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Literatur
Eine psychologische Betrachtung der "Intellektuellen als Stützen der Gesellschaft"
TUI versus TUItiv
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Als "Eliten" werden sie selbstreferenziell bezeichnet, weil sie in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen Führungspositionen agieren, darunter befinden sich "Intellektuelle", denen vom allgemeinen Verständnis besondere Erkenntnis- und Denkfähigkeiten (Intelligenz) zugesprochen wird. Was bewirken die Intellektuellen in ihren Positionen, be-denken sie die Folgen ihrer Planungen und ihres Handelns oder agieren sie nicht zum Allgemeinwohl, das letztlich ihr eigenes ist? Die Neue Gesellschaft für Psychologie behandelt im Kongressband "Krieg nach innen, Krieg nach außen – und die Intellektuellen als 'Stützen der Gesellschaft'?" bedeutende thematische Aspekte.
Der mit Fragezeichen versehene Komplex "Intellektuelle als 'Stützen der Gesellschaft'?" weist bereits im Titel darauf hin, dass – nach Vorstellung der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) einiges – oder gar viel zu viel – nicht optimal läuft. Der Berufsstand der Psychologen ist naturgemäß mit Leiden und Krankheitsbildern konfrontiert, die, nicht angeboren, sich aus Ängsten herausbilden. Daher ist die entscheidende Frage: reicht die Beruhigungspille oder kann oder muss sich etwas ändern – auch und vor allem im Gesellschaftsgefüge.
Klaus-Jürgen Bruder gibt mit "Die Position der Intellektuellen im Diskurs der Macht" einen wichtigen Einstieg, um welch fundamentale Auswirkungen im "Krieg nach innen und außen" es geht: "Mit orwellschen Verdrehungen waschen sie [die Intellektuellen] die Verantwortlichen von ihren Verbrechen rein, die diese auf Kosten der Bevölkerung geleistet hatten oder dies vorhaben! Als 'Weißwäscher' bezeichnet sie Brecht deshalb, als TUIs." Der große Denker und Dramatiker des 20 Jahrhunderts drückte seine Intellektuellen-Kritik in einem verdrehten Wortbild, der Umstellung Tellekt-Uell-In, in Kurzform TUI, aus. Einer seiner frühen Zeitgenossen, George Grosz, zeigt die "Stützen der Gesellschaft" (1926) als Lotterhaufen auf Kosten ebenjener. Und mit einem weiteren Bild bringt der Vorsitzende der NGfP sein Anliegen auf den Punkt: Die Täuschung als Enthüllung des Bösen im Bild der Gänsepredigt, realisiert als Brunnen-Skulptur in Regensburg. Der den Gänsen predigende Mönch verbirgt unter seiner Kutte den Wolf, während die "dummen" Gänse doch zumindest intuitiv den tödlichen Verrat ahnen könnten.
Macht – Ausübung und Sicherung
Das Intuitive birgt ganz zufällig im Wortstamm Brechts TUI-Anagramm; es bietet sich gedanklich als Gegenpart zum vermeintlich Intellektuellen oder einfach nur Gebildeten an: TUI versus TUItiv. Die Täuschungen und auch die ggf. daraus entstehenden Selbsttäuschungen sind ein gewaltiges Mittel der Machtausübung – in Taten, Gebärden und Sprache. Was aber, wenn die Gebrechen erkannt und "behandelt" werden?...
Karriere oder Ohmacht
Um Macht im Sinne von Existenzsicherung geht es bei der Betrachtung von Schul- und Hochschulsituation. Um möglichst viele Gänse möglichst dumm zu halten, wird das kritische Denken in Schul- und Hochschulbetrieb nicht nur nicht gefördert, es wird – abseits einer gezielten "Eliten"förderung – behindert. Unter anderem zum Vorteil des wirtschaftlichen Nutzens, hier großer Konzerne. So spricht die Politikwissenschaftlerin Raina Zimmering von "Wissenschaftsimperialismus", der die Sozialwissenschaft im Prozess der neoliberalen Globalisierung "einebnet", statt lösungsorientiert zum Zwecke eines "Guten Lebens für alle" zu wirken. Sie nennt Methoden der Verwestlichung (Verwüstung und Verflachung durch Ausgrenzung süd-östlicher Kulturkreise) am Beispiel des Wissenschaftsindex der Sozialwissenschaft (SSCI) sowie der erfolgreichen Verweigerung im Autonomie-Bereich der Zapatisten in Mexiko praktischerseits durch zunächst Daseins-, Gesundheits- und Bildungsversorgung mit darauffolgendem Fokus auf die Wissenschaften. (208)
Macht per Systemstabilisierung
Einen virtuosen Rundumschlag präsentiert der "TUItive", Künstler, Natur- und Sozialwissenschaftler Michael Schneider zum Typus der "Medien-Intellektuellen und deren Kreuzzug gegen die Aufklärung und die konkrete Utopie". Fraglos geht es besonders in dieser Branche um Teilhabe an der Macht per Systemstabilisierung. Die Gänse müssen nur oder eben dran glauben. So wurden (1999 in Jugoslawien) und werden NATO-Kriege "ohne UNO und out-of-area ohne Kriegserklärung und völkerrechtliche Grundlage geführt". Die durch die Medien hergestellte breite Zustimmung sei eher typisch für "totalitäre Regime". Vollends gelungen war 1999 "die Enttabuisierung des Militärischen". Wo der Wissenschaft das eigene Denken abgewöhnt wird, sorgt der Medienbetrieb für die Abschaffung der Aufklärung per journalistisch tragfähiger, grundgesetzlich geforderter Information aus gegenläufigen Quellen. Den Typus des "unübertroffenen" Wende-Intellektuellen markiert für Schneider an vorderster Stelle Hans-Magnus Enzensberger gefolgt von Martin Walser, Botho Strauss und Wolf Biermann. Einst politisch "links" verortet, hievte das Medien-Establishment Enzensberger auf den Thron des "Lieblingsintellektuellen des liberalen und konservativen Feuilletons" – "flexibel bis zur Identitätslosigkeit", mutiert zum zynisch anti-linken "Entfesselungskünstler". Schließlich thematisiert der an Lebenserfahrung reiche Roman- und Theaterautor, Zauberer und Naturwissenschaftler Michael Schneider noch das Mittel der prekären Arbeitsbedingungen im Hochschulbetrieb, was statt kritischer Behauptung zu mehr "Anpassertum" führe.
Macht durch Verweigerung
Michael Schneiders Namensvetter Ansgar Schneider rechnet bevor er das TUItive zulässt, das ihn nach langen Jahren mit den sonderbaren, physikalisch nur eindeutig zu erklärenden technischen Vorgängen des 11. Septembers 2001 konfrontiert, ja persönlich erschüttert hat. Ohne Zweifel fiel mindestens eins der drei Hochhäuser (WTC7) des World-Trade-Centers in New nach den Gesetzen des freien Falls, alle drei aber auf ihre Grundrisse zusammen. Der ehemalige Standort der Zwillingstürme wird markabererweise "Ground Zero" getauft, bis dahin nur verwendet als militärische Bezeichnung des Explosionsortes einer nuklearen Bombe. Immerhin weist in einer langen Beweis-Liste empirischer Daten, das "Vorkommen von Sprengstoffrückständen im Staub (Nanothermit)" auch nach vorschneller Räumung der wenigen Trümmer durch "Controlled Demolition" auf die Unmöglichkeit des Einsturzes allein durch die offiziell geschilderten Flugzeugeinschläge hin. Aber was bedeutet das? Hierbei handelt es sich nach einhelliger Mediendarstellung (von ziemlich links bis extrem rechts) um eine physikalisch kriminalistische "Verschwörungstheorie". So wie am Tag des Geschehens (9/11) alle Warnsysteme des hochgerüstetsten Landes dieser Erde (USA) "versagten", so "versagen" auch die Medien? Besteht nicht viel mehr eine unerklärliche nach Ansgar Schneider "generelle Verweigerungshaltung über die (naturwissenschaftlichen) Erkenntnisse ... sachgerecht zu berichten"? Journalisten und Redakteure überschlagen sich im Gebrauch des Wörtchens "Verschwörungstheoretiker", um in gnädiger Unwissenheit "wissenschaftliche Erkenntnisse, Methodik und Fragestellungen zu stigmatisieren, um damit die Aufklärung zu verhindern". Der 48 Stunden später ausgerufene NATO-Bündnisfall und damit der "Krieg gegen den Terror" wird bis heute auf diese unhaltbare Begründung zurückgeführt. Interessanterweise schildert der Physiker Ansgar Schneider das Paradebeispiel eines anführenden TUI in Person des Tübinger Amerikanisten Michael Butter, der "im sozial-geisteswissenschaftlichen Umfeld" versucht, eine "Sachdiskussion... kategorisch zu vermeiden" und stattdessen auf Ablenkung stigmatisierender Vorwürfe setzt, darunter den des "Antisemitismus".
Macht der Diffamierung
Mit letzteren schwerwiegenden Vorwürfen wurde nach dem NGfP-Kongress 2015 "Der Krieg um die Köpfe" versucht, gegen die NGfP und speziell gegen ihren Vorsitzenden Prof. Klaus-Jürgen Bruder vorzugehen, was aber dank brillanter Abwehr nicht gelang. Für Argumente sind auf Diffamierung zielende Angriffe nicht zugänglich. Inzwischen erleben wir, so Klaus-Jürgen Bruder 2018 "die gewalttätige, hard-core Version: die Offensive gegen die Kritik, die Verkehrung der Begriffe des Antifaschismus. Im Zentrum dieser Verkehrung steht der Begriff des „Anti-Semitismus“. Pikanterweise hat sich innerhalb knapp zweier Jahre die Debatte bis in den Hochschulbereich vorgearbeitet, indem die Hochschulrektoren-Konferenz (HRK) unter ihrem Vorsitzenden Peter-André Alt – nicht ohne akademischen Widerstand (Georg Meggle "Einspruch") – eine Sprachregelung im Wissenschaftsbereich vorgibt. Aber weiter Klaus-Jürgen Bruder: "In der Verbreitung von denunziatorischen Vorwürfen liegt aber auch die Gewalt der Antideutschen Attacken: es ist Gewalt, in den Zustand des Verdächtigten gesetzt worden zu sein, ohne die Möglichkeiten der Verteidigung zu haben, denn man ist ihr von vornherein beraubt. Wir kennen das eigentlich nur von Terror-Regimen." Um so interessanter, als im vorliegenden Band ein Beitrag mit dem Phänomen des "Antideutschen" sich befasst.
Macht der Desinformation
Schon der Titel zu Gerhard Hanlosers Ausführungen macht stutzig: Intellektuelle Kapitulation – antideutsche Aufrüstung. Bemerkung zum bellizistischen Elend in der Linken. Weder die "Antideutschen" noch die "Linken" werden definitorisch umrissen. Los geht's mit einer akademischen Stammtischparole in Richtung US-Präsident Donald Trump, dem Prügelknaben jenseits des Atlantik, der alle Systemfragen hinsichtlich Krieg und Kapitalismus von Vietnam bis Wall Street vergessen machen soll – geschweige denn den Anteil seiner Vorgänger: wer war nicht rechtsnationalistisch (ggfs. nur links- oder überhaupt US-nationalistisch?), anti-migrantisch (die Mexiko-Mauer baut Trump dank seiner Vorläufer weiter), pro-israelisch (ist unausgesprochene US-Staatsdoktrin)... Die Frage ist weiterhin, ob beschriebene "ehemals linke Intellektuellenzirkel" (darunter Bahamas!?) jemals links waren. Die "Linken" kommen schlecht davon, werden sie mit rechtsgewendeten Anti-Linken und Noch-Grünen (Fücks) gleichgesetzt. Die "Antideutschen geben vor, auf Weltgeschichte zu reflektieren [was das auch heissen mag], allerdings agierten sie lange Zeit in einem Spektrum [und agieren gerade dort immer noch], das sich 'die Linke' nennt. In diesem seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion schrumpfenden Segment der Gesellschaft sollten alle wichtigen Schlachten geschlagen werden." (67) Hanloser lässt kein (graues) Haar an den so gerupften "Linken", nicht einmal ein gefärbtes der rechtslastigen Parteivorsitzenden Kipping. Dass vorgeblich antifaschistische "Antideutsche" [BAK Shalom mit pro-kapitalistischem Blick] so oder so die Partei und ihre Medien unterwandern, schwächen und spalten, wird er nicht bedauern. So gibt es einen Beitrag im "Dossier Linksextremismus" der Bundeszentrale für politische Bildung von Rudolf van Hüllen, in dem der Autor den "Antideutschen" eine "Würdigung" ausspricht. So stelle "Die Herausbildung der 'antideutschen' Strömung und ihrer unterschiedlichen Facetten ... eine der interessantesten Entwicklungen im deutschen Linksextremismus seit langem dar. Ihre Protagonisten bewegen sich – vermutlich unwissentlich – ein Stück auf die Trennlinie zu, die demokratisches Engagement für die Dritte Welt und gegen Rechtsextremismus / Antisemitismus bisher von ihren linksextremistischen Verzerrungen 'Antiimperialismus' und 'Antifaschismus' geschieden hat. Hier sind Ablösungsprozesse von totalitären Ideologien des Marxismus-Leninismus, aber auch einer anarchistischen Verherrlichung angeblich stets legitimer 'indigener Befreiungskämpfe' in Gang gekommen." Auch deswegen verdienten die "Antideutschen" "Anerkennung": "denn die Ausblendung des Antisemitismus stellt eine der gravierendsten ideologischen Fehlleistungen des linksextremen 'Antifaschismus' dar." Dass Antifaschismus gleich Linksextrem sei, ist gemessen an der eigenen Faschismus-Aufarbeitung des westdeutschen Staates aus Sicht der Bundeszentrale nur zu gut nachvollziehbar. Nun ist Gerhard Hanloser wie es Zufall so will auch Antisemitismus-Experte. Ebenso Prof. Dr. Dipl.-Pol., Dipl.-Soz. Armin Pfahl-Traughber, regelmäßiger Autor der Bundeszentrale für politische Bildung wie für den Humanistischen Pressedienst (hpd) und ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, der seinerseits vor Jahren Gerhard Hanloser zu den "wichtigsten Protagonisten der antideutschen Strömung" zählte. Parteinahme gegen eine "antideutsche Strömung", die im Untergang begriffen scheint, formuliert Gerd Hanloser geschickt, bringt ganz beiläufig "die Denunziationsformel des 'selbsthassenden Juden'" scheinbar kritisierend ins Spiel. Ehemalige Antideutsche seien nun bürgerlich "oder sogar rechtsradikal". Links waren sie nie. Die TUIs wirds freuen, hier gehts möglicherweise um eine andere Art von "Intelligence", die das Spiel mit Desinformation formidabel anzuwenden versteht.
Empfehlung an die Gänse? Vielleicht im Bourdieuschen Stil: nicht dumm sein oder bleiben, nicht wissen wollen und die Angelegenheiten, statt an Volks- und Staubsaugervertreter zu delegieren, selbst in die Hand nehmen. Was die Rechts-Links-Erklärer betrifft sind TUItivs gefragt mit einem gerüttelten Maß an gesundem Menschenverstand: am aktuellen Beispiel der Antisemitismus-Debatte wird überdeutlich, dass "echte" Linke naturgemäß keine völkischen oder rassischen Vorbehalte pflegen.
So ist dem kritischen Genuß mit der erforderlichen eigenen Denkleistung dieses Bandes mit weiteren interessanten Beiträgen (zur psychologischen Kriegsführung, ...) und Autoren (Werner Rügemer, Norman Paech, Georg Rammer, Magda von Garrel, Katharina Stahlmann, ...) zuzuraten, ebenso wie dem Besuch des nahenden, immer auch für nicht wissenschaftliches Publikum offenen NGfP-Kongresses "'Digitalisierung' Sirenentöne oder Schlachtruf der 'kannibalistischen Weltordnung'" vom 6. bis 7. März 2020 in Berlin.
Krieg nach innen, Krieg nach außen und die Intellektuellen als "Stützen der Gesellschaft"?
NGfP-Kongress 2019, Herausgegeben von Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch und Jürgen Günther, Westend-Verlag, Frankfurt am Main, 2019, 350 Seiten, Klappenbroschur, 28 Euro
Siehe auch:
Zum Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP), Berlin, 7. bis 10.3.2019
Muth haben... um des Überlebens willen
Klaus-Jürgen Bruder – interviewt von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25687
Was hat es mit Gerhard Hanloser und Peter Ullrich auf sich?
Doppelbödiges Spiel von Antideutschen?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 729 vom 11.12.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26438
Online-Flyer Nr. 732 vom 15.01.2020
Eine psychologische Betrachtung der "Intellektuellen als Stützen der Gesellschaft"
TUI versus TUItiv
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Als "Eliten" werden sie selbstreferenziell bezeichnet, weil sie in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen Führungspositionen agieren, darunter befinden sich "Intellektuelle", denen vom allgemeinen Verständnis besondere Erkenntnis- und Denkfähigkeiten (Intelligenz) zugesprochen wird. Was bewirken die Intellektuellen in ihren Positionen, be-denken sie die Folgen ihrer Planungen und ihres Handelns oder agieren sie nicht zum Allgemeinwohl, das letztlich ihr eigenes ist? Die Neue Gesellschaft für Psychologie behandelt im Kongressband "Krieg nach innen, Krieg nach außen – und die Intellektuellen als 'Stützen der Gesellschaft'?" bedeutende thematische Aspekte.
Der mit Fragezeichen versehene Komplex "Intellektuelle als 'Stützen der Gesellschaft'?" weist bereits im Titel darauf hin, dass – nach Vorstellung der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) einiges – oder gar viel zu viel – nicht optimal läuft. Der Berufsstand der Psychologen ist naturgemäß mit Leiden und Krankheitsbildern konfrontiert, die, nicht angeboren, sich aus Ängsten herausbilden. Daher ist die entscheidende Frage: reicht die Beruhigungspille oder kann oder muss sich etwas ändern – auch und vor allem im Gesellschaftsgefüge.
Klaus-Jürgen Bruder gibt mit "Die Position der Intellektuellen im Diskurs der Macht" einen wichtigen Einstieg, um welch fundamentale Auswirkungen im "Krieg nach innen und außen" es geht: "Mit orwellschen Verdrehungen waschen sie [die Intellektuellen] die Verantwortlichen von ihren Verbrechen rein, die diese auf Kosten der Bevölkerung geleistet hatten oder dies vorhaben! Als 'Weißwäscher' bezeichnet sie Brecht deshalb, als TUIs." Der große Denker und Dramatiker des 20 Jahrhunderts drückte seine Intellektuellen-Kritik in einem verdrehten Wortbild, der Umstellung Tellekt-Uell-In, in Kurzform TUI, aus. Einer seiner frühen Zeitgenossen, George Grosz, zeigt die "Stützen der Gesellschaft" (1926) als Lotterhaufen auf Kosten ebenjener. Und mit einem weiteren Bild bringt der Vorsitzende der NGfP sein Anliegen auf den Punkt: Die Täuschung als Enthüllung des Bösen im Bild der Gänsepredigt, realisiert als Brunnen-Skulptur in Regensburg. Der den Gänsen predigende Mönch verbirgt unter seiner Kutte den Wolf, während die "dummen" Gänse doch zumindest intuitiv den tödlichen Verrat ahnen könnten.
Macht – Ausübung und Sicherung
Das Intuitive birgt ganz zufällig im Wortstamm Brechts TUI-Anagramm; es bietet sich gedanklich als Gegenpart zum vermeintlich Intellektuellen oder einfach nur Gebildeten an: TUI versus TUItiv. Die Täuschungen und auch die ggf. daraus entstehenden Selbsttäuschungen sind ein gewaltiges Mittel der Machtausübung – in Taten, Gebärden und Sprache. Was aber, wenn die Gebrechen erkannt und "behandelt" werden?...
Karriere oder Ohmacht
Um Macht im Sinne von Existenzsicherung geht es bei der Betrachtung von Schul- und Hochschulsituation. Um möglichst viele Gänse möglichst dumm zu halten, wird das kritische Denken in Schul- und Hochschulbetrieb nicht nur nicht gefördert, es wird – abseits einer gezielten "Eliten"förderung – behindert. Unter anderem zum Vorteil des wirtschaftlichen Nutzens, hier großer Konzerne. So spricht die Politikwissenschaftlerin Raina Zimmering von "Wissenschaftsimperialismus", der die Sozialwissenschaft im Prozess der neoliberalen Globalisierung "einebnet", statt lösungsorientiert zum Zwecke eines "Guten Lebens für alle" zu wirken. Sie nennt Methoden der Verwestlichung (Verwüstung und Verflachung durch Ausgrenzung süd-östlicher Kulturkreise) am Beispiel des Wissenschaftsindex der Sozialwissenschaft (SSCI) sowie der erfolgreichen Verweigerung im Autonomie-Bereich der Zapatisten in Mexiko praktischerseits durch zunächst Daseins-, Gesundheits- und Bildungsversorgung mit darauffolgendem Fokus auf die Wissenschaften. (208)
Macht per Systemstabilisierung
Einen virtuosen Rundumschlag präsentiert der "TUItive", Künstler, Natur- und Sozialwissenschaftler Michael Schneider zum Typus der "Medien-Intellektuellen und deren Kreuzzug gegen die Aufklärung und die konkrete Utopie". Fraglos geht es besonders in dieser Branche um Teilhabe an der Macht per Systemstabilisierung. Die Gänse müssen nur oder eben dran glauben. So wurden (1999 in Jugoslawien) und werden NATO-Kriege "ohne UNO und out-of-area ohne Kriegserklärung und völkerrechtliche Grundlage geführt". Die durch die Medien hergestellte breite Zustimmung sei eher typisch für "totalitäre Regime". Vollends gelungen war 1999 "die Enttabuisierung des Militärischen". Wo der Wissenschaft das eigene Denken abgewöhnt wird, sorgt der Medienbetrieb für die Abschaffung der Aufklärung per journalistisch tragfähiger, grundgesetzlich geforderter Information aus gegenläufigen Quellen. Den Typus des "unübertroffenen" Wende-Intellektuellen markiert für Schneider an vorderster Stelle Hans-Magnus Enzensberger gefolgt von Martin Walser, Botho Strauss und Wolf Biermann. Einst politisch "links" verortet, hievte das Medien-Establishment Enzensberger auf den Thron des "Lieblingsintellektuellen des liberalen und konservativen Feuilletons" – "flexibel bis zur Identitätslosigkeit", mutiert zum zynisch anti-linken "Entfesselungskünstler". Schließlich thematisiert der an Lebenserfahrung reiche Roman- und Theaterautor, Zauberer und Naturwissenschaftler Michael Schneider noch das Mittel der prekären Arbeitsbedingungen im Hochschulbetrieb, was statt kritischer Behauptung zu mehr "Anpassertum" führe.
Macht durch Verweigerung
Michael Schneiders Namensvetter Ansgar Schneider rechnet bevor er das TUItive zulässt, das ihn nach langen Jahren mit den sonderbaren, physikalisch nur eindeutig zu erklärenden technischen Vorgängen des 11. Septembers 2001 konfrontiert, ja persönlich erschüttert hat. Ohne Zweifel fiel mindestens eins der drei Hochhäuser (WTC7) des World-Trade-Centers in New nach den Gesetzen des freien Falls, alle drei aber auf ihre Grundrisse zusammen. Der ehemalige Standort der Zwillingstürme wird markabererweise "Ground Zero" getauft, bis dahin nur verwendet als militärische Bezeichnung des Explosionsortes einer nuklearen Bombe. Immerhin weist in einer langen Beweis-Liste empirischer Daten, das "Vorkommen von Sprengstoffrückständen im Staub (Nanothermit)" auch nach vorschneller Räumung der wenigen Trümmer durch "Controlled Demolition" auf die Unmöglichkeit des Einsturzes allein durch die offiziell geschilderten Flugzeugeinschläge hin. Aber was bedeutet das? Hierbei handelt es sich nach einhelliger Mediendarstellung (von ziemlich links bis extrem rechts) um eine physikalisch kriminalistische "Verschwörungstheorie". So wie am Tag des Geschehens (9/11) alle Warnsysteme des hochgerüstetsten Landes dieser Erde (USA) "versagten", so "versagen" auch die Medien? Besteht nicht viel mehr eine unerklärliche nach Ansgar Schneider "generelle Verweigerungshaltung über die (naturwissenschaftlichen) Erkenntnisse ... sachgerecht zu berichten"? Journalisten und Redakteure überschlagen sich im Gebrauch des Wörtchens "Verschwörungstheoretiker", um in gnädiger Unwissenheit "wissenschaftliche Erkenntnisse, Methodik und Fragestellungen zu stigmatisieren, um damit die Aufklärung zu verhindern". Der 48 Stunden später ausgerufene NATO-Bündnisfall und damit der "Krieg gegen den Terror" wird bis heute auf diese unhaltbare Begründung zurückgeführt. Interessanterweise schildert der Physiker Ansgar Schneider das Paradebeispiel eines anführenden TUI in Person des Tübinger Amerikanisten Michael Butter, der "im sozial-geisteswissenschaftlichen Umfeld" versucht, eine "Sachdiskussion... kategorisch zu vermeiden" und stattdessen auf Ablenkung stigmatisierender Vorwürfe setzt, darunter den des "Antisemitismus".
Macht der Diffamierung
Mit letzteren schwerwiegenden Vorwürfen wurde nach dem NGfP-Kongress 2015 "Der Krieg um die Köpfe" versucht, gegen die NGfP und speziell gegen ihren Vorsitzenden Prof. Klaus-Jürgen Bruder vorzugehen, was aber dank brillanter Abwehr nicht gelang. Für Argumente sind auf Diffamierung zielende Angriffe nicht zugänglich. Inzwischen erleben wir, so Klaus-Jürgen Bruder 2018 "die gewalttätige, hard-core Version: die Offensive gegen die Kritik, die Verkehrung der Begriffe des Antifaschismus. Im Zentrum dieser Verkehrung steht der Begriff des „Anti-Semitismus“. Pikanterweise hat sich innerhalb knapp zweier Jahre die Debatte bis in den Hochschulbereich vorgearbeitet, indem die Hochschulrektoren-Konferenz (HRK) unter ihrem Vorsitzenden Peter-André Alt – nicht ohne akademischen Widerstand (Georg Meggle "Einspruch") – eine Sprachregelung im Wissenschaftsbereich vorgibt. Aber weiter Klaus-Jürgen Bruder: "In der Verbreitung von denunziatorischen Vorwürfen liegt aber auch die Gewalt der Antideutschen Attacken: es ist Gewalt, in den Zustand des Verdächtigten gesetzt worden zu sein, ohne die Möglichkeiten der Verteidigung zu haben, denn man ist ihr von vornherein beraubt. Wir kennen das eigentlich nur von Terror-Regimen." Um so interessanter, als im vorliegenden Band ein Beitrag mit dem Phänomen des "Antideutschen" sich befasst.
Macht der Desinformation
Schon der Titel zu Gerhard Hanlosers Ausführungen macht stutzig: Intellektuelle Kapitulation – antideutsche Aufrüstung. Bemerkung zum bellizistischen Elend in der Linken. Weder die "Antideutschen" noch die "Linken" werden definitorisch umrissen. Los geht's mit einer akademischen Stammtischparole in Richtung US-Präsident Donald Trump, dem Prügelknaben jenseits des Atlantik, der alle Systemfragen hinsichtlich Krieg und Kapitalismus von Vietnam bis Wall Street vergessen machen soll – geschweige denn den Anteil seiner Vorgänger: wer war nicht rechtsnationalistisch (ggfs. nur links- oder überhaupt US-nationalistisch?), anti-migrantisch (die Mexiko-Mauer baut Trump dank seiner Vorläufer weiter), pro-israelisch (ist unausgesprochene US-Staatsdoktrin)... Die Frage ist weiterhin, ob beschriebene "ehemals linke Intellektuellenzirkel" (darunter Bahamas!?) jemals links waren. Die "Linken" kommen schlecht davon, werden sie mit rechtsgewendeten Anti-Linken und Noch-Grünen (Fücks) gleichgesetzt. Die "Antideutschen geben vor, auf Weltgeschichte zu reflektieren [was das auch heissen mag], allerdings agierten sie lange Zeit in einem Spektrum [und agieren gerade dort immer noch], das sich 'die Linke' nennt. In diesem seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion schrumpfenden Segment der Gesellschaft sollten alle wichtigen Schlachten geschlagen werden." (67) Hanloser lässt kein (graues) Haar an den so gerupften "Linken", nicht einmal ein gefärbtes der rechtslastigen Parteivorsitzenden Kipping. Dass vorgeblich antifaschistische "Antideutsche" [BAK Shalom mit pro-kapitalistischem Blick] so oder so die Partei und ihre Medien unterwandern, schwächen und spalten, wird er nicht bedauern. So gibt es einen Beitrag im "Dossier Linksextremismus" der Bundeszentrale für politische Bildung von Rudolf van Hüllen, in dem der Autor den "Antideutschen" eine "Würdigung" ausspricht. So stelle "Die Herausbildung der 'antideutschen' Strömung und ihrer unterschiedlichen Facetten ... eine der interessantesten Entwicklungen im deutschen Linksextremismus seit langem dar. Ihre Protagonisten bewegen sich – vermutlich unwissentlich – ein Stück auf die Trennlinie zu, die demokratisches Engagement für die Dritte Welt und gegen Rechtsextremismus / Antisemitismus bisher von ihren linksextremistischen Verzerrungen 'Antiimperialismus' und 'Antifaschismus' geschieden hat. Hier sind Ablösungsprozesse von totalitären Ideologien des Marxismus-Leninismus, aber auch einer anarchistischen Verherrlichung angeblich stets legitimer 'indigener Befreiungskämpfe' in Gang gekommen." Auch deswegen verdienten die "Antideutschen" "Anerkennung": "denn die Ausblendung des Antisemitismus stellt eine der gravierendsten ideologischen Fehlleistungen des linksextremen 'Antifaschismus' dar." Dass Antifaschismus gleich Linksextrem sei, ist gemessen an der eigenen Faschismus-Aufarbeitung des westdeutschen Staates aus Sicht der Bundeszentrale nur zu gut nachvollziehbar. Nun ist Gerhard Hanloser wie es Zufall so will auch Antisemitismus-Experte. Ebenso Prof. Dr. Dipl.-Pol., Dipl.-Soz. Armin Pfahl-Traughber, regelmäßiger Autor der Bundeszentrale für politische Bildung wie für den Humanistischen Pressedienst (hpd) und ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, der seinerseits vor Jahren Gerhard Hanloser zu den "wichtigsten Protagonisten der antideutschen Strömung" zählte. Parteinahme gegen eine "antideutsche Strömung", die im Untergang begriffen scheint, formuliert Gerd Hanloser geschickt, bringt ganz beiläufig "die Denunziationsformel des 'selbsthassenden Juden'" scheinbar kritisierend ins Spiel. Ehemalige Antideutsche seien nun bürgerlich "oder sogar rechtsradikal". Links waren sie nie. Die TUIs wirds freuen, hier gehts möglicherweise um eine andere Art von "Intelligence", die das Spiel mit Desinformation formidabel anzuwenden versteht.
Empfehlung an die Gänse? Vielleicht im Bourdieuschen Stil: nicht dumm sein oder bleiben, nicht wissen wollen und die Angelegenheiten, statt an Volks- und Staubsaugervertreter zu delegieren, selbst in die Hand nehmen. Was die Rechts-Links-Erklärer betrifft sind TUItivs gefragt mit einem gerüttelten Maß an gesundem Menschenverstand: am aktuellen Beispiel der Antisemitismus-Debatte wird überdeutlich, dass "echte" Linke naturgemäß keine völkischen oder rassischen Vorbehalte pflegen.
So ist dem kritischen Genuß mit der erforderlichen eigenen Denkleistung dieses Bandes mit weiteren interessanten Beiträgen (zur psychologischen Kriegsführung, ...) und Autoren (Werner Rügemer, Norman Paech, Georg Rammer, Magda von Garrel, Katharina Stahlmann, ...) zuzuraten, ebenso wie dem Besuch des nahenden, immer auch für nicht wissenschaftliches Publikum offenen NGfP-Kongresses "'Digitalisierung' Sirenentöne oder Schlachtruf der 'kannibalistischen Weltordnung'" vom 6. bis 7. März 2020 in Berlin.
Krieg nach innen, Krieg nach außen und die Intellektuellen als "Stützen der Gesellschaft"?
NGfP-Kongress 2019, Herausgegeben von Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch und Jürgen Günther, Westend-Verlag, Frankfurt am Main, 2019, 350 Seiten, Klappenbroschur, 28 Euro
Siehe auch:
Zum Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP), Berlin, 7. bis 10.3.2019
Muth haben... um des Überlebens willen
Klaus-Jürgen Bruder – interviewt von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25687
Was hat es mit Gerhard Hanloser und Peter Ullrich auf sich?
Doppelbödiges Spiel von Antideutschen?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 729 vom 11.12.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26438
Online-Flyer Nr. 732 vom 15.01.2020