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Literatur
Glenn Jäger: "Diego Maradona – In den Farben des Südens"
Eine politische Biografie, die nicht jedem gefällt
Buchkritik von Hannes Sies

Maradona war ein Jahrhundertsportler mit politischem Anspruch, verteidigte als Fußballer den Süden der Welt und Neapel als von Lega-Nord-Faschisten gehasstes Armenhaus Italiens. Glenn Jäger erzählt die Geschichte Maradonas lebendig und engagiert. Es beginnt mit dem sportlichen Aufstieg eines "kleinen Schwarzkopf", Cabecita negra, wie man in Argentinien abschätzig die "Mischlinge" aus den Armenvierteln nannte, zum "Pibe de Oro", dem Goldjungen. Er gewann mit dem argentinischen Juniorenteam die WM 1979, doch erst in Italien, beim bis dahin glücklosen SSC Neapel, entfaltete Maradona sein volles Talent, bei einem Verein aus dem Süden Italiens, auf den der reiche Norden herab blickt. Maradona kam Neapel wie gerufen: "Die Stadt benutzte ihn als Aushängeschild, das restliche Italien als Symbol der Minderwertigkeit des Südens: 'Neapel liegt in Nordafrika und Maradona ist der größte Afrikaner von allen', hieß es."

Im ersten Teil des Buches geht es um Maradona als Spieler und Trainer, aber dann wird es politisch, denn es öffnen sich "die Türen Kubas". Glenn Jäger gelingt es mit etwas Hilfe von jw-Autor Scheer, das gesellschaftliche Umfeld von Maradonas Leben in seine politische Biografie einzubinden: die politische Geschichte Argentiniens, Kritik an der US-Politik, Maradona in Venezuela und das kubanische Gesundheitssystem. Das gefällt nicht jedem.

Die taz-Rezension: hämisch, unpolitisch, arrogant

Ein vulgäres Nachtreten leistet sich die ehemals linke „Tageszeitung“ taz und stellt den Personenkult um Maradona in den Mittelpunkt. Autor Glenn Jäger stilisiere den Jahrhundertfußballer zum „Unterschichtshero“ des abgehängten Südens. Die taz beginnt mit der „Krippengasse in Neapels Altstadt“, da sehe man Maradona „in allen Größen und Varianten, in Engelsversion mit oder ohne Flügel“, er mache „den geschnitzten Marienstatuen, Krippen und Jesuskindlein ernsthaft Konkurrenz“.

Mit billiger Häme übergießt die taz hier katholische Volkskultur und proletarischen Fußballkult in einem platten Aufguss. Dass Neapel Symbol für das arme Europa ist, bleibt der hochnäsigen Spötterin taz gleichgültig. Ebenso, dass Neapel dem „Trump Italiens“, Matteo Salvini und seiner rassistischen Lega Nord innenpolitisches Feindbild ist. Die höhnischen Ergüsse des taz-Buchverrisses könnten faschistoide Lega-Nord-Ideologen beinahe direkt auf ihren braunen Facebook-Hetzplatz stellen, der Salvini zu einem der erfolgreichsten Rechtspopulisten der EU machte. Die politischen Aspekte des Buches und von von Maradonas Leben will die taz lieber nicht besprechen und beendet die Buchkritik mit einer abschätzigen Wiederholung von billigen Diffamierungen:

„Drogenabstürze, Mafia-Connection, sein körperlicher Verfall, sein Machogehabe – all das wird als fast religiöse Leidensgeschichte miterzählt von einem, der stolpern musste... Nach seinem Tod jedenfalls ist der Spott über den abgehalfterten Dicken mit dem Che-Guevara-Tattoo beendet. Und ewig leuchtet das jugendliche Konterfei des Goldjungen zumindest auf den Straßen und Plätzen Neapels.“ (taz)

Die taz will offenbar allein für sich reklamieren, über den Tod hinaus billigsten Spott auf einen Jahrhundertsportler zu spucken. Dieser Hass kommt nicht von ungefähr, es ist vielleicht schlechtes Gewissen ob der eigenen Korrumpierbarkeit. Denn der laut taz „abgehalfterte Dicke“ Maradona hatte sich, anders als die transatlantisch eingenordete taz, nicht von der dominierenden Mainstream-Medien-Propaganda einnehmen lassen. Seine Unterstützung galt bis zuletzt den Linken Lateinamerikas. Ein ins Buch integriertes Kapitel von Lateinamerika-Kenner Andre Scheer streicht dies faktenreich heraus:

„Die Unterstützung Maradonas für Maduro kam nicht überraschend. Aus seiner Bewunderung für Hugo Chavez hatte er schon seit Jahren keinen Hehl gemacht und fühlte sich an dessen Aufruf gebunden, nun Maduro zu unterstützen. Kennengelernt hatte er Chavez durch Fidel Castro, und ihren ersten gemeinsamen Auftritt vor der Öffentlichkeit hatten beide im November 2005 im argentinischen Mara del Plata. Dort fand der IV. Amerika-Gipfel statt, bei dem die Amerikanische Freihandelszone ALCA/FTAA aus der Taufe gehoben werden sollte. Das Treffen wurde jedoch zu einer historischen Niederlage für US-Präsident George W. Bush, der sich plötzlich mit dem Widerstand linksgerichteter Staatschefs unter Führung des argentinischen Präsidenten Nestor Kirchner und von Hugo Chavez gegenüber sah.“ (Scheer in Jäger S.192)

Maradona setzte sich mit Castro, Chavez und Evo Morales, der bald Boliviens Präsident werden sollte, für das Konkurrenzprojekt der Linken ein: ALBA, ein nicht von den USA dominiertes Staatenbündnis, das Chavez initiiert hatte. Maradona stand auch noch im von den USA massiv von außen manipulierten Wahlkampf an der Seite Maduros, bis kurz vor seinem Tod unterstützte er Maduro gegen den von USA und EU bejubelten Möchtegern-Diktator Guaido. So beschreibt es Andre Scheer in Glenn Jägers Buch („Ein 'Soldat Venezuelas': der Chavista Maradona“). Der Westen hatte Guaido, nach dessen usurpatorischer Selbstkrönung zum Präsidenten Venezuelas gegen jedes Völkerrecht anerkannt. Der bis zuletzt überzeugte Peronist Diego Maradona starb erst 60jährig am 20.11.2020.


Glenn Jäger, *1971, Studium der Anglistik und Sozialwissenschaften. Verlagstätigkeit, aktiver Fußballer in der Betriebssport-Liga Bonn.

 
Glenn Jäger: Diego Maradona: In den Farben des Südens




Paperback, 263 Seiten, Papyrossa, Köln 2021, mit einem Beitrag von André Scheer, Lateinamerika-Kenner und Autor von »Che Guevara – Basiswissen«. Hier bestellen

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