NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 24. November 2024  

Fenster schließen

Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Menschen-Rechte und Völker-Rechte in Zeiten von Annexion
Von Evelyn Hecht-Galinski

Es scheint, als ob deutsche Medien und deutsche Politiker immer wieder die Menschen-Rechte und das Völker-Recht für ihre Zwecke benutzen, so wie es ihnen gerade in den Kram passt. Es gibt tatsächlich nur ein Recht der Menschen auf Freiheit und Unversehrtheit, wie es auch im deutschen Grundgesetz steht. Einem Grundgesetz, das die beste Verfassung ist, die wir je hatten. Ja, dieses Verfassungsrecht gilt es zu verteidigen, und das schließt auch ein, dass wir Politiker und Medien kritisieren, wenn es um den "jüdischer Staat" und dessen Umgang mit den Rechten des palästinensischen Volkes geht. Mich treibt die Sorge um, wie derzeit in Deutschland dank eines verstärkten Drucks der jüdischen Interessenvertreter und der Israel-Lobby versucht wird, Einfluss zu nehmen auf das demokratische Klima in Deutschland, in dem der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, der Meinung ist, er könne kraft seines Amtes alle Israel-Kritiker zu ausgegrenzten Antisemiten machen.

„Ein armseliger Tropf“

Wie es scheint, hat Kleins Angriff auf den weltweit angesehenen Forscher Achille Mbembe ihn bloßgestellt als das, was er ist: "Ein armseliger Tropf" ohne jedes Fachwissen – ein Beweis seiner intellektuellen Hilflosigkeit, die sich allerdings sehr gut in die "Hasbara-Hass-Arbeit" einfügt. Klein ist kein unbeschriebenes Blatt und sammelte offensichtlich seine "Kolonial-Erfahrungen“ während seines diplomatischen Dienstes der BRD und amtlichen Stationierung in Kamerun.

Keinen „Alleinvertretungsanspruch“ auf eine Holocaust Erinnerungskultur

Mbembe greift zu Recht den deutschen "Alleinvertretungsanspruch" auf eine Holocaust-Erinnerungskultur an, die heute, 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und der Befreiung vom Faschismus, und 72 Jahre nach der Nakba, der einschneidenden Katastrophe für das palästinensische Volk, mehr als fraglich erscheint und zu Recht diskutiert und hinterfragt werden muss.

Philosemitische „Israel-Liebe“ führt in den Islam-Hass

Inzwischen ist diese monopolistische Erinnerungskultur zu einem Schutzschild für Menschenrechts- und Völkerrechtsverbrechen des "jüdischen Staats" geworden, der uns steil in die philosemitische "Israel-Liebe" und den Islam-Hass führt. Wie anders kann man es verstehen, dass gerade die Medien die Nakba "vergaßen", während der "Geburtstag Israels" groß gewürdigt wurde. Sind wir inzwischen wirklich schon wieder so tief gesunken, dass wir die Instrumentalisierung des Holocaust akzeptieren, die so offensichtlich vom "jüdischen Staat" und seinen deutschen Sayanim dafür benutzt wird, um uns zum Schweigen zu bringen? Mit den Totschlagargumenten "Israel-Hasser", „Antisemit“ und "jüdische Selbst-Hasser", wird versucht, auch den letzten Rest von Zivilcourage im Ansatz zu zerstören. Mit "Wehret den Anfängen" ist inzwischen keine Aussage mehr zu machen, da wir uns mittendrin und nicht mehr in den Anfängen befinden.

Das Versagen deutscher Künstler und Intellektueller

Es ist dies nicht nur die Schuld vieler Medien, sondern es ist auch das Versagen deutscher Künstler und Intellektueller, die immer wieder schweigen, wenn es darum gehen sollte, die vor unser aller Augen begangenen zionistischen Menschenrechts- und Völkerrechtsverbrechen anzuprangern. Sie ziehen sich zurück in ihr deutsches "Schuld-Schneckenhaus" und meinen damit, deutsche Schuld wiedergutzumachen. Was für eine törichte und gefährliche Vorstellung, in der sich gerade die Elite der deutschen Gesellschaft als schlechtes Vorbild darstellt. Dieselben "Vordenker", die sofort dabei sind, wenn es gilt, Russland, China oder die Türkei anzuprangern, schweigen beharrlich, wenn es um die Verbrechen des "jüdischen Apartheidstaat" geht. Auch sie haben wie die deutschen Politiker NICHTS aus unserer Geschichte gelernt. Sie verfallen alle mehr oder weniger in die deutsche "Treter-Mentalität": nach oben buckeln und nach unten treten.

Nie wieder wollten wir ein angepasste Presse

Ist es nicht mehr als besorgniserregend, wenn so viele bedeutende links-liberale Intellektuelle schweren Herzens aus Israel emigrieren, weil sie die Hoffnung auf Gerechtigkeit in ihrem Land aufgegeben haben? Warum veröffentlichte bis heute keine deutsche Zeitung den wichtigen Aufruf jüdisch-israelischer Intellektueller und warum solidarisieren sich deutsche Intellektuelle, Wissenschaftler und Künstler nicht mit ihnen? Solch ein wichtiges Dokument soll deutschen Lesern verheimlicht werden, damit sie nicht nachdenken über den Umgang mit dem "jüdischen Staat". Weder die öffentlich-rechtlichen Medien, noch überregionale Zeitungen erfüllen den Anspruch auf sauberen Journalismus und ehrliche Berichterstattung. Stattdessen greift ein gefährlicher Trend der Meinungsdiktatur und verordnete, wie es scheint schon verinnerlichte, pro-israelische Berichterstattung um sich, der sich inzwischen so verstärkt hat, dass es immer schwerer wird, sich dagegen zu wehren. „Nie wieder“ wollten wir auch eine angepasste Presse, die verängstigt durch Existenzängste, wider besseres Wissen journalistisches Handwerk preisgibt und sich ganz darauf konzentriert, den Leser „auf Kurs“ zu bringen.

Erfreulich ist, dass es endlich ein paar kritische Stimmen gibt, die sich dagegen wehren, wie beispielsweise Stephan Detjen vom DLF, Daniel Bax von der TAZ und David Ranan als jüdischer Vertreter im DLR, die aus der angepassten philosemitischen Meute ausscherten, und denen nicht genug zu danken ist. Soweit ist es schon gekommen, dass man mutigen kritischen Stimmen danken muss. (1) (2) (3)

Es sollte uns stolz machen zu dem Kreis prominenter BDS-Unterstützer zu gehören

Ja, es wird immer wichtiger, sich zu wehren, wenn man als BDS-Unterstützer als Antisemit diffamiert wird. Es sollte uns stolz machen, zu diesem illustren Kreis prominenter BDS-Unterstützer zu gehören wie Judith Butler, Naomi Klein, oder Roger Waters, der gerade ein Nakba-Solidaritätslied veröffentlichte. Wen wundert es da, dass gerade die weltweite BDS-Bewegung als "israelischer Staatsfeind Nr.1“ auf dem Schild der Israel-Lobby steht und mit vielen Millionen bekämpft wird. Trotz alledem sind wir mit Roger Waters Song zuversichtlich: "Wir werden siegen, irgendwann". (4) (5)

Ein verrotteter Staat


Unser Kampf für Gerechtigkeit und für die Freiheit Palästinas, wird sich letzten Endes lohnen. Aber diejenigen, die es immer noch nicht verstanden haben und weiter für das Existenzrecht eines "jüdischen Staats" eintreten, dessen gerade vor einem Korruptionsprozess stehender Ministerpräsident Netanjahu doch nur zeigt, wie verrottet dieser Staat ist, der solch einen Ministerpräsidenten regieren lässt, werden verlieren.

Kein Existenzrecht und keine Staatsräson für diesen „jüdischen Staat“

Netanjahu kündigte gerade die baldige Annexion des Westjordanlands an, und nennt diesen angekündigten Landraub eine "historische Gelegenheit, wie es sie seit 1948 nicht gab", und meint damit die "Vollendung der Nakba" in die "Endlösung" zu führen. Wie also kann man diesen Staat ohne Grenzen und ohne demokratische Verfassung und gar sein Existenzrecht anerkennen? Nein und nochmals nein, weder dieses Existenzrecht, noch darf die deutsche Staatsräson für diesen "jüdischen Staat" unterstützt werden. Dieser „jüdische Staat“, der alle UN-Resolutionen negiert, hat nichts mehr in der UNO verloren und gehört mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen. Dafür gehören Netanjahu und Gantz vor den Internationalen Gerichtshof nach Den Haag.

Dieser Staat baute seine Macht nur durch konsequente Missachtung der Menschenrechte aus


Nur durch die konsequente westliche Unterstützung dieses Völkerrechtbruchs und der Missachtung der Menschenrechte der Palästinenser hat diesen Staat zu einer "Staatsterror-Macht" werden lassen, der seine Nachbarn dank westlicher Hilfe militärisch bedroht. Es sollte uns alle zum Nachdenken anregen, wie kurz wir wieder vor einem neuen Krieg gegen Iran stehen und was wird dann geschehen? Auf welcher Seite wird die deutsche Regierung stehen? Wenn Konfrontation gegenüber Russland und Iran zu der neuen "Werte-Politik" gehört, dann sind diese „Werte“ nur eine wertlose  Phrase, wie die Phrase von der "Zwei-Staatenlösung. Wir sollten es nicht zulassen, dass in Deutschland immer mehr versucht wird, den "jüdischen Staat" philosemitisch zu erhöhen, und dass auf Kosten der Meinungsfreiheit. Beispiele gab es in letzter Zeit genug. Dafür lohnt es sich zu demonstrieren und sich dagegen zu wehren. Was mit der AfD, dem Islam-Hass und der Anti-Flüchtlingshetze begann und kopiert wurde von vielen anderen Politikern, die sich größten Teils an der "Seite der Juden" sehen, sollte uns besorgt machen. Sind es nicht gerade die Medien, die immer wieder dazu beitrugen, dass AfD und Pegida erst richtig populär wurden, währen Israel-Kritiker medial gemieden werden? (6)

Wann endlich werden deutsche Intellektuelle und Künstler zusammen mit Öffentlichkeit und Wählern, sich dafür einsetzen, dass die Meinungsfreiheit auch für Israel-Kritiker und BDS-Unterstützer gilt?

Menschen-Rechte und Völker-Rechte in Zeiten von Annexion sind ein hohes Gut, das es zu verteidigen lohnt, für die beste Verfassung aller Zeiten.

Möge das Zuckerfest so süß werden, dass Muslime in Deutschland endlich die Würdigung und Gleichberechtigung erfahren, die ihnen laut Verfassung-Grundgesetz zusteht.


Fußnoten:

(1) https://taz.de/Debatte-um-Historiker-Achille-Mbembe/!5683957/
(2) https://www.deutschlandfunk.de/streit-um-historiker-mbembe-antisemitismusbeauftragter-als.720.de.html?dram:article_id=477265
(3) https://www.deutschlandfunkkultur.de/vorwurf-des-antisemitismus-eine-potente-diffamierungswaffe.1005.de.html?dram:article_id=476903
(4) https://www.youtube.com/embed/pKaZvVxMa3Q?start=188&feature=oembed
(5) https://www.972mag.com/achille-mbembe-germany-israel-antisemitism/
(6) https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/israel-westjordanland-annexion-benjamin-netanjahu


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.


Online-Flyer Nr. 746  vom 27.05.2020



Startseite           nach oben