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Krieg und Frieden
Gerechtigkeit für das afghanische Volk
Kein Ende der menschenverachtenden US-Kriegspolitik?
Von Wolfgang Effenberger
„Das aus Ameriko- und Euro-Afghanen in einer Koalition mit willfährigen Warlords bestehende durch und durch korrupte Marionetten-Regime hat kapituliert“ (1), so der in Deutschland lebende Afghane Matin Baraki. Der Politikwissenschaftler hat 1995 an der Philipps-Universität Marburg promoviert und publiziert über den Mittleren Osten sowie Zentralasien. Zur Erinnerung: Nur 27 Tage nach dem Terroranschlag in New York, eröffnete die US-Regierung den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Afghanistan, obwohl bis heute nachweislich kein Afghane an dem Anschlag beteiligt war. Der alleinige Grund: Die Taliban lieferten nicht schnell genug den bei ihnen im Asyl lebenden angeblichen Drahtzieher des Anschlags aus.
Als Kriegspartner bedienten sich die USA der Dschunbisch-Milizen und ihres zwielichtigen Warlords Raschid Dostum. Mit US-Unterstützung eroberte Dostum im November 2001 Masar-e Scharif von den Taliban zurück und noch im gleichen Monat befahl Dostum ein ungeheuerliches Kriegsverbrechen. Diese Ereignisse nach dem Fall von Kundus, der letzten Hochburg der Taliban in Nordafghanistan, dokumentierte am 21. November 2001 der irische Journalist und Dokumentarfilmer Jamie Doran. 3.000 der insgesamt 8.000 Gefangenen wurden zu einer Gefängnisanstalt in der Stadt Shibarghan gebracht. Ortsansässige afghanische LKW-Fahrer wurden zwangsverpflichtet, in unbelüfteten Containern jeweils 200 bis 300 Gefangene zu transportieren. Die Container wurden in die Wüste gebracht, wo die noch lebenden Opfer unter den Augen der US-Streitkräfte qualvoll starben. (2) Die Verantwortlichen sind bis heute unbehelligt geblieben. Unser Parlament hätte es sich zur Aufgabe machen müssen, eine Aufklärung dieses abscheulichen Verbrechens im deutschen Einsatzraum und entsprechende Konsequenzen zu fordern. Für eine verantwortungsvolle Bundesregierung müsste das selbstverständlich sein. Doch für die Regierung Schröder/Fischer war es das nicht. Im Rahmen des Petersberg-Prozesses wurde Dostum sogar im Dezember 2001 zum stellvertretenden Verteidigungsminister in der von Hamid Karzai – er hatte von 1979 bis 1989 in den USA eine Restaurantkette aufgebaut (3) - geführten Interimsregierung ernannt.
So abscheulich die jetzigen Anschläge am Kabuler Flughafen sind, die unmittelbaren Vergeltungsangriffe durch US-Präsident Biden gießen nur noch Öl ins Feuer und treffen auch immer Unschuldige. Sie bewirken jedoch, dass immer mehr Menschen das Land verlassen wollen.
TRADOC 525-5: US-Konzept für die strategische Armee des 21. Jahrhundert vom 1. August 1994
In diesem Papier wird eine neue Dynamische Ära, eine Welt im Übergang (Transition) beschrieben.
Der Übergang vom 20. in das 21. Jahrhundert vollzieht sich über zwei Dekaden (von 1990 bis 2010) unter Anwendung der Schritte Aufruhr (Turmoil), Krise (Crisis), Konflikt (Conflict) und schließlich Krieg. Dieses Drehbuch konnte man vom Irak bis in die Ukraine beobachten. Instrumente für die provozieren Umstürze sind die dynamischen Kräfte (Dynamik Forces at Work) mit dem Ziel der Geostrategischen Ausrichtung. Für diese Politik wurde das Werkzeug "Operations Other Than War" geschaffen:
Mit den alternativen Operationen (oberer Kreis OOTW) kann es dann in die regionalen Konflikte (linker Kreis) und sogar in einen großen Krieg gehen (rechter Kreis). Und alle drei Kreise haben eine gemeinsame Schnittmenge! Zu den einem Krieg vorgeschobenen Operationen zählen:
Vor diesem Hintergrund bekommt die stolze Meldung über den Rekord des "US-Air-Mobility-Commands", mit einer "C-17 Globemaster III" am 15. August 2021 823 Menschen ausgeflogen zu haben, (5) einen anderen Anstrich, vor allem weil vor allem junge, wehrfähige Menschen das Flugzeug füllen.
Die in OOTW aufgeführten Kriegseintrittsoptionen sind durchaus ernst zu nehmen. In der Abbildung 2-3 (Umfang der künftigen Maßnahmen) wird dieses Spektrum aufgezeigt:
Von den Hilfsmaßnahmen in Somalia/Bosnien/Nordirland über den Kampf (gegen Infanterie) in Afghanistan bis hin zum Kampf zwischen komplexen, anpassungsfähigen Kräften und gepanzerten Mech-Kräften wie im Irak (Operation "Desert Storm")
Im Herbst 2014 stellte der Befehlshaber des "U.S. Army Training and Doctrine Command" (TRADOC), Vier-Sterne-General David. G. Perkins, das Nachfolgepapier "TRADOC 525-3-1 Win in a Complex World 2020-2040" vor.
Gen. David G. Perkins, commanding general (TRADOC)
In diesem Papier erhielten die US-Streitkräfte den Auftrag, die von Russland und China ausgehende Bedrohung "abzubauen". Dieser Abbau erfolgt natürlich gemäß dem Strategiepapier mit dem Einstieg über OOTW.
General Perkins führte dazu aus, dass Win in a Complex World (Siegen in einer komplexen Welt) die Bedeutung einsatzbereiter Landstreitkräfte für den Schutz der Nation und die Sicherung der lebenswichtigen Interessen gegen entschlossene, schwer fassbare und zunehmend fähige Gegner unterstreicht und die grundlegenden Fähigkeiten hervorhebt, die das Heer zur Verhinderung von Kriegen und zur Gestaltung des Sicherheitsumfelds benötigt. TRADOC 525-3-1 soll die Feinde abschrecken, die Verbündeten beruhigen und die Neutralen beeinflussen. (6)
Während die Situation in Afghanistan eskalierte, gingen die Manöver vor Russlands Haustüre weiter. Nach dem monatelangen Großmanöver "Denfender 21" fand Anfang August in Georgien das Manöver "Agile Spirit"-Manöver statt. Daran nahmen über 2.500 Soldaten aus zwölf NATO-Mitgliedstaaten (Großbritannien, Deutschland, Spanien, Italien, Kanada, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Vereinigte Staaten, Türkei und Estland) sowie aus Aserbaidschan, Georgien und der Ukraine teil.
Kommentar des US-Offiziers Ari Martin: "Während der Ausbildung mit unseren georgischen Partnern arbeiten wir an der Interoperabilität. Wir wollen zeigen, dass wir zusammenarbeiten können und dass wir gemeinsam stärker sind. Ich bin mir sicher, dass wir, so wie wir es heute getan haben, überall auf der Welt schnell unsere Kampfkraft einsetzen können." (7)
Wohin werden die europäischen "Ortskräfte" fliehen können, wenn die USA den lange vorbereiteten Krieg gegen Russland auslösen werden? Dann bleibt von Gesamteuropa nur noch eine Trümmerwüste. (8) Der Autor ist nicht erpicht darauf, nochmals in seiner Analyse bestätig zu werden.
Am 26. August 2009 wurde von ihm der Artikel "Versuch einer Analyse nach acht Jahren Krieg in Afghanistan" veröffentlicht. (9) Er endete: „Die Lage ist trostlos – und die Aussicht gering, dass die AfPak-Strategie trotz ständig steigender Militärpräsenz Erfolg haben kann. (10) Müssen die gleichen leidvollen Erfahrungen wie sie die Engländer im 19. und die Russen im 20. Jahrhundert machten, im 21. Jahrhundert wiederholt werden? "Die deutsche Regierung sollte einmal Mut beweisen, Bilanz ziehen – und abmarschieren." (11)“
In seinem aufrüttelnden Artikel "Von Vietnam nach Afghanistan: Die USA lassen Wüsten zurück und nennen es Frieden" ist Alfred de Zaya, ehemaliger UN-Experte für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, mit den US-Strategen scharf ins Gericht gegangen. Für ihn hätten die USA gar nicht erst in Afghanistan – wie auch nicht in Vietnam, Laos, Kambodscha, Grenada, Nicaragua, Libyen oder Syrien einmarschieren dürfen. Seiner Meinung nach, „haben die USA Afghanistan gründlich destabilisiert, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Konflikt nun in einen Bürgerkrieg ausartet – eine anhaltende Tragödie für das leidgeprüfte afghanische Volk“ (12). Die USA seien nie wirklich am «nation building», sondern nur an Geopolitik interessiert gewesen. Sie wollen die Region kontrollieren und nur Klientelregierungen, keine unabhängigen Nationen.
De Zaya ist erstaunt, dass aus früheren Debakeln keine Lehren gezogen wurden. Er sieht auf der einen Seite in der Verwüstung Afghanistans eine Katastrophe für das afghanische Volk – auf der anderen aber einen Glücksfall für den amerikanischen militärisch-industriellen und finanziellen Komplex: „Amerika braucht den permanenten Krieg, um die unersättliche Militärmaschinerie zu füttern, die Billionen-Dollar-Budgets erfordert. Es wäre besser, unsere Steuergelder für Konfliktprävention, Gesundheitsvorsorge, Bildung usw. zu verwenden.“ (13)
Für ihn sind die Länder, die sich an der gnadenlosen Bombardierung Afghanistans beteiligt haben, rechtlich und moralisch verpflichtet, dem afghanischen Volk Wiedergutmachung zu leisten. Weiter wünscht er sich, dass der Internationale Strafgerichtshof eine ehrliche Untersuchung der Verbrechen der USA und der Nato durchführt.
Man kann nur hoffen, dass sich de Zayas Wünsche erfüllen werden. Mit dem Ausfliegen so genannter "Ortskräfte" ist dem afghanischen Volk jedenfalls noch keine Gerechtigkeit widerfahren.
Fußnoten:
1) Matin Baraki:«Nach 20 Jahren Bürgerkrieg und 20 Jahren Nato-Krieg sehnen sich die Matin Baraki afghanischen Völker nur noch nach Frieden!» unter
https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2021/nr-1920-24-august-2021/nach-20-jahren-buergerkrieg-und-20-jahren-nato-krieg-sehnen-sich-die-afghanischen-voelker-nur-noch-nach-frieden.html
2) Steinberg, Stefan: Ein Dokumentarfilm bezichtigt die USA des Massenmords an Kriegsgefangenen in Afghanistan. Auf der World Socialist Web Site vom 18. Juni 2002 unter
www.wsws.org/de/2002/jun2002/masa-j18.shtml
siehe auch Wolfgang Effenberger vom 02.12.2009: Nicht erst seit dem Kundus-Massaker wird gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Pharisäer und ihr Fichtenwald unter
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14541
3) https://www.spiegel.de/politik/ausland/hamid-karzai-die-hoffnung-eines-zerrissenen-landes-a-212666.html (28.8.21)
4) Kombattanten sind nach Art. 43 Nr. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention von 1949 die Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei und berechtigt, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen.
5) https://www.amc.af.mil/News/Article-Display/Article/2740472/c-17-carrying-passengers-out-of-afghanistan/ (28.8.21)
6) https://www.kobo.com/ww/en/ebook/2020-2040-u-s-army-operating-concept-aoc-win-in-a-complex-world-how-future-army-forces-prevent-conflict-win-wars-shape-security-environments-tenets-and-core-competencies (27.8.21)
7) Zitiert aus
https://de.euronews.com/2021/08/02/nato-manover-vor-russlands-haustur (28.8.21)
8) Der Autor hatte 1973/74 als jungen Hauptmann Einblick in die damalige Kriegsplanung der NATO. 1973 hatte die Nukleare Planungsgruppe der NATO 2.200 Atomzielpunkte zwischen Weser und Weichsel geplant.
9) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14162 (28.8.21)
10) Vgl. Doering, Martina: Trostlose Lage in Pakistan und Afghanistan, in Berliner Zeitung vom 30. April 2009
11) Dasenbrock, Dirk: Abmarsch, in Oldenburgische Volkszeitung vom 7. August 2009, S. 2
12) Zitiert aus Zeit-Fragen vom 24. August 2021 Nr. 19/20, Seite 1
13) Ebenda
Online-Flyer Nr. 776 vom 08.09.2021
Gerechtigkeit für das afghanische Volk
Kein Ende der menschenverachtenden US-Kriegspolitik?
Von Wolfgang Effenberger
„Das aus Ameriko- und Euro-Afghanen in einer Koalition mit willfährigen Warlords bestehende durch und durch korrupte Marionetten-Regime hat kapituliert“ (1), so der in Deutschland lebende Afghane Matin Baraki. Der Politikwissenschaftler hat 1995 an der Philipps-Universität Marburg promoviert und publiziert über den Mittleren Osten sowie Zentralasien. Zur Erinnerung: Nur 27 Tage nach dem Terroranschlag in New York, eröffnete die US-Regierung den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Afghanistan, obwohl bis heute nachweislich kein Afghane an dem Anschlag beteiligt war. Der alleinige Grund: Die Taliban lieferten nicht schnell genug den bei ihnen im Asyl lebenden angeblichen Drahtzieher des Anschlags aus.
Als Kriegspartner bedienten sich die USA der Dschunbisch-Milizen und ihres zwielichtigen Warlords Raschid Dostum. Mit US-Unterstützung eroberte Dostum im November 2001 Masar-e Scharif von den Taliban zurück und noch im gleichen Monat befahl Dostum ein ungeheuerliches Kriegsverbrechen. Diese Ereignisse nach dem Fall von Kundus, der letzten Hochburg der Taliban in Nordafghanistan, dokumentierte am 21. November 2001 der irische Journalist und Dokumentarfilmer Jamie Doran. 3.000 der insgesamt 8.000 Gefangenen wurden zu einer Gefängnisanstalt in der Stadt Shibarghan gebracht. Ortsansässige afghanische LKW-Fahrer wurden zwangsverpflichtet, in unbelüfteten Containern jeweils 200 bis 300 Gefangene zu transportieren. Die Container wurden in die Wüste gebracht, wo die noch lebenden Opfer unter den Augen der US-Streitkräfte qualvoll starben. (2) Die Verantwortlichen sind bis heute unbehelligt geblieben. Unser Parlament hätte es sich zur Aufgabe machen müssen, eine Aufklärung dieses abscheulichen Verbrechens im deutschen Einsatzraum und entsprechende Konsequenzen zu fordern. Für eine verantwortungsvolle Bundesregierung müsste das selbstverständlich sein. Doch für die Regierung Schröder/Fischer war es das nicht. Im Rahmen des Petersberg-Prozesses wurde Dostum sogar im Dezember 2001 zum stellvertretenden Verteidigungsminister in der von Hamid Karzai – er hatte von 1979 bis 1989 in den USA eine Restaurantkette aufgebaut (3) - geführten Interimsregierung ernannt.
So abscheulich die jetzigen Anschläge am Kabuler Flughafen sind, die unmittelbaren Vergeltungsangriffe durch US-Präsident Biden gießen nur noch Öl ins Feuer und treffen auch immer Unschuldige. Sie bewirken jedoch, dass immer mehr Menschen das Land verlassen wollen.
TRADOC 525-5: US-Konzept für die strategische Armee des 21. Jahrhundert vom 1. August 1994
In diesem Papier wird eine neue Dynamische Ära, eine Welt im Übergang (Transition) beschrieben.
Der Übergang vom 20. in das 21. Jahrhundert vollzieht sich über zwei Dekaden (von 1990 bis 2010) unter Anwendung der Schritte Aufruhr (Turmoil), Krise (Crisis), Konflikt (Conflict) und schließlich Krieg. Dieses Drehbuch konnte man vom Irak bis in die Ukraine beobachten. Instrumente für die provozieren Umstürze sind die dynamischen Kräfte (Dynamik Forces at Work) mit dem Ziel der Geostrategischen Ausrichtung. Für diese Politik wurde das Werkzeug "Operations Other Than War" geschaffen:
Mit den alternativen Operationen (oberer Kreis OOTW) kann es dann in die regionalen Konflikte (linker Kreis) und sogar in einen großen Krieg gehen (rechter Kreis). Und alle drei Kreise haben eine gemeinsame Schnittmenge! Zu den einem Krieg vorgeschobenen Operationen zählen:
- Civil Support (Zivile Unterstützung)
- Disaster Relief (Katastrophenhilfe)
- Peace Operations (Friedenseinsätze)
- Counterinsurgency (Aufstandsbekämpfung)
- Arms Control (Rüstungskontrolle)
- Conterterrorism (Konterterrorismus)
- Environmental Operations (Umweltbezogene Operationen)
- Noncombatant Evacutation (Evakuierung von Nichtkombattanten)
Vor diesem Hintergrund bekommt die stolze Meldung über den Rekord des "US-Air-Mobility-Commands", mit einer "C-17 Globemaster III" am 15. August 2021 823 Menschen ausgeflogen zu haben, (5) einen anderen Anstrich, vor allem weil vor allem junge, wehrfähige Menschen das Flugzeug füllen.
Die in OOTW aufgeführten Kriegseintrittsoptionen sind durchaus ernst zu nehmen. In der Abbildung 2-3 (Umfang der künftigen Maßnahmen) wird dieses Spektrum aufgezeigt:
Von den Hilfsmaßnahmen in Somalia/Bosnien/Nordirland über den Kampf (gegen Infanterie) in Afghanistan bis hin zum Kampf zwischen komplexen, anpassungsfähigen Kräften und gepanzerten Mech-Kräften wie im Irak (Operation "Desert Storm")
Im Herbst 2014 stellte der Befehlshaber des "U.S. Army Training and Doctrine Command" (TRADOC), Vier-Sterne-General David. G. Perkins, das Nachfolgepapier "TRADOC 525-3-1 Win in a Complex World 2020-2040" vor.
Gen. David G. Perkins, commanding general (TRADOC)
In diesem Papier erhielten die US-Streitkräfte den Auftrag, die von Russland und China ausgehende Bedrohung "abzubauen". Dieser Abbau erfolgt natürlich gemäß dem Strategiepapier mit dem Einstieg über OOTW.
General Perkins führte dazu aus, dass Win in a Complex World (Siegen in einer komplexen Welt) die Bedeutung einsatzbereiter Landstreitkräfte für den Schutz der Nation und die Sicherung der lebenswichtigen Interessen gegen entschlossene, schwer fassbare und zunehmend fähige Gegner unterstreicht und die grundlegenden Fähigkeiten hervorhebt, die das Heer zur Verhinderung von Kriegen und zur Gestaltung des Sicherheitsumfelds benötigt. TRADOC 525-3-1 soll die Feinde abschrecken, die Verbündeten beruhigen und die Neutralen beeinflussen. (6)
Während die Situation in Afghanistan eskalierte, gingen die Manöver vor Russlands Haustüre weiter. Nach dem monatelangen Großmanöver "Denfender 21" fand Anfang August in Georgien das Manöver "Agile Spirit"-Manöver statt. Daran nahmen über 2.500 Soldaten aus zwölf NATO-Mitgliedstaaten (Großbritannien, Deutschland, Spanien, Italien, Kanada, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Vereinigte Staaten, Türkei und Estland) sowie aus Aserbaidschan, Georgien und der Ukraine teil.
Kommentar des US-Offiziers Ari Martin: "Während der Ausbildung mit unseren georgischen Partnern arbeiten wir an der Interoperabilität. Wir wollen zeigen, dass wir zusammenarbeiten können und dass wir gemeinsam stärker sind. Ich bin mir sicher, dass wir, so wie wir es heute getan haben, überall auf der Welt schnell unsere Kampfkraft einsetzen können." (7)
Wohin werden die europäischen "Ortskräfte" fliehen können, wenn die USA den lange vorbereiteten Krieg gegen Russland auslösen werden? Dann bleibt von Gesamteuropa nur noch eine Trümmerwüste. (8) Der Autor ist nicht erpicht darauf, nochmals in seiner Analyse bestätig zu werden.
Am 26. August 2009 wurde von ihm der Artikel "Versuch einer Analyse nach acht Jahren Krieg in Afghanistan" veröffentlicht. (9) Er endete: „Die Lage ist trostlos – und die Aussicht gering, dass die AfPak-Strategie trotz ständig steigender Militärpräsenz Erfolg haben kann. (10) Müssen die gleichen leidvollen Erfahrungen wie sie die Engländer im 19. und die Russen im 20. Jahrhundert machten, im 21. Jahrhundert wiederholt werden? "Die deutsche Regierung sollte einmal Mut beweisen, Bilanz ziehen – und abmarschieren." (11)“
In seinem aufrüttelnden Artikel "Von Vietnam nach Afghanistan: Die USA lassen Wüsten zurück und nennen es Frieden" ist Alfred de Zaya, ehemaliger UN-Experte für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, mit den US-Strategen scharf ins Gericht gegangen. Für ihn hätten die USA gar nicht erst in Afghanistan – wie auch nicht in Vietnam, Laos, Kambodscha, Grenada, Nicaragua, Libyen oder Syrien einmarschieren dürfen. Seiner Meinung nach, „haben die USA Afghanistan gründlich destabilisiert, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Konflikt nun in einen Bürgerkrieg ausartet – eine anhaltende Tragödie für das leidgeprüfte afghanische Volk“ (12). Die USA seien nie wirklich am «nation building», sondern nur an Geopolitik interessiert gewesen. Sie wollen die Region kontrollieren und nur Klientelregierungen, keine unabhängigen Nationen.
De Zaya ist erstaunt, dass aus früheren Debakeln keine Lehren gezogen wurden. Er sieht auf der einen Seite in der Verwüstung Afghanistans eine Katastrophe für das afghanische Volk – auf der anderen aber einen Glücksfall für den amerikanischen militärisch-industriellen und finanziellen Komplex: „Amerika braucht den permanenten Krieg, um die unersättliche Militärmaschinerie zu füttern, die Billionen-Dollar-Budgets erfordert. Es wäre besser, unsere Steuergelder für Konfliktprävention, Gesundheitsvorsorge, Bildung usw. zu verwenden.“ (13)
Für ihn sind die Länder, die sich an der gnadenlosen Bombardierung Afghanistans beteiligt haben, rechtlich und moralisch verpflichtet, dem afghanischen Volk Wiedergutmachung zu leisten. Weiter wünscht er sich, dass der Internationale Strafgerichtshof eine ehrliche Untersuchung der Verbrechen der USA und der Nato durchführt.
Man kann nur hoffen, dass sich de Zayas Wünsche erfüllen werden. Mit dem Ausfliegen so genannter "Ortskräfte" ist dem afghanischen Volk jedenfalls noch keine Gerechtigkeit widerfahren.
Fußnoten:
1) Matin Baraki:«Nach 20 Jahren Bürgerkrieg und 20 Jahren Nato-Krieg sehnen sich die Matin Baraki afghanischen Völker nur noch nach Frieden!» unter
https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2021/nr-1920-24-august-2021/nach-20-jahren-buergerkrieg-und-20-jahren-nato-krieg-sehnen-sich-die-afghanischen-voelker-nur-noch-nach-frieden.html
2) Steinberg, Stefan: Ein Dokumentarfilm bezichtigt die USA des Massenmords an Kriegsgefangenen in Afghanistan. Auf der World Socialist Web Site vom 18. Juni 2002 unter
www.wsws.org/de/2002/jun2002/masa-j18.shtml
siehe auch Wolfgang Effenberger vom 02.12.2009: Nicht erst seit dem Kundus-Massaker wird gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Pharisäer und ihr Fichtenwald unter
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14541
3) https://www.spiegel.de/politik/ausland/hamid-karzai-die-hoffnung-eines-zerrissenen-landes-a-212666.html (28.8.21)
4) Kombattanten sind nach Art. 43 Nr. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention von 1949 die Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei und berechtigt, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen.
5) https://www.amc.af.mil/News/Article-Display/Article/2740472/c-17-carrying-passengers-out-of-afghanistan/ (28.8.21)
6) https://www.kobo.com/ww/en/ebook/2020-2040-u-s-army-operating-concept-aoc-win-in-a-complex-world-how-future-army-forces-prevent-conflict-win-wars-shape-security-environments-tenets-and-core-competencies (27.8.21)
7) Zitiert aus
https://de.euronews.com/2021/08/02/nato-manover-vor-russlands-haustur (28.8.21)
8) Der Autor hatte 1973/74 als jungen Hauptmann Einblick in die damalige Kriegsplanung der NATO. 1973 hatte die Nukleare Planungsgruppe der NATO 2.200 Atomzielpunkte zwischen Weser und Weichsel geplant.
9) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14162 (28.8.21)
10) Vgl. Doering, Martina: Trostlose Lage in Pakistan und Afghanistan, in Berliner Zeitung vom 30. April 2009
11) Dasenbrock, Dirk: Abmarsch, in Oldenburgische Volkszeitung vom 7. August 2009, S. 2
12) Zitiert aus Zeit-Fragen vom 24. August 2021 Nr. 19/20, Seite 1
13) Ebenda
Online-Flyer Nr. 776 vom 08.09.2021