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Globales
Kundgebung ALLE FÜR ASSANGE in Duisburg am 19. März 2022
George Orwell: "In einer Zeit der Täuschung ist es ein revolutionärer Akt, die Wahrheit zu sagen"
Rede von Birgit Naujeck

Imperiale Mächte verzeihen jenen nicht, die ihre Schwächen aufdecken oder das schmutzige und unmoralische Innenleben des Imperiums öffentlich machen. Imperien sind zerbrechliche Konstruktionen. Ihre Macht ist ebenso sehr eine Frage der Wahrnehmung wie der militärischen Stärke. Die Tugenden, die sie zu wahren und zu verteidigen vorgeben, sind eine Maske für Plünderungen, die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte, wahllose Gewalt und Staatsterror. Das US-amerikanische Imperium, das durch die von WikiLeaks veröffentlichten internen Dokumente beschädigt und gedemütigt wurde, wird Julian Assange aus diesem Grund für den Rest seines Lebens verfolgen. Es spielt keine Rolle, wer gerade Präsident ist – Obama, Trump, Biden – oder welche politische Partei an der Macht ist. Denn Imperialisten sprechen grundsätzlich mit einer Stimme.


Birgit Naujeck (Fotos: arbeiterfotografie.com)

Assange, der Gründer von WikiLeaks – einer Website, die geheime Informationen, Nachrichtenlecks und Verschlusssachen aus anonymen Quellen veröffentlicht – wurde am 11. April 2019 unter dem Vorwurf verhaftet, der Geheimdienstanalystin der US-Armee, Chelsea Manning, geholfen zu haben, Zugang zu mehr als 700 000 geheimen Militärdokumenten zu erhalten und diese an die Öffentlichkeit zu bringen, in denen die US-Regierung und ihr Militär als rücksichtslos, als unverantwortlich, dafür aber verantwortlich für den Tod Tausender von Zivilisten dargestellt werden.

Zu dem durchgesickerten Manning-Material gehören das Video Collateral Murder (April 2010), die Afghanistan-Kriegsprotokolle (Juli 2010), die Irak-Kriegsprotokolle (Oktober 2010), eine Viertelmillion diplomatischer Kabel (November 2010) und die Guantánamo-Akten (April 2011).

Um es noch einmal kurz auszuführen und in unser Gedächtnis zurückzurufen: Das Leck bei „Collateral Murder“ enthielt Videoaufnahmen von zwei US-Hubschraubern des Typs AH-64 Apache, die an einer Reihe von Luft-Boden-Angriffen beteiligt waren, während die Besatzung über einige der Opfer lachte. Zu den Opfern gehörten zwei Reuters-Korrespondenten, die niedergeschossen wurden, nachdem ihre Kameras fälschlicherweise für Waffen gehalten wurden, sowie ein Fahrer, der anhielt, um einem der Journalisten zu helfen. Die beiden Kinder des Fahrers, die sich zufällig in dem Lieferwagen befanden, als dieser von den US-Streitkräften beschossen wurde, erlitten schwere Verletzungen.

In wahrer Orwell’scher Manier möchte uns die US-Regierung glauben machen, dass Assange und Manning die wahren Verbrecher sind, weil sie es gewagt haben, die Schattenseiten der Kriegsmaschinerie aufzudecken.

Die jahrelange Unterdrückung von Julian Assange und WikiLeaks zeigt allein schon, wie ernst die neoliberalen Angriffe auf Andersdenkende geworden sind. Viele sind sich der wichtigsten Teile dieser Unterdrückung bewusst … aber sie haben einige der extremsten Aspekte vergessen oder aufgrund von Medienverfehlungen nie erfahren.

Während das Obama-Justizministerium unter Generalstaatsanwalt Eric Holder keine Beweise für kriminelle Handlungen finden konnte, nachdem es eine jahrelange Untersuchung durch eine Grand Jury einberufen hatte, gelang es dem damaligen Vorsitzenden des Senatsausschusses für Innere Sicherheit, Senator Joseph Lieberman, Finanzdienstleister wie MasterCard, Visa, PayPal und die Bank of America unter Druck zu setzen, die Konten von WikiLeaks zu kündigen und sie damit aus dem Finanzsystem zu verbannen, was ihre Fähigkeit, Gelder von Unterstützern zu erhalten oder ihre Rechnungen zu bezahlen, abwürgte.

Lieberman und seine neokonservativen Verbündeten setzten auch Amazon unter Druck, WikiLeaks von seinen Hosting-Diensten zu entfernen, was dazu führte, dass die Whistleblower-Gruppe vorübergehend offline war.

All dies führte dazu, dass WikiLeaks nicht mehr operieren konnte, obwohl es keiner Straftat angeklagt war: Wie das Justizministerium zugab, konnte es nicht beweisen, dass die Gruppe Straftaten begangen hatte, und dennoch wurde diese außergesetzliche Strafe verhängt.

Wie kann das sein, wie kann ein Rechtsstaat außerhalb seiner Gesetze agieren, wo sind die Medien, wo die Justiz? Wo ist der Aufschrei der Masse? Alle ducken sich weg!

Wenigstens die vierte Macht im Staat – die Medien – hätte sich zu Wort melden müssen. Aber nichts. Der Großteil der Medien zeigt sich willfährig und schreibt, wenn überhaupt, im Sinne der globalen Elite. Und jeder, der die mainstream Medien, die Öffentlich-Rechtlichen und den Rest der offiziellen Medien liest, sieht und hört, betreibt mittlerweile Selbsthirnwäsche, Selbstindoktrination und macht sich selbst blind, dumm und akzeptabel für die Tyrannei.


Kundgebung ALLE FÜR ASSANGE

Glen Greenwald hat immer wieder darauf hingewiesen, dass mainstream Journalisten dabei sind, sich selbst zu zerstören. „Seit langem fordern diese Narren eine Zensur, die ihnen selbst den Mund verbietet. Sie bestehen darauf, dass Journalisten, die recherchieren und die Wahrheit sagen, keine echten Journalisten sind, sondern Verschwörungstheoretiker, die das offizielle Narrativ diskreditieren“, so Greenwald.

Und weil der mainstream Journalismus nicht mehr nachfragt, mitdenkt, korrupt ist und Geld für entsprechende Berichterstattung -z. B. von der Bill&Melinda Gates Foundation -nimmt, können auch weiterhin die Journalistenschulen und Universitäten vom Tiefen Staat unterwandert werden; Unternehmen wie die CIA mit ihrem Risikokapitalfonds In-Q-Tel ohne Scheu start-ups wie WePlot für Unternehmensjournalisten gründen und finanzieren; können BigTech Unternehmen des Silicon Valley mittels Algorithmen die vom Imperium genehmigten Narrative hervorheben oder im Auftrag einer Regierung Inhalte ihrer Plattformen löschen. All das ist nicht nur heute möglich, es findet stetig statt – der Bürger ist derweil im Konsumrausch und plant die nächste Reise.

In wahrer Orwell’scher Manier möchte uns die US-, aber auch die deutsche Regierung glauben machen, dass Assange und Manning die wahren Verbrecher sind, weil sie es gewagt haben, die Schattenseiten der Kriegsmaschinerie aufzudecken. Warum hat Deutschland Assange oder auch Snowden kein Asyl gewährt?

Wenn, wie ich ausgeführt habe, nichts gegen Assange vorliegt, wieso sitzt er dann in einem Hochsicherheitsgefängnis in England? Assange, der vorher in der ecuadorianischen Botschaft in London politisches Asyl gefunden und die ecuadorianische Staatsangehörigkeit angenommen hatte, wurde nach siebenjährigem Aufenthalt dort, Asylrecht und Staatsangehörigkeit entzogen und er anschließend von der britischen Polize festgenommen.

Laut Greenwald wurde die Festnahme von Assange dadurch ausgelöst, dass er die Gewalt der spanischen Regierung gegen die Bürger Kataloniens in den Jahren 2017 und 2019 anprangerte. Katalonien wollte Autonomie von der spanischen Regierung in Madrid, und die Regierung reagierte mit schockierender Gewalt.

„Spanien behandelte die Aktivisten nicht als einheimische Demonstranten, die ihre Bürgerrechte ausübten, sondern als Terroristen, Aufwiegler und Aufrührer“, schreibt Greenwald. „Mit Gewalt wurden die Katalanen in Massenverhaftungen zusammengetrieben, und ihre Anführer wurden wegen Terrorismus und Aufruhr angeklagt und zu langen Haftstrafen verurteilt.“

Assange hat sich nicht wirklich für die katalanische Unabhängigkeit ausgesprochen. Er wandte sich gegen die gewaltsamen Angriffe der spanischen Regierung auf die bürgerlichen Freiheiten. Aus diesem Grund hob Ecuador das Asyl für Assange auf und übergab ihn im April 2020 an die britischen Behörden. Seitdem wird Assange in einem Hochsicherheitsgefängnis in Belmarsh festgehalten, obwohl er nie wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist.

Dort wartet er im Grunde genommen auf seine Auslieferung an die USA, wo er im Falle einer Verurteilung zu 175 Jahren Haft verurteilt werden könnte. Eine juristisch einwandfreie Rechtssprechung im angloamerikanischen und übrigen westlichen Raum ist nicht möglich – auch weil die meisten Menschen desinteressiert an der Wahrheit sind, unsolidarisch mit denjenigen, die uns die Wahrheit sagen und die mainstream Medien immer nur so berichten, wie es von der globalen Elite erwartet wird.

Auch dürfen wir dabei nicht vergessen, dass die britische Regierung „ein Gesetz zur Bekämpfung staatlicher Bedrohung als Reform und Verschärfung früherer Spionagegesetze“ vorschlägt. Die Briten machen damit klar, dass parallel zur fortschreitenden Überwachung der Bürger und zur Datensammlung der IT-Konzerne die sicherheitspolitischen und digitalen Machtzentralen und Maschinenräume immer stärker jede Transparenz zu verhindern suchen.

Das Gesetz soll nach der Regierung die Spionagegesetze „modernisieren“ und den neuen Bedrohungen anpassen, es soll neue Straftatbestände einführen und Mittel und Kompetenzen schaffen, „feindliche Aktivitäten in und gegen UK aufzuspüren, abzuwehren und zu stören“, und es soll die Möglichkeiten verbessern, „offizielle Daten zu schützen und sicherzustellen, dass die damit verbundenen Straftaten die größere Leichtigkeit reflektieren, mit der erheblicher Schaden angerichtet werden kann“.


Birgit Naujeck

Eine Zielrichtung ist klar: Es geht um die staatliche Kontrolle des Informationsraums, die Kontrolle des Journalismus und die Verfolgung von Whistleblowers, um Leaks zu verhindern. Man darf dabei an Julian Assange denken, der in Isolationshaft im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gefangen gehalten wird, während der Prozess um seine Auslieferung an die USA aufgrund der Anklagen nach dem Spionagegesetz läuft.

Die Regierung ist denn auch der Ansicht, dass für die Schwere des Tatbestands keinen Unterschied zwischen Spionage und den „schlimmsten unautorisierten Veröffentlichungen“ notwendig sei, wie das noch der Official Secrets Act 1989 machte. Damit würde im Prinzip auch investigativer Journalismus als Spionage behandelt und bestraft werden können. Journalisten und ihre Quellen müssten mit scharfen Strafen rechnen und würden zu Kriminellen gemacht, so Karin Wahl-Jorgensen, Professorin für Journalismus an der Cardiff University.

Für Whistleblower, die Regierungsgeheimnisse im öffentlichen Interesse bekannt geben, wären ja Schutzvorkehrungen vorhanden, versichert das britische Innenministerium zynisch. Sie könnten ja intern, gegenüber dem Kabinettbüro oder gar den Geheimdienstchefs ihre Bedenken äußern, ohne die Informationen veröffentlichen zu müssen. Und Pressefreiheit sei schon wichtig, aber jemand, der Regierungsgeheimnisse veröffentlichen will, werde schwerlich, so das Innenministerium, richtig beurteilen können, ob das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung die Risiken überwiegt. Zudem soll neben Bestechung nun auch die Verbreitung von Desinformation unter das neue Spionagegesetz fallen. So richten sich Regierungen zunehmend in einem Vorkriegszustand, in einen Kalten Krieg ein. Sie geben vor, die Demokratie und ihre Institutionen zu retten und untergraben Rechenschaft, Transparenz, Kritik und Meinungs-und Pressefreiheit, Grundlagen demokratischer Gesellschaften.

Wir können davon ausgehen – auch wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr in der EU ist -, dass sich die EU das Gesetz sehr genau ansehen, es kopieren und in den EU-Ländern umsetzen wird.

Und so kann der Polizeistaat dann mit Menschen umgehen wie es ihm beliebt, mit Menschen, die sich der Wahrheit verpflichtet sehen, die den Würgegriff des Imperiums, der Macht in Frage stellen.

Es stellt sich die Frage des Warum? Leben wir nicht in einer Demokratie? Was gibt es zu befürchten?

Nun, das Imperium fürchtet eine selbständig denkende Bevölkerung. Denn eine Bürgerschaft, die selbständig denkt, ist eine Bürgerschaft, die informiert, engagiert und bereit ist, die Regierung für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit zur Rechenschaft zu ziehen, was wiederum bedeutet, dass die Regierung transparent und rechenschaftspflichtig ist.

Schließlich sind wir Bürger und keine Untertanen. Für diejenigen, die den Unterschied zwischen den beiden nicht ganz verstehen und die nicht wissen, warum Transparenz für eine gesunde verfassungsmäßige Regierung so wichtig ist, hat es Chelsea Manning in einfache Worte gefasst. Ich zitiere:

„Wenn Informationsfreiheit und Transparenz unterdrückt werden, werden oft schlechte Entscheidungen getroffen, und es kommt zu herzzerreißenden Tragödien – allzu oft in einem atemberaubenden Ausmaß, sodass sich die Gesellschaft fragt: Wie konnte das passieren? … Ich glaube, wenn die Öffentlichkeit nicht einmal den grundlegendsten Zugang zu dem hat, was ihre Regierungen und Militärs in ihrem Namen tun, dann hört sie auf, am Akt der Staatsbürgerschaft beteiligt zu sein. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Bürgern, die vom Staat geschützte Rechte und Privilegien haben, und Untertanen, die unter der vollständigen Kontrolle und Autorität des Staates stehen.“


Kundgebung ALLE FÜR ASSANGE

Der Erste Verfassungszusatz im US-amerikanischen Recht entspricht Artikel 5 und 20 unseres deutschen Grundgesetzes. Er gibt den Bürgern das Recht, frei zu sprechen, friedlich zu protestieren, staatliches Fehlverhalten aufzudecken und die Regierung zu kritisieren, ohne Angst vor Verhaftung, Isolation oder anderen Strafen zu haben, die gegen Whistleblower wie Edwards Snowden, Assange und Manning verhängt wurden.

Die Herausforderung besteht darin, die Regierung für die Einhaltung der Gesetze zur Rechenschaft zu ziehen.

Wenn wir von der vierten Staatsgewalt sprechen, dann meinen wir eine Presse, die durch Gesetze geschützt sein muss, damit sie die Geheimnisse der Regierung aufdecken und das Volk informieren kann. Nur eine freie, unabhängige, sich selbst finanzierende Presse kann die Täuschung der Regierung wirksam aufdecken. Und zu den wichtigsten Aufgaben einer freien Presse gehört es, die Regierung daran zu hindern, das Volk zu täuschen.

Auf Assange bezogen und damit in der Gegenwart angekommen sind wir Zeuge eines übriggebliebenen Relikts der eben hervorgehobenen vierten Macht im Staat, eines Kräftemessens zwischen Assange und dem „Tiefen Staat“, der das Recht des Volkes, über das Fehlverhalten der Regierung Bescheid zu wissen, gegen die Macht des militärisch-industriellen Komplexes ausspielt.

Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob Whistleblower und Journalisten zu einer von der Verfassung geschützten Gruppe gehören. Es ist eine Debatte darüber, wie lange „wir, das Volk“ noch eine von der Verfassung geschützte Gruppe sein werden.

Bei der derzeitigen Entwicklung wird es nicht mehr lange dauern, bis jeder, der daran glaubt, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, als „Extremist“ abgestempelt und in eine Unterklasse verbannt wird, die nicht dazugehört, die ständig überwacht und zusammengetrieben wird, wenn die Regierung es für nötig hält.

Wir sind jetzt fast an diesem Punkt angelangt.

Letztendlich werden wir alle in den Augen der Regierung potenzielle Verdächtige, Terroristen und Gesetzesbrecher sein.

Parteipolitik hat in dieser Debatte nichts zu suchen: Souveräne aller Couleur täten gut daran, sich daran zu erinnern, dass diejenigen, die die Motive der Regierung in Frage stellen, einen notwendigen Gegenpol zu denjenigen bilden, die blindlings den Entscheidungen der Politiker folgen würden.

Wir müssen nicht mit jeder Kritik an der Regierung einverstanden sein, aber wir müssen das Recht jedes Einzelnen verteidigen, sich frei zu äußern, ohne Angst vor Strafe oder der Androhung von Verbannung.

Vergessen wir nie: Die Architekten des Polizeistaats wollen unterwürfige, willfährige, kooperative, gehorsame, sanftmütige Bürger, die nicht widersprechen, die Autorität der Regierung nicht in Frage stellen, sich nicht gegen staatliches Fehlverhalten aussprechen und nicht aus der Reihe tanzen.

Was eine gesunde konstitutionelle Republik erfordert, sind Bürger, die routinemäßig von ihrem Recht Gebrauch machen, der Macht die Wahrheit zu sagen. Das Recht, sich gegen staatliches Fehlverhalten auszusprechen, ist die Freiheit schlechthin.

Mit Orwell bin ich gestartet und möchte auch mit ihm meine Rede enden lassen:

In Orwells dystopischer Zukunftsvision beseitigt der Große Bruder alle unerwünschten und unnötigen Wörter und Bedeutungen und geht sogar so weit, dass er routinemäßig die Geschichte umschreibt und „Gedankenverbrechen“ bestraft. Ähnlich wie die heutigen Zensoren in den sozialen Medien und die Polizeibehörden in der Zeit vor der Kriminalisierung dienen Orwells Gedankenpolizisten als Augen und Ohren des Großen Bruders, während die anderen Regierungsbehörden in den Bereichen Wirtschaft (Rationierung und Verhungern), Recht und Ordnung (Folter und Gehirnwäsche) sowie Nachrichten, Unterhaltung, Bildung und Kunst (Propaganda) hausieren gehen. Orwells Großer Bruder bedient sich des Neusprechs, um unerwünschte Wörter zu eliminieren, unorthodoxe Bedeutungen zu entfernen und unabhängiges, nicht von der Regierung genehmigtes Denken gänzlich überflüssig zu machen. Wir befinden uns heute an der Schnittstelle zwischen OldSpeak (wo Worte eine Bedeutung haben und Ideen gefährlich sein können) und Newspeak (wo nur das erlaubt ist, was „sicher“ und von der Mehrheit „akzeptiert“ ist). Die Machtelite hat ihre Absichten klargemacht: Sie wird jedes Wort, jeden Gedanken und jede Äußerung, die ihre Autorität infrage stellen, verfolgen und verfolgen lassen.


Birgit Naujeck

Online-Flyer Nr. 787  vom 24.03.2022



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