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Überall dieselben Maßstäbe anlegen? Ja! dann aber konsequent! Eine Replik
Eine falsche Idee
Von Eva und Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)
Dass die USA die KurdInnen der YPG, aber auch alle anderen fallen lassen, war sehr leicht voraus zu sehen. Wo hat jemals in der Welt eine Befreiungsbewegung, die in Syrien zudem auch noch als "revolutionär" apostrophiert wird, einen Kampf mit Unterstützung des Imperialismus bzw. der USA gewonnen? Das kurdische Volk wurde verraten. Indes hat diesen Verrat in mehrfacher Hinsicht die kurdische Führung zu verantworten. Die kurdische Führung hat Syrien, das syrische Volk und die dort ansässigen KurdInnen an die USA verraten und sich von den USA, den NATO-Staaten und der EU mit Waffen und Geld ausrüsten lassen. Die kurdische Führung hat offen Stellung gegen die Regierung von Damaskus bezogen. Gespräche, initiiert vom syrischen Ministerium für Versöhnung und von Russland wurden von der kurdischen Führung mehrmals abgelehnt. Diese Ablehnung erfolgte keineswegs autonom, sondern auf Betreiben der USA. Menschen- und Völkerrecht kann nicht beliebig und von von Fall zu Fall beachtet werden, Menschen- und Völkerrecht muss universell angewandt werden. So sind denn auch Russland, Iran und die Hizbollah völkerrechtlich korrekt auf Einladung Syriens mit ihren bewaffneten Streitkräften im Land. Sie stehen der syrischen Armee als Verbündete zur Seite.
Die USA, die NATO-Staaten und deren Söldner aus über 100 Ländern sind noch immer illegal in Syrien, täglich und stündlich verletzen sie in Syrien und vor den Augen der Welt Menschen- und Völkerrecht. Die Idee, in Syrien könne die Souveränität des Staates ebenso verletzt werden wie bindendes Menschen- und Völkerrecht ist weit verbreitet. Diese Idee ist ganz im Sinn der NATO, der USA, der Zionisten, mit einem Wort: all derer, die Syrien angreifen. Diese Idee ist nicht nur falsch, sie ist verbrecherisch.
Ein Anachronismus
In NRhZ-Ausgabe 730 vom 18. Dezember 2019 stellt sich die BDS-Kampagne in Form eines Interviews, welches Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann mit Christoph Glanz, einem BDS-Exponenten führen, vor. In diesem Text wird klar, dass BDS als internationale Organisation anti-zionistisch, anti-rassistisch und anti-imperialistisch, mit einem Wort, integer ist. Um so unverständlicher sind die Aussagen, welche Christoph Glanz am Ende seines Interviews zu der allgemeinen Situation in Nordsyrien macht. Syrien ist ein vom Imperialismus angegriffenes Land! Wir haben das mehrfach, u.a. in Artikeln, Interviews, Veranstaltungen, und in unserem Buch „Syrien – ein Land im Widerstand – mehr als ein Reisebericht“ dargelegt. (1)
Solidarität mit dem palästinensischen Volk ist wichtig und gut. Indes ist es ausgeschlossen, ja ein Anachronismus, sich mit dem palästinensischen Volk zu solidarisieren, nicht aber mit anderen vom Imperialismus angegriffenen Völkern. Weshalb sich Christoph Glanz als Exponent von BDS einerseits (völlig zu Recht!) auf die Seite des palästinensischen Volkes stellt, andererseits aber auch die Spaltungsversuche der kurdischen Führung im Norden Syriens befürwortet, ist nur auf den ersten Blick unverständlich. Erklärbar wird diese Haltung indes, wenn wir berücksichtigen, dass mindestens seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine gediegene Debatte über das Wesen und die Anatomie des Imperialismus fehlt. (2) Tatsächlich hält denn auch keine einzige Aussage, die Christoph Glanz zur Situation des kurdischen Volkes im Norden Syriens macht, einer genauen und faktenorientierten Überprüfung stand.
Falsche Voraussetzungen
Wir wissen nicht, ob Christoph Glanz in seinen Aussagen von falschen Voraussetzungen ausgeht, wir müssen es annehmen. Wir werden versuchen, auf einige der Fehleinschätzungen von Glanz im Einzelnen einzugehen:
Zunächst: Die Großmächte der Welt und der Region würden ein demokratisches, ökologisches und feministisches Projekt zermalmen. Dazu nennt er die USA, die Türkei, Assad-Syrien [sic!], Russland und Deutschland namentlich als diejenigen, welche dieses Projekt zerstören wollen. Das ist erwiesenermaßen falsch. Die Bevölkerung in Syrien war immer und überall heterogen. Arabische, kurdische und andere Menschen aller Ethnien und Religionen lebten und leben in dieser Region friedlich zusammen. Der Westen versuchte dies durch die Angriffe der Terrorbanden zu zersetzen, insbesondere durch die Angriffe des IS (Daesh). Indes griffen die Todesschwadronen des IS nicht explizit die kurdische Bevölkerung an, sondern alle dort lebenden Menschen. Ein Projekt, wie von Glanz und anderen beschrieben, kann nicht in einem vom Imperialismus angegriffenen Land realisiert werden. Folgerichtig hat denn auch die syrische Regierung unter dem syrischen Ministerium für Versöhnung, gemeinsam mit Russland, die kurdische Führung immer wieder zu Friedensgesprächen eingeladen. Dies wurde von der kurdischen Führung immer wieder abgelehnt. Dass Syrien und Russland also (gemeinsam mit den imperialistischen Mächten) „ein demokratisches, ökologisches und feministisches Projekt zermalmen“, entbehrt jeder Grundlage.
Die Idee von Rojava sei, - so Glanz - sich vom Nationalstaat zu verabschieden und ein gutes Leben für alle, „jenseits von Staat, Macht und Gewalt zu führen“. Nun, im besten Fall ist das Revolutionsromantik. Im Sandkasten jenseits von imperialistischen und geo-strategischen Interessen mögen das interessante Gedankenspiele sein. In der Realität verkleistern und verwirren sie unser politisches Denken - ganz im Sinne der NATO und des Imperialismus, deren Ziel es auch ist, zu verwirren statt zu klären. Mit der Zersetzung oder gar Auflösung des syrischen Nationalstaates wäre auch die militärische Kraft gebrochen, die notwendig ist, um sich gegen die Angriffe der Israel-NATO-Allianz zur Wehr setzen zu können.
Folter seitens der USA möchte Glanz ebenso verurteilen wie „Assads Sednaya-Gefängnis“. Wir haben Beweise für Guantanamo, und wir haben Beweise für die israelischen Folterknäste. Wo aber sind die Beweise für eine institutionalisierte Folter in Syrien? Bis zum Beweis des Gegenteils bleiben dies Anschuldigungen. Eine 3D-Animation von "Amnesty International" (AI) mag man sich als einen geschmacklosen Gag ansehen, ein Beweis ist das ebenso wenig wie andere AI-Geschichten. "Amnesty International" ist nicht glaubwürdig.
Am 10. Oktober 1990 erschien ein 15-jähriges kuwaitisches Mädchen namens Nayirah in Washington D.C. im Repräsentantenhaus. Sie sagte aus, dass irakische Soldaten nachdem sie am 2. August nach Kuwait eingedrungen seien, in einem Krankenhaus frühgeborene Babys aus den Inkubatoren gerissen und sie anschließend getötet hätten. Sie sei in der Entbindungsstation als Krankenschwester beschäftigt und darum Augenzeugin des Geschehens gewesen. Das westliche Fernsehen übertrug die herzzerreißenden Aufnahmen der weinenden angeblichen Krankenschwester auf allen Kanälen. (3) Nayirah ist übrigens die Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA. Amnesty International erstellte daraufhin einen 84 Seiten umfassenden Bericht über Menschenverletzungen in Kuwait, der die Story Nayirahs enthielt. Dass die gesamte Geschichte von A bis Z erlogen war, ist mittlerweile bewiesen. Auf diese und andere Lügen folgte die Zerstörung des Irak mit Millionen von Toten. Vor dem Krieg steht der Medienkrieg, und es ist unsere Aufgabe, wachsam zu sein und die Lügen offen zu legen. (4)
Zum Schluss: Als Linker und als Internationalist will sich Glanz „auf die Seite der Bevölkerung stellen, die sich gegen Assad auflehnt“. Nun, in Syrien wird er Mühe haben, Menschen zu finden, die sich gegen Assad auflehnen. Den Menschen vor Ort ist sehr wohl bewusst, von wem sie angegriffen werden und wer ihnen Schutz bietet. Angegriffen werden sie von Söldnerbanden, finanziert und instrumentalisiert von den imperialistischen Staaten, von der NATO, den USA und von Israel. Schutz bieten dem Volk die syrische Armee und verbündete Kräfte wie Hizbollah, Iran und natürlich Russland. Kritik an der Regierung werden wir in Syrien trotzdem hören, nicht aber Forderungen nach einem Regime Change, wie sie der Westen so gerne hätte und wie sie von den Medienkriegern herbei fabuliert werden.
Fakten und Träume
Syrien kann nicht isoliert betrachtet werden, das Land steht, wie alle anderen Länder auch, in einem globalen Spannungsfeld, in einem globalen Kontext. Schon lange vor den Ereignissen von 2011 haben die USA, die NATO, Israel und deren Vasallen (die Öl-Oligarchien u.a.m.) an der Zersetzung des syrischen Staates gearbeitet. Auch der Medienkrieg gegen Syrien läuft schon seit langem. In der von Kriegsverbrecher Bush skizzierten „Achse des Bösen“ ist Syrien ein wichtiger Teil. (5)
Die Anschuldigungen sind stereotyp: Verteufelung eines Staatsoberhauptes, angebliche Einforderung von Demokratie und Menschenrechten, und kurz darauf folgen die Angriffe der Menschenrechtskrieger. Irak, Jugoslawien und Libyen lassen als Beispiel unter anderen grüßen! Ein fortschrittliches Land nach dem anderen wird in Schutt und Asche gebombt. Syrien steht ebenfalls im Fadenkreuz der Imperialsten. Dies sind die Fakten.
Die Träume, die im Fall Syriens jenseits aller Fakten einher gehen, werden von Linken geträumt, die offensichtlich ohne Theorie und auch ohne jede politische Praxis kritiklos die Mär eines „egalitären, feministischen, ökologischen und demokratischen“ Paradieses nachplappern. Das dieses „Paradies“ nach einem nun seit acht Jahren andauernden blutigen Angriffskrieg gegen das syrische Volk auf dem Rücken eben dieses Volkes errichtet werden soll, ist kein Traum, sondern ein Albtraum. Acht Jahre Krieg, Zerstörung und Angriffe von außen konnten das syrische Volk, die syrische Armee und deren Verbündete erfolgreich zurück schlagen. Nach acht Jahren könnte nun endlich Frieden einkehren, wäre da nicht das von allen so hoch gelobte „kurdische Projekt“ in einer Gegend Syriens, in der sich – welch ein Zufall! - die wichtigsten Wasser- und Ölquellen des Landes befinden.
Dinge beim Namen nennen!
Nennen wir die Dinge beim Namen: Wir sprechen von Landraub, Ressourcenraub, Unterdrückung, imperialistischer Einflussnahme mittels Militärbasen, Bewaffnung und Finanzierung der aus der Türkei eingeschleusten Kräfte der YPG. Selbstverständlich wollen die imperialistischen Medienkrieger die Dinge nicht beim Namen nennen, und selbstverständlich haben sie auch aus ihren gemachten Fehlern, zum Beispiel im Irak gelernt: Dort haben die USA feudale Kräfte, wie Barzani und Talabani an die Macht gebracht, und das Resultat war Widerstand und Ablehnung bis zum heutigen Tag. In Syrien indes soll das Zepter nun so genannt „revolutionären“ Kräften übergeben werden, und auch sie erfüllen folgsam die imperialistischen Pläne der Spaltung, diesmal einfach unter dem wenig originellen Namen „revolutionäres Projekt“.
Überall dieselben Maßstäbe anlegen? Ja bitte!
Die Haltung der internationalen BDS-Bewegung zu Palästina ist – wir wiederholen uns – vorbildlich. Die Aussagen von Christoph Glanz zu Syrien hingegen sind nicht nur bedauerlich. Sie zeugen von einer weit verbreiteten Verwirrung der - vorwiegend europäischen - Linken. Diese ist offensichtlich außerstande, imperialistische Zusammenhänge zu analysieren und in einen Gesamtkontext zu stellen. Schlagworte und gegenseitige Anschuldigungen helfen uns nicht weiter. Wir plädieren für eine faktenorientierte Analyse. Dabei beharren wir darauf, dass die präsentierten Fakten auch verifiziert werden. Auch Hörensagen wie Foltervorwürfe, Giftgaseinsätze der syrischen Armee, Fassbomben usw. helfen uns nicht weiter. Sie entspringen den think tanks der Angreifer und werden mittels ihrer Medienkrieger massenhaft verbreitet und unter die Leute gebracht. Immer wieder erweist sich der Wahrheitsgehalt solcher Anschuldigungen, analog zur erwähnten Brutkastenlüge, als unter Null. Dies ist ein Resultat des noch immer nicht überwundenen weißen Herrenmenschentums. Dieses manifestiert sich im besetzten Palästina, in den angegriffenen Völkern von Süd- und Mittelamerika ebenso wie in Syrien. Kurz: In allen vom Imperialismus angegriffenen Ländern. Dies zu erkennen und seine politische Haltung entsprechend zu justieren ist nicht allzu schwierig. Dass jemand von BDS, einer Bewegung, die wir hoch schätzen und solidarisch unterstützen, dazu nicht in der Lage zu sein scheint, ist bedenklich.
Christoph Glanz plädiert im NRhZ-Interview dafür, überall dieselben Maßstäbe anzulegen. Gut! Dann aber bitte auch konsequent. Palästina ist ein vom Zionismus und von Imperialismus besetztes Land mit dem wir solidarisch sind. Weshalb verwenden wir nicht dieselben Maßstäbe bei Syrien, einem vom Zionismus und Imperialismus angegriffenen Land? Mit einem klaren Blick auf die herrschenden politischen Verhältnisse verbietet es sich von selbst, sich mit den USA, mit Israel, mit der NATO gemein zu machen. Nichts anderes jedoch hat die kurdische Führung, die übrigens völlig widerrechtlich bewaffnet nach Syrien eingedrungen ist, getan. Dafür – und das ist bitter – bezahlt nun die Bevölkerung in Norden des angegriffenen Landes Syrien. Unter anderem auch weil die Türkei, widerrechtlich wie die NATO, die USA die YPG und wer sonst noch nach Syrien einmarschiert ist.
Wie soll Syrien zur Ruhe kommen, solange die türkische Armee widerrechtlich syrischen Boden besetzt hält? Wie stellt man sich einen Frieden vor, solange die USA noch immer die Ölquellen Syriens rauben und scheinheilig behaupten, diese Ölquellen zu schützen? Was für ein Frieden soll das sein, wenn noch immer bewaffnete Banden, ob sie nun FSA, SDF, YPG, IS - oder was der Akronyme mehr sein mögen - eingeschleust, bewaffnet und finanziert werden, um gegen die legitime syrische Armee zu kämpfen? Und schließlich: Von welchem Frieden reden wir, solange die so genannte „westliche Wertegemeinschaft“ das syrische Volk mit einer vollkommen illegalen Blockade stranguliert? Wie kann es Frieden in Syrien geben, solange Israel andauernd, ungestraft und vor den Augen der Weltöffentlichkeit syrische Einrichtungen bombardiert? Zur Erinnerung: Entgegen allen UNO-Resolutionen hält Israel mit dem Segen Washingtons noch immer illegal die syrischen Golan-Höhen besetzt.
Deshalb kann unsere Parole nur sein: Alle nicht von der legitimen Regierung in Damaskus autorisierten Bewaffneten raus aus Syrien! Schluss mit Embargos, Sanktionen und Blockaden gegen Syrien! Hände weg von Syrien!
Fußnoten:
1 Zum Beispiel hier: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26294
oder hier: „Syrien – Ein Land im Widerstand, mehr als ein Reisebericht“, Eva und Markus Heizmann, TuP Hamburg 2018, 16.- Euro
2 Siehe dazu: „Zur Anatomie des Imperialismus“ , Markus Heizmann, TuP Hamburg, 2019, 14.- Euro
3 https://www.youtube.com/watch?v=EuDp5VM8QoQ
4 Siehe dazu: LÜGE-MACHT-KRIEG Risala, Nr. 8 Div. AutorInnen, TuP Hamburg 2015
5 https://crp-infotec.de/sicherheitspolitik-achse-des-boesen/
Tim Anderson veröffentlicht zur „Achse des Bösen“ ein bemerkenswertes Buch: https://counter-hegemonicstudies.net/axis-book-1/
Siehe dazu auch die Rezension zu Andersons Buch:
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26274
Online-Flyer Nr. 731 vom 01.01.2020
Überall dieselben Maßstäbe anlegen? Ja! dann aber konsequent! Eine Replik
Eine falsche Idee
Von Eva und Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)
Dass die USA die KurdInnen der YPG, aber auch alle anderen fallen lassen, war sehr leicht voraus zu sehen. Wo hat jemals in der Welt eine Befreiungsbewegung, die in Syrien zudem auch noch als "revolutionär" apostrophiert wird, einen Kampf mit Unterstützung des Imperialismus bzw. der USA gewonnen? Das kurdische Volk wurde verraten. Indes hat diesen Verrat in mehrfacher Hinsicht die kurdische Führung zu verantworten. Die kurdische Führung hat Syrien, das syrische Volk und die dort ansässigen KurdInnen an die USA verraten und sich von den USA, den NATO-Staaten und der EU mit Waffen und Geld ausrüsten lassen. Die kurdische Führung hat offen Stellung gegen die Regierung von Damaskus bezogen. Gespräche, initiiert vom syrischen Ministerium für Versöhnung und von Russland wurden von der kurdischen Führung mehrmals abgelehnt. Diese Ablehnung erfolgte keineswegs autonom, sondern auf Betreiben der USA. Menschen- und Völkerrecht kann nicht beliebig und von von Fall zu Fall beachtet werden, Menschen- und Völkerrecht muss universell angewandt werden. So sind denn auch Russland, Iran und die Hizbollah völkerrechtlich korrekt auf Einladung Syriens mit ihren bewaffneten Streitkräften im Land. Sie stehen der syrischen Armee als Verbündete zur Seite.
Die USA, die NATO-Staaten und deren Söldner aus über 100 Ländern sind noch immer illegal in Syrien, täglich und stündlich verletzen sie in Syrien und vor den Augen der Welt Menschen- und Völkerrecht. Die Idee, in Syrien könne die Souveränität des Staates ebenso verletzt werden wie bindendes Menschen- und Völkerrecht ist weit verbreitet. Diese Idee ist ganz im Sinn der NATO, der USA, der Zionisten, mit einem Wort: all derer, die Syrien angreifen. Diese Idee ist nicht nur falsch, sie ist verbrecherisch.
Ein Anachronismus
In NRhZ-Ausgabe 730 vom 18. Dezember 2019 stellt sich die BDS-Kampagne in Form eines Interviews, welches Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann mit Christoph Glanz, einem BDS-Exponenten führen, vor. In diesem Text wird klar, dass BDS als internationale Organisation anti-zionistisch, anti-rassistisch und anti-imperialistisch, mit einem Wort, integer ist. Um so unverständlicher sind die Aussagen, welche Christoph Glanz am Ende seines Interviews zu der allgemeinen Situation in Nordsyrien macht. Syrien ist ein vom Imperialismus angegriffenes Land! Wir haben das mehrfach, u.a. in Artikeln, Interviews, Veranstaltungen, und in unserem Buch „Syrien – ein Land im Widerstand – mehr als ein Reisebericht“ dargelegt. (1)
Solidarität mit dem palästinensischen Volk ist wichtig und gut. Indes ist es ausgeschlossen, ja ein Anachronismus, sich mit dem palästinensischen Volk zu solidarisieren, nicht aber mit anderen vom Imperialismus angegriffenen Völkern. Weshalb sich Christoph Glanz als Exponent von BDS einerseits (völlig zu Recht!) auf die Seite des palästinensischen Volkes stellt, andererseits aber auch die Spaltungsversuche der kurdischen Führung im Norden Syriens befürwortet, ist nur auf den ersten Blick unverständlich. Erklärbar wird diese Haltung indes, wenn wir berücksichtigen, dass mindestens seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine gediegene Debatte über das Wesen und die Anatomie des Imperialismus fehlt. (2) Tatsächlich hält denn auch keine einzige Aussage, die Christoph Glanz zur Situation des kurdischen Volkes im Norden Syriens macht, einer genauen und faktenorientierten Überprüfung stand.
Falsche Voraussetzungen
Wir wissen nicht, ob Christoph Glanz in seinen Aussagen von falschen Voraussetzungen ausgeht, wir müssen es annehmen. Wir werden versuchen, auf einige der Fehleinschätzungen von Glanz im Einzelnen einzugehen:
Zunächst: Die Großmächte der Welt und der Region würden ein demokratisches, ökologisches und feministisches Projekt zermalmen. Dazu nennt er die USA, die Türkei, Assad-Syrien [sic!], Russland und Deutschland namentlich als diejenigen, welche dieses Projekt zerstören wollen. Das ist erwiesenermaßen falsch. Die Bevölkerung in Syrien war immer und überall heterogen. Arabische, kurdische und andere Menschen aller Ethnien und Religionen lebten und leben in dieser Region friedlich zusammen. Der Westen versuchte dies durch die Angriffe der Terrorbanden zu zersetzen, insbesondere durch die Angriffe des IS (Daesh). Indes griffen die Todesschwadronen des IS nicht explizit die kurdische Bevölkerung an, sondern alle dort lebenden Menschen. Ein Projekt, wie von Glanz und anderen beschrieben, kann nicht in einem vom Imperialismus angegriffenen Land realisiert werden. Folgerichtig hat denn auch die syrische Regierung unter dem syrischen Ministerium für Versöhnung, gemeinsam mit Russland, die kurdische Führung immer wieder zu Friedensgesprächen eingeladen. Dies wurde von der kurdischen Führung immer wieder abgelehnt. Dass Syrien und Russland also (gemeinsam mit den imperialistischen Mächten) „ein demokratisches, ökologisches und feministisches Projekt zermalmen“, entbehrt jeder Grundlage.
Die Idee von Rojava sei, - so Glanz - sich vom Nationalstaat zu verabschieden und ein gutes Leben für alle, „jenseits von Staat, Macht und Gewalt zu führen“. Nun, im besten Fall ist das Revolutionsromantik. Im Sandkasten jenseits von imperialistischen und geo-strategischen Interessen mögen das interessante Gedankenspiele sein. In der Realität verkleistern und verwirren sie unser politisches Denken - ganz im Sinne der NATO und des Imperialismus, deren Ziel es auch ist, zu verwirren statt zu klären. Mit der Zersetzung oder gar Auflösung des syrischen Nationalstaates wäre auch die militärische Kraft gebrochen, die notwendig ist, um sich gegen die Angriffe der Israel-NATO-Allianz zur Wehr setzen zu können.
Folter seitens der USA möchte Glanz ebenso verurteilen wie „Assads Sednaya-Gefängnis“. Wir haben Beweise für Guantanamo, und wir haben Beweise für die israelischen Folterknäste. Wo aber sind die Beweise für eine institutionalisierte Folter in Syrien? Bis zum Beweis des Gegenteils bleiben dies Anschuldigungen. Eine 3D-Animation von "Amnesty International" (AI) mag man sich als einen geschmacklosen Gag ansehen, ein Beweis ist das ebenso wenig wie andere AI-Geschichten. "Amnesty International" ist nicht glaubwürdig.
Am 10. Oktober 1990 erschien ein 15-jähriges kuwaitisches Mädchen namens Nayirah in Washington D.C. im Repräsentantenhaus. Sie sagte aus, dass irakische Soldaten nachdem sie am 2. August nach Kuwait eingedrungen seien, in einem Krankenhaus frühgeborene Babys aus den Inkubatoren gerissen und sie anschließend getötet hätten. Sie sei in der Entbindungsstation als Krankenschwester beschäftigt und darum Augenzeugin des Geschehens gewesen. Das westliche Fernsehen übertrug die herzzerreißenden Aufnahmen der weinenden angeblichen Krankenschwester auf allen Kanälen. (3) Nayirah ist übrigens die Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA. Amnesty International erstellte daraufhin einen 84 Seiten umfassenden Bericht über Menschenverletzungen in Kuwait, der die Story Nayirahs enthielt. Dass die gesamte Geschichte von A bis Z erlogen war, ist mittlerweile bewiesen. Auf diese und andere Lügen folgte die Zerstörung des Irak mit Millionen von Toten. Vor dem Krieg steht der Medienkrieg, und es ist unsere Aufgabe, wachsam zu sein und die Lügen offen zu legen. (4)
Zum Schluss: Als Linker und als Internationalist will sich Glanz „auf die Seite der Bevölkerung stellen, die sich gegen Assad auflehnt“. Nun, in Syrien wird er Mühe haben, Menschen zu finden, die sich gegen Assad auflehnen. Den Menschen vor Ort ist sehr wohl bewusst, von wem sie angegriffen werden und wer ihnen Schutz bietet. Angegriffen werden sie von Söldnerbanden, finanziert und instrumentalisiert von den imperialistischen Staaten, von der NATO, den USA und von Israel. Schutz bieten dem Volk die syrische Armee und verbündete Kräfte wie Hizbollah, Iran und natürlich Russland. Kritik an der Regierung werden wir in Syrien trotzdem hören, nicht aber Forderungen nach einem Regime Change, wie sie der Westen so gerne hätte und wie sie von den Medienkriegern herbei fabuliert werden.
Fakten und Träume
Syrien kann nicht isoliert betrachtet werden, das Land steht, wie alle anderen Länder auch, in einem globalen Spannungsfeld, in einem globalen Kontext. Schon lange vor den Ereignissen von 2011 haben die USA, die NATO, Israel und deren Vasallen (die Öl-Oligarchien u.a.m.) an der Zersetzung des syrischen Staates gearbeitet. Auch der Medienkrieg gegen Syrien läuft schon seit langem. In der von Kriegsverbrecher Bush skizzierten „Achse des Bösen“ ist Syrien ein wichtiger Teil. (5)
Die Anschuldigungen sind stereotyp: Verteufelung eines Staatsoberhauptes, angebliche Einforderung von Demokratie und Menschenrechten, und kurz darauf folgen die Angriffe der Menschenrechtskrieger. Irak, Jugoslawien und Libyen lassen als Beispiel unter anderen grüßen! Ein fortschrittliches Land nach dem anderen wird in Schutt und Asche gebombt. Syrien steht ebenfalls im Fadenkreuz der Imperialsten. Dies sind die Fakten.
Die Träume, die im Fall Syriens jenseits aller Fakten einher gehen, werden von Linken geträumt, die offensichtlich ohne Theorie und auch ohne jede politische Praxis kritiklos die Mär eines „egalitären, feministischen, ökologischen und demokratischen“ Paradieses nachplappern. Das dieses „Paradies“ nach einem nun seit acht Jahren andauernden blutigen Angriffskrieg gegen das syrische Volk auf dem Rücken eben dieses Volkes errichtet werden soll, ist kein Traum, sondern ein Albtraum. Acht Jahre Krieg, Zerstörung und Angriffe von außen konnten das syrische Volk, die syrische Armee und deren Verbündete erfolgreich zurück schlagen. Nach acht Jahren könnte nun endlich Frieden einkehren, wäre da nicht das von allen so hoch gelobte „kurdische Projekt“ in einer Gegend Syriens, in der sich – welch ein Zufall! - die wichtigsten Wasser- und Ölquellen des Landes befinden.
Dinge beim Namen nennen!
Nennen wir die Dinge beim Namen: Wir sprechen von Landraub, Ressourcenraub, Unterdrückung, imperialistischer Einflussnahme mittels Militärbasen, Bewaffnung und Finanzierung der aus der Türkei eingeschleusten Kräfte der YPG. Selbstverständlich wollen die imperialistischen Medienkrieger die Dinge nicht beim Namen nennen, und selbstverständlich haben sie auch aus ihren gemachten Fehlern, zum Beispiel im Irak gelernt: Dort haben die USA feudale Kräfte, wie Barzani und Talabani an die Macht gebracht, und das Resultat war Widerstand und Ablehnung bis zum heutigen Tag. In Syrien indes soll das Zepter nun so genannt „revolutionären“ Kräften übergeben werden, und auch sie erfüllen folgsam die imperialistischen Pläne der Spaltung, diesmal einfach unter dem wenig originellen Namen „revolutionäres Projekt“.
Überall dieselben Maßstäbe anlegen? Ja bitte!
Die Haltung der internationalen BDS-Bewegung zu Palästina ist – wir wiederholen uns – vorbildlich. Die Aussagen von Christoph Glanz zu Syrien hingegen sind nicht nur bedauerlich. Sie zeugen von einer weit verbreiteten Verwirrung der - vorwiegend europäischen - Linken. Diese ist offensichtlich außerstande, imperialistische Zusammenhänge zu analysieren und in einen Gesamtkontext zu stellen. Schlagworte und gegenseitige Anschuldigungen helfen uns nicht weiter. Wir plädieren für eine faktenorientierte Analyse. Dabei beharren wir darauf, dass die präsentierten Fakten auch verifiziert werden. Auch Hörensagen wie Foltervorwürfe, Giftgaseinsätze der syrischen Armee, Fassbomben usw. helfen uns nicht weiter. Sie entspringen den think tanks der Angreifer und werden mittels ihrer Medienkrieger massenhaft verbreitet und unter die Leute gebracht. Immer wieder erweist sich der Wahrheitsgehalt solcher Anschuldigungen, analog zur erwähnten Brutkastenlüge, als unter Null. Dies ist ein Resultat des noch immer nicht überwundenen weißen Herrenmenschentums. Dieses manifestiert sich im besetzten Palästina, in den angegriffenen Völkern von Süd- und Mittelamerika ebenso wie in Syrien. Kurz: In allen vom Imperialismus angegriffenen Ländern. Dies zu erkennen und seine politische Haltung entsprechend zu justieren ist nicht allzu schwierig. Dass jemand von BDS, einer Bewegung, die wir hoch schätzen und solidarisch unterstützen, dazu nicht in der Lage zu sein scheint, ist bedenklich.
Christoph Glanz plädiert im NRhZ-Interview dafür, überall dieselben Maßstäbe anzulegen. Gut! Dann aber bitte auch konsequent. Palästina ist ein vom Zionismus und von Imperialismus besetztes Land mit dem wir solidarisch sind. Weshalb verwenden wir nicht dieselben Maßstäbe bei Syrien, einem vom Zionismus und Imperialismus angegriffenen Land? Mit einem klaren Blick auf die herrschenden politischen Verhältnisse verbietet es sich von selbst, sich mit den USA, mit Israel, mit der NATO gemein zu machen. Nichts anderes jedoch hat die kurdische Führung, die übrigens völlig widerrechtlich bewaffnet nach Syrien eingedrungen ist, getan. Dafür – und das ist bitter – bezahlt nun die Bevölkerung in Norden des angegriffenen Landes Syrien. Unter anderem auch weil die Türkei, widerrechtlich wie die NATO, die USA die YPG und wer sonst noch nach Syrien einmarschiert ist.
Wie soll Syrien zur Ruhe kommen, solange die türkische Armee widerrechtlich syrischen Boden besetzt hält? Wie stellt man sich einen Frieden vor, solange die USA noch immer die Ölquellen Syriens rauben und scheinheilig behaupten, diese Ölquellen zu schützen? Was für ein Frieden soll das sein, wenn noch immer bewaffnete Banden, ob sie nun FSA, SDF, YPG, IS - oder was der Akronyme mehr sein mögen - eingeschleust, bewaffnet und finanziert werden, um gegen die legitime syrische Armee zu kämpfen? Und schließlich: Von welchem Frieden reden wir, solange die so genannte „westliche Wertegemeinschaft“ das syrische Volk mit einer vollkommen illegalen Blockade stranguliert? Wie kann es Frieden in Syrien geben, solange Israel andauernd, ungestraft und vor den Augen der Weltöffentlichkeit syrische Einrichtungen bombardiert? Zur Erinnerung: Entgegen allen UNO-Resolutionen hält Israel mit dem Segen Washingtons noch immer illegal die syrischen Golan-Höhen besetzt.
Deshalb kann unsere Parole nur sein: Alle nicht von der legitimen Regierung in Damaskus autorisierten Bewaffneten raus aus Syrien! Schluss mit Embargos, Sanktionen und Blockaden gegen Syrien! Hände weg von Syrien!
Fußnoten:
1 Zum Beispiel hier: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26294
oder hier: „Syrien – Ein Land im Widerstand, mehr als ein Reisebericht“, Eva und Markus Heizmann, TuP Hamburg 2018, 16.- Euro
2 Siehe dazu: „Zur Anatomie des Imperialismus“ , Markus Heizmann, TuP Hamburg, 2019, 14.- Euro
3 https://www.youtube.com/watch?v=EuDp5VM8QoQ
4 Siehe dazu: LÜGE-MACHT-KRIEG Risala, Nr. 8 Div. AutorInnen, TuP Hamburg 2015
5 https://crp-infotec.de/sicherheitspolitik-achse-des-boesen/
Tim Anderson veröffentlicht zur „Achse des Bösen“ ein bemerkenswertes Buch: https://counter-hegemonicstudies.net/axis-book-1/
Siehe dazu auch die Rezension zu Andersons Buch:
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26274
Online-Flyer Nr. 731 vom 01.01.2020