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Aktueller Online-Flyer vom 22. Dezember 2024  

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Globales
Auf der Anklagebank sitzen die von Wikileaks bloßgestellten Kriegsverbrecher
Freiheit für Assange: Belmarsh-Tribunal klagt US-Regierung an
Von Hannes Sies

Edward Snowden, Daniel Ellsberg, Jeremy Corbyn, Yanis Varoufakis und Tariq Ali sind nur einige der prominenten Assange-Unterstützer und Ankläger des Belmarsh-Tribunals. Der Enthüllungs-Journalist Julian Assange wird seit zehn Jahren von US-Behörden verfolgt, sitzt seit zwei Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, dem „Britischen Guantanamo“. Das Belmarsh-Tribunal der Assange-Unterstützer dreht den Spieß um: Auf der Anklagebank sehen sich nun die von Wikileaks bloßgestellten Kriegsverbrecher, Politik und Militär der Briten und der USA. Treibende Kraft des Tribunals sind die 2018 von Noam Chomsky, Srecko Horvat u.a. gegründete Progressive Internationale, die progressive politische Kräfte weltweit organisieren und mobilisieren will, und die Partei "Democracy in Europe Movement 2025" (DiEm25) des Ex-Finanzministers der Syriza-Regierung in Athen, Yanis Varoufakis.

Drohende Auslieferung an US-Unrechtsjustiz

Am Freitag, dem 22.Oktober, fand die zweite Anhörungsrunde des von der Progressive International organisierten Belmarsh-Tribunals statt, aber wegen Covid die erste persönlich abgehaltene. Anlass ist die nächste Woche drohende Auslieferungsanhörung des Wikileaks-Gründers, dessen stillschweigende Überstellung an eine gnadenlose US-Unrechtsjustiz skandalisiert und verhindert werden soll. Ihm drohen dort mindestens 175 Jahre Haft unter unmenschlichen Bedingungen -oder vielleicht doch die Todesstrafe.

Der Philosoph Srecko Horvat führt den Vorsitz des Belmarsh-Tribunals und eröffnete die Anhörung damit, man werde nicht nur Julian Assange verteidigen, sondern auch die „blutigen Verbrechen“ westlicher Regierungen verurteilen. Nach den Enthüllungen über die mörderischen CIA-Pläne, einen Verleger und Journalisten auf britischem Boden zu töten, so Horvat, müsse nicht nur die derzeitige US-Regierung, sondern auch die britische Regierung dafür verantwortlich gemacht werden, dass Assange immer noch in Haft ist. Horvat betonte, der Prozess, der dem Wikileaks-Gründer seit zwei Jahren gemacht würde, sei „nichts anderes als ein Attentat am helllichten Tag“, auf einen Journalisten, der „die schmutzigen und monströsen Verbrechen“ enthüllt habe: "Wenn die britischen Richter entscheiden, Assange entweder an die USA auszuliefern oder ihn im britischen Guantánamo zu behalten, werden sie ihn effektiv zum Tode verurteilen."

Gegen Julian Assange liegen nach zwei Jahren Auslieferungsprozess keine überzeugenden Anklagepunkte vor. Der „Vergewaltigungsverdacht“ gegen ihn erwies sich als perfide Bezichtigung, basierend auf gefälschten Beweisen zwecks Rufmordkampagne. Die Spionage-Beschuldigung brach zusammen, weil der Hauptzeuge der gnadenlosen US-Ankläger als Marionette der US-Geheimdienste entlarvt wurde. Die UNO rügt die Behandlung von Assange als Folter und fordert unverzügliche Freilassung des Journalisten. Die Menschenrechte und der Rechtsstaat selbst werden im unsäglichen Assange-Prozess mit Füßen getreten, möglich ist dies nur durch ein ebenso unsägliches Versagen unserer Medien. Der Fall Assange wird, wenn überhaupt, nur in abwiegelnden Feigenblatt-Meldungen erwähnt, die seiner historischen Bedeutung Hohn sprechen.

Medienversagen: Navalny-Hype, aber Schweigen zu Assange

Auch derzeit bringen deutsche Medien fast nichts über den skandalösen Fall Assange. Man berichtet stattdessen verbissen über Navalny, dessen Enthüllungen über Putin sich jedoch erbärmlich ausmachen, verglichen mit dem, was Assange und Wikileaks über die USA ans Licht brachten. Putins Geheimdienste haben vielleicht versucht Navalny zu vergiften? Von der CIA wissen wir definitiv, dass sie plante Assange zu vergiften. Putin hat Navalny einen politischen Prozess machen lassen? Seit zwei Jahren sehen wir einen unerträglichen Schauprozess in Belmarsh gegen Assange. Putin lässt Navalny unter inhumanen Haftbedingungen einsperren? Der UN-Folterbeauftragte Prof.Nils Melzer prangert seit mehr als einem Jahr die Folterhaft und den Unrechtsprozess an, deren Opfer Assange in London ist.

Aus Sicht der Assange-Unterstützer ist die derzeitige Navalny-Hype pure Ablenkungstaktik vom Assange-Justizskandal und damit von den Wikileaks-Enthüllungen der letzten zehn Jahre. Das Belmarsh-Tribunal will das penetrante Medienschweigen im Westen zumindest erschweren. Es geht darum, die USA für ihre Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen -jene Verbrechen, für deren Enthüllung Washington Julian Assange verfolgt, kriminalisiert und mit einer hinterhältigen Schmierkampagne mundtot gemacht hat.

Belmarsh- und Russel-Tribunal

Das Belmarsh-Tribunal ist dem Russel-Tribunal von 1966 nachempfunden, das von Bertrand Russell und Jean-Paul Sartre organisiert wurde, um die USA für ihre Verbrechen in Vietnam zur Rechenschaft zu ziehen. Heute geht es darum, Washington wegen seiner Kriegsverbrechen des 21. Jahrhunderts vor Gericht stellen. Versammlungsort ist die Convocation Hall, Church House, in Westminster, London, die während des Zweiten Weltkriegs für Parlamentssitzungen genutzt wurde.

Die aktuelle Anhörung des Belmarsh Tribunals zielt auch darauf ab, Versuche und Pläne der USA-Behörden aufzudecken, Julian Assange zu bespitzeln, zu drangsalieren und sogar zu vergiften. Grund ist zweifellos, dass der Wikileaks-Gründer unzählige abscheuliche Verbrechen des sogenannten „Krieges gegen den Terror“ aufgedeckt hat. Bei der Veranstaltung drängten Persönlichkeiten wie der ehemalige Labour-Chef Jeremy Corbyn, der Whistleblower Edward Snowden und Yanis Varoufakis, die US-Regierung und -Justiz von ihrer Klage gegen den Journalisten Assange abzulassen.

"Wikileaks hat die Verbrechen des US-Imperiums in Afghanistan, im Irak und darüber hinaus aufgedeckt. Das Belmarsh-Tribunal wird Kriegsverbrechen, Folter, Entführungen und eine ganze Reihe anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen vor Gericht stellen", sagte Jeremy Corbyn.

Die Liste der Rednerinnen, die in physischer Anwesenheit, teils auch per Live-Stream auftreten werden, ist lang: Tariq Ali, Renata Ávila, Apsana Begum, Richard Burgon, Jeremy Corbyn, Rafael Correa, Özlem Demirel, Deepa Govindarajan Driver, Daniel Ellsberg, Selay Ghaffar, Markéta Gregorová, Srecko Horvat, Ken Loach, Annie Machon, Stefania Maurizi, John McDonnell, Yanis Varoufakis, Ben Wizner, Eyal Weizman und Heike Hänsel, die engagierteste Assange-Unterstützerin unter den Parlamentariern des Deutschen Bundestages, die wegen der Wahlniederlage der Linken zum Monatsende ihr Abgeordnetenbüro räumen muss.

Der Historiker Tariq Ali, der schon 1966 am Vietnam-Tribunal teilnahm, betonte, dass Julian Assange die Wahrheit über den Krieg gegen den Terror aufgedeckt habe – der für den Tod von Millionen und die Verschwendung von Billionen verantwortlich war. "Julian, weit davon entfernt, eine Anklage zu verdienen, sollte eigentlich als Held gelten."

Online-Flyer Nr. 779  vom 27.10.2021



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