. Wie kann man das Schicksal der Hölle in Gaza vergessen, wenn man von Verantwortung und Menschenwürde spricht? Am liebsten würde ich ihn anschreiben: „Vergessen sie Heinz Galinski nicht, als den Mahner und Zeugen für Auschwitz, der sein Lebensmotto nach der Hölle von Auschwitz: "Ich habe Auschwitz nicht überlebt, um zu neuem Unrecht zu schweigen" als Mahnung für die Einhaltung der Menschenwürde wissen wollte, und das Leiden der Palästinenser nie vergaß, auch wenn der heutige Zentralrat davon nichts mehr wissen will.
Angstfrei sagen, was Sache ist!
So lassen wir uns das Klima nicht noch mehr vergiften und die Freiheit der Kunst und die Würde aller Menschen erhalten, und vor allem angstfrei sagen, was Sache ist!
In der Nacht zum Montag verstarb der große israelische Friedensaktivist Uri Avnery – kurz vor seinem 95. Geburtstag – am 10. September. Uri Avnery, der als Helmut Ostermann in Beckum geboren wurde und gemeinsam mit dem späteren Spiegel-Gründer Rudolf Augstein die Schulbank in Hannover drückte, wanderte 1933, unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung mit seiner Familie nach Palästina aus. Ab 1950 war er Herausgeber und Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Haolam Haseh", Parlamentsabgeordneter, Gründer der Menschenrechtsorganisation Gush Shalom, und erhielt 2001 zusammen mit seiner Frau Rachel den Alternativen Nobelpreis. Sein ganzes Leben hat er sich für den Frieden in Palästina eingesetzt. Wöchentlich veröffentlichte er seine Kommentare, die so meisterhaft von Ellen Rohlfs, seiner "autorisierten deutschen Stimme" ins Deutsche übersetzt wurden. Diese Stimme werden wir schmerzlich vermissen. Bundespräsident Steinmeier und AA Maas wären gut beraten, zu seiner Beerdigung nach Israel zu reisen, um ein Zeichen zu setzen.
Zum Schluss wünsche ich allen meinen muslimischen Freunden und Unterstützern ein gesegnetes Opferfest 2018, Kuban Bayrami, Bayraminz, mubarek olsun und Id mabruk.
Fußnoten:
(1) https://www.dw.com/de/ruhrtriennale-diskutiert-%C3%BCber-bds-und-die-freiheit-der-kunst/a-45138367
(2) https://www.express.de/koeln/-sind-sie-eine-juedische-aktivistin---koelnerin-legt-sich-mit-pink-floyd-legende-an-31133008#
(3) https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.donaueschingen-zensurvorwurf-gegen-musikfestival.852c6ad0-444f-45df-8648-d2524a3f4485.html
(4) https://www.change.org/p/stop-the-censorship-for-the-sake-of-israel-we-demand-palestine-back-on-the-cultural-stage-sign-the-petition-and-share?signed=true
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.
Siehe auch:
Erklärung der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF)
Solidarität mit Stefanie Carp und der Ruhrtriennale 2018
Von Bernhard Nolz
NRhZ 670 vom 22.08.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25105
Mit Uri Avnery verstarb ein unermüdlicher und radikaler Kämpfer für die Versöhnung mit den Palästinensern und für einen Frieden im Nahen Osten
Die Stimme des "anderen Israel"
Von Arn Strohmeyer
NRhZ 670 vom 22.08.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25106
Online-Flyer Nr. 670 vom 22.08.2018