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Globales
Kundgebung in Frankfurt/Main am 15. August 2020
Sanktionen gegen Syrien aufheben! Weg mit dem Caesar-Act!
Von Peter Betscher

Für den 15.08.2020 rief das Frankfurter Solidaritätskomitee für Syrien, unterstützt von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, dem deutschen Freidenker-Verband, der DKP und dem Palästina-Forum-Nahost, zu einer Kundgebung zur sofortigen Beendigung der Sanktion gegen Syrien, aber auch aller anderer von Sanktionen betroffenen Ländern, in Frankfurt auf. „Immer wieder wird das Leiden der Menschen in Ländern wie Kuba, Venezuela, dem Iran oder vor allem Syrien thematisiert. Medien und Politiker der USA, Deutschlands und anderer Staaten werden nicht müde zu betonen, wie sehr ihnen das Leiden der Bevölkerung dieser Länder zu Herzen geht. Dabei sind es gerade diese Staaten, die mit ihren rücksichtslosen Sanktionen unerträgliches Leid über die sanktionierten Länder bringen. Und mit Beginn der Corona-Pandemie haben die USA ihre Sanktionen gegen Syrien wieder verschärft (Caesar Act), die EU hat ihre Sanktionen verlängert.“ war in dem Flugblatt zu lesen. „Der so genannte Caesar Act wurde in den US-Militäretat für 2020 (Beginn am 1. Oktober 2019) aufgenommen. Er sieht vor, dass Washington nun weltweit Strafmaßnahmen gegen Personen und Firmen verhängen kann, wenn sie mit Syriens Regierung oder den neu sanktionierten Personen Geschäfte machen. Die USA hatten im Frühjahr 2011 erstmals unilateral und illegal direkte Sanktionen gegen Syriens Regierung beschlossen.“ (1) „Schon 2018 schrieb Idriss Jazairy (2), ein Sonderberichterstatter der UN, Syrien sei nicht in der Lage, Medikamente, Geräte, Ersatzteile und Software zu kaufen, weil die internationalen Geschäftspartner Angst vor einem Bruch der Sanktionen haben“, heißt es im Flugblatt weiter.


Kundgebung Sanktionen aufheben


Kundgebung Sanktionen aufheben


Kundgebung Sanktionen aufheben


Ernesto Schwarz


Kundgebung Sanktionen aufheben


Moderator Manfred Ziegler


Kundgebung Sanktionen aufheben


Der Freidenker Norbert Schürer


Besan Kaeid bei ihrer spontanen Rede


Aktham Suliman

Aktham Suliman

Durch das Programm führte Manfred Ziegler, der einen Blog zu Syrien unter der Adresse www.balqis.de betreibt. Ernesto Schwarz sang zwischen den Reden Lieder gegen Krieg und Sanktionen. In seinen Ansagen sprach er auch immer wieder die Passanten an. Er sagte u.a., dass wir als Deutsche verantwortlich sind, was unsere Regierung mit den Sanktionen anrichtet. Wir müssten Druck auf unsere Regierung machen, damit dieses Unrecht beendet wird. Besan Kaeid schilderte in ihrer Rede eindringlich die Nöte der syrischen Bevölkerung unter den Sanktionen. Die deutsche Bevölkerung solle sich gegen die Sanktionen der Bundesregierung engagieren und deren sofortige Rücknahme fordern.

Der Freidenker Wolfgang Schürer gab in seiner Rede einen Abriss der syrischen Geschichte im 20. Jahrhundert unter besonderen Berücksichtigung der imperialistischen Einmischung. Im zweiten Teil der Rede ging er auf Sanktionen ein. „Sanktionen sind politisch-ökonomische Zwangsmaßnahmen, mit denen z.B. ein Staat einem anderen Staat seinen Willen aufzwingen will. Die UNO-Charta von 1945 hat das Recht zur Verhängung von Sanktionen an den Weltsicherheitsrat übergeben. Kein UNO-Mitglied ist berechtigt, sich selbst das Recht zur Erteilung von Sanktionen zu erteilen. Alle unilateralen Sanktionen sind illegal und völkerrechtswidrig. Die Sanktionen gegen Syrien bestehen z.B. aus: Sperrung von Konten natürlichen und/oder juristischen Personen, Reisebeschränkungen gegen Syrer, Verbot des Exports und Imports bestimmter Waren und/oder Dienstleistungen nach und aus Syrien, Einschränkung oder Unterbindung des syrischen Geldtransfer mit dem Ausland. Deshalb weigern sich viele Firmen auch nicht sanktionierte Produkte an Syrien zu verkaufen bzw. diese von Syrien zu kaufen, weil sie Angst haben, irgendwie gegen die Sanktionen zu verstoßen. Die Sanktionen gegen Syrien zielen bewusst auf die Zerstörung der Grundlagen der syrischen Wirtschaft, also auf den Zusammenbruch der syrischen Gesellschaft, ab. Wir Freidenker verlangen daher die unverzügliche Aufhebung der völkerrechtswidrigen und unmenschlichen Sanktionen gegen Syrien.“

Zwischen den Redebeiträgen wurde immer wieder syrische Musik eingespielt, getanzt, Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen. Teilweise kam es zu kleineren Auseinandersetzungen mit Passanten, die provozieren wollten. Dabei nahm sich einmal Besan Kaeid das Mikrofon und hielt spontan eine Rede für die Meinungsfreiheit. Das ist verkürzt aus meiner Erinnerung der Inhalt ihrer Rede: Wir haben genau so wie Ihr das Recht, hier zu stehen und unsere Meinung zu äußern. Wir diskutieren auch jederzeit, in welchem Rahmen auch immer, mit Euch. Nur muss es gesittet zugehen. Es bringt Euch und uns nichts, wenn wir uns gegenseitig anschreien. Das nennt man Meinungsfreiheit. Wir sind Anhänger von Bashar al-Assad, aber darum geht es heute nicht. Es geht um die Beendigungen der Sanktionen, die soviel Leid über das syrische Volk gebracht haben. Ich lebe seit 5 Jahren in Deutschland. Ich bin ganz normal hierher gekommen mit einem Visum und mit dem Flugzeug. Aber viele meiner Landsleute sind gezwungen, auf gefährlichen Wegen ihre Heimat zu verlassen, weil ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird. Glauben sie mir: Menschen verlassen nicht gerne ihre Heimat, wenn sie nicht dazu gezwungen werden, und viele würden auch gerne zurückkehren, wenn sie eine Lebensperspektive hätten. Sie müssen mir nicht glauben. Sie haben die Möglichkeit selbst zu recherchieren und sie werden feststellen, welche grausame Wirkung diese Sanktionen haben. Die Sanktionen müssen sofort beendet werden, und wir bitten Sie, uns dabei zu unterstützen.

Die kleineren Auseinandersetzungen hatten zur Folge, dass immer mehr Passanten stehen blieben und den Rednern zuhörten. Gegen Ende der Kundgebung hatte sich ein Ring von ca. 100 Passanten gebildet. Daraus wurde mehrheitlich Beifall für die Redner geklatscht, aber es gab auch einzelne provokante Zwischenrufe.

Etwas verspätet trat der letzte Redner, der langjährige Al-Jazeera-Korrespondent Aktham Suliman, auf. Suleiman hielt seine Rede abwechselnd in Arabisch und Deutsch und er schilderte plastisch die Auswirkungen der Sanktionen auf die syrische Bevölkerung. Ich gebe aus der Erinnerung einige Passagen seiner Rede wieder:

Sehen Sie, ich bin Araber, ich komme immer zu spät, aber ein bisschen war auch die deutsche Autobahn schuld. Ein Stau hier, ein Unfall da, das ist ärgerlich, aber das passiert mir hier vielleicht einmal in zwei Wochen. In Syrien unter den Sanktionen passiert es den ganzen Tag, weil immer etwas fehlt und deshalb nichts mehr klappt. (…) Sanktionen werden gerne als die sanfte Form des Drucks verstanden, aber die Folgen sind verheerend. Werfen sie lieber Bomben auf uns. Das ist sicherer und geht schneller für uns. (…) Schauen sie einmal in die Geschichte. Können sie mir ein Beispiel nennen, indem Sanktionen zum Erfolg geführt haben. Ich kenne keines. Trotzdem werden ständig neue Sanktionen angewandt, gegen den Irak, gegen den Iran, gegen Kuba. Kuba ist das Land, dessen Bevölkerung am längsten unter Sanktionen leidet, inzwischen seit über 50 Jahren. (…) Wenn sie heute in Syrien leben, haben sie drei Möglichkeiten: Sie können sich umbringen. Die Syrer bringen sich nicht gerne um. Sie können versuchen zu klauen. Die Syrer klauen nicht gerne. Sie verlassen das Land und versuchen ihr Glück in einem anderen Land. Der Westen schafft die Flüchtlingsströme selbst, indem er den Menschen die Lebensgrundlage entzieht. (…) Kommen wir zu einem beliebtem Thema: Der Währung. 1990 entsprach ein Dollar 50 syrischen Lira, inzwischen entspricht ein Dollar 500 Lira. Wissen sie, was das für die Menschen in Syrien bedeutet? (…) Bei den Attentaten auf das World Trade Center haben sich alle hier gefragt, woher kommt dieser Hass. Wenn Sie mal nach Syrien reisen, sprechen Sie bitte niemand auf Menschenrechte und Demokratie an. Die Syrer haben durch den Krieg und die Sanktionen einen Hass auf diese Begriffe, nicht weil sie Demokratie und Menschenrechte ablehnen, sondern weil im Namen dieser Begriffe unsagbares Leid über die syrische Bevölkerung gebracht wurde. (…) Denken Sie an die letzten Monate. Plötzlich gab es hier kein Toilettenpapier und keine Nudeln mehr. Sie wissen nicht, ob sie den Politikern trauen können. Ob sie ihre Kinder in die Schule schicken können. Sie hatten Angst! Das vermittelt ihnen vielleicht eine kleine Vorstellung für die Leiden der Menschen in Syrien. (…)  Sanktionen töten! Sanktionen sind Krieg! Aus diesen und vielen anderen Gründen müssen die Sanktionen gegen Syrien und alle anderen Länder sofort beendet werden!

Die Kundgebung wurde mit dem Abspielen der syrischen Nationalhymne beendet.


Anmerkungen:

(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26963
(2) https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/report-special-rapporteur-negative-impact-unilateral-coercive-measures

Online-Flyer Nr. 752  vom 26.08.2020



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