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Aktueller Online-Flyer vom 27. Dezember 2024  

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Kultur und Wissen
Gespräch mit der Betreiberin der Internet-Plattform "Sicht vom Hochblauen"
Für mich gibt es nur noch die Einstaatenlösung
Evelyn Hecht-Galinski – interviewt von Muslim-Markt

Muslim-Markt hat im Februar 2022 ein Interview mit Evelyn Hecht-Galinski, der Betreiberin der Internet-Plattform "Sicht vom Hochblauen", geführt. Zentrales Thema sind die katastrophalen Zustände im von Israel beherrschten Palästina. Evelyn Hecht-Galinski bringt zum Ausdruck, wie sich diese Situation zum Guten verändern muss. "Meine Utopie habe ich im Laufe der Jahre oft erwähnt... Für mich gibt es nur noch die Einstaatenlösung. Natürlich will ich mir nicht anmaßen, über die Palästinenser zu entscheiden. Aber die Einstaatenlösung mit allen Ethnien, mit allen Religionen und allen gleichberechtigten Bürgern scheint mir die einzige realisierbare Lösung für eine friedliche Zukunft... Wir brauchen einen Staat, in dem sich die Bürger wohl fühlen mit Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit, ohne Angst, dass man wegen seiner Religion oder Herkunft Repressionen erleidet. Das sind für mich selbstverständliche demokratische Werte. Und so stelle ich mir auch die zwangsläufige Zukunft für Palästina vor." Es folgt das komplette Interview.


MM: Sehr geehrte Frau Hecht-Galinski, es sind inzwischen 10 Jahre her, dass wir unser erstes Interview mit Ihnen veröffentlichen durften. Was hat sich seither für die Palästinenser verändert?


Hecht-Galinski: Wie schnell die Zeit vergeht. Seither ist zumindest für die Palästinenser alles schlimmer geworden. Die Besatzung hat sich ausgeweitet. Die Zahl der durch die Besatzer ermordeten Palästinenser nimmt immer weiter zu, darunter viele Frauen und Kinder. Die westliche Unterstützung für die Apartheidpolitik ist immer heftiger geworden. Die Verzweiflung der Palästinenser hat zugenommen und ein Ausweg scheint in immer weiterer Entfernung zu liegen.

MM: Aber Netanjahu ist doch inzwischen in Israel nicht mehr an der Macht, hat das keine Auswirkungen gehabt?

Hecht-Galinski: Doch sicher hat das Auswirkungen gehabt. Naftali Bennett ist eine erneute Steigerung zu Netanjahu. Dieser als "Siedlerkönig" bekannte Nachfolger hat sich ja damit gebrüstet, eigenhändig viele Araber umgebracht zu haben. Er hat damit geprahlt, dass es unter ihm niemals einen Palästinenserstaat geben wird. Was also kann von so einem Staat erwartet werden? Schließlich wird er von einer deutschen Bundesregierung, die immer stets an der Seite Israels steht, völlig unabhängig davon, welche Verbrechen begangen werden, unterstützt. Wer glaubt denn daran, dass Israel jemals wieder zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht zurückkehren wird?

MM: Das klingt ja fast sarkastisch?

Hecht-Galinski: Vielleicht ist das ein Abwehrmechanismus, um das zu verkraften, was dieser "jüdische Staat" der Welt und uns Deutschen aufbürdet. Gerade erst habe ich gelesen wie zahlreiche Mitarbeiter der Deutschen Welle (DW) wegen angeblichem Antisemitismus ihren Job verloren haben und weitere sollen folgen. Das waren teils arabisch-stämmige Mitarbeiter, welche die unaufhörlichen "Lobpreisungen" auf Israel nicht mittragen wollten und Kritik an der Apartheid und den unhaltbaren Zuständen hatten. Aber jegliche Kritik, die den wahren Kern des Konflikts angreift, nämlich, dass Apartheid in Israel inzwischen so offensichtlich und unbestreitbar ist, also Israel ein jüdischer Apartheidstaat ist, wird rigoros unterdrückt. In diesem Fall, wie auch in ähnlichen Fällen, wird auch mit der "Kaltstellung" oder Entlassung von Mitarbeitern reagiert. Und das regt mich auf. Anstatt diejenigen zu entlassen, die jedes Verbrechen Israels mittragen und schön reden, werden die entlassen, die auf wahre Missstände hinweisen. Sie kennen ja die "besonderen" Richtlinien der Springer-Presse, die jeder Mitarbeiter vertraglich akzeptieren muss, faktisch im "jüdischen Interesse" und im Interesse Israels zu schreiben. Und es macht mich wirklich wütend, wenn die öffentlich-rechtliche Repräsentanz Deutschlands (DW) in der weltweiten Medienlandschaft diese unhaltbaren Richtlinien zum Schutz eines Apartheidstaates durch die Hintertür den eigenen Mitarbeitern aufzwingt.

MM: Müsste die Deutsche Welle nicht weltweit deutsche Interessen vertreten?

Hecht-Galinski: Das müsste man die Deutsche Welle einmal selbst fragen. Jetzt sollen alle Mitarbeiter das Existenzrecht Israels anerkennen. Wie kann man verlangen, das Existenzrecht eines Staates anzuerkennen, der keine festgelegten Grenzen hat, der sich jeden Tag ausdehnt, der skrupellos ethnische Säuberungen und Judaisierung betreibt? Wie kann ein anständiger Journalist das Existenzrecht eines Apartheidstaates unterstützen? Alle staatlichen oder halbstaatlichen Sender wie RT in Russland oder TRT der Türkei und ähnliche Sender vertreten zunächst die Ansicht und Interessen des eigenen Landes. Nur die Deutsche Welle soll nicht die Interessen Deutschlands sondern die Interessen Israels vertreten? Die Folge ist eine Unglaubwürdigkeit und Ansehensverlust Deutschlands in Großteilen der Welt, weil wir uns an die Seite eines Apartheidstaates begeben. Wir sollen also die Werte Israels vertreten und damit die Apartheid?

MM: Warum lässt sich Deutschland so demütigen?

Hecht-Galinski: Vielleicht weil Deutschland kein souveräner Staat ist oder weil unsere Machthaber Abhängigkeitsverhältnisse haben, die wir nicht kennen? Haben Sie nicht gesehen, wie unser Bundeskanzler Scholz wie ein artiger Schuljunge neben seinem "Lehrer" Biden stand, als dieser verkündete, dass die Pipeline Nord-Stream 2 nicht in Betrieb genommen wird, falls Russland die Ukraine angreift. Seit wann bestimmen die USA darüber, welche Energienquellen wir nutzen und welche unserer Pipelines ein- oder abgeschaltet werden? Aber Scholz stand daneben, stumm als "Befehlsempfänger" seines "Chefs". Diese Anmaßung des US-Präsidenten, hat erneut bewiesen, wie es um die wahren Machtverhältnisse bestimmt ist. Wer noch nicht verstanden hat, dass wir nicht souverän sind, sondern ein Vasall, konnte es live im Fernsehen miterleben. Und das betrifft eben auch die deutsche Haltung zum Verhältnis zum "jüdischen Staat".

MM: Stichwort Apartheid: Historisch waren die Briten maßgeblich an der Gründung Israels und der Vertreibung der Palästinenser beteiligt. Und über sieben Jahrzehnte standen fast alle britischen Organisationen mehr oder weniger hinter Israel. Jegliche Kritik von Amnesty International bezüglich der Menschenrechtsverbrechen waren punktuell. Wie ist es zu verstehen, dass ausgerechnet jene Organisation nun einen bis auf die Gründerzeit zurückgehenden Rückblick startet und Israel zum Apartheidstaat erklärte?


Hecht-Galinski: Endlich hat Amnesty den Mund aufgemacht. Letztendlich haben sie das bestätigt, was wir schon seit Jahren sagen und was alle, die sich der Thematik verbunden fühlen, ohnehin wussten. Viele andere Organisationen haben das schon längst gesagt. Amnesty ist diesbezüglich eher als sehr spät einzustufen. Aber lieber zu spät als nie! Allerdings ist es mehr als beschämend, dass die deutsche Sektion sich davon mehr oder weniger distanzierte und einen Passus hinzufügte. Sie fühlte sich bemüßigt aufgrund unserer eigenen Vergangenheit so zu handeln. Allerdings, faktisch bleibt aber alles beim Alten. Alle zaghaften Kritik-Versuche der Politik, wie eine Feigenblatterklärung, dass der völkerrechtswidrige Siedlungsbau kontraproduktiv sei, führt ja zu keinerlei Konsequenzen, die den "jüdischen Staat" besorgt machen müsste. Aber wenn sich die Russen die Krim, die ja historisch immer russisch war, einverleiben, gibt es Sanktionen über Sanktionen. Dabei gibt selbst der eingefleischte Transatlantiker Klaus von Dohnanyi in seinem neuen Buch zu, dass die Krim historisch zu Russland gehört. Aber wenn Israel sich den Golan einverleibt und annektiert, ein Gebiet das immer Syrisch war, gibt es keinerlei Maßnahmen gegen Israel. Diese Doppelmoral zieht sich durch die gesamte deutsche und westliche "Werte"-Politik bezüglich Israel. Amnesty musste jetzt reagieren, weil die Apartheid nicht mehr zu verheimlichen ist. Und Amnesty hätte sich insgesamt unglaubwürdig gemacht, wenn es die nicht mehr zu übersehende Unterdrückung der Palästinenser, die täglichen Demütigungen, die Ermordungen, die Vertreibungen usw. weiterhin nur punktuell betrachtet hätte. Wir sind inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem Südafrikaner, wie der verstorbene Bischof Desmond Tutu, sowie jüdische Anti-Apartheidaktivisten, die es wirklich wissen müssen und erlebten, was Apartheid bedeutet, heute sagen, dass die Apartheid in Israel inzwischen viel schlimmer ist, als sie jemals in Südafrika war. Da müssten doch alle Alarmglocken schrillen.

MM: Genau so ungewöhnlich wie Amnestys Vorstoß war die Reaktion vieler Staaten darauf, denn es kommt selten vor, dass Amnesty einen Staat kritisiert und mehrere Regierungen anderer Staaten jenem Staat zur Hilfe eilen, insbesondere die Bundesregierung.

Hecht-Galinski: Von der Bundesregierung habe ich nichts anderes erwartet. Wenn es um Israel geht, dann werden alle eigenen "Werte" außer Kraft gesetzt und dann wird eine Art der Unterwerfung für zionistische Interessen nicht nur praktiziert, sondern auch von jedem abverlangt. Wer dem nicht nachkommt, der wird automatisch als Antisemit diffamiert. Willkommen im Club! Mit diesem falschen Ansatz werden abweichende Meinungen auf Linie getrimmt und jegliche Kritik im Keim erstickt. Das ist meines Erachtens genau der falsche, ein geradezu gefährlicher Ansatz. Aufgrund unserer eigenen deutschen Geschichte sind wir mehr als alle anderen verpflichtet gegen Menschenrechtsverbrechen und Apartheid aufzuschreien. Wir sind verpflichtet an der Seite der Unterdrückten zu stehen und nicht an der Seite der Unterdrücker.

MM: In die letzten zehn Jahre fällt auch das neue Nationalstaatsgesetz Israel. Wie ist das zu bewerten?


Hecht-Galinski: Das Nationalstaatgesetz ist der festgeschriebene Beweis und die Manifestierung des Apartheidsystems. Es würde den Rahmen dieses Interviews sprengen, wenn ich auf alle Details eingehen würde. So wurde vor etwa zwei Wochen das so genannte Staatsbürgerschaftsgesetz in erster Lesung verabschiedet, dadurch soll verhindert werden, dass Palästinenser die mit israelischen Staatsbürgern verheiratet sind, automatisch die Zugehörigkeit oder einen Wohnsitz in Israel erhalten können. Aber allein die Tatsache, dass ein Jude eine Palästinenserin nicht heiraten darf, ist doch eine Politik, die alle unsere "Werte" mit Füßen tritt. Diese Gesetze sind nichts anderes als "Rassegesetze", unter so vielen anderen diskriminierenden "Rassegesetzen" im "jüdischen Staat". Das ist eine traurige und empörende Tatsache und das muss auch so genannt werden, damit das Ausmaß dessen deutlich wird. Aus diesem Grund kann und darf ich diese schändliche Politik nicht mittragen. Deutsche Staatsbürger dürfen solche Verbrechen nicht schweigend hinnehmen. Die Politiker dürfen nicht in meinem Namen alle diese Verbrechen mittragen. Immer wieder wird der Holocaust als Argument bemüht. Ich leugne doch den Holocaust nicht. Ich bringe sogar dafür Verständnis auf, wenn in einigen wenigen Ländern wie Deutschland die Holocaust-Leugnung unter Strafe steht. Aber dann stellt sich mir ebenso die Frage, warum wird nicht auch die Nakba-Leugnung geahndet? Die Nakba ist die Katastrophe, welche die Palästinenser erleiden mussten, als sie Opfer der ethnischen Säuberung während der Staatsgründung durch Israel geworden sind, also eben auch indirekte Opfer des Holocaust. Warum dürfen alle überzeugten Zionisten die Nakba auch in Deutschland ungestraft leugnen oder relativeren? Es gibt doch nicht nur ein historisches Leid von Juden, selbst wenn die Ausmaße nicht vergleichbar sind. Aber das Leid der Palästinenser seit fast einem Jahrhundert wird in Teilen Israels und von vielen eingefleischten Zionisten geleugnet, weil es das Selbstverständnis auf der Seite des Guten zu stehen, unterminieren würde.

MM: Die folgende Frage haben wir Ihnen bereits vor 10 Jahren gestellt aber wollen sie wiederholen. Ihr damaliges Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" wirf immer noch - und das in der x-ten Generation - die Frage auf, warum Deutschland so uneingeschränkt jedes Verbrechen Israels sowohl moralisch als auch durch massive Waffenverkäufe und zuweilen Waffengeschenke mitträgt. Haben Sie eine Antwort darauf?

Hecht-Galinski: Leider haben sich alle meine Hinweise aus dem damaligen Buch nicht nur immer klarer verdeutlicht, sondern es ist noch viel schlimmer geworden. Das schlechte Gewissen kann durch eine Art kollektive Traumatisierung auch weiter vererbt werden. Ich bin ja gar nicht dagegen, dass das reiche Deutschland an die Opfer Entschädigung zahlt. Aber die bisherigen Zahlungen Deutschlands sind doch nur in begrenztem Ausmaß bei den wahren Opfern angekommen. Der "jüdische Staat" hat die Gelder doch hauptsächlich für Waffen und Ähnliches genutzt. In Israel leben viele Holocaust-Opfer unter elenden Umständen und erleiden Armut. Wo sind viele der "Wiedergutmachungs"-Zahlungen" geblieben? Viele Gelder sind in Skandalsümpfen verschwunden. Was mich ärgert, ist die Instrumentalisierung des Holocaust, wie es Norman Finkelstein so treffend in seinem Buch "Holocaust-Industrie" beschrieben hat. Allerdings ist in den USA immer mehr zu beobachten, dass sich junge Juden öffentlich distanzieren vom "jüdischen Staat", seiner Lobby und seinen Methoden. Nur in Deutschland geschieht das bedauerlicherweise noch nicht so häufig und öffentlich. Aber warum haben wir wohl gerade in Berlin so viele Juden, die größtenteils aus Israel ausgewandert sind? Hängt das nicht eben auch damit zusammen, dass sie nichts mehr mit jenem Staat zu tun haben wollen oder zumindest nicht bereit sind, sich selbst für ein Apartheidsystem aufzuopfern?

MM: Der Einfluss hängt wohl auch damit zusammen, dass Israel über sehr starke Lobby-Organisationen verfügt.

Hecht-Galinski: Ja, es regt mich auf, dass wir einen Zentralrat der Juden haben, dessen Aufgabe sich um deutsche Juden zu kümmern und das Judentum bekannt zu machen sein sollte. Aber was macht er? Er betreibt nichts als israelische Staatspolitik. Wenn eine türkische oder russische religiöse Organisation in Deutschland sich positiv über den jeweiligen Staat äußert, wird er sofort in die Schranken verwiesen. Aber der Zentralrat darf wie Israel alles. Wenn ich dann auch noch sehe, wie die gesamte deutsche Politik sich für den in Russland so unbedeutenden Navalny einsetzt und alle Medien mitspielen, frage ich: Warum hat noch nie ein deutsche Politiker sich für einen der palästinensischen Gefangenen eingesetzt, die teilweise ohne jegliche Anklage monatelang in israelischen Gefängnissen festgehalten werden. Hatte sich nicht die grüne Außenministerin Baerbock während des Wahlkampfs für Julian Assange eingesetzt und sogar zu Recht Asyl in Deutschland für ihn gefordert? Was ist daraus geworden? Das ist doch keine "Werte"-Politik der deutschen Ampel-Regierung sondern im wahrsten Sinn des Wortes wertlos und heuchlerisch.

MM: Was ist Ihre Utopie für Israel, denn von der so genannten Zweistaatenlösung spricht außer der Bundesregierung und anderen unseriösen Akteuren in dieser Hinsicht kein ernst zu nehmender Analyst mehr?


Hecht-Galinski: Meine Utopie habe ich im Laufe der Jahre oft erwähnt. Ich wünsche mir, dass wir uns in einem befreiten Jerusalem treffen. Für mich gibt es nur noch die Einstaatenlösung. Natürlich will ich mir nicht anmaßen, über die Palästinenser zu entscheiden. Aber die Einstaatenlösung mit allen Ethnien, mit allen Religionen und allen gleichberechtigten Bürgern scheint mir die einzige realisierbare Lösung für eine friedliche Zukunft. Denn selbst wenn die arabischen Kollaborateure, die Israel im Parlament und der Regierung mit einsetzt, den Apartheidstaat nicht sehen wollen, so sieht es inzwischen die Welt, selbst Bevölkerungen der Staaten, die Israel massiv unterstützen. Der "jüdische Staat" muss zu einem demokratischen Staat für alle seine Bürger werden. Das ist einzige Lösung, die noch akzeptabel ist, wenn überhaupt noch ein Zusammenleben möglich sein könnte und als Zukunftsmodell machbar. Ansonsten wird es nur einen immer schlimmer werdenden Apartheidstaat geben, der nur dank der Unterstützung durch die USA und Deutschlands dahinvegetieren wird. Das wäre eine Katastrophe. Angesichts meines Lebensalters schwindet aber meine Hoffnung, dass ich noch eine Änderung der Zustände miterleben werde.

MM: Aber bei Ihrem Modell wären die Juden nach heutigen Stand in der Minderheit.

Hecht-Galinski: So what! Das ist doch irrelevant. Andere Staaten müssen solch eine Situation doch auch meistern. Schauen Sie auf Deutschland. Wir haben es mit einer überalterten Gesellschaft zu tun und bekommen zu wenig Kinder. Ich selbst habe auch keine Kinder. Die ausgebildeten Arbeitskräfte fehlen und werden immer weniger. Wer wird in Zukunft ein tragfähiges Rentensystem sichern? Da ist doch die einzige Lösung Einwanderung. Wir brauchen diese jungen Menschen. So sind wir ein Einwanderungsland und wir werden uns zwangsläufig mit anderen mischen. Das würde mir keine Kopfschmerzen bereiten, wenn wir uns auf gewissen Rahmenbedingungen einigen, bei der alle Bürger gleiche Rechte genießen und gleiche Pflichten haben. Es wird doch in Deutschland niemals einen reinen "Muslimstaat" oder reinen "Christenstaat", "Judenstaat" oder "Atheistenstaat" geben. Wir brauchen einen Staat, in dem sich die Bürger wohl fühlen mit Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit, ohne Angst, dass man wegen seiner Religion oder Herkunft Repressionen erleidet. Das sind für mich selbstverständliche demokratische Werte. Und so stelle ich mir auch die zwangsläufige Zukunft für Palästina vor.

MM: Auf Ihrer Plattform "Sicht vom Hochblauen" sammeln Sie die Artikel von teils hochrangigen Autoren zum Thema. Warum heißt die Seite eigentlich so?

Hecht-Galinski: [lacht] Das kann ich Ihnen erklären. Wir wohnen an einem Berg, der "Hochblauen" heißt. Er ist sozusagen unser Hausberg. Ursprünglich hieß die Plattform "Sicht aus dem hinteren Kandertal". Daraus habe ich später "Sicht vom Hochblauen" gemacht. Unter diesem Namen ist die Plattform inzwischen so bekannt, dass es bei diesem Namen geblieben ist und bleibt. So sitze ich hier oben, und kann meine Sicht verbreiten.

MM: Frau Hecht-Galinski, wir bedanken uns für das Interview.


Evelyn Hecht-Galinski wurde 1949 in Berlin geboren und besuchte dort die Waldorfschule. Nach ihrer Eheschließung mit ihrem jüdischen Ehemann Benjamin Hecht 1972, führten beide zusammen mit viel Freude und Einsatz einen eigenen Textilvertrieb namens Hecht-Design. Seit ihrer gemeinsamen Privatisierung leben sie im südbadischen hinteren Kandertal und genießen die Toskana Deutschlands in der Nähe zu Frankreich und der Schweiz. Sie haben keine Kinder.

Evelyn Hecht-Galinski hat sich das Lebensmotto ihres Vaters, Heinz Galinski zu eigen gemacht: "Ich habe Auschwitz nicht überlebt um zu neuem Unrecht zu schweigen". Sie sieht es auch aus diesem Grund als ihre eigene Verpflichtung an, wenn die israelische Regierung Menschenrechtsverletzungen an den Palästinensern in Form von Vertreibung, Enteignung und Besatzung begeht, nicht zu schweigen. Sie wehrt sich dagegen, dass der so genannte jüdische Staat im Namen aller Juden spricht. Sie legt Wert darauf, dass sie sich als unabhängige Kritikerin der israelischen Unrechtspolitik für einen gerechten Frieden für Israel/Palästina einsetzt. Auch aus diesem Grund ist es ihr eine Herzensangelegenheit am Globalem Marsch nach Jerusalem 2012, von Beirut aus, mit ihrem Mann teilzunehmen. Dazu reist sie einen Tag nach dem Interview ab. Frau Hecht-Galinski ist als Publizistin tätig und schreibt regelmäßige ausführliche Kommentare. Sie hat im Jahr 2012 auf der Leipziger Messe ihr Buch: "Das elfte Gebot, Israel darf alles", mit einem Vorwort von Ilan Pappe und einem Nachwort von Gilad Atzmon vorgestellt (TZ Verlag und sofort im Buchhandel für Euro 17,90 erhältlich). Frau Hecht-Galinski weist ausdrücklich daraufhin, dass sie alle Honorare immer zu 100% spendet und gespendet hat, an Organisationen und Einrichtungen, die sich für diese Ziele einsetzen da sie es ablehnt mit der "Palästina Solidarität" Geld zu machen. So kam es vor rund 10 Jahren zum ersten Interview mit Frau Hecht-Galinski.

Seither betreibt sie immer intensiver ihre eigene Homepage mit dem Titel "Sicht vom Hochblauen". Dort veröffentlicht sie nicht nur in regelmäßigen Abständen ihre eigenen Artikel, Analysen und Kommentare sowie Aufforderungen an die Bundesregierung die Menschenrechtsverletzungen Israels zu berücksichtigen, vielmehr hat sich die Plattform inzwischen zu einem Publikationsmedium unzähliger Autoren entwickelt, deren Texte Frau Hecht-Galinski zusammenträgt.


Mit Dank übernommen von Muslim-Markt – dort veröffentlicht am 22. Februar 2022

Online-Flyer Nr. 787  vom 09.03.2022



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