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Antikoloniale Demo 2019, Berlin, 12. Oktober 2019
Der Kolonialismus hat nie aufgehört!
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann (Text) und Ingrid Koschmieder (Fotos)
"Der 12. Oktober symbolisiert die 'Entdeckung' Amerikas durch die Europäer im Jahr 1492. Es ist der Grundstein einer großen Lüge, die bis heute in Form von Rassismus, Eurozentrismus und Ignoranz weiterlebt. Der 12. Oktober markiert den Beginn der kolonialen Genozide, der Zerstörung und Ausbeutung präkolonialer Gesellschaften, Kulturen und Wissensformen, der Zwangschristianisierung, der Ausbeutung der indigenen Völker, ihrer Länder und Ressourcen, des transatlantischen Sklavenhandels und der Globalisierung eines Systems, welches unseren Planeten zerstört... Wir wurden nicht entdeckt, wir haben die Lügen des kolonialen Systems entdeckt. Wir sind nicht minderwertig, wir weigern uns dem Kolonialrassismus unterworfen zu werden. Wir sind nicht primitiv, primitiv ist das System, dass die Natur zerstört, welches es selbst zum überleben braucht. Wir sind keine Menschen ohne Geschichte, die europäische 'Moderne' konnte nur auf dem Gold und Blut des globalen Südens errichtet werden." So heißt es im Aufruf zur ersten antikolonialen Demonstration, die am 12. Oktober 2019 in Berlin stattgefunden hat. Ingrid Koschmieder hat den Protest für die NRhZ fotografisch dokumentiert.
Antikolonialer Widerstand (alle Fotos: Ingrid Koschmieder)
Banner der „Antikolonialen Demo“, Berlin, 12. Oktober 2019
Solidarität mit den Opfern von Israels Kolonialismus
Banner des ersten antikolonialen Monats
Plakat des palästinensischen Blocks in der Antikolonialen Demo
Nur das Ende der Besatzung ist der Beginn des Friedens
Gerechtigkeit jetzt! Schafft Recht für Palästina!
Gegen die israelische Administrativhaftpolitik! Gegen den Staatsterror der israelischen Besatzungsmacht!
Demokratie bedeutet, die Ausbeutung der Menschen durch alle Formen des Kolonialismus zu beenden und zu verhindern
Solidarität mit den Opfern von Israels Kolonialismus
BDS-Kampagne: Unsere Antwort auf israelische Kolonisation, Apartheid und Besatzung: Boykott, Desinvestition, Sanktionen
7,2 Millionen palästinensische Flüchtlinge fordern ihr Recht auf Rückkehr
Entkolonisiert Palästina
Im Angesicht der Staatsmacht
Unsere Kinder sind keine Terroristen
Solidarität mit Rojava
Beendet den Krieg gegen Nordost-Syrien – Steht auf für Rojava
Es reicht! Wir, die kurdische Nation mit über 40 Millionen Menschen wollen in Frieden und Sicherheit in unserem Land leben. Seien Sie auch eine Stimme der Freiheit und der Gerechtigkeit. Die Vereinten Nationen sollen den Angriff der Türkei auf das staatenlos/schutzlose Volk stoppen. Es lebe die internationale Solidarität der Nationen
Keine Zusammenarbeit mit der Türkei und dem Diktator Erdogan!
Hände weg von Rojava! Freiheit für Kurdistan!
Im Angesicht der Staatsmacht
Interventionismus: 1953 Kolumbien, 1954 Paraguay, 1954 Guatemala, 1964 Brasilien, 1965 Dominkanische Republik, 1973 Uruguay, 1973 Chile…
Solidarität mit den Aktivisten in Guatemala
Stoppt die Repression in Ecuador! IWF raus! Solidarität mit dem Widerstand in Ecuador!
Hände weg von Venezuela!
Solidarität mit Ecuador
Gegen die Kolonisierung Lateinamerikas durch die USA
Gegen die Kolonisierung Lateinamerikas durch die USA
Antikoloniale Demonstration
"Die grausame Politik, die Kolumbus in Gang setzte, und die seine Nachfolger fortführten, resultierte in vollständigem Völkermord", schreibt US-Historiker Samuel Eliot Morison im seinem Buch "Christopher Columbus, Mariner". Auf welche Zahl von Menschen bezieht sich dieser – vollständige – Völkermord? "Weit verstreut über die Landmassen des [amerikanischen] Doppelkontinents lebten zu der Zeit, als Kolumbus kam, ungefähr 75 Millionen Menschen...", schreibt US-Historiker Howard Zinn im Kapitel "Kolumbus, die Indianer und der Fortschritt der Menschheit" in seiner "Geschichte des amerikanischen Volkes". Demnach handelt es sich also um einen vollständigen Völkermord in der Größenordnung von 75 Millionen Opfern. "Muss ein Indianer das Existenzrecht der Vereinigten Staaten anerkennen? Eine interessante Frage... Muss also ein indianischer Ureinwohner – oder überhaupt irgendjemand – das Existenzrecht eines solchen Staates anerkennen?", fragt der Israeli Uri Avnery, womit der Bogen zu Israel und Palästina geschlagen wäre – und zu der Frage: müssen die Palästinenser einen Staat anerkennen, der ihnen seit vielen Jahrzehnten ihre Lebensgrundlagen zerstört. Müssen die Palästinenser den kolonialen Raubmord anerkennen, den Israel bis heute begeht? Der Kolonialismus hat nie aufgehört! Insbesondere in Palästina. Deshalb ist es verständlich, dass bei den Protesten am 12. Oktober 2019 Palästinenser zahlreich vertreten waren.
Neben Palästina und Lateinamerika wird von den Demonstranten die Situation im Norden Syriens zum Thema gemacht. Der afrikanische Kontinent - obwohl bis heute ein Hauptopfer der Kolonialmächte - bleibt weitgehend aussen vor. Warum, ist eine offene Frage.
Eine kurze Einschätzung der Themenfelder:
Die Lage in Palästina ist eindeutig. Israel hat sich ein Gebiet angeeignet, das ihm nicht gehört und dabei große Teile der dort lebenden Bevölkerung umgebracht oder vertrieben. Und diejenigen, die nicht umgebracht oder vertrieben sind, werden brutal unterdrückt – am extremsten im Freiluftgefängnis Gaza.
Auch auf dem amerikanischen Kontinent ist die Lage klar. Von Europa aus ist er kolonisiert worden. Von der ursprünglich dort lebenden Bevölkerung ist – wie oben beschrieben – nicht viel übrig geblieben. In der jüngeren Geschichte geht es um die Kolonisierung des Südens durch den Norden. Das US-Imperium betrachtet Lateinamerika als seinen Hinterhof. Staaten, die aus dieser Zwangslage ausbrechen oder auszubrechen drohen, werden massiv unter Druck gesetzt – bis hin zur militärischen Intervention.
Hinsichtlich Nord-Syriens (Rojava) ist die Lage nicht ohne weiteres vergleichbar. Die dort lebende kurdische Bevölkerung ist – anders als in der Türkei – vom syrischen Staat nicht unterdrückt worden. Ausgehend von der Operation "Arabischer Frühling" ging es dem US-Imperium darum, in Syrien einen Regime-Change herbeizuführen. Das ist bislang nicht gelungen – u.a. durch die Hilfe Russlands. Gelungen ist es den USA aber, im rohstoffreichen Norden Syriens – unter Mithilfe der dort ansässigen kurdischen Führung –eine Art Besatzungszone einzurichten, offensichtlich mit dem Ziel, dem syrischen Staat insbesondere seine dort liegenden Öl-Vorkommen zu rauben. Der Protest bei der antikolonialen Demo richtet sich aber nicht gegen diese Operationen einer Kolonialmacht. Die Demonstranten solidarisieren sich vielmehr mit den kurdischen Kräften, die mit der Kolonialmacht gemeinsame Sache gemacht haben. Wie ist das zu werten? Auf einem der bei der Demonstration mitgeführten Schilder werden die Kurden als staatenlos bezeichnet. Tatsächlich sind sie über fünf Staaten verteilt. In Syrien sind sie wie die anderen Bevölkerungsgruppen integraler Bestandteil des Staates. In Sachen Nord-Syrien (Rojava) ließe sich insgesamt die Frage stellen: ist es Aufgabe einer Demonstration, sich auf die Seite derer zu stellen, die den kolonialen Raub mit zu verantworten haben? Oder müsste nicht vielmehr vorrangig die Kolonialmacht USA in den Blick genommen werden?
Anhang:
Aufruf zur Antikolonialen Demo 2019
Der Kolonialismus hat nie aufgehört! Das neokolonial-kapitalistische System will uns weiter marginalisieren und zum Schweigen bringen. Mit dem Aufstieg des Faschismus überall auf der Welt ist es an der Zeit, uns zu vereinen und zusammen zu stehen!
Der 12. Oktober symbolisiert die „Entdeckung“ Amerikas durch die Europäer im Jahr 1492. Es ist der Grundstein einer großen Lüge, die bis heute in Form von Rassismus, Eurozentrismus und Ignoranz weiterlebt. Der 12. Oktober markiert den Beginn der kolonialen Genozide, der Zerstörung und Ausbeutung präkolonialer Gesellschaften, Kulturen und Wissensformen, der Zwangschristianisierung, der Ausbeutung der indigenen Völker, ihrer Länder und Ressourcen, des transatlantischen Sklavenhandels und der Globalisierung eines Systems, welches unseren Planeten zerstört.
Bis heute wird der 12. Oktober von kolonialen Staaten als „Kolumbus Tag“ und „dia de la raza“ (Spanisch: „Rassentag“) gefeiert. Die „heroischen Errungenschaften“ Kolumbus‘ werden bis heute als solche in deutschen Schulen unterrichtet, während unsere Wälder für den Profit multinationaler Konzerne und neokolonialer Regimes niederbrennen. Deutsche Waffen werden in Kriegszonen exportiert, um Menschen zu töten, während Menschen die vor diesen Kriegen fliehen, willentlich im Mittelmeer ertrinken gelassen werden. Diese Heuchelei kann nicht länger toleriert werden.
Wir wurden nicht entdeckt, wir haben die Lügen des kolonialen Systems entdeckt. Wir sind nicht minderwertig, wir weigern uns dem Kolonialrassismus unterworfen zu werden. Wir sind nicht primitiv, primitiv ist das System, dass die Natur zerstört, welches es selbst zum überleben braucht. Wir sind keine Menschen ohne Geschichte, die europäische „Moderne“ konnte nur auf dem Gold und Blut des globalen Südens errichtet werden.
Wir laden alle zur ersten antikolonialen Demo ein, um wieder zueinander zu finden und um unsere Stimmen hörbar zu machen. Flaggen kolonialer und unterdrückerischer Regimes sind nicht erwünscht!
Die Demo ist Teil des ersten Antikolonialen Monats 2019, der dieses Jahr zwischen Oktober und November in Berlin stattfindet.
Quelle: https://www.facebook.com/events/389547988649266/
Aufruf zum ersten antikolonialen Monat in Berlin
Dieses Jahr wird zwischen dem 12. Oktober, dem Startpunkt der Kolonisierung der amerikanischen Kontinente 1492, und dem 15. November, dem Eröffnungstag der Berliner Kongo-Konferenz, auf der 1884 über die koloniale Aufteilung Afrikas entschieden wurde, zum ersten Mal von verschiedenen migrantischen Kollektiven der erste Antikoloniale Monat in Berlin organisiert.
Der Kolonialismus lebt bis heute fort. Die rasende Zerstörung der Natur, die Genozide gegen Schwarze und Indigene Völker, Ermordungen und Repression gegen soziale und politische Aktivist*innen, Migrant*innen und Geflüchtete, das Aufrüsten von Grenzen und das Eskalieren von Rassismus und Krieg – sie sind alle Folge eines zerstörerischen Systems, welches dem Globalen Süden mit Gewalt auf erzwungen wurde. Über 500 Jahre später wütet die Gewalt weiter, jedoch gut versteckt vor dem Leben der Privilegierten in den Metropolen, in Europa und Deutschland. Dem zu trotz leisten die unterdrückten Communities seit Tag eins der kolonialen Unterdrückung, Ausbeutung und Beherrschung, starken und entschlossenen Widerstand. Mit den heutigen Aufständen in Haiti, im Sudan und Algerien, über die indigenen Beschützer*innen des Amazonas, die Völker des Nahen Ostens bis auf die Philippinen, sowie die Migrant*innen, Geflüchtete, Roma und andere intern Kolonisierte Communities Europas, verteidigen die kolonisierten Völker das Leben selbst, und verdienen dafür unsere volle Unterstützung.
Wirkliche Solidarität fußt auf wirklichem Verständnis und konkreten Aktionen in unserem Alltag. Deshalb wollen wir einen Raum schaffen, in dem wir uns kennen lernen und voneinander lernen. Der Antikoloniale Monat 2019 wird ein erster Schritt in unseren Bemühungen sein, die internationale Solidarität unter den antikolonialen Bewegungen zu stärken, unsere diversen Kämpfe zu vereinen und zu zeigen: Wir sind hier. Wir sind viele. Und wir werden uns niemals unterkriegen lassen.
Aufruf zur Beteiligung: Das ist eine Einladung vor allem an Migrant*innen, People of Color und Menschen aus den kolonisierten Communities, Individuen, Kollektive und Organisationen, sich am dezentralen Antikolonialen Monat, dem Antikolonialen Forum (5.-6. Oktober im New Yorck/Bethanien) und der Antikolonialen Demonstration (am 12. Oktober, 15 Uhr) zu beteiligen, so wie eure Umstände es ermöglichen. Jede und jeder, die*der Teil der Bemühungen sein will, unsere Geschichten, unsere Kämpfe und Fantasien miteinander zu verflechten, ist mehr als willkommen. Wenn ihr weitere Informationen erhalten wollt, tretet in Kontakt mit uns via anticolonialmonthberlin(at)riseup.net.
Quelle: http://www.africavenir.org/news-details/archive/2019/october/article/antikolonialer-monat-2019.html
Siehe auch:
Aus dem Blickwinkel der Henker
Zur 'Geschichte des amerikanischen Volkes' von Howard Zinn
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 84 vom 28.02.2007
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10606
Online-Flyer Nr. 724 vom 07.11.2019
Antikoloniale Demo 2019, Berlin, 12. Oktober 2019
Der Kolonialismus hat nie aufgehört!
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann (Text) und Ingrid Koschmieder (Fotos)
"Der 12. Oktober symbolisiert die 'Entdeckung' Amerikas durch die Europäer im Jahr 1492. Es ist der Grundstein einer großen Lüge, die bis heute in Form von Rassismus, Eurozentrismus und Ignoranz weiterlebt. Der 12. Oktober markiert den Beginn der kolonialen Genozide, der Zerstörung und Ausbeutung präkolonialer Gesellschaften, Kulturen und Wissensformen, der Zwangschristianisierung, der Ausbeutung der indigenen Völker, ihrer Länder und Ressourcen, des transatlantischen Sklavenhandels und der Globalisierung eines Systems, welches unseren Planeten zerstört... Wir wurden nicht entdeckt, wir haben die Lügen des kolonialen Systems entdeckt. Wir sind nicht minderwertig, wir weigern uns dem Kolonialrassismus unterworfen zu werden. Wir sind nicht primitiv, primitiv ist das System, dass die Natur zerstört, welches es selbst zum überleben braucht. Wir sind keine Menschen ohne Geschichte, die europäische 'Moderne' konnte nur auf dem Gold und Blut des globalen Südens errichtet werden." So heißt es im Aufruf zur ersten antikolonialen Demonstration, die am 12. Oktober 2019 in Berlin stattgefunden hat. Ingrid Koschmieder hat den Protest für die NRhZ fotografisch dokumentiert.
Antikolonialer Widerstand (alle Fotos: Ingrid Koschmieder)
Banner der „Antikolonialen Demo“, Berlin, 12. Oktober 2019
Solidarität mit den Opfern von Israels Kolonialismus
Banner des ersten antikolonialen Monats
Plakat des palästinensischen Blocks in der Antikolonialen Demo
Nur das Ende der Besatzung ist der Beginn des Friedens
Gerechtigkeit jetzt! Schafft Recht für Palästina!
Gegen die israelische Administrativhaftpolitik! Gegen den Staatsterror der israelischen Besatzungsmacht!
Demokratie bedeutet, die Ausbeutung der Menschen durch alle Formen des Kolonialismus zu beenden und zu verhindern
Solidarität mit den Opfern von Israels Kolonialismus
BDS-Kampagne: Unsere Antwort auf israelische Kolonisation, Apartheid und Besatzung: Boykott, Desinvestition, Sanktionen
7,2 Millionen palästinensische Flüchtlinge fordern ihr Recht auf Rückkehr
Entkolonisiert Palästina
Im Angesicht der Staatsmacht
Unsere Kinder sind keine Terroristen
Solidarität mit Rojava
Beendet den Krieg gegen Nordost-Syrien – Steht auf für Rojava
Es reicht! Wir, die kurdische Nation mit über 40 Millionen Menschen wollen in Frieden und Sicherheit in unserem Land leben. Seien Sie auch eine Stimme der Freiheit und der Gerechtigkeit. Die Vereinten Nationen sollen den Angriff der Türkei auf das staatenlos/schutzlose Volk stoppen. Es lebe die internationale Solidarität der Nationen
Keine Zusammenarbeit mit der Türkei und dem Diktator Erdogan!
Hände weg von Rojava! Freiheit für Kurdistan!
Im Angesicht der Staatsmacht
Interventionismus: 1953 Kolumbien, 1954 Paraguay, 1954 Guatemala, 1964 Brasilien, 1965 Dominkanische Republik, 1973 Uruguay, 1973 Chile…
Solidarität mit den Aktivisten in Guatemala
Stoppt die Repression in Ecuador! IWF raus! Solidarität mit dem Widerstand in Ecuador!
Hände weg von Venezuela!
Solidarität mit Ecuador
Gegen die Kolonisierung Lateinamerikas durch die USA
Gegen die Kolonisierung Lateinamerikas durch die USA
Antikoloniale Demonstration
"Die grausame Politik, die Kolumbus in Gang setzte, und die seine Nachfolger fortführten, resultierte in vollständigem Völkermord", schreibt US-Historiker Samuel Eliot Morison im seinem Buch "Christopher Columbus, Mariner". Auf welche Zahl von Menschen bezieht sich dieser – vollständige – Völkermord? "Weit verstreut über die Landmassen des [amerikanischen] Doppelkontinents lebten zu der Zeit, als Kolumbus kam, ungefähr 75 Millionen Menschen...", schreibt US-Historiker Howard Zinn im Kapitel "Kolumbus, die Indianer und der Fortschritt der Menschheit" in seiner "Geschichte des amerikanischen Volkes". Demnach handelt es sich also um einen vollständigen Völkermord in der Größenordnung von 75 Millionen Opfern. "Muss ein Indianer das Existenzrecht der Vereinigten Staaten anerkennen? Eine interessante Frage... Muss also ein indianischer Ureinwohner – oder überhaupt irgendjemand – das Existenzrecht eines solchen Staates anerkennen?", fragt der Israeli Uri Avnery, womit der Bogen zu Israel und Palästina geschlagen wäre – und zu der Frage: müssen die Palästinenser einen Staat anerkennen, der ihnen seit vielen Jahrzehnten ihre Lebensgrundlagen zerstört. Müssen die Palästinenser den kolonialen Raubmord anerkennen, den Israel bis heute begeht? Der Kolonialismus hat nie aufgehört! Insbesondere in Palästina. Deshalb ist es verständlich, dass bei den Protesten am 12. Oktober 2019 Palästinenser zahlreich vertreten waren.
Neben Palästina und Lateinamerika wird von den Demonstranten die Situation im Norden Syriens zum Thema gemacht. Der afrikanische Kontinent - obwohl bis heute ein Hauptopfer der Kolonialmächte - bleibt weitgehend aussen vor. Warum, ist eine offene Frage.
Eine kurze Einschätzung der Themenfelder:
Die Lage in Palästina ist eindeutig. Israel hat sich ein Gebiet angeeignet, das ihm nicht gehört und dabei große Teile der dort lebenden Bevölkerung umgebracht oder vertrieben. Und diejenigen, die nicht umgebracht oder vertrieben sind, werden brutal unterdrückt – am extremsten im Freiluftgefängnis Gaza.
Auch auf dem amerikanischen Kontinent ist die Lage klar. Von Europa aus ist er kolonisiert worden. Von der ursprünglich dort lebenden Bevölkerung ist – wie oben beschrieben – nicht viel übrig geblieben. In der jüngeren Geschichte geht es um die Kolonisierung des Südens durch den Norden. Das US-Imperium betrachtet Lateinamerika als seinen Hinterhof. Staaten, die aus dieser Zwangslage ausbrechen oder auszubrechen drohen, werden massiv unter Druck gesetzt – bis hin zur militärischen Intervention.
Hinsichtlich Nord-Syriens (Rojava) ist die Lage nicht ohne weiteres vergleichbar. Die dort lebende kurdische Bevölkerung ist – anders als in der Türkei – vom syrischen Staat nicht unterdrückt worden. Ausgehend von der Operation "Arabischer Frühling" ging es dem US-Imperium darum, in Syrien einen Regime-Change herbeizuführen. Das ist bislang nicht gelungen – u.a. durch die Hilfe Russlands. Gelungen ist es den USA aber, im rohstoffreichen Norden Syriens – unter Mithilfe der dort ansässigen kurdischen Führung –eine Art Besatzungszone einzurichten, offensichtlich mit dem Ziel, dem syrischen Staat insbesondere seine dort liegenden Öl-Vorkommen zu rauben. Der Protest bei der antikolonialen Demo richtet sich aber nicht gegen diese Operationen einer Kolonialmacht. Die Demonstranten solidarisieren sich vielmehr mit den kurdischen Kräften, die mit der Kolonialmacht gemeinsame Sache gemacht haben. Wie ist das zu werten? Auf einem der bei der Demonstration mitgeführten Schilder werden die Kurden als staatenlos bezeichnet. Tatsächlich sind sie über fünf Staaten verteilt. In Syrien sind sie wie die anderen Bevölkerungsgruppen integraler Bestandteil des Staates. In Sachen Nord-Syrien (Rojava) ließe sich insgesamt die Frage stellen: ist es Aufgabe einer Demonstration, sich auf die Seite derer zu stellen, die den kolonialen Raub mit zu verantworten haben? Oder müsste nicht vielmehr vorrangig die Kolonialmacht USA in den Blick genommen werden?
Anhang:
Aufruf zur Antikolonialen Demo 2019
Der Kolonialismus hat nie aufgehört! Das neokolonial-kapitalistische System will uns weiter marginalisieren und zum Schweigen bringen. Mit dem Aufstieg des Faschismus überall auf der Welt ist es an der Zeit, uns zu vereinen und zusammen zu stehen!
Der 12. Oktober symbolisiert die „Entdeckung“ Amerikas durch die Europäer im Jahr 1492. Es ist der Grundstein einer großen Lüge, die bis heute in Form von Rassismus, Eurozentrismus und Ignoranz weiterlebt. Der 12. Oktober markiert den Beginn der kolonialen Genozide, der Zerstörung und Ausbeutung präkolonialer Gesellschaften, Kulturen und Wissensformen, der Zwangschristianisierung, der Ausbeutung der indigenen Völker, ihrer Länder und Ressourcen, des transatlantischen Sklavenhandels und der Globalisierung eines Systems, welches unseren Planeten zerstört.
Bis heute wird der 12. Oktober von kolonialen Staaten als „Kolumbus Tag“ und „dia de la raza“ (Spanisch: „Rassentag“) gefeiert. Die „heroischen Errungenschaften“ Kolumbus‘ werden bis heute als solche in deutschen Schulen unterrichtet, während unsere Wälder für den Profit multinationaler Konzerne und neokolonialer Regimes niederbrennen. Deutsche Waffen werden in Kriegszonen exportiert, um Menschen zu töten, während Menschen die vor diesen Kriegen fliehen, willentlich im Mittelmeer ertrinken gelassen werden. Diese Heuchelei kann nicht länger toleriert werden.
Wir wurden nicht entdeckt, wir haben die Lügen des kolonialen Systems entdeckt. Wir sind nicht minderwertig, wir weigern uns dem Kolonialrassismus unterworfen zu werden. Wir sind nicht primitiv, primitiv ist das System, dass die Natur zerstört, welches es selbst zum überleben braucht. Wir sind keine Menschen ohne Geschichte, die europäische „Moderne“ konnte nur auf dem Gold und Blut des globalen Südens errichtet werden.
Wir laden alle zur ersten antikolonialen Demo ein, um wieder zueinander zu finden und um unsere Stimmen hörbar zu machen. Flaggen kolonialer und unterdrückerischer Regimes sind nicht erwünscht!
Die Demo ist Teil des ersten Antikolonialen Monats 2019, der dieses Jahr zwischen Oktober und November in Berlin stattfindet.
Quelle: https://www.facebook.com/events/389547988649266/
Aufruf zum ersten antikolonialen Monat in Berlin
Dieses Jahr wird zwischen dem 12. Oktober, dem Startpunkt der Kolonisierung der amerikanischen Kontinente 1492, und dem 15. November, dem Eröffnungstag der Berliner Kongo-Konferenz, auf der 1884 über die koloniale Aufteilung Afrikas entschieden wurde, zum ersten Mal von verschiedenen migrantischen Kollektiven der erste Antikoloniale Monat in Berlin organisiert.
Der Kolonialismus lebt bis heute fort. Die rasende Zerstörung der Natur, die Genozide gegen Schwarze und Indigene Völker, Ermordungen und Repression gegen soziale und politische Aktivist*innen, Migrant*innen und Geflüchtete, das Aufrüsten von Grenzen und das Eskalieren von Rassismus und Krieg – sie sind alle Folge eines zerstörerischen Systems, welches dem Globalen Süden mit Gewalt auf erzwungen wurde. Über 500 Jahre später wütet die Gewalt weiter, jedoch gut versteckt vor dem Leben der Privilegierten in den Metropolen, in Europa und Deutschland. Dem zu trotz leisten die unterdrückten Communities seit Tag eins der kolonialen Unterdrückung, Ausbeutung und Beherrschung, starken und entschlossenen Widerstand. Mit den heutigen Aufständen in Haiti, im Sudan und Algerien, über die indigenen Beschützer*innen des Amazonas, die Völker des Nahen Ostens bis auf die Philippinen, sowie die Migrant*innen, Geflüchtete, Roma und andere intern Kolonisierte Communities Europas, verteidigen die kolonisierten Völker das Leben selbst, und verdienen dafür unsere volle Unterstützung.
Wirkliche Solidarität fußt auf wirklichem Verständnis und konkreten Aktionen in unserem Alltag. Deshalb wollen wir einen Raum schaffen, in dem wir uns kennen lernen und voneinander lernen. Der Antikoloniale Monat 2019 wird ein erster Schritt in unseren Bemühungen sein, die internationale Solidarität unter den antikolonialen Bewegungen zu stärken, unsere diversen Kämpfe zu vereinen und zu zeigen: Wir sind hier. Wir sind viele. Und wir werden uns niemals unterkriegen lassen.
Aufruf zur Beteiligung: Das ist eine Einladung vor allem an Migrant*innen, People of Color und Menschen aus den kolonisierten Communities, Individuen, Kollektive und Organisationen, sich am dezentralen Antikolonialen Monat, dem Antikolonialen Forum (5.-6. Oktober im New Yorck/Bethanien) und der Antikolonialen Demonstration (am 12. Oktober, 15 Uhr) zu beteiligen, so wie eure Umstände es ermöglichen. Jede und jeder, die*der Teil der Bemühungen sein will, unsere Geschichten, unsere Kämpfe und Fantasien miteinander zu verflechten, ist mehr als willkommen. Wenn ihr weitere Informationen erhalten wollt, tretet in Kontakt mit uns via anticolonialmonthberlin(at)riseup.net.
Quelle: http://www.africavenir.org/news-details/archive/2019/october/article/antikolonialer-monat-2019.html
Siehe auch:
Aus dem Blickwinkel der Henker
Zur 'Geschichte des amerikanischen Volkes' von Howard Zinn
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 84 vom 28.02.2007
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10606
Online-Flyer Nr. 724 vom 07.11.2019