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Arbeit und Soziales
Bedingungsloses Grundeinkommen weist über Kapitalismus hinaus
Die ganze Bäckerei
Von Harald Schauff
Der Kapitalismus lebt von der erzwungenen Auspressung menschlicher Arbeitskraft. Das ist seit Jahrhunderten weltweit der knallharte, alltägliche Normalfall, der so gern verschwiegen wird. Siehe Fabriken, Baustellen, Felder, Plantagen, Minen und Dienstleistungsgewerbe dieser Welt. Der Zwang zum Verkauf der eigenen Arbeitskraft zur Sicherung der eigenen Existenz ist offenbar eine, wenn nicht gar die wesentliche Säule dieser Wirtschaftsform. Ein Grundeinkommen, welches das Existenzminimum bedingungslos sichert, widerspricht dem offensichtlich von Grund auf. Ein freier Wille zur (Erwerbs-)Tätigkeit ist im Regelfall nicht vorgesehen.
Die Ausnahme bilden die wenigen, die reich genug sind, ihn sich leisten zu können. Darüber hinaus gibt es freiwillig erbrachte, unentgeltliche Tätigkeiten im Bereich von Ehrenämtern, Familienhaushalten, Freundschaftsdiensten und Nachbarschaftshilfe. Hier wird durchaus gesellschaftlich wichtige Arbeit geleistet, deren Umfang und Wert häufig unterschätzt wird, weil sie nicht dem Erwerb dient. Umgekehrt ist der gesellschaftliche Wert vieler Beschäftigungen im Erwerbsbereich höchst fragwürdig. Siehe z.B. Rüstung, Finanz- und Werbebranche. Vieles, zu vieles, dient der reinen Kapitalverwertung, macht ohnehin schon reiche Kapitaleigner noch reicher.
Grundeinkommensbefürwortern stellt sich im Grundsatz die Frage, ob eine derart vom Erwerbszwang dominierte Wirtschaftsform wie die gegenwärtige mit bedingungsloser Existenzsicherung überhaupt zu vereinbaren ist. Sollte diese Wirtschaftsform zuerst überwunden werden oder können erste Räume und Ansätze bereits innerhalb des bestehenden Systems erkämpft werden?
Für Grundeinkommensgegner aus dem linken Spektrum lautet die Antwort eindeutig: Nein. Sie verweisen das bedingungslose Grundeinkommen samt und sonderst in das Reich der fernen, unerreichbaren Utopie, der blanken Illusion, des reinen Wunschdenkens, unter kapitalistischen Bedingungen nicht einmal im Ansatz umsetzbar. Begründung: Angeblich soll es, so wie seine Befürworter es sich vorstellen, die Menschen vom kapitalistischen Arbeitszwang befreien, ohne den Kapitalismus abzuschaffen. Wenn dem so ist, muss jemand arbeiten, also ausgebeutet werden, um die nötigen Einkommen für die Bezieher des Grundeinkommens zu produzieren. Ein offensichtlicher Widerspruch.
Diesen zu erkennen glauben der Wirtschaftswissenschaftler Heinz-J. Bontrup und der Soziologe Jürgen Daub in ihrem Artikel ‚Kritik, die an der Oberfläche bleibt‘ für die Maiausgabe der Monatszeitung ‚OXI‘.
Im Rahmen ihrer kritischen Erörterung einer ‚Verzichtsökonomie‘ kommen sie auch auf das bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen. Sie verweisen auf den Armutsforscher Christoph Butterwegge, der sich gleichfalls am Grundeinkommenskonzept stößt. Es erscheint ihm ordnungstheoretisch wie ‚Kommunismus im Kapitalismus‘. Heißt: Das passt nicht zusammen, kann nicht funktionieren.
Bleiben wir also besser beim alten ‚Sozialstaat‘ Bismarckscher Prägung, der von seinen linken Verteidigern regelrecht als ein Stück Sozialismus im Kapitalismus verkauft wird. Er steht und fällt mit der traditionellen Lohnarbeit, erhebt sie dadurch auch ideologisch zum Maß aller Dinge einschließlich Existenzsicherung. Dass Arbeit als produktive und wertschöpfende Tätigkeit auch freiwillig geleistet werden kann, klammert die herrschende Arbeitsideologie aus. Und doch passiert es jeden Tag: Unter Freunden, Nachbarn, in Familien und Ehrenämtern.
Ein Grundeinkommensprojekt ließ das namibische Dorf Otjivero regelrecht wirtschaftlich aufblühen, in dem es die Dorfbewohner zur Eigeninitiative anregte. Sie schickten ihre Kinder zur Schule, achteten mehr auf ihre Gesundheit, machten Hühnerzuchten auf und wurden von Nachbardörfern als begehrte und zuverlässige Erntehelfer angefordert. Davor hatte Otjivero als Dorf der Taugenichtse gegolten. Eine wundersame Verwandlung auf freiwilliger Basis.
Otjivero beantwortet die Frage von Bontrup und Daub, wer für die Empfänger des Grundeinkommens arbeiten und die nötigen Einkommen produzieren soll: Sie selbst. Nicht gezwungenermaßen, sondern aus freien Stücken. Die Trennung zwischen Beziehern und Produzenten des Grundeinkommens, wie sie die herrschende Arbeitsdoktrin vorsieht, wird überwunden.
Die strikte Unterscheidung zwischen Einkommenserzeugern und -empfängern wird auch gern von Gewerkschaftsvertretern gegen das Grundeinkommen ins Feld geführt. Verwiesen wird dabei auf globale Zusammenhänge in der Arbeitsteilung zur Güterherstellung.
Angenommen, ein Land wie Deutschland oder sogar ein ganzer Kontinent wie Europa würde ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen, so bliebe das Land bzw. der Kontinent dennoch weiterhin abhängig von Einfuhren aus dem Rest der Welt.
Im Endeffekt würde das Grundeinkommen indirekt zu einem Großteil von Niedriglöhnern in Minen, Fabriken, auf Plantagen und Feldern ärmerer Länder erarbeitet. Somit würde auch die gleichmäßigere, gerechtere Verteilung der Einkommen in einem Teil der Welt überwiegend auf der knallharten Ausbeutung der restlichen Welt beruhen.
Zumindest würde sich jedoch die Lebenssituation von vielen Millionen Menschen in besagtem Erdteil verbessern. Das wäre immerhin ein Anfang. Dazu kommt: Die erwähnten Niedriglöhner ärmerer Länder haben indirekt immer schon, seit Jahrzehnten und Jahrhunderten, zum höheren Lebensstandard reicherer Länder beigetragen.
Das schließt höhere Arbeitseinkommen, Tariflöhne und soziale Absicherung mit ein. Auch für die Besserstellung von Arbeitnehmern in Industrieländern durfte und darf in ärmeren Ländern geblutet werden.
Darüber schweigen Grundeinkommensgegner aus den Gewerkschaften lieber. Auf vermeintlich hart erkämpfte Errungenschaften wie Tariflöhne soll kein schlechtes Licht fallen. Beiseite geschoben wird die Tatsache, dass weltweit nur eine Minderheit der Beschäftigten in deren Genuss kommt.
Was hierzulande eher als (dennoch erschreckend weit verbreiteter) Sonderfall erscheint, nämlich prekäre Jobs mit niedrigen Löhnen und miserablen Arbeitsbedingungen wie in der Fleischindustrie, auf Baustellen und Spargelfeldern, ist global immer noch der traurige Regelfall. Trotz guter Ansätze wie fairem Handel. Ein flächendeckendes Grundeinkommen in einem Land wie Deutschland wäre ein weiterer positiver Ansatz.
Bis zu einem weltweiten Grundeinkommen ist der Weg allerdings noch weit. Und dies scheint in der Tat unter Beibehaltung kapitalistischer Bedingungen schwer vorstellbar. Wie sieht es jedoch aus, wenn der Kapitalismus eines Tages überwunden werden sollte und sich linksrevolutionären Träume von der Übernahme der ganzen Bäckerei doch bewahrheiteten?
Auch Bontrup und Daub wagen diesen Ausblick. Zu Ende ihrer Kritik der Postwachstumstheorie heißt es,... ‘man kann den Kapitalismus durch eine Demokratisierung der Wirtschaft abschaffen und dann über einen solidarisch verringerten und verteilten Verbrauch der Wirtschaft ökologisch aussteuern.‘
Die ‚einseitig vorliegende Macht und Ausbeutung des Kapitals‘ wollen Bontrup und Daub durch eine Beteiligung der abhängig Beschäftigten am Wachstum beenden. Das klingt so weit nicht übel, ein entscheidender Faktor fehlt allerdings: Der freie Wille zur Tätigkeit. Ohne ihn kann von einer wirklichen Demokratisierung der Wirtschaft nicht im Entferntesten die Rede sein. Um Beschäftigten ihr demokratisches Grundrecht zu garantieren, gehört mit der Ausbeutung durch das Kapital auch der damit verbundene Arbeitszwang abgeschafft.
Hier kommt das bedingungslose Grundeinkommen wieder uns Spiel. Als grunddemokratisches Erfordernis einer nach-kapitalistischen Wirtschaft. Wobei die Umsetzung nicht unbedingt finanziell durch Auszahlung zu erfolgen braucht. Vorstellbar ist auch eine kostenlose Grundversorgung, die z.B. Wasser, Strom, Heizung, Telefon, Internet, Benutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel u.ä. umfasst. Wichtig ist die vorbehaltlose Sicherung des Existenzminimums, ohne den Einsatz der Arbeitskraft abzufordern.
Mit diesem Gedanken tun sich auch linke Grundeinkommensgegner schwer. Traditionell schwebt ihnen für eine post-kapitalistische Ökonomie eher eine Art gleicher, kollektiver Zwang zur Arbeit, auch für ehemalige Kapitaleigner, vor. Paul Lafargue, Schwiegersohn von Karl Marx und ambitionierter Kritiker der Lohnarbeit, regte sich seinerzeit über entsprechende Forderungen der französischen Arbeiterbewegung auf. Er hielt dem entgegen, die Arbeit müsse nicht auferlegt, sondern verboten werden.
Rund anderthalb Jahrhunderte später sind Großteile des linken Spektrums immer noch hoffnungslos der alten Arbeitsideologie verhaftet. Sie weigern sich einzusehen, dass jene im Widerspruch steht zu demokratischen Prinzipien, insbesondere Freiheitsrechten.
Noch leben wir im Kapitalismus, der Bäckereibetrieb gehört den Kapitaleignern. Auch ein bedingungsloses Grundeinkommen in größerem, zunächst nationalem Rahmen, ist kurzfristig nicht in Sicht, auch wenn es enormen Zuspruch gibt zu einer, vor wenigen Monaten angeregten Petition, es zumindest für ein halbes Jahr zu testen.
Vielleicht wird es nicht gleich morgen eingeführt, jedoch rückt es allmählich näher. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden ein weiteres heftiges Gegensteuern seitens der Regierenden erfordern.
Eine erste sinnvolle Maßnahme könnte die Einführung einer Kindergrundsicherung sein, um wenigstens der Armut der Jüngsten entgegen zu wirken. Eine weitere, die Grundrente auf alle auszudehnen, die keine 35 oder 30 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Eine dritte, den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro die Stunde anzuheben. Eine vierte, das Arbeitslosengeld II deutlich zu erhöhen.
So würde sich einem bedingungslosen Grundeinkommen schrittweise genährt. Gleichzeitig ist der Staat gefordert, immer stärker regulierend ins Wirtschaftsgeschehen einzugreifen und seine Beteiligungen an Unternehmen auszubauen. Die Zeiten der Privatisierungsorgien sind endgültig vorbei. Stattdessen ist Wiederverstaatlichung angesagt. Angefangen mit einer Rekommunalisierung der Kliniken. Schritt für Schritt wird ein Weg begangen, der schlussendlich aus dem Kapitalismus heraus führt.
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe August 2020, erschienen.
Online-Flyer Nr. 752 vom 26.08.2020
Bedingungsloses Grundeinkommen weist über Kapitalismus hinaus
Die ganze Bäckerei
Von Harald Schauff
Der Kapitalismus lebt von der erzwungenen Auspressung menschlicher Arbeitskraft. Das ist seit Jahrhunderten weltweit der knallharte, alltägliche Normalfall, der so gern verschwiegen wird. Siehe Fabriken, Baustellen, Felder, Plantagen, Minen und Dienstleistungsgewerbe dieser Welt. Der Zwang zum Verkauf der eigenen Arbeitskraft zur Sicherung der eigenen Existenz ist offenbar eine, wenn nicht gar die wesentliche Säule dieser Wirtschaftsform. Ein Grundeinkommen, welches das Existenzminimum bedingungslos sichert, widerspricht dem offensichtlich von Grund auf. Ein freier Wille zur (Erwerbs-)Tätigkeit ist im Regelfall nicht vorgesehen.
Die Ausnahme bilden die wenigen, die reich genug sind, ihn sich leisten zu können. Darüber hinaus gibt es freiwillig erbrachte, unentgeltliche Tätigkeiten im Bereich von Ehrenämtern, Familienhaushalten, Freundschaftsdiensten und Nachbarschaftshilfe. Hier wird durchaus gesellschaftlich wichtige Arbeit geleistet, deren Umfang und Wert häufig unterschätzt wird, weil sie nicht dem Erwerb dient. Umgekehrt ist der gesellschaftliche Wert vieler Beschäftigungen im Erwerbsbereich höchst fragwürdig. Siehe z.B. Rüstung, Finanz- und Werbebranche. Vieles, zu vieles, dient der reinen Kapitalverwertung, macht ohnehin schon reiche Kapitaleigner noch reicher.
Grundeinkommensbefürwortern stellt sich im Grundsatz die Frage, ob eine derart vom Erwerbszwang dominierte Wirtschaftsform wie die gegenwärtige mit bedingungsloser Existenzsicherung überhaupt zu vereinbaren ist. Sollte diese Wirtschaftsform zuerst überwunden werden oder können erste Räume und Ansätze bereits innerhalb des bestehenden Systems erkämpft werden?
Für Grundeinkommensgegner aus dem linken Spektrum lautet die Antwort eindeutig: Nein. Sie verweisen das bedingungslose Grundeinkommen samt und sonderst in das Reich der fernen, unerreichbaren Utopie, der blanken Illusion, des reinen Wunschdenkens, unter kapitalistischen Bedingungen nicht einmal im Ansatz umsetzbar. Begründung: Angeblich soll es, so wie seine Befürworter es sich vorstellen, die Menschen vom kapitalistischen Arbeitszwang befreien, ohne den Kapitalismus abzuschaffen. Wenn dem so ist, muss jemand arbeiten, also ausgebeutet werden, um die nötigen Einkommen für die Bezieher des Grundeinkommens zu produzieren. Ein offensichtlicher Widerspruch.
Diesen zu erkennen glauben der Wirtschaftswissenschaftler Heinz-J. Bontrup und der Soziologe Jürgen Daub in ihrem Artikel ‚Kritik, die an der Oberfläche bleibt‘ für die Maiausgabe der Monatszeitung ‚OXI‘.
Im Rahmen ihrer kritischen Erörterung einer ‚Verzichtsökonomie‘ kommen sie auch auf das bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen. Sie verweisen auf den Armutsforscher Christoph Butterwegge, der sich gleichfalls am Grundeinkommenskonzept stößt. Es erscheint ihm ordnungstheoretisch wie ‚Kommunismus im Kapitalismus‘. Heißt: Das passt nicht zusammen, kann nicht funktionieren.
Bleiben wir also besser beim alten ‚Sozialstaat‘ Bismarckscher Prägung, der von seinen linken Verteidigern regelrecht als ein Stück Sozialismus im Kapitalismus verkauft wird. Er steht und fällt mit der traditionellen Lohnarbeit, erhebt sie dadurch auch ideologisch zum Maß aller Dinge einschließlich Existenzsicherung. Dass Arbeit als produktive und wertschöpfende Tätigkeit auch freiwillig geleistet werden kann, klammert die herrschende Arbeitsideologie aus. Und doch passiert es jeden Tag: Unter Freunden, Nachbarn, in Familien und Ehrenämtern.
Ein Grundeinkommensprojekt ließ das namibische Dorf Otjivero regelrecht wirtschaftlich aufblühen, in dem es die Dorfbewohner zur Eigeninitiative anregte. Sie schickten ihre Kinder zur Schule, achteten mehr auf ihre Gesundheit, machten Hühnerzuchten auf und wurden von Nachbardörfern als begehrte und zuverlässige Erntehelfer angefordert. Davor hatte Otjivero als Dorf der Taugenichtse gegolten. Eine wundersame Verwandlung auf freiwilliger Basis.
Otjivero beantwortet die Frage von Bontrup und Daub, wer für die Empfänger des Grundeinkommens arbeiten und die nötigen Einkommen produzieren soll: Sie selbst. Nicht gezwungenermaßen, sondern aus freien Stücken. Die Trennung zwischen Beziehern und Produzenten des Grundeinkommens, wie sie die herrschende Arbeitsdoktrin vorsieht, wird überwunden.
Die strikte Unterscheidung zwischen Einkommenserzeugern und -empfängern wird auch gern von Gewerkschaftsvertretern gegen das Grundeinkommen ins Feld geführt. Verwiesen wird dabei auf globale Zusammenhänge in der Arbeitsteilung zur Güterherstellung.
Angenommen, ein Land wie Deutschland oder sogar ein ganzer Kontinent wie Europa würde ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen, so bliebe das Land bzw. der Kontinent dennoch weiterhin abhängig von Einfuhren aus dem Rest der Welt.
Im Endeffekt würde das Grundeinkommen indirekt zu einem Großteil von Niedriglöhnern in Minen, Fabriken, auf Plantagen und Feldern ärmerer Länder erarbeitet. Somit würde auch die gleichmäßigere, gerechtere Verteilung der Einkommen in einem Teil der Welt überwiegend auf der knallharten Ausbeutung der restlichen Welt beruhen.
Zumindest würde sich jedoch die Lebenssituation von vielen Millionen Menschen in besagtem Erdteil verbessern. Das wäre immerhin ein Anfang. Dazu kommt: Die erwähnten Niedriglöhner ärmerer Länder haben indirekt immer schon, seit Jahrzehnten und Jahrhunderten, zum höheren Lebensstandard reicherer Länder beigetragen.
Das schließt höhere Arbeitseinkommen, Tariflöhne und soziale Absicherung mit ein. Auch für die Besserstellung von Arbeitnehmern in Industrieländern durfte und darf in ärmeren Ländern geblutet werden.
Darüber schweigen Grundeinkommensgegner aus den Gewerkschaften lieber. Auf vermeintlich hart erkämpfte Errungenschaften wie Tariflöhne soll kein schlechtes Licht fallen. Beiseite geschoben wird die Tatsache, dass weltweit nur eine Minderheit der Beschäftigten in deren Genuss kommt.
Was hierzulande eher als (dennoch erschreckend weit verbreiteter) Sonderfall erscheint, nämlich prekäre Jobs mit niedrigen Löhnen und miserablen Arbeitsbedingungen wie in der Fleischindustrie, auf Baustellen und Spargelfeldern, ist global immer noch der traurige Regelfall. Trotz guter Ansätze wie fairem Handel. Ein flächendeckendes Grundeinkommen in einem Land wie Deutschland wäre ein weiterer positiver Ansatz.
Bis zu einem weltweiten Grundeinkommen ist der Weg allerdings noch weit. Und dies scheint in der Tat unter Beibehaltung kapitalistischer Bedingungen schwer vorstellbar. Wie sieht es jedoch aus, wenn der Kapitalismus eines Tages überwunden werden sollte und sich linksrevolutionären Träume von der Übernahme der ganzen Bäckerei doch bewahrheiteten?
Auch Bontrup und Daub wagen diesen Ausblick. Zu Ende ihrer Kritik der Postwachstumstheorie heißt es,... ‘man kann den Kapitalismus durch eine Demokratisierung der Wirtschaft abschaffen und dann über einen solidarisch verringerten und verteilten Verbrauch der Wirtschaft ökologisch aussteuern.‘
Die ‚einseitig vorliegende Macht und Ausbeutung des Kapitals‘ wollen Bontrup und Daub durch eine Beteiligung der abhängig Beschäftigten am Wachstum beenden. Das klingt so weit nicht übel, ein entscheidender Faktor fehlt allerdings: Der freie Wille zur Tätigkeit. Ohne ihn kann von einer wirklichen Demokratisierung der Wirtschaft nicht im Entferntesten die Rede sein. Um Beschäftigten ihr demokratisches Grundrecht zu garantieren, gehört mit der Ausbeutung durch das Kapital auch der damit verbundene Arbeitszwang abgeschafft.
Hier kommt das bedingungslose Grundeinkommen wieder uns Spiel. Als grunddemokratisches Erfordernis einer nach-kapitalistischen Wirtschaft. Wobei die Umsetzung nicht unbedingt finanziell durch Auszahlung zu erfolgen braucht. Vorstellbar ist auch eine kostenlose Grundversorgung, die z.B. Wasser, Strom, Heizung, Telefon, Internet, Benutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel u.ä. umfasst. Wichtig ist die vorbehaltlose Sicherung des Existenzminimums, ohne den Einsatz der Arbeitskraft abzufordern.
Mit diesem Gedanken tun sich auch linke Grundeinkommensgegner schwer. Traditionell schwebt ihnen für eine post-kapitalistische Ökonomie eher eine Art gleicher, kollektiver Zwang zur Arbeit, auch für ehemalige Kapitaleigner, vor. Paul Lafargue, Schwiegersohn von Karl Marx und ambitionierter Kritiker der Lohnarbeit, regte sich seinerzeit über entsprechende Forderungen der französischen Arbeiterbewegung auf. Er hielt dem entgegen, die Arbeit müsse nicht auferlegt, sondern verboten werden.
Rund anderthalb Jahrhunderte später sind Großteile des linken Spektrums immer noch hoffnungslos der alten Arbeitsideologie verhaftet. Sie weigern sich einzusehen, dass jene im Widerspruch steht zu demokratischen Prinzipien, insbesondere Freiheitsrechten.
Noch leben wir im Kapitalismus, der Bäckereibetrieb gehört den Kapitaleignern. Auch ein bedingungsloses Grundeinkommen in größerem, zunächst nationalem Rahmen, ist kurzfristig nicht in Sicht, auch wenn es enormen Zuspruch gibt zu einer, vor wenigen Monaten angeregten Petition, es zumindest für ein halbes Jahr zu testen.
Vielleicht wird es nicht gleich morgen eingeführt, jedoch rückt es allmählich näher. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden ein weiteres heftiges Gegensteuern seitens der Regierenden erfordern.
Eine erste sinnvolle Maßnahme könnte die Einführung einer Kindergrundsicherung sein, um wenigstens der Armut der Jüngsten entgegen zu wirken. Eine weitere, die Grundrente auf alle auszudehnen, die keine 35 oder 30 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Eine dritte, den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro die Stunde anzuheben. Eine vierte, das Arbeitslosengeld II deutlich zu erhöhen.
So würde sich einem bedingungslosen Grundeinkommen schrittweise genährt. Gleichzeitig ist der Staat gefordert, immer stärker regulierend ins Wirtschaftsgeschehen einzugreifen und seine Beteiligungen an Unternehmen auszubauen. Die Zeiten der Privatisierungsorgien sind endgültig vorbei. Stattdessen ist Wiederverstaatlichung angesagt. Angefangen mit einer Rekommunalisierung der Kliniken. Schritt für Schritt wird ein Weg begangen, der schlussendlich aus dem Kapitalismus heraus führt.
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe August 2020, erschienen.
Online-Flyer Nr. 752 vom 26.08.2020