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Ein weiteres Wort zu Julian Assange
WikiLeaks: wichtige Waffe in der Hand des Widerstands
Von Markus & Eva Heizmann (Bündnis gegen den imperialistischen Krieg)
Die Entführung von Julian Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London, seine Festsetzung im Foltergefängnis von Belmarsh, ebenfalls in London, seine Folterungen - kurz, das Schicksal von Julian Assange, war schon mehrfach Thema in verschiedenen Artikeln der NRhZ. Wenn wir über politische Gefangene reden, dann müssen wir auch über die Gründe reden, weshalb sie vom System eingekerkert werden. Wenn wir über Julian Assange reden, wollen wir auch die Gründe benennen, weshalb er verfolgt, angeklagt und gefoltert wird. Im Fall einer Auslieferung an die USA sind 175 Jahre Gefängnis, möglicherweise die Todesstrafe gegen ihn beantragt. Warum ist das so?
Der erste Whistleblower?
„Die Abschaffung der Geheimdiplomatie ist die erste Bedingung einer ehrlichen, volkstümlichen, wirklich demokratischen Außenpolitik“.
Das könnte ein Zitat von Julian Assange sein, ist es aber nicht. Es kommt aus einem Artikel der Iswestija Nr. 221 vom 10. November 1917 und stammt von Leo Trotzki. Folgerichtig war es dann auch Trotzki, der das Sykes-Picot-Abkommen ans Licht der Öffentlichkeit zerrte. Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine Verschwörung zwischen den Regimen Großbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessengebiete im Arabischen Raum nach der erwarteten Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt werden sollten. Trotzki machte nach der Oktoberrevolution und nach dem Sieg der Bolschewiki das Abkommen, welches natürlich unter dem Regime von Zar Nikolaus II geheim gehalten wurde, publik. Ohne diese Veröffentlichung wäre heute jeder Bericht, der von einer geheimen Absprache im Jahr 1916 zwischen Großbritannien und Frankreich berichtet, nichts weiter als eine Verschwörungstheorie. Erst die bolschewistische Revolution und das im Zug dieser Revolution offengelegte Sykes-Picot-Abkommen ermöglicht es HistorikerInnen bis heute, die diesbezüglichen kolonialen Verbrechen Europas aufzuarbeiten. (1)
Es ist also nicht vermessen, wenn wir Leo Trotzki als den wahrscheinlich ersten Whistleblower der Geschichte bezeichnen.
WikiLeaks
WikiLeaks wurde im Jahr 2006 gegründet. Im Kern war WikiLeaks immer ein Projekt von PolitaktivistInnen. Darunter viele, die digital nicht nur eine Ahnung haben, sondern die richtiggehend SpezialistInnen sind. Laut WikiLeaks sind die GründerInnen der Plattform anonym. Julian Assange war zwar ein Initiator in einer Gruppe von damals fünf Personen und zahlreichen UnterstützerInnen beim Beginn des Projekts. Er war es auch, der die Domain https://wikileaks.org/ 2006 registrieren liess. Indes hat sich Julian Assange selbst niemals als „Gründer“ von WikiLeaks bezeichnet.
Der Name WikiLeaks ist ein unübersetzbares Wortspiel. Natürlich bezieht sich der erste Teil „Wiki“ auf das allseits bekannte und berüchtigte Wikipedia. „Wiki“ oder „Wiki Wiki“ ist jedoch auch das hawaiianische Wort für „schnell“. Ein „Leak“ ist eine undichte Stelle. Der Name WikiLeaks kann also mit einer „undichten Stelle, die schnell veröffentlicht und verbreitet wird“ übersetzt werden.
Undichte Stellen im System sind für die AktivistInnen von WikiLeaks jedoch nicht nur Whistleblower, also Menschen. Mit ihren digitalen Kenntnissen hacken sie sich auch in Systeme und veröffentlichen die Resultate. Dazu ist allerdings anzumerken, dass es sich bei den AktivistInnen von WikiLeaks nicht um einen Haufen wild gewordener Hacker handelt. Die Veröffentlichungen erfolgen zielgerichtet, verantwortungsbewusst, und Namen und Orte werden, wo dies zum Schutz Unschuldiger für notwendig erachtet wird, auch mal anonymisiert. Die Öffentlichkeit kann sich also auf den Wahrheitsgehalt der veröffentlichen Dokumente verlassen. Es gibt unseres Wissens keinen einzigen Fall, wo sich WikiLeaks-Veröffentlichungen als Fälschungen erwiesen haben.
Kill the Messenger
Wir wollen uns hier – wie erwähnt – nicht vorrangig mit Julian Assanges Schicksal hinter den Mauern eines Foltergefängnisses befassen. Daher zu ihm nur soviel: Julian Assange hat die Mächtigen dieser Welt nie herausgefordert. Er hat lediglich die Wahrheit über ihre Verbrechen veröffentlicht. Es muss ihm jedoch absolut klar gewesen sein, welcher Gefahr er sich damit aussetzt. Wie im Mittelalter wird der Überbringer der Botschaft an den Galgen gebracht. Assange ist ein Held. Ob er nun frei kommt, ob es der Solidaritätsbewegung gelingt, ihm nicht nur die Freiheit sondern die Ehre zu geben, die ihm gebührt, können wir natürlich nicht wissen. Sicher ist jedoch, dass diejenigen, welche ihn hinter Gitter gebracht haben, vor der Geschichte schuldig gesprochen werden.
Wenn über einen normalen Strafprozess berichtet wird, dann wird immer über die Tat oder über die Taten berichtet, welche dem Angeklagten vorgeworfen werden. Im Fall von Julian Assange werden die angeblichen „Verbrechen“ die ihm vorgeworfen werden, verschwiegen oder kaum benannt. Da ist zum Beispiel von diffusen Anschuldigungen wie, „er würde das Leben von US Amerikanern gefährden“ die Rede. Zu Wort kommen vor allem ExponentInnen des US Systems oder der US Justiz, welche Julian Assange u.a. der „Spionage“ oder des „Landesverrats“ beschuldigen. Nun, das ist seltsam genug, beweisen die Veröffentlichungen von WikiLeaks doch etwas ,was wir schon immer wussten: Die USA morden und foltern in den Ländern, in denen sie eingefallen sind, nach ihrem eigenen Gutdünken, ganz wie es ihnen beliebt, ganz so als gäbe es für sie kein Gesetz. Die Aussage, dass die Veröffentlichung dieser Ungeheuerlichkeiten „amerikanische Leben gefährden könne“ tönt tatsächlich wie ein Hohn.
Nichtsdestotrotz drohen Julian Assange, im Fall er in das „Land der Tapferen und der Freien“ ausgeliefert wird, 175 Jahre Gefängnis, unter Umständen gar die Todesstrafe.
Sehen wir uns doch mal die „Verbrechen“ an, welche derart drakonische Strafen rechtfertigen: Unzählige Dokumente, die unzählige Verbrechen des imperialistischen Systems öffentlich bekannt machen, wurden von WikiLeaks veröffentlicht. Allein dafür gebührt den AktivistInnen der Plattform Respekt und Dank. Verbrechen wie die Beschießung von Hochzeitsgesellschaften in Afghanistan, Kriegsverbrechen und Folterungen im Irak, die kriegsgeilen Aussagen von Hillary Clinton, den Bandar-Feltman Plan, all unser Wissen über diese Untaten verdanken wir weitgehend WikiLeaks, aufrechten Menschen wie Julian Assange und Whistleblowern wie Chelsea Manning. Nicht diejenigen jedoch, welche die Verbrechen begangen haben und täglich noch immer begehen, werden vor Gericht gestellt, sondern diejenigen, welche darüber berichten. Am Prozess gegen Julian Assange soll darüber entschieden werden, ob er an die USA ausgeliefert wird. Auf diesen Prozess wartet er nicht irgendwo, sondern im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh. Im November 2009 kritisierte ein Bericht des Chefinspektors der Gefängnisse Ihrer Majestät die "extrem hohe Gewaltanwendung bei der Kontrolle der Insassen“ des Gefängnisses von Belmarsh. Derselbe Bericht stellte auch fest, dass eine ungewöhnlich hohe Zahl von Gefangenen berichtet hatte, von Mitarbeitern in Belmarsh eingeschüchtert oder schikaniert worden zu sein. (2) Belmarsh war vor allem auch unter den politischen Gefangenen der IRA (Irish Republican Army) berüchtigt.
Nicht etwa die Mörder oder diejenigen welche die Morde befehlen, werden an so einem Ort eingesperrt, nein, derjenige der darüber berichtet wird dort festgehalten und gefoltert. (3)
Drei Beispiele von Tausenden
Wir wollen uns nun im folgenden von den zahllosen Enthüllungen, die WikiLeaks verantwortet, drei genauer anschauen:
Das Video
Das ebenso schockierende wie empörende Video zeigt, wie aus einem US Hubschrauber heraus offensichtlich unbewaffnete Zivilisten ermordet werden. Julian Assange kommentiert auf https://youtu.be/kLic1Y3re-A (Zugriff Juli 2020) das Video:
„Es ist klar zu sehen, dass zwei Kameramänner kommen, sie halten Kameras in den Händen, nicht Waffen. Es stellte sich später heraus, dass die beiden Nachrichtenreporter waren. Die ganze Strasse war mit Leichen übersät. Die Reaktion der Zentrale darauf war: 'Nice!' (Nett, hübsch, mh). Seitdem ich und alle anderen darin involvierten dieses Video gesehen haben, ist 'nice' ein schmutziges Wort für uns. Wir können nichts mehr als 'nett' bezeichnen, wenn eine Strasse, übersät mit Leichen, 'nett' sein soll.“
Nebst den schrecklichen Bildern, auf denen zu sehen ist, wie aus dem Hubschrauber heraus kaltblütig Zivilisten, darunter auch Kinder, ermordet werden, kommt auch ein US-amerikanischer Soldat zu Wort. Ethan McCord kam mit seiner Einheit nach dem Massaker an den Ort des Verbrechens. Sichtlich berührt erzählt er, wie er ein verletztes Mädchen und einen verletzten Jungen in ein Armee-Fahrzeug trug und über Funk ankündigte, die verletzten Kinder ins Militärkrankenhaus zu bringen. Darauf ist zu hören:
„Verstanden! Negativ wegen der Evakuierung der beiden, äh, Zivilisten, äh. Kinder. IP‘s (Injured Persons mh?) werden in ein lokales Krankenhaus gebracht, Ende.“
Gerade die Aggression gegen den Irak mit den „eingebetteten“ Journalisten und der folgsamen Pressemeute an der Heimatfront verträgt solch entlarvende Bilder und Aussagen schlecht. Wie oben erwähnt: wir alle wussten natürlich um die Brutalität, um die Unmenschlichkeit und um die Kriegsverbrechen der USA im Irak. Das Video liefert nebst unzähligen anderen Dokumenten die Beweise dafür. Indes werden nicht die für diese Verbrechen Verantwortlichen belangt. Diejenigen, welche die Ungeheuerlichkeiten ans Tageslicht bringen, sollten angeklagt und verurteilt werden. Das Video ist bestimmt eines der bekanntesten Beispiele für die Arbeit von WikiLeaks. Hillary Clinton, Juristin, ehemalige Außenministerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin verurteilt die Veröffentlichungen scharf:
"Aus der Anklage, die öffentlich geworden ist, geht hervor (...), dass es um die Unterstützung beim Hacken eines Militärcomputers geht, mit dem Ziel, Informationen der US-Regierung zu stehlen", sagte Clinton bei einer Veranstaltung in New York.
Hillary Clinton
Nun, Hillary Clinton hat allen Grund zu versuchen, WikiLeaks zum Schweigen zu bringen und an Julian Assange auf jede erdenkliche Art Rache zu üben. (4)
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in den USA 2016, die am 8. November stattfand, veröffentlichte WikiLeaks bis Ende Oktober E-Mails vom Konto des Wahlkampfleiters von Hillary Clinton. Sie bezogen sich auf das äußerst fragwürdige Geschäftsgebaren Clintons und ihres Ehemannes, dem Ex-Präsidenten Bill Clinton. Das könnte noch als innenpolitische Kampagne abgetan werden, wären da nicht zahlreiche, ebenfalls veröffentliche Mails, in denen sich die designierte Präsidentin außenpolitisch positioniert. Ein Beispiel aus einer Mail betreffend Syrien mag das verdeutlichen:
Hillary Clinton erläutert in dieser Mail, weshalb es notwendig sei, Präsident Assad zu stürzen: „Der beste Weg, Israel beim Umgang mit der wachsenden nuklearen Kapazität des Iran zu helfen, ist die Unterstützung der Menschen in Syrien, um das Regime von Bashar al Assad zu stürzen.“
Hillary Clinton hat sich als Politikerin und als Mensch schon längst selbst disqualifiziert. Wir erinnern uns an ihre Reaktion nach der bestialischen Ermordung von Oberst Muammar al Gaddafi: „We came, we saw and he died“ (5) Diese Primitivität ist unwürdig. Tatsächlich wurde Clinton als Vorzeigefrau die Präsidentschaft gegen Donald Trump prophezeit. Ihre Kriegslust, ihre außenpolitische Unfähigkeit, hatte sie schon zur Genüge unter Beweis gestellt, da brauchte es keine Enthüllungen von WikiLeaks mehr. Tatsächlich waren es jedoch die Mails zur Innenpolitik, die WikiLeaks veröffentlichte und die ihr schließlich zum Verhängnis wurden. Wider alle Erwartungen und entgegen allen Prognosen wurde Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt. Nun kann man als politisch denkender Mensch ja mit Fug und Recht die Ansicht vertreten, dass solche Lappalien keine Rolle spielen. Ob Clinton, Obama, Donald Trump oder Donald Duck im Weißen Haus Einzug halten, spielt letztlich eine untergeordnete Rolle. Nach außen hin erscheint die Macht des Präsidenten der USA unendlich groß. Bei Licht betrachtet sind es jedoch, wie in allen anderen bürgerlichen Demokratien auch, die Konzerne und Oligarchen, der tiefe Staat, welche das Sagen haben. Gleichwohl ist anzunehmen, dass eine Präsidentin Hillary Clinton Syrien und wahrscheinlich auch den Iran während ihrer Amtszeit offen und mit allen militärischen Mitteln, welche den USA zur Verfügung stehen, angegriffen hätte. Ein weiteres Zitat aus einer geleakten Mail verdeutlicht dies:
„Assad zu stürzen wäre nicht nur ein massiver Segen für Israels Sicherheit, es würde auch Israels verständliche Angst vor dem Verlust seines nuklearen Monopols aufheben. […] Dann haben Israel und die Vereinigten Staaten Gelegenheit, eine gemeinsame Auffassung darüber zu entwickeln, ab wann das iranische (Atom)Programm so gefährlich ist, dass eine militärische Aktion gerechtfertigt wäre. […] Wäre Assad weg, wäre Iran nicht mehr in der Lage, Israel durch seinen Stellvertreter zu bedrohen. Kurz, Washington kann die Spannungen zwischen Israel und Iran nutzen, indem wir in Syrien das Richtige tun“.
Zum „Segen“ von Israel soll also ein Präsident gestürzt, ein Volk angegriffen und ein Land verwüstet werden. Die Mentalität, die sich uns da offenbart, unterscheidet sich in Nichts von der Mentalität der Herren Sykes und Picot, welche ihrerseits meinten, die Region mit Farbstiften und Lineal unter sich aufteilen zu dürfen.
Die Bandar-Feltman-Verschwörung, das Sykes-Picot-Abkommen unserer Tage
In dieselbe Kategorie neo-kolonialen Wahnsinns fallen die Pläne von einem gewissen Jeffrey Feltman und seinem Kumpan Sultan bin Bandar - nach der Veröffentlichung auf Wikileaks (6) bekannt geworden unter dem Namen Bandar-Feltman-Plan. Wobei anzumerken ist, dass der Name so nicht korrekt ist: Bandar-Feltman-Komplott oder Bandar-Feltman-Verschwörung ist klarer.
Es ist gewiss nicht übertrieben, wenn wir sagen, dass die Bandar-Feltman-Verschwörung in ihrem Ausmaß an das Sykes-Picot-Abkommen heranreicht.
Karin Leukefeld, eine ausgewiesene Kennerin der Region, schreibt zu Jeffrey Feltman:
„Jeffrey D. Feltman (Jg. 1959) hat eine steile Karriere hinter sich. Den Posten als Staatssekretär für den Nahen Osten im US-Außenministerium übernahm er 2008. Davor war er vier Jahre lang US-Botschafter im Libanon, davor leitete er von 2003 bis 2004 das Büro der Provisorischen Koalitionsbehörde (CPA) in Erbil, im nord-irakischen Kurdengebiet. Die CPA bescherte dem Land nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003, neben der religiösen Spaltung und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, eine gigantische Korruption. Von 2001 bis 2003 war Feltman an der US-Botschaft in Israel, dessen zionistischer Führungselite er seit seiner ersten Mission in Tel Aviv (1995-1998) stets als treuer Freund zur Seite stand. Feltman sammelte Erfahrungen in Haiti, wo er von 1986 bis 1988 US-Vizekonsul war. Er war in Tunesien und Osteuropa. Die dortigen 'bunten Revolutionen', die bekanntlich von US-finanzierten 'Nichtregierungsorganisationen' und PR-Firmen beraten worden waren, empfiehlt heute nicht nur Feltman den arabischen Ländern als Beispiel für einen gelungenen Demokratisierungsprozess.“ (7)
Auch Feltmans Kumpan in Sachen Verschwörung gegen Syrien hat eine Karriere hinter sich, die sich ebenso illuster anhört. Geboren 1949, machte Bandar im Feudalstaat des Hauses al Saud rasch im saudischen Geheimdienst Karriere. Bandar baute enge Beziehungen mit einer Reihe amerikanischer Präsidenten auf, vor allem zu George Bush und George W. Bush. Innerhalb der eh schon korrupten und aggressiven Elite Saudi Arabiens sticht Bandar insofern hervor, als er nach einer diplomatischen Karriere, vor allem in den USA, zu einem der heftigsten Kriegstreiber Saudi-Arabiens wurde.
Gemeinsam mit Jeffrey Feltman arbeitete Sultan bin Bandar einen detaillierten Plan zur Destabilisierung, zum Sturz des syrischen Präsidenten Assad und zur schließlichen Zerstörung des Landes aus. Dieser Prozess begann im Jahr 2011 und er beinhaltet Maßnahmen für so gut wie alle Bereiche der Gesellschaft der Syrisch Arabischen Republik. Als erstes wurde die syrische Gesellschaft auf ihre Schwachstellen untersucht. Im Namen von „Freiheit und Demokratie“ sollten SchülerInnen und Studierende dazu aufgerufen werden gegen die Regierung zu demonstrieren. (N.B.: Dies entbehrt, da es aus Saudi Arabien kommt nicht einer gewissen Ironie). Religiöse und ethnische Gruppen sollten gegeneinander aufgehetzt werden. Syrische BürgerInnen in Europa und in den USA sollten rekrutiert und bezahlt werden um gegen ihre Regierung von Damaskus zu agitieren. Die Stadtbevölkerung sollte gegen die Landbevölkerung aufgehetzt werden, die Alten gegen die Jungen, mit einem Wort alles was Chaos ins Land brachte war recht. Der Bandar-Feltman-Plan beließ es jedoch nicht bei guten Ratschlägen für die Terrorbanden, welche der Westen bis heute konsequent als „Rebellen“ apostrophiert.
Bei einem Bombenanschlag in Damaskus am 18. Juli 2012 wurden die syrischen Generäle Asif Schaukat, Daoud Rajha und Hassan Tourkmani auf der Stelle getötet. General Hischam al-Ichtiyar erlag kurz nach dem Anschlag seinen Verletzungen. Syrien macht für diesen Anschlag den saudischen Geheimdienst und somit Bandar verantwortlich.
Es gibt keine Gerechtigkeit innerhalb der Ungerechtigkeit
Das die Machenschaften von Bander–Feltman ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden, verdanken wir WikiLeaks. Es erstaunt, dass die Fakten, die WikiLeaks verbreitet, nicht vermehrt thematisiert werden. Die Verschwörung gegen die legitime syrische Regierung ist ebenso erwiesen und unbestritten wie die Folterungen von Abu Ghraib und Guantanamo durch die USA, die völkerrechtswidrigen Angriffe in Afghanistan und Irak, ebenfalls durch die USA, die kriegslüsternen Pläne von Hillary Clinton oder eben die Bandar-Friedman-Verschwörung. Diese und andere Enthüllungen von WikiLeaks haben eine Gemeinsamkeit: Es handelt sich dabei nicht um Meinungen, um Spekulationen oder um Gerüchte. Mit jedem einzelnen Bericht, den WikiLeaks bisher veröffentlichte, wurden Fakten veröffentlicht - furchtbare Fakten, deren Urheber schon längst vor ein unabhängiges Gericht gehören. Stattdessen wird Julian Assange verfolgt, vor ein Scheingericht gestellt, gefoltert und mit einer Auslieferung an die USA bedroht, wo er mit lebenslanger Einkerkerung oder mit seiner Ermordung rechnen muss.
„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, sagte Theodor Adorno. Davon leiten wir ab: „Innerhalb der Ungerechtigkeit gibt es keine Gerechtigkeit.“ Was sollen das für Gerichte sein, die gegen Menschen wie Julian Assange und Chelsea Manning an den Haaren herbei gezogene Prozesse führen? Was für eine Gerechtigkeit soll das sein, die Massenmörder wie Kissinger, Obama, Blair, Bush und andere nicht nur ungestraft sondern in hohen Ehren lässt?
Machen wir weiter!
Die falsche und heuchlerische Justiz kann einzelne ExponentInnen verfolgen, anklagen, foltern, einsperren, gar töten. Niemals jedoch werden sie den Widerstand brechen können. WikiLeaks hat mit seinen Veröffentlichungen einen Damm gebrochen. Nun ist es an uns allen, damit zu arbeiten. Trotz den Veröffentlichungen verbleibt noch viel zu viel unter dem Mantel des Schweigens. Die Veröffentlichungen erfahren zu wenig Öffentlichkeit. Es ist notwendig und wichtig, dass wir überall, wo wir uns befinden, thematisieren, dass die Verbrechen der USA in Afghanistan, im Irak und anderenorts keine Gerüchte sondern Tatsachen sind. Die Heuchelei der Herrschenden wurde mit der Veröffentlichung der Mails von Hillary Clinton exemplarisch aufgezeigt. Wenn sie uns vorwerfen, wir würden „Verschwörungstheorien“ verbreiten, warum schreien wir ihnen dann nicht „Bandar-Feltmann!“ ins Gesicht? Das ist eine echte Verschwörung gegen die Institutionen Syriens, gegen das syrische Volk, letztendlich gegen die Menschheit!
Solange dieses Unrecht überall auf dem Planeten anhält, wird es auch überall auf dem Planeten Widerstand dagegen geben. WikiLeaks und damit die weitere Verbreitung der Fakten, welche durch WikiLeaks öffentlich gemacht werden, ist eine wichtige Waffe in der Hand dieses Widerstands. Wir sind noch weit entfernt von „einer ehrlichen, volkstümlichen, wirklich demokratischen Außenpolitik“ wie eingangs von Trotzki gefordert. Wenn wir dahin gelangen wollen, ist es unabdingbar, Menschen wie Julian Assange, ebenso wie alle politischen Gefangenen des imperialistischen Systems, nicht nur zu rehabilitieren, sondern ihnen die Ehre zu geben, die ihnen gebührt: Sie sind Helden in einer zunehmend feiger werdenden Welt. Ehren wir sie, indem wir uns solidarisch mit ihnen zeigen und ihre Arbeit weiter verbreiten.
Fußnoten:
1 Zum Beispiel: „A line in the sand, Britain, France and the struggle that shaped the middle east“ James Barr, Simon & Schuster, London 2011
2 http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/england/london/8381914.stm
(Zugriff Juli 2020)
3 https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange
(Zugriff Juli 2020)
4 Zum Beispiel hier: https://search.wikileaks.org/?q=hillary+clinton+syria (Zugriff Juli 2020)
5 Wir kamen, wir sahen und er starb
6 https://wikileaks.org/gifiles/docs/16/1643555_fwd-g2-s2-syria-ksa-us-media-sources-reveal-details-of-a.html
(Zugriff Juli 2020) Dort finden sich auf weiter führende links.
7 junge Welt, 31. Mai 2011
Online-Flyer Nr. 750 vom 30.07.2020
Ein weiteres Wort zu Julian Assange
WikiLeaks: wichtige Waffe in der Hand des Widerstands
Von Markus & Eva Heizmann (Bündnis gegen den imperialistischen Krieg)
Die Entführung von Julian Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London, seine Festsetzung im Foltergefängnis von Belmarsh, ebenfalls in London, seine Folterungen - kurz, das Schicksal von Julian Assange, war schon mehrfach Thema in verschiedenen Artikeln der NRhZ. Wenn wir über politische Gefangene reden, dann müssen wir auch über die Gründe reden, weshalb sie vom System eingekerkert werden. Wenn wir über Julian Assange reden, wollen wir auch die Gründe benennen, weshalb er verfolgt, angeklagt und gefoltert wird. Im Fall einer Auslieferung an die USA sind 175 Jahre Gefängnis, möglicherweise die Todesstrafe gegen ihn beantragt. Warum ist das so?
Der erste Whistleblower?
„Die Abschaffung der Geheimdiplomatie ist die erste Bedingung einer ehrlichen, volkstümlichen, wirklich demokratischen Außenpolitik“.
Das könnte ein Zitat von Julian Assange sein, ist es aber nicht. Es kommt aus einem Artikel der Iswestija Nr. 221 vom 10. November 1917 und stammt von Leo Trotzki. Folgerichtig war es dann auch Trotzki, der das Sykes-Picot-Abkommen ans Licht der Öffentlichkeit zerrte. Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine Verschwörung zwischen den Regimen Großbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessengebiete im Arabischen Raum nach der erwarteten Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt werden sollten. Trotzki machte nach der Oktoberrevolution und nach dem Sieg der Bolschewiki das Abkommen, welches natürlich unter dem Regime von Zar Nikolaus II geheim gehalten wurde, publik. Ohne diese Veröffentlichung wäre heute jeder Bericht, der von einer geheimen Absprache im Jahr 1916 zwischen Großbritannien und Frankreich berichtet, nichts weiter als eine Verschwörungstheorie. Erst die bolschewistische Revolution und das im Zug dieser Revolution offengelegte Sykes-Picot-Abkommen ermöglicht es HistorikerInnen bis heute, die diesbezüglichen kolonialen Verbrechen Europas aufzuarbeiten. (1)
Es ist also nicht vermessen, wenn wir Leo Trotzki als den wahrscheinlich ersten Whistleblower der Geschichte bezeichnen.
WikiLeaks
WikiLeaks wurde im Jahr 2006 gegründet. Im Kern war WikiLeaks immer ein Projekt von PolitaktivistInnen. Darunter viele, die digital nicht nur eine Ahnung haben, sondern die richtiggehend SpezialistInnen sind. Laut WikiLeaks sind die GründerInnen der Plattform anonym. Julian Assange war zwar ein Initiator in einer Gruppe von damals fünf Personen und zahlreichen UnterstützerInnen beim Beginn des Projekts. Er war es auch, der die Domain https://wikileaks.org/ 2006 registrieren liess. Indes hat sich Julian Assange selbst niemals als „Gründer“ von WikiLeaks bezeichnet.
Der Name WikiLeaks ist ein unübersetzbares Wortspiel. Natürlich bezieht sich der erste Teil „Wiki“ auf das allseits bekannte und berüchtigte Wikipedia. „Wiki“ oder „Wiki Wiki“ ist jedoch auch das hawaiianische Wort für „schnell“. Ein „Leak“ ist eine undichte Stelle. Der Name WikiLeaks kann also mit einer „undichten Stelle, die schnell veröffentlicht und verbreitet wird“ übersetzt werden.
Undichte Stellen im System sind für die AktivistInnen von WikiLeaks jedoch nicht nur Whistleblower, also Menschen. Mit ihren digitalen Kenntnissen hacken sie sich auch in Systeme und veröffentlichen die Resultate. Dazu ist allerdings anzumerken, dass es sich bei den AktivistInnen von WikiLeaks nicht um einen Haufen wild gewordener Hacker handelt. Die Veröffentlichungen erfolgen zielgerichtet, verantwortungsbewusst, und Namen und Orte werden, wo dies zum Schutz Unschuldiger für notwendig erachtet wird, auch mal anonymisiert. Die Öffentlichkeit kann sich also auf den Wahrheitsgehalt der veröffentlichen Dokumente verlassen. Es gibt unseres Wissens keinen einzigen Fall, wo sich WikiLeaks-Veröffentlichungen als Fälschungen erwiesen haben.
Kill the Messenger
Wir wollen uns hier – wie erwähnt – nicht vorrangig mit Julian Assanges Schicksal hinter den Mauern eines Foltergefängnisses befassen. Daher zu ihm nur soviel: Julian Assange hat die Mächtigen dieser Welt nie herausgefordert. Er hat lediglich die Wahrheit über ihre Verbrechen veröffentlicht. Es muss ihm jedoch absolut klar gewesen sein, welcher Gefahr er sich damit aussetzt. Wie im Mittelalter wird der Überbringer der Botschaft an den Galgen gebracht. Assange ist ein Held. Ob er nun frei kommt, ob es der Solidaritätsbewegung gelingt, ihm nicht nur die Freiheit sondern die Ehre zu geben, die ihm gebührt, können wir natürlich nicht wissen. Sicher ist jedoch, dass diejenigen, welche ihn hinter Gitter gebracht haben, vor der Geschichte schuldig gesprochen werden.
Wenn über einen normalen Strafprozess berichtet wird, dann wird immer über die Tat oder über die Taten berichtet, welche dem Angeklagten vorgeworfen werden. Im Fall von Julian Assange werden die angeblichen „Verbrechen“ die ihm vorgeworfen werden, verschwiegen oder kaum benannt. Da ist zum Beispiel von diffusen Anschuldigungen wie, „er würde das Leben von US Amerikanern gefährden“ die Rede. Zu Wort kommen vor allem ExponentInnen des US Systems oder der US Justiz, welche Julian Assange u.a. der „Spionage“ oder des „Landesverrats“ beschuldigen. Nun, das ist seltsam genug, beweisen die Veröffentlichungen von WikiLeaks doch etwas ,was wir schon immer wussten: Die USA morden und foltern in den Ländern, in denen sie eingefallen sind, nach ihrem eigenen Gutdünken, ganz wie es ihnen beliebt, ganz so als gäbe es für sie kein Gesetz. Die Aussage, dass die Veröffentlichung dieser Ungeheuerlichkeiten „amerikanische Leben gefährden könne“ tönt tatsächlich wie ein Hohn.
Nichtsdestotrotz drohen Julian Assange, im Fall er in das „Land der Tapferen und der Freien“ ausgeliefert wird, 175 Jahre Gefängnis, unter Umständen gar die Todesstrafe.
Sehen wir uns doch mal die „Verbrechen“ an, welche derart drakonische Strafen rechtfertigen: Unzählige Dokumente, die unzählige Verbrechen des imperialistischen Systems öffentlich bekannt machen, wurden von WikiLeaks veröffentlicht. Allein dafür gebührt den AktivistInnen der Plattform Respekt und Dank. Verbrechen wie die Beschießung von Hochzeitsgesellschaften in Afghanistan, Kriegsverbrechen und Folterungen im Irak, die kriegsgeilen Aussagen von Hillary Clinton, den Bandar-Feltman Plan, all unser Wissen über diese Untaten verdanken wir weitgehend WikiLeaks, aufrechten Menschen wie Julian Assange und Whistleblowern wie Chelsea Manning. Nicht diejenigen jedoch, welche die Verbrechen begangen haben und täglich noch immer begehen, werden vor Gericht gestellt, sondern diejenigen, welche darüber berichten. Am Prozess gegen Julian Assange soll darüber entschieden werden, ob er an die USA ausgeliefert wird. Auf diesen Prozess wartet er nicht irgendwo, sondern im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh. Im November 2009 kritisierte ein Bericht des Chefinspektors der Gefängnisse Ihrer Majestät die "extrem hohe Gewaltanwendung bei der Kontrolle der Insassen“ des Gefängnisses von Belmarsh. Derselbe Bericht stellte auch fest, dass eine ungewöhnlich hohe Zahl von Gefangenen berichtet hatte, von Mitarbeitern in Belmarsh eingeschüchtert oder schikaniert worden zu sein. (2) Belmarsh war vor allem auch unter den politischen Gefangenen der IRA (Irish Republican Army) berüchtigt.
Nicht etwa die Mörder oder diejenigen welche die Morde befehlen, werden an so einem Ort eingesperrt, nein, derjenige der darüber berichtet wird dort festgehalten und gefoltert. (3)
Drei Beispiele von Tausenden
Wir wollen uns nun im folgenden von den zahllosen Enthüllungen, die WikiLeaks verantwortet, drei genauer anschauen:
- Das Video, welches zeigt, wie irakische Zivilisten aus einem US-Militärhubschrauber ermordet werden.
- Einige der Mails von Hillary Clinton, welche belegen, dass diese Frau bereit ist, „im Interesse Israels“ bedenkenlos einen Krieg gegen Syrien und Iran loszutreten.
- Die Sultan Bin Bandar-Feltmann Verschwörung.
Das Video
Das ebenso schockierende wie empörende Video zeigt, wie aus einem US Hubschrauber heraus offensichtlich unbewaffnete Zivilisten ermordet werden. Julian Assange kommentiert auf https://youtu.be/kLic1Y3re-A (Zugriff Juli 2020) das Video:
„Es ist klar zu sehen, dass zwei Kameramänner kommen, sie halten Kameras in den Händen, nicht Waffen. Es stellte sich später heraus, dass die beiden Nachrichtenreporter waren. Die ganze Strasse war mit Leichen übersät. Die Reaktion der Zentrale darauf war: 'Nice!' (Nett, hübsch, mh). Seitdem ich und alle anderen darin involvierten dieses Video gesehen haben, ist 'nice' ein schmutziges Wort für uns. Wir können nichts mehr als 'nett' bezeichnen, wenn eine Strasse, übersät mit Leichen, 'nett' sein soll.“
Nebst den schrecklichen Bildern, auf denen zu sehen ist, wie aus dem Hubschrauber heraus kaltblütig Zivilisten, darunter auch Kinder, ermordet werden, kommt auch ein US-amerikanischer Soldat zu Wort. Ethan McCord kam mit seiner Einheit nach dem Massaker an den Ort des Verbrechens. Sichtlich berührt erzählt er, wie er ein verletztes Mädchen und einen verletzten Jungen in ein Armee-Fahrzeug trug und über Funk ankündigte, die verletzten Kinder ins Militärkrankenhaus zu bringen. Darauf ist zu hören:
„Verstanden! Negativ wegen der Evakuierung der beiden, äh, Zivilisten, äh. Kinder. IP‘s (Injured Persons mh?) werden in ein lokales Krankenhaus gebracht, Ende.“
Gerade die Aggression gegen den Irak mit den „eingebetteten“ Journalisten und der folgsamen Pressemeute an der Heimatfront verträgt solch entlarvende Bilder und Aussagen schlecht. Wie oben erwähnt: wir alle wussten natürlich um die Brutalität, um die Unmenschlichkeit und um die Kriegsverbrechen der USA im Irak. Das Video liefert nebst unzähligen anderen Dokumenten die Beweise dafür. Indes werden nicht die für diese Verbrechen Verantwortlichen belangt. Diejenigen, welche die Ungeheuerlichkeiten ans Tageslicht bringen, sollten angeklagt und verurteilt werden. Das Video ist bestimmt eines der bekanntesten Beispiele für die Arbeit von WikiLeaks. Hillary Clinton, Juristin, ehemalige Außenministerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin verurteilt die Veröffentlichungen scharf:
"Aus der Anklage, die öffentlich geworden ist, geht hervor (...), dass es um die Unterstützung beim Hacken eines Militärcomputers geht, mit dem Ziel, Informationen der US-Regierung zu stehlen", sagte Clinton bei einer Veranstaltung in New York.
Hillary Clinton
Nun, Hillary Clinton hat allen Grund zu versuchen, WikiLeaks zum Schweigen zu bringen und an Julian Assange auf jede erdenkliche Art Rache zu üben. (4)
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in den USA 2016, die am 8. November stattfand, veröffentlichte WikiLeaks bis Ende Oktober E-Mails vom Konto des Wahlkampfleiters von Hillary Clinton. Sie bezogen sich auf das äußerst fragwürdige Geschäftsgebaren Clintons und ihres Ehemannes, dem Ex-Präsidenten Bill Clinton. Das könnte noch als innenpolitische Kampagne abgetan werden, wären da nicht zahlreiche, ebenfalls veröffentliche Mails, in denen sich die designierte Präsidentin außenpolitisch positioniert. Ein Beispiel aus einer Mail betreffend Syrien mag das verdeutlichen:
Hillary Clinton erläutert in dieser Mail, weshalb es notwendig sei, Präsident Assad zu stürzen: „Der beste Weg, Israel beim Umgang mit der wachsenden nuklearen Kapazität des Iran zu helfen, ist die Unterstützung der Menschen in Syrien, um das Regime von Bashar al Assad zu stürzen.“
Hillary Clinton hat sich als Politikerin und als Mensch schon längst selbst disqualifiziert. Wir erinnern uns an ihre Reaktion nach der bestialischen Ermordung von Oberst Muammar al Gaddafi: „We came, we saw and he died“ (5) Diese Primitivität ist unwürdig. Tatsächlich wurde Clinton als Vorzeigefrau die Präsidentschaft gegen Donald Trump prophezeit. Ihre Kriegslust, ihre außenpolitische Unfähigkeit, hatte sie schon zur Genüge unter Beweis gestellt, da brauchte es keine Enthüllungen von WikiLeaks mehr. Tatsächlich waren es jedoch die Mails zur Innenpolitik, die WikiLeaks veröffentlichte und die ihr schließlich zum Verhängnis wurden. Wider alle Erwartungen und entgegen allen Prognosen wurde Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt. Nun kann man als politisch denkender Mensch ja mit Fug und Recht die Ansicht vertreten, dass solche Lappalien keine Rolle spielen. Ob Clinton, Obama, Donald Trump oder Donald Duck im Weißen Haus Einzug halten, spielt letztlich eine untergeordnete Rolle. Nach außen hin erscheint die Macht des Präsidenten der USA unendlich groß. Bei Licht betrachtet sind es jedoch, wie in allen anderen bürgerlichen Demokratien auch, die Konzerne und Oligarchen, der tiefe Staat, welche das Sagen haben. Gleichwohl ist anzunehmen, dass eine Präsidentin Hillary Clinton Syrien und wahrscheinlich auch den Iran während ihrer Amtszeit offen und mit allen militärischen Mitteln, welche den USA zur Verfügung stehen, angegriffen hätte. Ein weiteres Zitat aus einer geleakten Mail verdeutlicht dies:
„Assad zu stürzen wäre nicht nur ein massiver Segen für Israels Sicherheit, es würde auch Israels verständliche Angst vor dem Verlust seines nuklearen Monopols aufheben. […] Dann haben Israel und die Vereinigten Staaten Gelegenheit, eine gemeinsame Auffassung darüber zu entwickeln, ab wann das iranische (Atom)Programm so gefährlich ist, dass eine militärische Aktion gerechtfertigt wäre. […] Wäre Assad weg, wäre Iran nicht mehr in der Lage, Israel durch seinen Stellvertreter zu bedrohen. Kurz, Washington kann die Spannungen zwischen Israel und Iran nutzen, indem wir in Syrien das Richtige tun“.
Zum „Segen“ von Israel soll also ein Präsident gestürzt, ein Volk angegriffen und ein Land verwüstet werden. Die Mentalität, die sich uns da offenbart, unterscheidet sich in Nichts von der Mentalität der Herren Sykes und Picot, welche ihrerseits meinten, die Region mit Farbstiften und Lineal unter sich aufteilen zu dürfen.
Die Bandar-Feltman-Verschwörung, das Sykes-Picot-Abkommen unserer Tage
In dieselbe Kategorie neo-kolonialen Wahnsinns fallen die Pläne von einem gewissen Jeffrey Feltman und seinem Kumpan Sultan bin Bandar - nach der Veröffentlichung auf Wikileaks (6) bekannt geworden unter dem Namen Bandar-Feltman-Plan. Wobei anzumerken ist, dass der Name so nicht korrekt ist: Bandar-Feltman-Komplott oder Bandar-Feltman-Verschwörung ist klarer.
Es ist gewiss nicht übertrieben, wenn wir sagen, dass die Bandar-Feltman-Verschwörung in ihrem Ausmaß an das Sykes-Picot-Abkommen heranreicht.
Karin Leukefeld, eine ausgewiesene Kennerin der Region, schreibt zu Jeffrey Feltman:
„Jeffrey D. Feltman (Jg. 1959) hat eine steile Karriere hinter sich. Den Posten als Staatssekretär für den Nahen Osten im US-Außenministerium übernahm er 2008. Davor war er vier Jahre lang US-Botschafter im Libanon, davor leitete er von 2003 bis 2004 das Büro der Provisorischen Koalitionsbehörde (CPA) in Erbil, im nord-irakischen Kurdengebiet. Die CPA bescherte dem Land nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003, neben der religiösen Spaltung und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, eine gigantische Korruption. Von 2001 bis 2003 war Feltman an der US-Botschaft in Israel, dessen zionistischer Führungselite er seit seiner ersten Mission in Tel Aviv (1995-1998) stets als treuer Freund zur Seite stand. Feltman sammelte Erfahrungen in Haiti, wo er von 1986 bis 1988 US-Vizekonsul war. Er war in Tunesien und Osteuropa. Die dortigen 'bunten Revolutionen', die bekanntlich von US-finanzierten 'Nichtregierungsorganisationen' und PR-Firmen beraten worden waren, empfiehlt heute nicht nur Feltman den arabischen Ländern als Beispiel für einen gelungenen Demokratisierungsprozess.“ (7)
Auch Feltmans Kumpan in Sachen Verschwörung gegen Syrien hat eine Karriere hinter sich, die sich ebenso illuster anhört. Geboren 1949, machte Bandar im Feudalstaat des Hauses al Saud rasch im saudischen Geheimdienst Karriere. Bandar baute enge Beziehungen mit einer Reihe amerikanischer Präsidenten auf, vor allem zu George Bush und George W. Bush. Innerhalb der eh schon korrupten und aggressiven Elite Saudi Arabiens sticht Bandar insofern hervor, als er nach einer diplomatischen Karriere, vor allem in den USA, zu einem der heftigsten Kriegstreiber Saudi-Arabiens wurde.
Gemeinsam mit Jeffrey Feltman arbeitete Sultan bin Bandar einen detaillierten Plan zur Destabilisierung, zum Sturz des syrischen Präsidenten Assad und zur schließlichen Zerstörung des Landes aus. Dieser Prozess begann im Jahr 2011 und er beinhaltet Maßnahmen für so gut wie alle Bereiche der Gesellschaft der Syrisch Arabischen Republik. Als erstes wurde die syrische Gesellschaft auf ihre Schwachstellen untersucht. Im Namen von „Freiheit und Demokratie“ sollten SchülerInnen und Studierende dazu aufgerufen werden gegen die Regierung zu demonstrieren. (N.B.: Dies entbehrt, da es aus Saudi Arabien kommt nicht einer gewissen Ironie). Religiöse und ethnische Gruppen sollten gegeneinander aufgehetzt werden. Syrische BürgerInnen in Europa und in den USA sollten rekrutiert und bezahlt werden um gegen ihre Regierung von Damaskus zu agitieren. Die Stadtbevölkerung sollte gegen die Landbevölkerung aufgehetzt werden, die Alten gegen die Jungen, mit einem Wort alles was Chaos ins Land brachte war recht. Der Bandar-Feltman-Plan beließ es jedoch nicht bei guten Ratschlägen für die Terrorbanden, welche der Westen bis heute konsequent als „Rebellen“ apostrophiert.
Bei einem Bombenanschlag in Damaskus am 18. Juli 2012 wurden die syrischen Generäle Asif Schaukat, Daoud Rajha und Hassan Tourkmani auf der Stelle getötet. General Hischam al-Ichtiyar erlag kurz nach dem Anschlag seinen Verletzungen. Syrien macht für diesen Anschlag den saudischen Geheimdienst und somit Bandar verantwortlich.
Es gibt keine Gerechtigkeit innerhalb der Ungerechtigkeit
Das die Machenschaften von Bander–Feltman ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden, verdanken wir WikiLeaks. Es erstaunt, dass die Fakten, die WikiLeaks verbreitet, nicht vermehrt thematisiert werden. Die Verschwörung gegen die legitime syrische Regierung ist ebenso erwiesen und unbestritten wie die Folterungen von Abu Ghraib und Guantanamo durch die USA, die völkerrechtswidrigen Angriffe in Afghanistan und Irak, ebenfalls durch die USA, die kriegslüsternen Pläne von Hillary Clinton oder eben die Bandar-Friedman-Verschwörung. Diese und andere Enthüllungen von WikiLeaks haben eine Gemeinsamkeit: Es handelt sich dabei nicht um Meinungen, um Spekulationen oder um Gerüchte. Mit jedem einzelnen Bericht, den WikiLeaks bisher veröffentlichte, wurden Fakten veröffentlicht - furchtbare Fakten, deren Urheber schon längst vor ein unabhängiges Gericht gehören. Stattdessen wird Julian Assange verfolgt, vor ein Scheingericht gestellt, gefoltert und mit einer Auslieferung an die USA bedroht, wo er mit lebenslanger Einkerkerung oder mit seiner Ermordung rechnen muss.
„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, sagte Theodor Adorno. Davon leiten wir ab: „Innerhalb der Ungerechtigkeit gibt es keine Gerechtigkeit.“ Was sollen das für Gerichte sein, die gegen Menschen wie Julian Assange und Chelsea Manning an den Haaren herbei gezogene Prozesse führen? Was für eine Gerechtigkeit soll das sein, die Massenmörder wie Kissinger, Obama, Blair, Bush und andere nicht nur ungestraft sondern in hohen Ehren lässt?
Machen wir weiter!
Die falsche und heuchlerische Justiz kann einzelne ExponentInnen verfolgen, anklagen, foltern, einsperren, gar töten. Niemals jedoch werden sie den Widerstand brechen können. WikiLeaks hat mit seinen Veröffentlichungen einen Damm gebrochen. Nun ist es an uns allen, damit zu arbeiten. Trotz den Veröffentlichungen verbleibt noch viel zu viel unter dem Mantel des Schweigens. Die Veröffentlichungen erfahren zu wenig Öffentlichkeit. Es ist notwendig und wichtig, dass wir überall, wo wir uns befinden, thematisieren, dass die Verbrechen der USA in Afghanistan, im Irak und anderenorts keine Gerüchte sondern Tatsachen sind. Die Heuchelei der Herrschenden wurde mit der Veröffentlichung der Mails von Hillary Clinton exemplarisch aufgezeigt. Wenn sie uns vorwerfen, wir würden „Verschwörungstheorien“ verbreiten, warum schreien wir ihnen dann nicht „Bandar-Feltmann!“ ins Gesicht? Das ist eine echte Verschwörung gegen die Institutionen Syriens, gegen das syrische Volk, letztendlich gegen die Menschheit!
Solange dieses Unrecht überall auf dem Planeten anhält, wird es auch überall auf dem Planeten Widerstand dagegen geben. WikiLeaks und damit die weitere Verbreitung der Fakten, welche durch WikiLeaks öffentlich gemacht werden, ist eine wichtige Waffe in der Hand dieses Widerstands. Wir sind noch weit entfernt von „einer ehrlichen, volkstümlichen, wirklich demokratischen Außenpolitik“ wie eingangs von Trotzki gefordert. Wenn wir dahin gelangen wollen, ist es unabdingbar, Menschen wie Julian Assange, ebenso wie alle politischen Gefangenen des imperialistischen Systems, nicht nur zu rehabilitieren, sondern ihnen die Ehre zu geben, die ihnen gebührt: Sie sind Helden in einer zunehmend feiger werdenden Welt. Ehren wir sie, indem wir uns solidarisch mit ihnen zeigen und ihre Arbeit weiter verbreiten.
Fußnoten:
1 Zum Beispiel: „A line in the sand, Britain, France and the struggle that shaped the middle east“ James Barr, Simon & Schuster, London 2011
2 http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/england/london/8381914.stm
(Zugriff Juli 2020)
3 https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange
(Zugriff Juli 2020)
4 Zum Beispiel hier: https://search.wikileaks.org/?q=hillary+clinton+syria (Zugriff Juli 2020)
5 Wir kamen, wir sahen und er starb
6 https://wikileaks.org/gifiles/docs/16/1643555_fwd-g2-s2-syria-ksa-us-media-sources-reveal-details-of-a.html
(Zugriff Juli 2020) Dort finden sich auf weiter führende links.
7 junge Welt, 31. Mai 2011
Online-Flyer Nr. 750 vom 30.07.2020