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Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

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Globales
Berichte aus der Zeit des Corona-Manövers in Frankreich
Corona in Frankreich
Von Georges Hallermayer

Was läuft in Frankreich in Zeiten des Corona-Manövers. Georges Hallermayer trägt eine Reihe von Informationsbausteinen zusammen. Französische Müllwerker haben die Faxen dicke: trotz Corona treten sie in den Streik. Die Gewerkschaft CGT hat für den öffentlichen Dienst zum Streik aufgerufen – der unzumutbaren Arbeitsbedingungen und unverantwortlicher Mängel im Gesundheitsschutz wegen. Das Vertrauen der Franzosen in die Regierung zur Bewältigung der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise des Coronavirus schwindet. Der Geheimdienst SCRT (Service Central du Reseignement territorial), der seit einiger Zeit „die Auswirkungen von Covid-19 in Frankreich“ überwacht, sei alarmiert und warne „vor der Gefahr sozialer Unruhen“ am Ende des Notstandes: „Die Wut schwächt sich nicht ab“. In Paris gibt es einen Ausstiegsplan, der dem Umstand Rechnung trage, dass dort, wo die Beschränkungen wie die Ausgangssperren allgemein gelten, die Todesrate höher ist als in den EU-Ländern, in denen eine selektive Eindämmung und Maskentragen propagiert werden.


Corona: Paris steigt aus?

Frankreichs Bevölkerung leidet unter den rigiden, von Polizei und Militär überwachten Ausgangsbeschränkungen. Bis zum 3. April gab es nach Angaben von Innenminister Christophe Castaner über 420.000 Anzeigen bei über 8 Millionen Kontrollen, einem Zehntel der Bevölkerung! Corona-Erkrankte leiden unter den Folgen des "bewussten Aushungerns" der öffentlichen Gesundheitsvorsorge (in den letzten zehn Jahren wurden zehntausende Krankenhausbetten "eingespart".) Es wird berichtet, dass sich die Epidemie weiter verbreitet. Beschäftigte in "systemrelevanten Bereichen", allen voran das Personal in den Hospitälern des Landes, protestieren dagegen, ungeschützt bzw. nicht ausreichend geschützt arbeiten zu müssen - unter Bedingungen, in denen Tarifrechte wie Arbeitszeit und Urlaub etc. außer Kraft gesetzt werden.

Die Tagesschau griff am 7. April 2020 begierig auf, dass nunmehr auch in Paris tagsüber zwischen 10 und 19 Uhr sportliche Aktivitäten verboten seien, aber der Ausstiegsplan der sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo aus den Corona-Notstandsmaßnahmen passte wohl nicht in die politische Landschaft vor Ostern. Ausgerechnet der ultrakonservative "Le Figaro" (im Eigentum des Waffenfabrikanten Serge Dassault) veröffentlichte am 8. April den Vorschlag, den die sozialistische Politikerin dem französischen Premierminister Edouard Philippe per Brief zukommen ließ.

Das Ausstiegsszenario mit seinen zehn Punkten sieht vor, die generellen Beschränkungen aufzuheben und stattdessen ein verstärktes Screening der Bevölkerung, insbesondere von Verdachtsfällen und eine konsequente Quarantäne vorzunehmen. Priorität hätten die städtischen Altersheime und Tageseinrichtungen - Personal wie Bewohner werden seit dem 6. April getestet - danach sollen auch Obdachlose und HIV-Positive wie deren Betreuer getestet werden. Infizierte Pariserinnen und Pariser würden die Quarantänezeit in bestimmten Hotels und speziellen Centren verbringen.

Als zweiten Hauptpunkt wagt die sozialistische Politikerin ein Experiment - wie im chinesischen Wuhan, dort mit dem „gelben App“ auf dem Handy. Den negativ Getesteten oder Genesenen werde ein „Certificat d’Immunite“ vom Arzt ausgestellt. Diese Bescheinigung würde von Beschränkungen befreien. Allein die Hygienevorschriften sollten verstärkt beachtet, das Maskentragen in der Öffentlichkeit verpflichtend werden.

Mit diesem Ausstiegsplan trägt die Pariser sozialistisch-kommunistische Stadtregierung den Auswertungen der Zahlen der Weltgesundheitsorganisation Rechnung, wie AgoraVox am 8. April aufzeigte, dass dort, wo die Beschränkungen wie die Ausgangssperren allgemein gelten, die Todesrate höher ist als in den EU-Ländern, in denen eine selektive Eindämmung und Maskentragen propagiert werden. Gemessen an 1 Mio. Einwohnern betrug die durchschnittliche Mortalitätsrate in Spanien und Italien 256 bzw. 254 Tote, in Frankreich und Belgien 116 bzw. 111 Tote - in Österreich, Deutschland und Schweden dagegen 21, 17 bzw. 15 Tote und in Norwegen nur 3.


Versprechungen des Ministers mit Streik nachhelfen

Am Karfreitag (10. April 2020) war es soweit: Die Gewerkschaft CGT hat für den öffentlichen Dienst zum Streik aufgerufen – der unzumutbaren Arbeitsbedingungen und unverantwortlicher Mängel im Gesundheitsschutz wegen. Jetzt ist Kolleginnen und Kollegen in der Privatwirtschaft der Kragen geplatzt.

Wie die Gewerkschaft CGT Compiegne am 9. April auf facebook veröffentlichte, legten am Karfreitag Morgen die 80 Beschäftigten der Kartonagen-Fabrik „Allard Emballage de Compiegne“ in der Industriezone Nord die Arbeit nieder. Die Gewerkschaften CGT und FO forderten für alle Mitarbeiter eine Prämie als Ausgleich für die gestiegenen Anforderungen während der Corona-Krise. Auch wenn ganze Branchen der Industrie stillstehen, dank vor allem der Chemieindustrie und der Lebensmittelbranche steht die Verpackungsindustrie voll im Boom. Zwar kam die Werksleitung den Forderungen der gewählten Gewerkschaftsvertreter im Betrieb nach, den Infektions-Schutz der Kolleginnen und Kollegen zu verbessern: Desinfektions-Gel Absperrungen, tägliche Reinigung der Räumlichkeiten. Aber eine Prämie verweigerte die Direktion, obwohl Wirtschaftsminister Bruno Le Maire die „systemrelevanten“ Unternehmen aufgefordert hatte, den Beschäftigten einen steuer- und abgabenfreien Bonus von 1000 Euro zu zahlen. Die Anforderung, noch mehr Überstunden zu leisten verärgerte die Mitarbeiter und die Weigerung am Gründonnerstag, mit ihnen zu sprechen, brachte das Fass zum Überlaufen. Nach Ostern werden wir erfahren, wie es weitergeht….


Französische Müllwerker haben die Faxen dicke: Streik trotz Corona

Wie die Zeitung „La Nouvelle Republique“ am Karfreitag berichtete haben die Müllwerker der Stadtregion „Grand Poitier“ erschöpft die Arbeit hingeschmissen. 20 von 22 Müllwagen bleiben seit Gründonnerstag im Depot.

Der seit Oktober 2019 private Müllentsorger „Urbaser Environnement“ nutzte die Corona-Krise und verpflichtete seit Mitte März die Beschäftigten zu „chomage partiel“ jede zweite Woche, um so Löhne und Sozialversicherungsbeiträge einzusparen. Und die Direktion verweigerte die von Präsident Macron empfohlene Erschwernis-Prämie von 1000 Euro.

Auch andere Müllentsorgungsunternehmen haben die Ausbeutungs-Schraube angezogen, sodass sich die Arbeiter mit Streiks wehren mussten: um nur zwei herauszugreifen: im Februar in Marseille und im März in Nancy.

Sebastian Boucher, gewählter Mitarbeiter-Vertreter der CGT rechnete vor: „In normalen Schichten sammeln wir drei Tonnen Müll pro Woche in die Müllverbrennung, jetzt sind es acht Tonnen.“ Nicht nur er ist wütend: „Auf unserem Buckel erhöht der Patron die Profite, unsere Tarifverträge hat die Firma nicht übernommen, keine Gespräche, Pausenzeiten gestrichen, Überstunden kaum oder gar nicht bezahlt…“, zitiert die Zeitung einen Beschäftigten.

Und die Lokalpolitiker? Die Stadtregierung Poitier wäscht die Hände in Unschuld und „mischt sich nicht in den sozialen Dialog ein“. Aber für den Fall, dass der Konflikt andauere, stellte sie bei der Präfektur den Antrag, die Beschäftigten dienstzuverpflichten. Corona macht’s möglich….


Unternehmerverband trommelt - Unternehmen in den Startlöchern

Präsident Macron wird am Abend des 13. April 2020 die Dauer der am 17. März begonnenen neuen Verlängerung der Eindämmungsmaßnahmen festlegen. Dass das Vertrauen der Franzosen in die Regierung zur Bewältigung der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise des Coronavirus schwindet, wie aus einer neuen IFOP-Umfrage für das „Journal du Dimanche“ hervorgeht, kümmert die Herren der Wirtschaft. Mehrere Wirtschaftsbosse - so Le Monde am 11. April - forderten die Beschäftigten am Samstag auf, "ihre Anstrengungen zu verdoppeln", um einen wirtschaftlichen Aufschwung zu ermöglichen, sobald die Aktivitäten nach der Krise wieder aufgenommen werden.

Der Unternehmerverband MEDEF (vergleichbar mit dem deutschen Bund der Deutschen Industrie), spricht Klartext: Der Bosse der Bosse Geoffroy Roux de Bezieux stellt in „Le Figaro“ vom 10. April die Arbeitszeit, die Zahl der Feiertage und die Länge des bezahlten Urlaubs in Frage - also die seit 25. März geltenden Notstandsregelungen über den 31. Dezember hinaus Geltung zu verschaffen: während drei Wochen die tägliche maximale Arbeitszeit auf 12 Stunden und die wöchentliche auf 60 Stunden zu verlängern.

Der Vize-Vorsitzende der rechten Partei „Le Republicain“ (LR) Guillaume Peltier war letzte Woche bereits mit dem Vorschlag vorgeprescht, 5 Tage RTT (reduction du temps de travail) aus den individuellen Arbeitszeitkonten generell zu streichen.

Natürlich vorbehaltlich eines „dialog sociale“ zwischen Unternehmer und Gewerkschaften. Die der sozialistischen Partei nahestehende CFDT in der Region „Pays de la Loire“, der Region an der Loiremündung, hat bereits in einem gemeinsamen Communique mit MEDEF am 8. April die Bereitschaft erklärt, „die Zusammenarbeit fortzusetzen, um morgen die Bedingungen des ökonomischen Ankurbelns auszuarbeiten.“

Aber die kämpferischen Gewerkschafter werden den Herren einen Strich durch die Rechnung machen und einer weiteren Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen nicht kampflos hinnehmen. Auch das Gewerkschaftsbündnis „Intersyndicale“ bereitet sich vor… Wie die Tageszeitung „Le Parisien“ am 11. April aufdeckte, sei der Geheimdienst SCRT (Service Central du Reseignement territorial), der seit einiger Zeit „die Auswirkungen von Covid-19 in Frankreich“ überwacht, alarmiert und warne „vor der Gefahr sozialer Unruhen“ am Ende des Notstandes: „Die Wut schwächt sich nicht ab“.

Der Reifenfabrikant Michelin hat kurzerhand Fakten geschaffen: Am 1. April haben CFDT, die Gewerkschaft der leitenden Angestellten CFE-CGC und SUD der Änderung ihres Tarifvertrags zugestimmt: Die jährliche (bereits ausgehandelte) Lohnerhöhung für ein Drittel der Beschäftigten wird abgeschafft, wie „Ouest France“ meldete, Allen Mitarbeiter, die wegen Kinderbetreuung krankgeschrieben seien, werde gleichfalls wie den Mitarbeitern in Kurzarbeit 5 Tage Jahresurlaub und 5 Tage aus dem Arbeitszeitkonto RTT, also 10 Tage Urlaub gestrichen. Und das, gemäß des Finanzportals „onvista“ am 10. Februar, nachdem sich die Aktionärsversammlung eine gegenüber 2019 4prozentige Steigerung der Dividende auf 3,85 Euro je Aktie genehmigte. Für die Gewerkschafter der CGT keine Frage, die Vereinbarung zu akzeptieren: „Michelin hat entschieden, uns die Krise bezahlen zu lassen“.

Toyota fährt am 21. April sein Werk in Valenciennes wieder hoch, das seit dem 18. März die Produktion eingestellt und die gesamte Belegschaft in Kurzarbeit geschickt hatte. Corona hin, Corona her. Das einzige Werk in Frankreich baut den Yaris, das in Europa am meisten verkaufte Toyota-Modell. Luciano Biondo, Chef von Toyota France will nicht länger warten, 35.000 Kunden würden in den nächsten Wochen beliefert, schreibt „Le Figaro“. In einer Tag- und Nachtschicht von je 1000 Arbeiter, einen Meter Mindestabstand sei organisiert, für 70 Posten stünden eigens Schutzmasken zur Verfügung.

Formell hatte am Karfreitag die Personalvertretung CSE auf einer außerordentlichen Sitzung gegen die Stimmen der Gewerkschaft CGT zugestimmt. Was für die einen herbeigewünscht, kam den anderen eindeutig zu früh. Die Wiederinbetriebnahme sei ein Skandal. „Diese Entscheidung durchbreche alle Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus – ein Dolchstoß in den Rücken aller Pflegekräfte“, so der Delegierte Eric Pequeur.


Verfasst in der Zeit vom 10. bis 12. April 2020


Top-Bild: aus Karikatur von Kostas Koufogiorgos


Siehe auch:

Petition – gerichtet an Bundes- und Landesregierungen
Sofortige Aufhebung aller in der "Corona-Krise" verfügten Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten!
Von Helene und Dr. Ansgar Klein
NRhZ 740 vom 18.03.2020
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26705

ARTIKELÜBERSICHT Corona-Manöver
Allen Spins und Hintergründen nachspüren
Von NRhZ-AutorInnen
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26721

Online-Flyer Nr. 741  vom 14.04.2020



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