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Krieg und Frieden
Zur Situation in der Ukraine
US-Oberbefehlshaber Biden an der "Ostflanke"
Von Wolfgang Effenberger
Am Freitag, dem 25. März 2022, besuchte US-Präsident Joe Biden - zugleich „Commander in Chief“ (1) - in dem polnischen Rzeszow, rund 90 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, die Angehörigen der 82. Luftlandedivision. Er dankte ihnen für Ihren Einsatz und wies darauf hin, „dass es in dem aktuellen Konflikt um mehr gehe, als den Menschen in der Ukraine zu helfen und die «Massaker» zu stoppen.“ (2) Beim Krieg in der Ukraine stehe weit mehr auf dem Spiel als das Schicksal einer Nation. Und letztlich gehe es auch um die Demokratie und um die Freiheit der Kinder und Enkel der amerikanischen Soldaten. Im globalen Wettbewerb komme es darauf an, dass sich Demokratien und nicht Autokratien durchsetzen.
In ihrer Geschichte hatten die USA jedoch häufig überhaupt keine Skrupel, sich mit Diktatoren einzulassen oder demokratisch legitimierte Regierungen zu stürzen, sofern die multinationalen US-Konzerne davon profitierten oder es den geopolitischen Zielen diente. Die Propagandaabteilungen der CIA oder des Pentagons konnten diese Vorgänge meistens hervorragend kaschieren. Erst im Jahr 2009 gestand Präsident Barack Obama in seiner Rede an die islamische Welt als erster US-Regierungschef öffentlich den Sturz (1953) von Irans erstem demokratisch gewählten Premierminister Mohammed Mossadegh ein, was die CIA jahrzehntelang geleugnet hatte: „Mitten im Kalten Krieg spielten die Vereinigten Staaten eine Rolle beim Sturz einer demokratisch gewählten iranischen Regierung.“ (3)
Am 21. Februar 2014 hat man in der Ukraine erfolgreich unter Einsatz von fünf Milliarden US-Dollar den demokratisch gewählten ukrainischen Präsident Janukowitsch gestürzt, um einen US-affinen Nachfolger einsetzen zu können. Da Janukowitsch geflohen war und keinen Rücktritt eingereicht hatte, brauchte das ukrainische Parlament für die Neuwahl eines Präsidenten eine Mehrheit von mindestens 75 Prozent. Die wurde jedoch trotz des Fehlens der (geflüchteten) Janukowitsch-Anhänger verfehlt. So war die Wahl des Nachfolgers Poroschenko demokratisch nicht legitimiert. Auf derartige demokratische Feinheiten kann aber keine Rücksicht genommen werden, wenn es um große geopolitische Entwürfe geht. Das wird wohl Ende Januar 2019 der Fall gewesen sein, als auf der Münchner Sicherheitskonferenz der damalige US-Vizepräsident Mike Pence von der Europäischen Union die Anerkennung von Juan Guaidó als legitimem Präsidenten Venezuelas forderte: Der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro sei „ein Diktator, der kein Recht mehr auf die Macht hat“ (4). Er müsse „gehen“. Diesem Aufruf folgte Deutschland umgehend. Heute betteln die USA Maduro um Gas- und Öllieferungen an und versprechen auf der anderen Seite Europa feste Energielieferungen für die Zukunft. (5)
Wenige Wochen nach der Sicherheitskonferenz, Ende April 2019, veröffentlichte die RAND Corporation – ein vom Pentagon, der US-Armee und -Luftwaffe, den nationalen Sicherheitsbehörden (CIA und andere), den Behörden anderer Länder und mächtigen Nichtregierungsorganisationen finanzierter Think Tank – das Strategiepapier „Überschuldung und Ungleichgewicht in Russland“ (6). Russland sollte gezwungen werden, sich zu übernehmen, und damit zu Fall zu gebracht werden. Zuallererst sollte Russland auf der verwundbarsten Seite angegriffen werden, nämlich auf der Seite seiner stark vom Gas- und Ölexport abhängigen Wirtschaft: „Zu diesem Zweck müssen Handels- und Finanzsanktionen eingesetzt werden, und gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass Europa die russischen Erdgasimporte verringert, indem es sie durch amerikanisches Flüssigerdgas ersetzt“ (7). Zugleich sollte das Ansehen Russlands untergraben und im militärischen Bereich sichergestellt werden, dass die europäischen Nato-Länder ihre Streitkräfte im Hinblick auf einen Konflikt mit Russland verstärken. Die Stationierung neuer auf Russland gerichteter nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa würde eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit bieten.
Im Rahmen dieser Strategie – so der Plan der RAND Corporation für 2019 – „würde die Bereitstellung tödlicher Hilfe für die Ukraine die größte externe Verwundbarkeit Russlands ausnutzen, aber jede Zunahme von Waffen und militärischer Beratung durch die USA für die Ukraine sollte sorgfältig kalibriert werden, um die Kosten für Russland zu erhöhen, ohne einen größeren Konflikt zu provozieren“. (8)
In seiner Rede 2019 auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte US-Vizepräsident Mike Pence den Gegnern des Nord-Stream-2-Projekts gedankt und Deutschland vor der Inbetriebnahme gewarnt.
Und drei Jahre später ist das Nord-Stream-2-Projekt im Sinn von Pence abgewickelt, und der amtierende US-Präsident Biden unterstreicht in seiner Rede auf dem Flugplatz im ostpolnischen Rzeszow, dass durch Truppenverstärkungen wegen des Krieges inzwischen 100.000 US-Soldaten in Europa seien. Seit Monaten verstärkt sich der Pendelverkehr zwischen der US-Base Ramstein und Rzeszow, der sich seit Monaten immer schneller bewegenden Drehscheibe für die An- und Auslandung wichtiger Militärgüter. (9)
Dieser militärische Ausbau der „Ostflanke“ wird seit der „orangenen Revolution“ vom Herbst 2004 zielstrebig ausgebaut. Diese Revolution wirkte wie ein spontaner Volksaufstand gegen Autokraten – war aber in Wahrheit sorgfältig geplant. Sie war nur eine weitere „farbige Revolution“, wie sie vorher in Jugoslawien 2000 oder in Georgien 2003 zu beobachten waren.
Hinter dieser Revolutions-GmbH stand die von der Präsidentenfrau Eleanor Roosevelt und dem 1940 unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Wendell Willkie am 31. Oktober 1941 gegründete Nichtregierungsorganisation Freedom House mit Sitz in Washington, D.C., deren Ziel es ist, liberale Demokratien weltweit zu fördern. Freedom House war dann am 7. Dezember 1941, dem Tag des Angriffs der Japaner (Pearl Harbour), betriebsbereit, um die Kriegspropaganda zu befeuern. 2004 finanzierte Freedom House u.a. 5.000 Exemplare von Gene Sharps Buch »From Dictatorship to Democracy«. In dem Werk mit dem Untertitel »Ein methodisches System zur Befreiung« zählt der amerikanische Professor und Gandhi-Jünger vom Bostoner Albert-Einstein-Institut »198 Methoden der gewaltfreien Aktion« auf. Er schreibt: „Meine Prinzipien haben nichts mit Pazifismus zu tun. Sie basieren auf der Analyse der Macht in einer Diktatur und wie sie gebrochen werden kann - nämlich dadurch, dass die Bürger auf allen Ebenen der Staatsmacht und ihren Institutionen den Gehorsam verweigern.“ (10)
Noch im Dezember 2004 wurde Viktor Juschtschenko Präsident und Julia Timoschenko Ministerpräsidentin der Ukraine – beide westliche Wunschkandidaten. Und so wundert es nicht, dass am 29. August 2005 in Kiew zwischen dem US-Verteidigungsministerium und dem ukrainischen Gesundheitsministerium eine gemeinsame Erklärung zu den Bio-Waffenlaboren abgegeben wurde.
Aus dem öffentlich zugänglichen Dokument geht hervor, dass das US-Verteidigungsministerium die „Ukraine bei der Verhinderung der Verbreitung von Technologien, Krankheitserregern und Fachwissen unterstützt, die im Wissenschaftlichen Forschungsinstitut für Epidemiologie und Hygiene (Lemberg), im Ukrainischen Wissenschaftlichen Forschungsinstitut zur Bekämpfung der Seuche (Odessa), in der Zentralen Epidemiologischen Sanitätsstation (Kiew) und anderen vom ukrainischen Gesundheitsministerium ermittelten Einrichtungen in der Ukraine für die Entwicklung biologischer Waffen genutzt werden könnten.“ (11) Die vom US-Verteidigungsministerium als "sensibel" gekennzeichneten Inhalte sollten von der ukrainischen Regierung der Öffentlichkeit vorenthalten werden.
Vor seinem Auftritt in Rzeszow hatte sich der polnische Präsident Andrzej Duda in Warschau bei Biden mehrmals für dessen Besuch bedankt und an Polens Schicksal erinnert: "Meine Landsleute, die Polen, fühlen sich bedroht. Wir wissen, was russischer Imperialismus bedeutet. Und wir wissen, was ein Angriff der russischen Armee bedeutet, denn unsere Großeltern und Urgroßeltern haben ihn erlebt", sagte er und forderte von den USA "eine solide Führung im gesamten nordatlantischen Bündnis" (12). Nun, die russische Armee, in der auch viele Polen kämpften, hat Polen vom Joch des deutschen Nationalsozialismus befreit, und Russland war es, das auf der Potsdamer Konferenz die deutschen Ostgebiete unter polnische Verwaltung stellte. Der spätere polnische Staatschef Wojciech Witold Jaruzelski kämpfte seit 1943 in der Berling-Armee, den polnischen Streitkräften in der Sowjetunion. Es war der größte reguläre militärische Verband, der im Zweiten Weltkrieg an der Seite der Roten Armee kämpfte und zugleich der größte polnische Verband, der auf Seiten der Alliierten kämpfte.
Nun forderte Duda also von den USA eine solide Führung im gesamten nordatlantischen Bündnis. Biden antwortete, dass er die Nato-Beistandsverpflichtung als "heilig" betrachte.
Polen will wegen der möglichen russischen Bedrohung seinen Haushalt für Verteidigung bereits nächstes Jahr auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufstocken. Ein Großteil dieser Ausgaben soll für US-amerikanische Waffen bestimmt sein. Es geht unter anderen um 250 Abrams-Panzer sowie Raketenwerfer Himars und Kampfjets F-35.
1939 hatten die Westmächte Polen gegen Deutschland den Rücken gestärkt und ebenfalls Sicherheitsgarantien versprochen – diese aber nicht eingehalten. Ein ähnliches Schicksal könnte Polen auch heute bevorstehen. Schaut Polen nicht auf seinen Nachbarn im Osten? Welchen Versprechungen kann Selenskyj noch glauben? Er hatte am 19. Februar 2022 auf der Münchner Sicherheitskonferenz Russland damit gedroht, „Atomwaffen auf dem ukrainischen Staatsgebiet zu stationieren, und erklärte dies als einen einseitigen Ausstieg aus dem Budapester Memorandum von 1994, obwohl die Ukraine gar nicht zu den Unterzeichnerstaaten gehörte“ (13).
Der US-Friedensrat hat am 24. März 2022 eine Erklärung zur Militärintervention Russlands in der Ukraine abgegeben. Für den US-Friedensrat stellt die gegenwärtige Situation die globale Friedensbewegung vor viele ernsthafte, grundlegende Fragen. Einseitige Propagandakampagnen samt pauschaler Verurteilung Russlands stehen nach seiner Einschätzung Friedenslösungen diametral entgegen. In der Erklärung wird auf von Russland geforderte eindeutige Sicherheitsgarantien von den USA und der NATO verwiesen. Sie hätten sich jedoch geweigert, angemessen auf Russlands Bedenken einzugehen. Zudem habe die Ukraine geplant, US/NATO-Atomwaffen auf ihrem Territorium zu stationieren, die Moskau innerhalb von fünf Minuten erreichen könnten. Das geschah im alarmierenden Kontext der Entscheidung der USA im Jahr 2019, sich aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen (INF) mit Russland zurückzuziehen. Als nach dem Ende der Sowjetunion die USA alleinige Supermacht wurden, ignorierte Washington die UN-Charta in dem Bestreben, eine globale „Vollspektrum-Dominanz“ durchzusetzen. Der US-Friedensrat empfiehlt, die NATO nicht mehr nur als eine „Allianz“ nominell souveräner Staaten zu verstehen, sondern als imperiales Militärbündnis von Staaten, die unter US-Kommando integriert sind“ (14).
USA/NATO haben die Ukraine mit militärischer Ausrüstung im Wert von Hunderten Millionen Dollar überschwemmt und gleichzeitig militärisches und verdecktes Operationspersonal entsandt, um „zu beraten“. Der US-Friedensrat sieht in der Anerkennung der Ukraine als neutralen Staat, der Entfernung aller ausländischen Waffen und Militärangehörigen (einschließlich Söldner) aus der Ukraine und der vollständigen Umsetzung des Minsk-II-Abkommens den Weg in eine friedliche Lösung.
Dagegen würden jedoch die Interessen der USA stehen: „die weitere Vereinigung der NATO unter US-Dominanz, die Reduzierung der wirtschaftlichen Konkurrenz Russlands auf dem europäischen Energiemarkt, die Rechtfertigung einer Erhöhung des US-Kriegsbudgets und die Erleichterung des Verkaufs von Kriegsmaterial an NATO-Vasallen. Ein Europa, das weiter zwischen der EU/Großbritannien und Russland gespalten ist, nützt niemandem außer den imperialen USA.“ (15)
Auf der Grundlage dieser Einschätzung der gegenwärtigen Situation in der Ukraine erhebt der US-Friedensrat die folgenden unmittelbaren Forderungen, geordnet nach Priorität und Dringlichkeit:
<ol>
1. Sofortiger Waffenstillstand und Entsendung humanitärer Hilfe in die Ukraine, einschließlich der selbsternannten unabhängigen Republiken.
2. Anerkennung der Neutralität der Ukraine.
3. Abzug von ausländischem Militär, Waffen und Ausrüstung – einschließlich Söldnern – aus der Ukraine.
4. Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine dauerhafte Beilegung interner Konflikte in der Ukraine unter Beteiligung aller betroffenen Parteien.
</ol>
Insgesamt wird es aber darauf ankommen, dass eine Friedensordnung formuliert wird, die Menschen- wie Völkerrecht achtet. Da braucht dann nur auf die grundlegenden Dokumente der Vereinten Nationen und die der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) zurückgegriffen zu werden.
Die in den letzten Tagen ständige wiederholten Meldung über einen möglichen Einsatz von Chemiewaffen seitens Putins (16) – das gleiche Vorgehen war in Syrien zu erleben – könnte sich „bewahrheiten“ und die NATO in den Konflikt hineinziehen, der dann einen Totentanz auslöst.
Anmerkungen
1) https://www.vox.com/22996799/supreme-court-biden-navy-seal-vaccine-austin-covid
2) https://www.bluewin.ch/de/news/international/danke-danke-danke-fuer-ihren-dienst-1151438.html
3) Der Wortlaut von Obamas Rede ähnelt sehr stark den Ausführungen in seinem Buch Hoffnung wagen, deutsch 2006, S. 365, also vor Antritt seines Amtes. Dort monierte Obama „die weltweiten Folgen“ dieser Fehlentscheidung, die durch die „Brille des Kalten Kriegs“ bedingt gewesen sei. Obamas englisches Original formuliert noch schärfer: “seismic repercussions”, also „erdbebenartige Folgen“ (wikipedia).
4) https://www.welt.de/politik/ausland/article188909983/Nord-Stream-2-US-Vizepraesident-Pence-warnt-Deutschland.html
5) https://www.sueddeutsche.de/politik/energieversorgung-fluessiggas-usa-eu-1.5554380
Die Vereinigten Staaten und die EU vereinbaren damit die Lieferung von 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas (LNG) zusätzlich zu den sonst zu erwartenden 22 Milliarden Kubikmetern in diesem Jahr. In den Folgejahren sollen die Extralieferungen dann auf jährlich 50 Milliarden Kubikmeter steigen – und damit ein Drittel der heutigen Gasimporte aus Russland ersetzen
6) https://www.rand.org/pubs/research_briefs/RB10014.html
7) https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-7-22-maerz-2022/ukraine-das-stand-alles-im-strategiepapier-der-rand-corp.html
8) Ebd.
9) https://www.saechsische.de/amis-ueber-goerlitz-5623145.html
10) https://www.spiegel.de/politik/die-revolutions-gmbh-a-0ff5abd6-0002-0001-0000-000043103188
11) https://www.thecitizen.co.tz/tanzania/news/international/us-has-funded-ukraine-bio-weapon-research-since-2005-documents-3743020
12) https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/joe-biden-polen-besuch-andrzej-duda
13) William Engdahl: Ukraine und die globale Selbstmord-Agenda, Kopp exklusiv 12/22, S. 7
14) https://uspeacecouncil.org/u-s-peace-council-statement-on-russias-military-intervention-in-ukraine/
15) Ebd.
16) https://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/moeglicher-einsatz-chemiewaffen-putin-derartigen-mitteln-greifen-36723414
Verfasst am 27. März 2022
Online-Flyer Nr. 788 vom 30.03.2022
Zur Situation in der Ukraine
US-Oberbefehlshaber Biden an der "Ostflanke"
Von Wolfgang Effenberger
Am Freitag, dem 25. März 2022, besuchte US-Präsident Joe Biden - zugleich „Commander in Chief“ (1) - in dem polnischen Rzeszow, rund 90 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, die Angehörigen der 82. Luftlandedivision. Er dankte ihnen für Ihren Einsatz und wies darauf hin, „dass es in dem aktuellen Konflikt um mehr gehe, als den Menschen in der Ukraine zu helfen und die «Massaker» zu stoppen.“ (2) Beim Krieg in der Ukraine stehe weit mehr auf dem Spiel als das Schicksal einer Nation. Und letztlich gehe es auch um die Demokratie und um die Freiheit der Kinder und Enkel der amerikanischen Soldaten. Im globalen Wettbewerb komme es darauf an, dass sich Demokratien und nicht Autokratien durchsetzen.
In ihrer Geschichte hatten die USA jedoch häufig überhaupt keine Skrupel, sich mit Diktatoren einzulassen oder demokratisch legitimierte Regierungen zu stürzen, sofern die multinationalen US-Konzerne davon profitierten oder es den geopolitischen Zielen diente. Die Propagandaabteilungen der CIA oder des Pentagons konnten diese Vorgänge meistens hervorragend kaschieren. Erst im Jahr 2009 gestand Präsident Barack Obama in seiner Rede an die islamische Welt als erster US-Regierungschef öffentlich den Sturz (1953) von Irans erstem demokratisch gewählten Premierminister Mohammed Mossadegh ein, was die CIA jahrzehntelang geleugnet hatte: „Mitten im Kalten Krieg spielten die Vereinigten Staaten eine Rolle beim Sturz einer demokratisch gewählten iranischen Regierung.“ (3)
Am 21. Februar 2014 hat man in der Ukraine erfolgreich unter Einsatz von fünf Milliarden US-Dollar den demokratisch gewählten ukrainischen Präsident Janukowitsch gestürzt, um einen US-affinen Nachfolger einsetzen zu können. Da Janukowitsch geflohen war und keinen Rücktritt eingereicht hatte, brauchte das ukrainische Parlament für die Neuwahl eines Präsidenten eine Mehrheit von mindestens 75 Prozent. Die wurde jedoch trotz des Fehlens der (geflüchteten) Janukowitsch-Anhänger verfehlt. So war die Wahl des Nachfolgers Poroschenko demokratisch nicht legitimiert. Auf derartige demokratische Feinheiten kann aber keine Rücksicht genommen werden, wenn es um große geopolitische Entwürfe geht. Das wird wohl Ende Januar 2019 der Fall gewesen sein, als auf der Münchner Sicherheitskonferenz der damalige US-Vizepräsident Mike Pence von der Europäischen Union die Anerkennung von Juan Guaidó als legitimem Präsidenten Venezuelas forderte: Der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro sei „ein Diktator, der kein Recht mehr auf die Macht hat“ (4). Er müsse „gehen“. Diesem Aufruf folgte Deutschland umgehend. Heute betteln die USA Maduro um Gas- und Öllieferungen an und versprechen auf der anderen Seite Europa feste Energielieferungen für die Zukunft. (5)
Wenige Wochen nach der Sicherheitskonferenz, Ende April 2019, veröffentlichte die RAND Corporation – ein vom Pentagon, der US-Armee und -Luftwaffe, den nationalen Sicherheitsbehörden (CIA und andere), den Behörden anderer Länder und mächtigen Nichtregierungsorganisationen finanzierter Think Tank – das Strategiepapier „Überschuldung und Ungleichgewicht in Russland“ (6). Russland sollte gezwungen werden, sich zu übernehmen, und damit zu Fall zu gebracht werden. Zuallererst sollte Russland auf der verwundbarsten Seite angegriffen werden, nämlich auf der Seite seiner stark vom Gas- und Ölexport abhängigen Wirtschaft: „Zu diesem Zweck müssen Handels- und Finanzsanktionen eingesetzt werden, und gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass Europa die russischen Erdgasimporte verringert, indem es sie durch amerikanisches Flüssigerdgas ersetzt“ (7). Zugleich sollte das Ansehen Russlands untergraben und im militärischen Bereich sichergestellt werden, dass die europäischen Nato-Länder ihre Streitkräfte im Hinblick auf einen Konflikt mit Russland verstärken. Die Stationierung neuer auf Russland gerichteter nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa würde eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit bieten.
Im Rahmen dieser Strategie – so der Plan der RAND Corporation für 2019 – „würde die Bereitstellung tödlicher Hilfe für die Ukraine die größte externe Verwundbarkeit Russlands ausnutzen, aber jede Zunahme von Waffen und militärischer Beratung durch die USA für die Ukraine sollte sorgfältig kalibriert werden, um die Kosten für Russland zu erhöhen, ohne einen größeren Konflikt zu provozieren“. (8)
In seiner Rede 2019 auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte US-Vizepräsident Mike Pence den Gegnern des Nord-Stream-2-Projekts gedankt und Deutschland vor der Inbetriebnahme gewarnt.
Und drei Jahre später ist das Nord-Stream-2-Projekt im Sinn von Pence abgewickelt, und der amtierende US-Präsident Biden unterstreicht in seiner Rede auf dem Flugplatz im ostpolnischen Rzeszow, dass durch Truppenverstärkungen wegen des Krieges inzwischen 100.000 US-Soldaten in Europa seien. Seit Monaten verstärkt sich der Pendelverkehr zwischen der US-Base Ramstein und Rzeszow, der sich seit Monaten immer schneller bewegenden Drehscheibe für die An- und Auslandung wichtiger Militärgüter. (9)
Dieser militärische Ausbau der „Ostflanke“ wird seit der „orangenen Revolution“ vom Herbst 2004 zielstrebig ausgebaut. Diese Revolution wirkte wie ein spontaner Volksaufstand gegen Autokraten – war aber in Wahrheit sorgfältig geplant. Sie war nur eine weitere „farbige Revolution“, wie sie vorher in Jugoslawien 2000 oder in Georgien 2003 zu beobachten waren.
Hinter dieser Revolutions-GmbH stand die von der Präsidentenfrau Eleanor Roosevelt und dem 1940 unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Wendell Willkie am 31. Oktober 1941 gegründete Nichtregierungsorganisation Freedom House mit Sitz in Washington, D.C., deren Ziel es ist, liberale Demokratien weltweit zu fördern. Freedom House war dann am 7. Dezember 1941, dem Tag des Angriffs der Japaner (Pearl Harbour), betriebsbereit, um die Kriegspropaganda zu befeuern. 2004 finanzierte Freedom House u.a. 5.000 Exemplare von Gene Sharps Buch »From Dictatorship to Democracy«. In dem Werk mit dem Untertitel »Ein methodisches System zur Befreiung« zählt der amerikanische Professor und Gandhi-Jünger vom Bostoner Albert-Einstein-Institut »198 Methoden der gewaltfreien Aktion« auf. Er schreibt: „Meine Prinzipien haben nichts mit Pazifismus zu tun. Sie basieren auf der Analyse der Macht in einer Diktatur und wie sie gebrochen werden kann - nämlich dadurch, dass die Bürger auf allen Ebenen der Staatsmacht und ihren Institutionen den Gehorsam verweigern.“ (10)
Noch im Dezember 2004 wurde Viktor Juschtschenko Präsident und Julia Timoschenko Ministerpräsidentin der Ukraine – beide westliche Wunschkandidaten. Und so wundert es nicht, dass am 29. August 2005 in Kiew zwischen dem US-Verteidigungsministerium und dem ukrainischen Gesundheitsministerium eine gemeinsame Erklärung zu den Bio-Waffenlaboren abgegeben wurde.
Aus dem öffentlich zugänglichen Dokument geht hervor, dass das US-Verteidigungsministerium die „Ukraine bei der Verhinderung der Verbreitung von Technologien, Krankheitserregern und Fachwissen unterstützt, die im Wissenschaftlichen Forschungsinstitut für Epidemiologie und Hygiene (Lemberg), im Ukrainischen Wissenschaftlichen Forschungsinstitut zur Bekämpfung der Seuche (Odessa), in der Zentralen Epidemiologischen Sanitätsstation (Kiew) und anderen vom ukrainischen Gesundheitsministerium ermittelten Einrichtungen in der Ukraine für die Entwicklung biologischer Waffen genutzt werden könnten.“ (11) Die vom US-Verteidigungsministerium als "sensibel" gekennzeichneten Inhalte sollten von der ukrainischen Regierung der Öffentlichkeit vorenthalten werden.
Vor seinem Auftritt in Rzeszow hatte sich der polnische Präsident Andrzej Duda in Warschau bei Biden mehrmals für dessen Besuch bedankt und an Polens Schicksal erinnert: "Meine Landsleute, die Polen, fühlen sich bedroht. Wir wissen, was russischer Imperialismus bedeutet. Und wir wissen, was ein Angriff der russischen Armee bedeutet, denn unsere Großeltern und Urgroßeltern haben ihn erlebt", sagte er und forderte von den USA "eine solide Führung im gesamten nordatlantischen Bündnis" (12). Nun, die russische Armee, in der auch viele Polen kämpften, hat Polen vom Joch des deutschen Nationalsozialismus befreit, und Russland war es, das auf der Potsdamer Konferenz die deutschen Ostgebiete unter polnische Verwaltung stellte. Der spätere polnische Staatschef Wojciech Witold Jaruzelski kämpfte seit 1943 in der Berling-Armee, den polnischen Streitkräften in der Sowjetunion. Es war der größte reguläre militärische Verband, der im Zweiten Weltkrieg an der Seite der Roten Armee kämpfte und zugleich der größte polnische Verband, der auf Seiten der Alliierten kämpfte.
Nun forderte Duda also von den USA eine solide Führung im gesamten nordatlantischen Bündnis. Biden antwortete, dass er die Nato-Beistandsverpflichtung als "heilig" betrachte.
Polen will wegen der möglichen russischen Bedrohung seinen Haushalt für Verteidigung bereits nächstes Jahr auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufstocken. Ein Großteil dieser Ausgaben soll für US-amerikanische Waffen bestimmt sein. Es geht unter anderen um 250 Abrams-Panzer sowie Raketenwerfer Himars und Kampfjets F-35.
1939 hatten die Westmächte Polen gegen Deutschland den Rücken gestärkt und ebenfalls Sicherheitsgarantien versprochen – diese aber nicht eingehalten. Ein ähnliches Schicksal könnte Polen auch heute bevorstehen. Schaut Polen nicht auf seinen Nachbarn im Osten? Welchen Versprechungen kann Selenskyj noch glauben? Er hatte am 19. Februar 2022 auf der Münchner Sicherheitskonferenz Russland damit gedroht, „Atomwaffen auf dem ukrainischen Staatsgebiet zu stationieren, und erklärte dies als einen einseitigen Ausstieg aus dem Budapester Memorandum von 1994, obwohl die Ukraine gar nicht zu den Unterzeichnerstaaten gehörte“ (13).
Der US-Friedensrat hat am 24. März 2022 eine Erklärung zur Militärintervention Russlands in der Ukraine abgegeben. Für den US-Friedensrat stellt die gegenwärtige Situation die globale Friedensbewegung vor viele ernsthafte, grundlegende Fragen. Einseitige Propagandakampagnen samt pauschaler Verurteilung Russlands stehen nach seiner Einschätzung Friedenslösungen diametral entgegen. In der Erklärung wird auf von Russland geforderte eindeutige Sicherheitsgarantien von den USA und der NATO verwiesen. Sie hätten sich jedoch geweigert, angemessen auf Russlands Bedenken einzugehen. Zudem habe die Ukraine geplant, US/NATO-Atomwaffen auf ihrem Territorium zu stationieren, die Moskau innerhalb von fünf Minuten erreichen könnten. Das geschah im alarmierenden Kontext der Entscheidung der USA im Jahr 2019, sich aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen (INF) mit Russland zurückzuziehen. Als nach dem Ende der Sowjetunion die USA alleinige Supermacht wurden, ignorierte Washington die UN-Charta in dem Bestreben, eine globale „Vollspektrum-Dominanz“ durchzusetzen. Der US-Friedensrat empfiehlt, die NATO nicht mehr nur als eine „Allianz“ nominell souveräner Staaten zu verstehen, sondern als imperiales Militärbündnis von Staaten, die unter US-Kommando integriert sind“ (14).
USA/NATO haben die Ukraine mit militärischer Ausrüstung im Wert von Hunderten Millionen Dollar überschwemmt und gleichzeitig militärisches und verdecktes Operationspersonal entsandt, um „zu beraten“. Der US-Friedensrat sieht in der Anerkennung der Ukraine als neutralen Staat, der Entfernung aller ausländischen Waffen und Militärangehörigen (einschließlich Söldner) aus der Ukraine und der vollständigen Umsetzung des Minsk-II-Abkommens den Weg in eine friedliche Lösung.
Dagegen würden jedoch die Interessen der USA stehen: „die weitere Vereinigung der NATO unter US-Dominanz, die Reduzierung der wirtschaftlichen Konkurrenz Russlands auf dem europäischen Energiemarkt, die Rechtfertigung einer Erhöhung des US-Kriegsbudgets und die Erleichterung des Verkaufs von Kriegsmaterial an NATO-Vasallen. Ein Europa, das weiter zwischen der EU/Großbritannien und Russland gespalten ist, nützt niemandem außer den imperialen USA.“ (15)
Auf der Grundlage dieser Einschätzung der gegenwärtigen Situation in der Ukraine erhebt der US-Friedensrat die folgenden unmittelbaren Forderungen, geordnet nach Priorität und Dringlichkeit:
<ol>
1. Sofortiger Waffenstillstand und Entsendung humanitärer Hilfe in die Ukraine, einschließlich der selbsternannten unabhängigen Republiken.
2. Anerkennung der Neutralität der Ukraine.
3. Abzug von ausländischem Militär, Waffen und Ausrüstung – einschließlich Söldnern – aus der Ukraine.
4. Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine dauerhafte Beilegung interner Konflikte in der Ukraine unter Beteiligung aller betroffenen Parteien.
</ol>
Insgesamt wird es aber darauf ankommen, dass eine Friedensordnung formuliert wird, die Menschen- wie Völkerrecht achtet. Da braucht dann nur auf die grundlegenden Dokumente der Vereinten Nationen und die der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) zurückgegriffen zu werden.
Die in den letzten Tagen ständige wiederholten Meldung über einen möglichen Einsatz von Chemiewaffen seitens Putins (16) – das gleiche Vorgehen war in Syrien zu erleben – könnte sich „bewahrheiten“ und die NATO in den Konflikt hineinziehen, der dann einen Totentanz auslöst.
Anmerkungen
1) https://www.vox.com/22996799/supreme-court-biden-navy-seal-vaccine-austin-covid
2) https://www.bluewin.ch/de/news/international/danke-danke-danke-fuer-ihren-dienst-1151438.html
3) Der Wortlaut von Obamas Rede ähnelt sehr stark den Ausführungen in seinem Buch Hoffnung wagen, deutsch 2006, S. 365, also vor Antritt seines Amtes. Dort monierte Obama „die weltweiten Folgen“ dieser Fehlentscheidung, die durch die „Brille des Kalten Kriegs“ bedingt gewesen sei. Obamas englisches Original formuliert noch schärfer: “seismic repercussions”, also „erdbebenartige Folgen“ (wikipedia).
4) https://www.welt.de/politik/ausland/article188909983/Nord-Stream-2-US-Vizepraesident-Pence-warnt-Deutschland.html
5) https://www.sueddeutsche.de/politik/energieversorgung-fluessiggas-usa-eu-1.5554380
Die Vereinigten Staaten und die EU vereinbaren damit die Lieferung von 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas (LNG) zusätzlich zu den sonst zu erwartenden 22 Milliarden Kubikmetern in diesem Jahr. In den Folgejahren sollen die Extralieferungen dann auf jährlich 50 Milliarden Kubikmeter steigen – und damit ein Drittel der heutigen Gasimporte aus Russland ersetzen
6) https://www.rand.org/pubs/research_briefs/RB10014.html
7) https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-7-22-maerz-2022/ukraine-das-stand-alles-im-strategiepapier-der-rand-corp.html
8) Ebd.
9) https://www.saechsische.de/amis-ueber-goerlitz-5623145.html
10) https://www.spiegel.de/politik/die-revolutions-gmbh-a-0ff5abd6-0002-0001-0000-000043103188
11) https://www.thecitizen.co.tz/tanzania/news/international/us-has-funded-ukraine-bio-weapon-research-since-2005-documents-3743020
12) https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/joe-biden-polen-besuch-andrzej-duda
13) William Engdahl: Ukraine und die globale Selbstmord-Agenda, Kopp exklusiv 12/22, S. 7
14) https://uspeacecouncil.org/u-s-peace-council-statement-on-russias-military-intervention-in-ukraine/
15) Ebd.
16) https://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/moeglicher-einsatz-chemiewaffen-putin-derartigen-mitteln-greifen-36723414
Verfasst am 27. März 2022
Online-Flyer Nr. 788 vom 30.03.2022