NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

Fenster schließen

Krieg und Frieden
Erst Mariupol, dann Tote auf den Straßen von Butscha: explodierender Adrenalinpegel soll rationale Untersuchung und Hinterfragung verhindern
Die "Massaker von Butscha" – Emotionalisierung als Kriegswaffe
Von Hermann Ploppa

Kriege beginnen meistens ausgeruht und frisch. Doch mit jedem Tag der Kampfhandlungen, der Verletzungen, der Toten und der großen Brände steigt der Adrenalinpegel der Kombattanten. Wird am Anfang noch versucht, sich einigermaßen nach den einschlägigen Kriegskonventionen zu richten, so entwickeln sich notwendigerweise immer mehr Rachegelüste. Die Kriegsgefangenen werden immer seltener noch Gentleman-like behandelt und das Leid der Zivilbevölkerung interessiert auch immer weniger. Brutalisierung stellt sich ein. Abstumpfung. Man weiß das aus vielen Kriegsromanen, ob von Leo Tolstoi oder Erich Maria Remarque. Das ist notwendig, um den Krieg weiter fortzusetzen. Denn die Soldaten sind natürlich motiviert worden durch ein klar definiertes Kriegsziel – das in den seltensten Fällen innerhalb von zwei Wochen erreicht wird. Also muss die Eskalation der Grausamkeit als Selbstzweck her, um die Jungs im Kampf zu halten. Nach der Phase der Brutalisierung kommt dann die Phase der Zersplitterung. Keiner weiß eigentlich mehr warum sich Leute gegenseitig umbringen. Aber es ist genug brutalisiertes Personal in Aktion, das die Rückkehr in das Zivilleben fürchtet. Das ist die Phase der Warlords, der Ziellosigkeit. Krieg als Business.

Die russischen Streitkräfte haben die Ukraine angegriffen. Kriegsziele waren: Schutz jener ukrainischen Staatsbürger, die seit dem faschistischen Maidan-Putsch des Jahres 2014 drangsaliert werden. Denn die neue Junta in Kiew hatte die Ukraine-Frage gewaltsam ethnisiert. Das heißt: alle Bürger der Ukraine sollten ab sofort nur noch die ukrainische Sprache benutzen und der offiziellen ukrainischen Geschichtsschreibung bedingungslos folgen. Weil sich aber besonders die Bürger im wohlhabenderen Osten der Ukraine definitiv als Russen verstehen, haben diese ukrainischen Russen sich von der Zentrale in Kiew losgesagt. Die Krim wurde Russland angeschlossen. Die Provinzen Lugansk und Donezk erklärten sich zu autonomen Republiken. Aber auch in anderen Orten wie Charkow und Mariupol definieren sich die meisten Bürger als kulturelle Russen mit ukrainischem Pass. Das andere Kriegsziel der russischen Streitkräfte sollte die Entnazifizierung des ukrainischen Staates sein. In der Tat ist es auch durch noch so viel Correctiv und Faktenfuchserei nicht zu entkräften, dass faschistische paramilitärische Verbände eine große Macht in der Ukraine ausüben. Der ukrainische Präsident Selenski musste das schon öfter in demütigender Weise erfahren – was auf kompromittierenden Videos auch festgehalten wurde.

Die russischen Streitkräfte hätten ihre Ziele innerhalb von zwei Wochen erreichen müssen, um die Phase der gegenseitigen Brutalisierung zu vermeiden. Der Krieg ließ sich – militärstrategisch betrachtet – hervorragend an für die russischen Streitkräfte. Doch dann verfranzten sich die Russen im Häuserkampf und hatten nun Stress mit den Neonazi-Brigaden der Ukraine. Hätten sich die Russen in ihrer Attacke auf die Gebiete mit sympathisierenden Regionen östlich des Flusses Dnjepr beschränkt, wären sie jetzt vermutlich am Ziel ihrer Wünsche angelangt. Doch sie gingen mit ihren Bodentruppen weit in das Zentrum der Ukraine vor. Und sie bekamen hier stärkere Gegenwehr als sie erwartet hatten. Die Verluste der Russen sind mittlerweile äußerst schmerzhaft. So sind namentlich viele hohe Offiziere bis hin zu einer Reihe von Generälen bereits im Kampf gefallen. Die Panzerverbände der Russen waren den Guerilla-Attacken der Ukrainer oftmals nicht gewachsen. In einem Video der Bundeswehr erläutert ein Bundeswehr-General durchaus plausibel die Schwächen der russischen Bodentruppen <1>.

Sehr lehrreich sind hier auch Videos der Analysten der österreichischen Miliz <2>. Die russische Regierung weiß um die massiven logistischen Probleme, vor der ihre Truppen im Augenblick stehen. Deshalb folgte sie auch der Einladung des türkischen Präsidenten Erdogan, in der Türkei ernsthaft in Verhandlungen mit der ukrainischen Regierung einzutreten. Dabei wurden am 29. März auch substantielle Vereinbarungen getroffen <3>. Russland garantierte den Abzug aus dem Bereich der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Russland hielt Wort. So waren die russischen Truppen eben auch am 30. März aus der Kiewer Vorstadt Butscha abgezogen. Am 31. März verkündet ein entspannter und euphorisierter Bürgermeister von Butscha, die Stadt sei jetzt wieder frei von russischen Okkupanten <4>. Natürlich ist es für Bürgermeister Anatoly Fedoruk psychologisch wichtig, zu betonen, die russischen Streitkräfte seien von ukrainischen Streitkräften „verjagt“ worden. Es wäre im Sinne des Friedens entscheidend gewesen, wenn die ukrainische Seite jetzt diese Vorleistung Russlands durch Fairplay honoriert hätte. Jedoch wurde jetzt unter reger Beteiligung der westlichen Wertegemeinschaft massiv Benzin ins Feuer gegossen. Am 2. April rücken also nun, nach zwei Tagen Machtvakuum, ukrainische Verbände in Butscha ein. Niemand Geringeres als die honorable New York Times dokumentiert, dass mit den regulären ukrainischen Polizeikräften auch die berüchtigte Neonazi-Killertruppe Azow-Bataillon in Butscha einrückte <5>. Am 2. April meldet die ukrainische Polizei ihren Einzug in Butscha. Dabei wird auch blutiger Vollzug gemeldet: “The city is being cleared from saboteurs and accomplices of Russian forces.” Also: Azow-Bataillone und ukrainische Polizei haben die Stadt Butscha von russenfreundlichen „Saboteuren“ und „Komplizen“ „gereinigt“.

Wenig später tauchen nun Meldungen über Leichname auf den Straßen von Butscha und später sogar Meldungen von Massengräbern auf. Die russischen Soldaten hätten massenhaft Bürger von Butscha nicht nur exekutiert, sondern verstümmelt, geschändet und Frauen vergewaltigt. Davon war aber weder die Rede in den Ausführungen des oben erwähnten Bürgermeisters von Butscha noch von der ukrainischen Polizei.

Wie konnte es sein, dass die Bürger von Butscha vor dem 3. April die auf den Straßen liegenden sterblichen Überreste ihrer Mitbürger nicht bemerkt haben sollten? Wie konnte es sein, dass die Russen ein Gebiet freiwillig den ukrainischen Sicherheitskräften überlassen, und sie sollten dabei vergessen haben, Massen von getöteten Ukrainern entsprechend zu entfernen?

Wie kommt es, dass bei Video-Aufnahmen aus einem fahrenden Auto durch die mit Leichnamen gepflasterten Straßen von Butscha selbige Toten den Arm heben oder wie im Rückspiegel ersichtlich, wundersam wieder aufstehen <6>? Es gibt hier echte Tote auf den Straßen liegend, keine Frage, teilweise in einer Positionierung, die darauf schließen lässt, dass sie an einem anderen Ort ermordet wurden. Die Toten tragen teilweise weiße Armbinden. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie zu jenen „Komplizen und Saboteuren“ gehören, von der die Stadt nach der Einnahme Butschas von Azow-Batallion und Polizei nach deren eigenem Bekenntnis „gereinigt“ wurden. Weiße Armbinden trugen nämlich jene Mitbürger, die mit den russischen Besatzern kooperierten.

Besonders pietätlos war zudem der Auftritt eines jungen Foto-Models. Auf dem amerikanischen Propagandasender Radio Liberty wurde das Bild einer jungen schönen Frau gezeigt, die von den Russen angeblich vergewaltigt und dann massakriert wurde. Auf dem Foto liegt die Ermordete überaus aufreizend und mit geschlossener Hose, aber nach zeitgenössischer Mode mit entblößter Bauchnabelpartie im Dreck. Die Dame ist allerdings quietschlebendig und heißt Anastasia Savchistina. Sie bekannte sich auf Facebook zu dieser geschmacklosen „Performance“; um, wie sie ausführt, „Ausländern die aktuelle Situation in der Ukraine deutlich zu machen“.

Die russische Regierung ist sich felsenfest sicher, diese Grausamkeiten nicht begangen zu haben. Deshalb beantragte sie zu diesem Ereignis eine Sondersitzung des Weltsicherheitsrates der UN, um die Vorgänge aufklären zu lassen. Augenblicklich hat Großbritannien den Vorsitz in diesem Gremium inne. Großbritannien hat mit aller Gewalt die Durchführung einer Sondersitzung blockiert. Warum? Es liegt gewiss nicht im Interesse der westlichen Wertegemeinschaft, eine unabhängige internationale Expertenkommission einzuberufen, um Klarheit über die Vorgänge von Butscha zu gewinnen. Der Westen braucht diese emotional aufreizenden Bilder. Der Krieg muss weitergehen. Die Friedensverhandlungen in der Türkei zwischen der Ukraine und Russland dürfen keinesfalls weitergehen. Zumindest nicht aus Sicht der westlichen Wertegemeinschaft. Und nicht aus Sicht der westlichen Rüstungskonzerne, die gerade phantastische Gewinne einfahren <6>. Hier muss ein so extremer Aufreger her, dass der Ruf nach Rache, nach mehr Waffen und mehr Gewalt einfach übermächtig wird.

Der Krieg besteht immer aus drei Komponenten: neben dem Waffengang gehören Wirtschaftssanktionen genauso dazu wie eben der Propagandakrieg. Und um rationale Diskussionen über Kriegsereignisse möglichst schon im Keime zu ersticken, müssen Bilder her. Bilder, die aufregen. Bilder, die das Weiße in die Augen treiben. Als die US-Regierung im Jahre 1917 die eigentlich friedfertigen Amerikaner von null auf hundert in einen Krieg gegen Deutschland treiben wollte, da reichte es nicht aus, dass das Deutsche Reich völkerrechtswidrig Belgien überfallen hatte. Nein. Es mussten möglichst anschauliche Gräuelgeschichten erfunden werden: deutsche Soldaten-Monster mit Pickelhauben vergewaltigten demzufolge im Rudel Frauen auf dem Marktplatz von Brüssel, um dann mit dem Bajonett Babys zu erstechen.

Und wir wissen es alle: es genügte nicht, dass Saddam Hussein Kuwait mit seinen Truppen widerrechtlich annektierte. Damit kann der unbeteiligte Bürger nichts anfangen. Aber als dann die Tochter des kuwaitischen Botschafters als angebliche Krankenschwester unter Tränen berichtet, wie irakische Soldaten Babys aus Brutkästen gerissen und zu Boden geschmissen hätten, war die Kriegsbegeisterung perfekt. Und im Syrien-Krieg wurden gleich massenhaft Horror-Stories am Fließband erfunden, um die westliche Gemeinschaft für einen Krieg gegen die syrische Regierung zu begeistern.

Als dann dieser Krieg an Schwung verlor, inszenierte der Westen erneut einen angeblichen Chemiewaffenangriff der Regierung Assad gegen die eigene Bevölkerung.

Mit diesen Märchen gepolstert rechtfertigten die USA, Großbritannien und Frankreich erneut mörderische Bombenangriffe auf die syrische Bevölkerung.

Bei vielen dieser Inszenierungen kommt den Nichtregierungsorganisationen des Westens eine große Bedeutung zu. Sie gelten als neutral, seriös und nur dem Wohl der Menschheit verpflichtet. So hatte an dem Anti-Assad-Narrativ auch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) teilgenommen. Die OPCW sagte, Assad sei der Schuldige <7>. An den Narrativen des Westens waren im Syrien-Krieg immer wieder die so genannten „Weißhelme“ und mit ihnen im Schlepptau die vom New Yorker Council on Foreign Relations kontrollierte NGO Human Rights Watch beteiligt. Ihr guter Ruf gab den aberwitzigsten Märchen der US-Regierung die nötige Seriosität. Es sei der Vollständigkeit halber daran erinnert, dass an den jetzigen Erzählungen über die Hintergründe der Massaker von Butscha die NGO Human Rights Watch an der Seite der Asow-Bataillone mitwirkt.

Es wird nicht bei den Inszenierungen von Mariupol und Butscha bleiben. Die russische Regierung warnt aktuell vor einem geplanten Hoax des Westens. Diesmal soll ein Giftgas-Angriff eine Rolle spielen. Hoffentlich tritt das Ereignis nicht ein, womit wir an dieser Stelle durch seine Ankündigung ein bisschen beitragen können. Denn Öffentlichkeit rettet Leben. Das Verhängnisvolle ist ja auch, dass die Öffentlichkeit mit gefälschten Nachrichten emotional aufgeheizt wird.

Es hilft dann meistens nichts mehr, wenn später, wie im Fall der Brutkastenlüge oder Giftgaslüge gegen Syrien, einwandfrei die Fälschung nachgewiesen wird. Denn die Medienlüge steht an exponierter Stelle auf Seite Eins – mit großen Lettern und großen Schockfotos.

Die Richtigstellung erfolgt dann irgendwann irgendwo auf den hinteren Seiten der Premium-Zeitungen. Das interessiert keinen mehr, wie jeder Medien-Demagoge weiß. Archaische Instinkte sind wachgerufen, und das kommt auch menschlichen Bedürfnissen nach Sensationen entgegen. Wenn man sich da reingesteigert hat, fühlt man sich unangenehm berührt und blamiert, wenn man dann später erfährt, dass das eigene Gefühlsleben einer Täuschung hinterhergerannt ist.

Das ist vielleicht im persönlichen Bereich peinlich. Aber es geht hier um Krieg und Frieden. Es geht im Angesicht der möglichen Auslöschung der Welt wie wir sie kennen darum, zu deeskalieren. Und das heißt, allen in der Eskalationsphase festgebissenen Kriegsteilnehmern jetzt und sofort einen Ausstieg aus dem Morden zu ermöglichen. Das heißt, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln anstatt wie es die Bundesregierung gerade tut, in das lodernde Feuer noch Benzin zu schütten und damit die deutsche Bevölkerung in die Gefahr zu bringen, selber noch ins Feuer hineingerissen zu werden.

Herr Scholz, gehen Sie voran. Erinnern Sie an die Vereinbarungen der Minsker Abkommen, die Ihre Amtsvorgänger löblicherweise eingefädelt haben. Erinnern Sie sich an Ihren Amtseid und wenden Sie Schaden ab vom deutschen Volk.


Quellen und Anmerkungen:

<1> https://www.youtube.com/watch?v=s38-OigKoIU
<2> https://www.youtube.com/watch?v=baW0m83O99c&t=5s
<3> https://www.zdf.de/nachrichten/politik/friedensgespraeche-waffenruhe-ukraine-krieg-russland-100.html
Noch deutlicher die Frankfurter Rundschau, versteckt unter viel Propaganda-Gerassel: „Nach neuen Friedensgesprächen mit der Ukraine hatte Russland am Dienstag zugesagt, seine Kampfhandlungen an der nördlichen Front bei Kiew und Tschernihiw deutlich zurückzufahren. Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin sagte nach dem Treffen in Istanbul, seine Regierung wolle so Vertrauen aufbauen und weitere Verhandlungen ermöglichen.“ Mit Dienstag ist der 29.3.2022 gemeint.
https://www.fr.de/politik/ukraine-verhandlungen-russland-krieg-frieden-waffenstillstand-tuerkei-istanbul-news-ticker-zr-91439084.html
<4> https://www.youtube.com/watch?v=sf9sm_AxcMA
<5> https://www.nytimes.com/live/2022/04/03/world/ukraine-russia-war#ukraine-accuses-russian-forces-of-executing-civilians-in-the-town-of-bucha
Sie müssen weit nach unten scrollen, bis Sie auf den Titel Russia has committed ‘apparent war crimes,’ Human Rights Watch says. stoßen. Achten Sie auf die Kombination „Azow-Batillon“ und „Human Rights Watch“.
<6> https://www.focus.de/finanzen/boerse/aktien/europaeische-aufruestung-93-prozent-kursplus-wie-ruestungskonzerne-vom-ukraine-krieg-profitieren_id_75978583.html
<7> https://www.heise.de/tp/features/Giftgas-in-Syrien-BBC-gesteht-Fake-News-ein-6185652.html?seite=all


Erstveröffentlichung am 9. April 2022 bei Apolut

Online-Flyer Nr. 789  vom 20.04.2022



Startseite           nach oben