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Kommentar
Über "Unsere Sicherheit" in der Ukraine
Gipfel der Russophobie
Von Annette Groth

Am 28. April 2022 hat der Deutsche Bundestag die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine beschlossen, ein Verstoß gegen das Grundgesetz, das Waffenexporte in Krisengebiete verbietet. Als politisches Ziel wird in dem Antrag eine »umfassende ökonomische Isolierung und Abkoppelung Russlands von den internationalen Märkten« benannt, eine gefährliche Forderung. Wir erleben gerade ein Dejá-vu: Nach der Diffamierung von KritikerInnen der Corona-Maßnahmen und der mRNA-Impfstoffe sind nun die GegnerInnen der Waffenlieferungen an die Ukraine dran. Als „Lumpen-Pazifisten“ werden sie als 5. Kolonne wahrgenommen und somit zu Anhängern Putins gemacht. Alles Russische ist von Übel: sowjetische Ehrendenkmäler werden besudelt, Gedenkfeierlichkeiten zum Tag der Befreiung am 8. Mai abgesagt.

Der Gipfel der Russophobie war die Aussage der Vizedirektorin des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien, Florence Gaub, in der Talkshow „Markus Lanz“: „Wir dürfen nicht vergessen, auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind – jetzt im kulturellen Sinne – die einen anderen Bezug zu Gewalt haben, die einen anderen Bezug zu Tod haben.“ Unfassbar, dass keine/r der anderen Talkshow-Teilnehmenden widersprach, darunter eine SPD-Ministerin! Es scheint, dass alte Ressentiments gegen „die Russen“ jahrzehntelang geschlummert haben und jetzt mit aller Macht hervorbrechen.

Trotz seiner unflätigen Verbalinjurien und der Verehrung für Stefan Bandera, dem bekannten Nazi-Kollaborateur, erhält der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, schändlich viel Aufmerksamkeit. Das gleiche trifft auf Präsident Selenskyi zu, einen Unterstützer der rechtsextremen Brigaden des Asow-Bataillons. Darüber wird geschwiegen wie auch über die 30 Biowaffenlabore in der Ukraine, deren Existenz die US-Unterstaatssekretärin Victoria Nuland kürzlich preisgegeben hat.

Wenn gefordert wird, Putin als Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) anzuklagen, müssen auch Kriegsverbrecher wie Obama, Trump, Biden, Netanjahu und viele andere angeklagt werden. Der Ukraine-Krieg illustriert die Doppelmoral des Westens und zeigt die Makulatur der „werteorientierten Außenpolitik“ von Außenministerin Baerbock. Statt Klimaschutz, Gleichberechtigung und Menschenrechte steht jetzt die „Verteidigung unserer Freiheit und unserer Wehrhaftigkeit“ im Mittelpunkt der deutschen Außenpolitik. Noch ein Dejá-vu: der damalige SPD-Verteidigungsminister Struck hat den Kriegseinsatz in Afghanistan vor 20 Jahren mit der Verteidigung „unserer Sicherheit am Hindukusch“ gerechtfertigt. Der zweite Versuch, „unsere Sicherheit und Freiheit“ mit Waffenlieferungen an die Ukraine zu schaffen, wird ebenso scheitern wie in Afghanistan.


Annette Groth, geboren 1954 in Gadderbaum/Nordrhein-Westfalen, Studium der Volks- und Betriebswirtschaft sowie der Internationalen Politik an der FU Berlin, von 2009 bis 2017 Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“.


Erstveröffentlichung am 1. Mai 2022 bei bei keinzustand.at


Online-Flyer Nr. 791  vom 25.05.2022



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