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Literatur
Kate Evans: Rosa - Die Graphic Novel über Rosa Luxemburg
Bewegtes Leben auf bewegende Weise nachgezeichnet
Buchtipp von Harald Schauff
Früher, in den 70ern, waren Comics bei Kindern und Jugendlichen überaus beliebt. Micky Maus, Donald Duck, Fix und Foxy, Lucky Luke, Asterix und viele andere feierten ihre Siegeszüge. Die meisten Heftchen erschienen wöchentlich, am Freitag, und gaben Schülern weiteren Anlass, sich auf das Ende der Schulwoche zu freuen. Erwachsene betrachteten die ‘Blasengeschichten’ eher geringschätzig. Sie fürchteten, die Comics würden Heranwachsende vom Lesen ‘echter’ Bücher abhalten. Die Furcht war unbegründet. Heutige Eltern sind froh, wenn ihr Nachwuchs von Tablet, Smartphone und Spielkonsole ablässt, um sich den einst verrufenen ‘Blasengeschichten’ zu widmen.
Faszinierend zu sehen, wie sich manch 10Jähriger auch heute noch von den Galliern Asterix und Obelix und ihrem kleinen schlauen Hund Idefix in den Bann ziehen lässt. Manche Erwachsene begeistern sich gleichfalls. Asterix kennt keine Altersgrenze.
Das Comic-Format, diese Kombination aus gezeichneten Bildern und Sprech- bzw. Erzähltexten, eignet sich auch hervorragend zur Darstellung historischer Figuren und Vorgänge. Letzten Monat wurde des 100. Todestages der sozialistischen Ikone Rosa Luxemburg gedacht. Am 15. Januar 1919 war sie zusammen mit ihrem Parteigenossen Karl Liebknecht von rechten Freikorps-Soldaten ermordet worden. Wen das Leben und Wirken Rosa Luxemburgs interessiert, dem sei die Graphic Novel ‘Rosa’ von Kate Evans wärmstens empfohlen. Auf etwas über 170 Seiten hat die britisch-kanadische Künstlerin, Autorin und Aktivistin das bewegte Leben der Revolutionärin auf bewegende Weise nachgezeichnet.
Rozalia wächst in einer jüdischen Familie im Polnischen Zamosc auf, das damals zum russischen Zarenreich gehört. Von Beginn an nimmt sie mutig alle Hürden, die sich ihr in den Weg stellen: Ein Bein, das kürzer ist als das andere, das antisemitische Menschenbild im Zarenreich, ein antiquiertes Frauenbild, das Frauen erst als Eigentums ihres Vaters, später ihres Ehemannes einstuft und einen höheren Bildungsweg ausschließt. Rosa besucht das zweitbeste Gymnasium der Stadt und studiert später in Zürich, wo auch Frauen zugelassen sind. Dort macht sie ihren Doktor in Staatswissenschaft und öffentlichem Recht.
Bereits als Jugendliche liest sie Marx und setzt sich für die Rechte der Arbeiter ein. Sie versteht es, andere mitzureißen, als Rednerin wie Schriftstellerin. Sie fürchtet keine theoretischen und auch keine politischen Auseinandersetzungen. Die SPD-Führungsriege um August Bebel bekommt das eben so spüren wie die sozialdemokratischen Vordenker Bernstein und Kautsky. Für ihre revolutionäre Einstellung geht Rosa mehrmals ins Gefängnis. Wieder in Freiheit, agitiert sie jedes Mal noch entschlossener.
Evans zeigt auch Rosas private Seite: Die Liebesbeziehungen zu ihrem litauischen Genossen Leo Jogiches und zu Clara Zetkins Sohn Kostja, ihre romantische Ader, ihre Naturverbundenheit und ihre Liebe zu Katzen und Vögeln. Eine treue Weggefährtin findet sie in der Stubentiger-Dame Mimi.
In einem Brief vom Februar 1917 äußert Rosa den Wunsch: Auf ihrer Grabtafel dürfen keine großspurigen Phrasen stehen, sondern nur die zwei Silben ‘Zwi-zwi’. So klingt der Ruf der Kohlmeise, den sie so gut nachahmen kann, dass die Vögel herlaufen. Dieser Ruf kündigt den heran nahenden Frühling an.
Keine zwei Jahre später ist es schon so weit: Wie so viele andere fällt auch Rosa den Nachbeben der Novemberrevolution von 1918 zum Opfer. Weil die SPD-Reichsregierung um Ebert und Noske die Schlangengrube öffnet, als sie den (im Endeffekt aussichtslosen) Aufstand des Spartakus-Bundes durch Freikorps blutig niederschlagen lässt. Auf der anderen Seite ist die Arbeiterschaft revolutionsmüde und gibt sich erst einmal mit dem Erreichten, der Abschaffung der Monarchie, zufrieden. Eine mögliche Flucht in die Schweiz lehnt Rosa ab. Sie ist dafür zu sehr Kämpferin, gewohnt, bedrohlichen Situationen nicht auszuweichen, sondern ihnen mutig entgegen zu treten. Eben jemand, die sich mitten in einer Menschenmenge auf einen Stuhl stellt, um eine Ansprache zu halten.
Den Lauf der Geschichte, der in noch verheerendere Katastrophen führte, hätte wohl auch sie nicht aufhalten können. Sie selbst warnte davor, das Wirken des Einzelnen zu überschätzen. Und doch macht ihr gewaltsames Ende auch nach 100 Jahren noch immer betroffen und wütend.
Kate Evans: Rosa - Die Graphic Novel über Rosa Luxemburg
228 Seiten, Broschur, Dietz Berlin 2019, ISBN 978-3-320-02355-3, 20 Euro
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe Februar 2019, erschienen.
Online-Flyer Nr. 693 vom 20.02.2019
Kate Evans: Rosa - Die Graphic Novel über Rosa Luxemburg
Bewegtes Leben auf bewegende Weise nachgezeichnet
Buchtipp von Harald Schauff
Früher, in den 70ern, waren Comics bei Kindern und Jugendlichen überaus beliebt. Micky Maus, Donald Duck, Fix und Foxy, Lucky Luke, Asterix und viele andere feierten ihre Siegeszüge. Die meisten Heftchen erschienen wöchentlich, am Freitag, und gaben Schülern weiteren Anlass, sich auf das Ende der Schulwoche zu freuen. Erwachsene betrachteten die ‘Blasengeschichten’ eher geringschätzig. Sie fürchteten, die Comics würden Heranwachsende vom Lesen ‘echter’ Bücher abhalten. Die Furcht war unbegründet. Heutige Eltern sind froh, wenn ihr Nachwuchs von Tablet, Smartphone und Spielkonsole ablässt, um sich den einst verrufenen ‘Blasengeschichten’ zu widmen.
Faszinierend zu sehen, wie sich manch 10Jähriger auch heute noch von den Galliern Asterix und Obelix und ihrem kleinen schlauen Hund Idefix in den Bann ziehen lässt. Manche Erwachsene begeistern sich gleichfalls. Asterix kennt keine Altersgrenze.
Das Comic-Format, diese Kombination aus gezeichneten Bildern und Sprech- bzw. Erzähltexten, eignet sich auch hervorragend zur Darstellung historischer Figuren und Vorgänge. Letzten Monat wurde des 100. Todestages der sozialistischen Ikone Rosa Luxemburg gedacht. Am 15. Januar 1919 war sie zusammen mit ihrem Parteigenossen Karl Liebknecht von rechten Freikorps-Soldaten ermordet worden. Wen das Leben und Wirken Rosa Luxemburgs interessiert, dem sei die Graphic Novel ‘Rosa’ von Kate Evans wärmstens empfohlen. Auf etwas über 170 Seiten hat die britisch-kanadische Künstlerin, Autorin und Aktivistin das bewegte Leben der Revolutionärin auf bewegende Weise nachgezeichnet.
Rozalia wächst in einer jüdischen Familie im Polnischen Zamosc auf, das damals zum russischen Zarenreich gehört. Von Beginn an nimmt sie mutig alle Hürden, die sich ihr in den Weg stellen: Ein Bein, das kürzer ist als das andere, das antisemitische Menschenbild im Zarenreich, ein antiquiertes Frauenbild, das Frauen erst als Eigentums ihres Vaters, später ihres Ehemannes einstuft und einen höheren Bildungsweg ausschließt. Rosa besucht das zweitbeste Gymnasium der Stadt und studiert später in Zürich, wo auch Frauen zugelassen sind. Dort macht sie ihren Doktor in Staatswissenschaft und öffentlichem Recht.
Bereits als Jugendliche liest sie Marx und setzt sich für die Rechte der Arbeiter ein. Sie versteht es, andere mitzureißen, als Rednerin wie Schriftstellerin. Sie fürchtet keine theoretischen und auch keine politischen Auseinandersetzungen. Die SPD-Führungsriege um August Bebel bekommt das eben so spüren wie die sozialdemokratischen Vordenker Bernstein und Kautsky. Für ihre revolutionäre Einstellung geht Rosa mehrmals ins Gefängnis. Wieder in Freiheit, agitiert sie jedes Mal noch entschlossener.
Evans zeigt auch Rosas private Seite: Die Liebesbeziehungen zu ihrem litauischen Genossen Leo Jogiches und zu Clara Zetkins Sohn Kostja, ihre romantische Ader, ihre Naturverbundenheit und ihre Liebe zu Katzen und Vögeln. Eine treue Weggefährtin findet sie in der Stubentiger-Dame Mimi.
In einem Brief vom Februar 1917 äußert Rosa den Wunsch: Auf ihrer Grabtafel dürfen keine großspurigen Phrasen stehen, sondern nur die zwei Silben ‘Zwi-zwi’. So klingt der Ruf der Kohlmeise, den sie so gut nachahmen kann, dass die Vögel herlaufen. Dieser Ruf kündigt den heran nahenden Frühling an.
Keine zwei Jahre später ist es schon so weit: Wie so viele andere fällt auch Rosa den Nachbeben der Novemberrevolution von 1918 zum Opfer. Weil die SPD-Reichsregierung um Ebert und Noske die Schlangengrube öffnet, als sie den (im Endeffekt aussichtslosen) Aufstand des Spartakus-Bundes durch Freikorps blutig niederschlagen lässt. Auf der anderen Seite ist die Arbeiterschaft revolutionsmüde und gibt sich erst einmal mit dem Erreichten, der Abschaffung der Monarchie, zufrieden. Eine mögliche Flucht in die Schweiz lehnt Rosa ab. Sie ist dafür zu sehr Kämpferin, gewohnt, bedrohlichen Situationen nicht auszuweichen, sondern ihnen mutig entgegen zu treten. Eben jemand, die sich mitten in einer Menschenmenge auf einen Stuhl stellt, um eine Ansprache zu halten.
Den Lauf der Geschichte, der in noch verheerendere Katastrophen führte, hätte wohl auch sie nicht aufhalten können. Sie selbst warnte davor, das Wirken des Einzelnen zu überschätzen. Und doch macht ihr gewaltsames Ende auch nach 100 Jahren noch immer betroffen und wütend.
Kate Evans: Rosa - Die Graphic Novel über Rosa Luxemburg
228 Seiten, Broschur, Dietz Berlin 2019, ISBN 978-3-320-02355-3, 20 Euro
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe Februar 2019, erschienen.
Online-Flyer Nr. 693 vom 20.02.2019