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Aktueller Online-Flyer vom 24. November 2024  

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Globales
Schweigen im Blätterwald und im Fernsehen über den Fall Assange
Nichts hören – Nichts sehen – Nichts sagen
Von Peter Betscher

Anfang Januar wird das das Urteil im Auslieferungsprozess gegen Julian Assange verkündet. Nach dem bisherigen Prozessverlauf besteht wenig Hoffnung auf eine Ablehnung des Auslieferungsantrages der USA. Julian Assange wird in Isolationshaft im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gehalten. „Er konnte sich sechs Monate lang nicht mit seinen Anwälten beraten, er hatte keinen Zugang zu den Gerichtsakten und konnte die erweiterte Anklageschrift der US-Justiz erst kurz vor dem ersten Verhandlungstag einsehen (was als gerichtliche Schikane gelten muss, die seine Rechte gravierend missachtete).“ (1) Obwohl auch die neu eingeführten Anklagepunkte gegen Julian Assange von hochkarätigen Zeugen widerlegt wurden, verheißt die Prozessführung und die Behandlung des Angeklagten nichts Gutes. Eine gute Zusammenfassung der Zeugenaussagen findet sich im Infosperber-Artikel "Zahlreiche Zeugen sagen zugunsten von Julian Assange aus" (2).

    "Denn ist es erst einmal ein Verbrechen, die Wahrheit zu sagen, während die Mächtigen Straflosigkeit genießen, wird es zu spät sein, den Kurs zu korrigieren. Wir werden unsere Stimme der Zensur und unser Schicksal der ungezügelten Tyrannei überlassen haben." (Nils Melzer, UNO-Sonderberichterstatter über Folter)

Die Geschichte des ominösen maskierten Besuchers in der ecuadorianischen Botschaft mit dem Riesenpaket unter dem Arm, sowie der angebliche mehrfache Besuch von Trumps Wahlkampfmanager Paul Manaford, wurde von der Sendung Zapp am 16.09.2020 entkräftet. Letzteres wurde von der britischen Zeitung „Guardian“ ohne Beweise in die Welt gesetzt, wie von der Sendung belegt wird. (3) Das ist beschämend, da der „Guardian“ u.a. von den Wikileaks-Veröffentlichung profitierte. Ansonsten kann man nur weitgehend Schweigen im Blätterwald und im Fernsehen über den Fall Assange beobachten. Die USA beabsichtigen mit der Anklage gegen Assange, das Grundsatzurteil des obersten Gerichtshofes im Fall der Pentagon-Papiere umzudrehen. Das Gericht hatte damals geurteilt, dass das Interesse des Staats an Geheimhaltung im Zweifelsfall hinter dem Interesse der Öffentlichkeit an von Whistleblowern gelieferten Informationen zurückstehen müsse und die Veröffentlichungen von der Pressefreiheit gedeckt seien. Gerade die Medienschaffenden müssten die Kampagne für die Freilassung von Assange anführen, weil mit seiner Verurteilung in den USA die Pressefreiheit begraben wird.

    "Das Justizministerium hat gerade den Krieg erklärt - nicht gegen Wikileaks, sondern gegen den Journalismus selbst. Hier geht es nicht mehr um Julian Assange: Dieser Fall wird über die Zukunft der Medien entscheiden." (Edward Snowden, Whistleblower, Mitglied des Direktoriums der Freedom of the Press Foundation) (4)

Schweigen der Bundesregierung über den Fall Assange

John Shipton, der Vater von Julian Assange, hoffte auf eine Unterstützung des EU-Parlaments in diesem Unrechtsverfahren. (5) Diese Hoffnung wurde am 25.11.2020 zerschlagen, als sich 408 Parlamentarier gegen eine Erwähnung des Falles Assange im Menschenrechtsbericht des Europäischen Parlaments aussprachen (6). Außenminister Maas hält die Haftbedingungen von Assange für rechtens. „Der Bundesregierung lägen keine Informationen vor, aus denen hervorginge, >dass es sich um Verstöße gegen internationales Recht sowohl bei der Unterbringung als auch der Behandlung von Julian Assange handelt<.“ (5)

Offensichtlich hat man in Berlin die Berichte des Sonderberichterstatters über Folter des Menschenrechtsrates, Nils Melzer, noch immer nicht gelesen, wie dieser bereits im Dezember 2019 beklagte. (7) Auf die Petition 101240 (Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die zur Zeit stattfindende psychologische Folter des Journalisten Julian Assange und den damit verbundenen Angriff auf die Pressefreiheit in Deutschland und Europa aufs Schärfste zu verurteilen.) antwortet die Bundesregierung: „(…) Die Zuständigkeit des Verfahrens liegt bei der britischen Justiz, die eine Entscheidung des britisch-amerikanischen Auslieferungsabkommens unter Beachtung nationalen Rechts und menschenrechtlicher Bestimmungen treffen muss. Das Auswärtige Amt betreut Herrn Assange nicht konsularisch, da er kein deutscher Staatsangehöriger ist und hat keine Erkenntnisse hinsichtlich der konkreten Haftbedingungen in diesem Fall. Das Auswärtige Amt hat keinen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit britischer Justiz.“ (8) Das ist schlicht die Unwahrheit, denn das Auswärtige Amt entsendet eigene Prozessbeobachter nach London. (9)

Es liegt ebenso ein Bericht über die Haftbedingungen in Belmarsh vor. In diesem Bericht wird u.a. ausgeführt: „Bei einer gerichtlichen Anhörung am 21.10.2019 habe sich dieser laut Pressemeldungen über die schlechten Haftbedingungen und seinen schlechten Gesundheitszustand beklagt, was in Deutschland nachhaltig auf große Aufmerksamkeit gestoßen ist. Insbesondere sei es für ihn schwierig, den Prozess angemessen aus dem Gefängnis vorzubereiten. Zudem verbringe er bis zu 23 Stunden in einer Einzelzelle.“ (10)

Danach folgt eine Relativierung: „Einerseits scheinen die Haftbedingungen von Herrn Assange vor dem Hintergrund des Prison-Governance-Bericht und dem Inspektionsbericht des Gefängnis Belmarsh durchaus denkbar, anderseits vermögen die Medienberichte nicht zu belegen, dass Assange im Vergleich zu sonstigen Gefangenen eine besonders positive oder eine besonders negative Behandlung zuteil wird.“ Wer auf der Seite des Auswärtigen Amtes bei den Regierungspressekonferenzen nach dem Stichwort „Assange“ sucht, wird feststellen, dass auf die meisten Fragen seit Monaten mit dem Stereotyp „die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage ist unverändert“ beantwortet wird.

Am 23.12.2020 sagte Außenminister Heiko Maas gegenüber dem Redaktionsnetz Deutschland: „Journalismus ist kein Verbrechen, sondern ein unverzichtbarer Dienst an der Gesellschaft - auch und gerade, wenn er kritisch und investigativ den Regierenden auf die Finger schaut. Die Entscheidung gegen Can Dündar ist ein harter Schlag gegen unabhängige journalistische Arbeit in der Türkei. Pressefreiheit ist ein Grundrecht, sie darf nicht nur noch unter höchstem persönlichen Risiko möglich sein. Das ist jedenfalls nicht der Gedanke der Verpflichtung zu Presse- und Meinungsfreiheit, die die Türkei im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention eingegangen ist.“ (11)

Can Dündar war Herausgeber der türkischen Zeitung "Cumhuriyet". In der Zeitung wurden 2015 geheime Informationen veröffentlicht, die Waffenlieferungen der Türkei an Terroristen in Syrien belegten. Dündar wurde in der Türkei zu mehr als fünf Jahren Haft wegen Geheimnisverrates verurteilt, aber von Vorwurf der Spionage freigesprochen. Das Urteil wurde 2018 vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und ein Verfahren wegen Spionage eingeleitet. Der im deutschen Exil lebende Can Dündar wurde vor kurzem zu insgesamt 27 Jahre und 6 Monate in Abwesenheit verurteilt.

Fragen Sie Herrn Maas, ob sich mit seiner Aussage zum Fall Dündar auch die Haltung der Bundesregierung im Fall Assange geändert habe. Jürgen Todenhöfer schrieb dazu auf Facebook: „Der Fall Can Dündar zeigt: Julian Assange hat Pech, dass er nicht in der Türkei verfolgt, gefoltert und eingesperrt wurde. Sonst hätte sich die Bundesregierung längst für ihn eingesetzt.“ (12)

Am 21.12.2020 hat sich eine fraktionsübergreifende Arbeitsgemeinschaft „Freiheit für Julian Assange“ - bestehend aus Sevim Dagdelen (DIE LINKE), Bijan Djir-Sarai (FDP), Frank Heinrich (CDU), Frank Schwabe (SPD) und Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen) - im Bundestags gegründet. Das ist längst überfällig und man kann nur hoffen, dass die beteiligten Parlamentarier auf die Mitglieder des Bundestages einwirken. (13)

Unterstützen Sie Julian Assange!

    „Später werden die Leute sagen: Oh, wenn ich gewusst hätte, was wir verlieren, als sie diesen anständigen und couragierten Mann auslieferten. Dann hätte ich etwas getan! Aber was kann ich jetzt tun. Seit diesen Tagen traue ich mich nicht mehr auszusprechen, was ich weiß und was ich denke. Bedauern ist oft die Frucht des Schweigens.“ (Alice Walker, mit dem Publitzer Preis ausgezeichnete Schriftstellerin)

Es muss befürchtet werden, dass dem Auslieferungsgesuch der USA für Julian Assange am 04.01.2021 stattgegeben wird. D.h.: das Verfahren wird in die Berufung vor den High Court gehen, und die Isolationshaft und die damit verbundenen Leiden von Julian Assange werden sich verlängern. Eine Beteiligung am Protest vor dem Gerichtssaal am 04.01.2021 wird für Kontinentaleuropäer durch die verschärften Corona-Maßnahmen nahezu unmöglich sein. Sie können sich aber an den deutschen Protesten beteiligen.

Hier die Termine der anstehenden Demonstrationen und Mahnwachen, soweit bekannt:
  • 31.12.2020, Bremen, Liebfrauenkirchhof, 17:00–18:00
  • 01.01.2021, Merseburg, Bahnhofsvorplatz Merseburg, 17:00 Uhr
  • 02.01.2021, Frankfurt, Paulskirche, 13:00
  • 03.01.2021, Berlin, vor der Botschaft der USA, Pariser Platz 2, 14:00-16:00 Uhr
  • 03.01.2021, München, Geschwister-Scholl-Platz, 14:30-16:00
  • 04.01.2021, Berlin, vor der britischen Botschaft, Wilhelmstraße 70, Nähe Adlon Hotel/ Brandenburger Tor, 10:00–18:00 Uhr
  • 04.01.2021, Cottbus, Stadthallenvorplatz (Berliner Platz 1), 18:00
  • 04.01.2021, Dresden, Jorge-Gomondai-Platz, 19:00
  • 04.01.2021, Hamburg, Alsterufer 33-35 (Nähe US-Konsulat), 11:00–13:00
Falls Sie keinen Ort in Ihrer Nähe finden, können Sie aktuelle Informationen unter https://www.freeassange.eu/#veranstaltungen/protest_berlin_2021-01-03 abrufen.


Schreiben Sie Briefe, in denen Sie ein Handeln der Politiker einfordern:

Deutscher Bundestag
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Platz der Republik 1
11011 Berlin
E-Mail:menschenrechtsausschuss@bundestag.de

An das Auswärtige Amt:
https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/buergerservice-faq-kontakt/kontaktformular

An die Abgeordneten des Deutschen Bundestages:
https://www.bundestag.de/abgeordnete

bzw. an die Fraktionen im Bundestages:
https://www.bundestag.de/services/kontakt


Fußnoten:

(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27053
(2) https://www.infosperber.ch/politik/europa/zahlreiche-zeugen-sagen-zugunsten-von-julian-assange-aus/
(3) https://www.ardmediathek.de/ndr/video/zapp/verschwoerungsberichte-ueber-assange/ndr-fernsehen...
(4) https://dontextraditeassange.com/statements/
(5) https://www.dw.com/de/julian-assanges-vater-hofft-auf-hilfe-aus-berlin/a-55221413
(6) https://kenfm.de/haessliche-fratzen-hinter-frommem-antlitz-der-eu-menschenrechtsritter-von-rainer-rupp/
(7) https://www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2019/nr-2627-3-dezember-2019/der-un-sonderberichterstatter-ueber-folter-nils-melzer-hat-erneut-ein-ende-der-folter-von-julian-assange-gefordert.html
(8) https://fragdenstaat.de/dokumente/7318-anlage9-petition/
(9) https://fragdenstaat.de/dokumente/7309-anlage12-vermerk_erster_prozesstag/
(10) https://fragdenstaat.de/dokumente/7308-anlage11-dkor_haftbedingungen/
(11) https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-urteil-duendar/2430686
(12) https://juergentodenhoefer.de/
(13) https://dontextraditeassange.com/press-clip/members-of-the-bundestag-from-almost-all-parliamentary-groups-have-founded-a-joint-working-group-to-release-the-wikileaks-founder-julian-assange/

Online-Flyer Nr. 760  vom 31.12.2020



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