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Kultur und Wissen
Zur Veranstaltung "Die Häuser sollen nicht brennen, Bomber sollt man nicht kennen" am 28. Mai 2022 in Darmstadt
„Mit dem Finger auf die zu deuten, die diesen Krieg vorbereiten und trotzdem einem Baum gegen die Kälte einhüllen.“
Anna von Rohden im Interview mit der NRhZ
Am 28. Mai 2022 findet der gemeinsame Auftritt von Johanna Arndt, Anna von Rohden und Nicolas Miquea in Darmstadt in der Bessunger Knabenschule statt – veranstaltet vom Deutschen Freidenker-Verband, vom Bundesverband Arbeiterfotografie und der DKP. Der Titel der Veranstaltung lautet: „Die Häuser sollen nicht brennen, Bomber sollt man nicht kennen“ aus Brechts Gedicht „Bitten der Kinder“. An dem Abend werden Texte und Lieder gegen den Krieg gespielt werden. Die Lieder und Texte des ersten Teils führen uns in die Zeit der beiden Weltkriege und vermitteln ein Bild von Szenarien, die in Europa in Jugoslawien und der Ukraine leider wieder aktuell geworden sind. Johanna Arndt verknüpft die Lieder mit autobiografischen Texten aus den beiden Weltkriegen. Im zweiten Teil des Konzertes spielt der chilenische Gitarrist, Dichter, Komponist und Liedermacher Nicolás Miquea eigene Friedens- und Lebenslieder. Er setzt sich in seinen Liedern kritisch mit der Rolle des Westens in der Welt auseinander und bemängelt, dass sich die Menschen in Europa trotz besserer Bildung kaum der globalen Zusammenhänge und Konflikte bewusst sind. Die NRhZ sprach vor dem Konzert mit der Pianistin Anna von Rohden.
Anna von Rohden (Fotos: arbeiterfotografie.com)
Wir freuen uns, dass wir es diesmal hoffentlich im 3. Anlauf schaffen Dich, Johanna und Nicolas mit Euren Friedens- und Lebensliedern in Darmstadt zu hören. Du hast eine klassische Klavierausbildung und hast schon als Musikerin und Schauspielerin in interdisziplinären Kunstprojekten gearbeitet. Kannst Du kurz etwas über Deinen künstlerischen Werdegang erzählen?
Ich habe zunächst in Rostock klassische Klavier studiert. Ganz zu Beginn meines Studiums konnte ich zusammen mit meiner Cousine, die Gesang studiert hat, einen Meisterkurs mit Brecht-Liedern bei Gisela May machen – eine erste kleine Verbindung zu Johanna, die ich damals noch nicht kannte.
In Rostock habe ich viel mit Schauspieler*innen zusammengearbeitet: wir haben Kafkas Strafkolonie aufgeführt und später habe ich zusammen mit einer Schauspielerin Gedichte von Inge Müller, die ich vertont hatte, auf die Bühne gebracht. In Berlin habe ich zusammen mit dieser Schauspielerin, Anna Ortmann, und Laiendarsteller*innen ein Musical mit dem Titel „120 Minuten Armut“ erarbeitet.
Damals habe ich aber offiziell schon begonnen, Rechtswissenschaften an der HU Berlin zu studieren. Ich wollte damals vor allem mehr über Völkerrecht lernen und war sehr von Norman Peach und Noam Chomsky inspiriert. Inzwischen habe ich mein 1. Staatsexamen und arbeite zurzeit im Referat Ökolandbau im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Wie kam es zu Deiner Zusammenarbeit mit Johanna Arndt und Nicolas Miquea?
Ich fand es immer schade, mich „nur“ über das klassische Klavier ausdrücken zu können und empfand es als einen Mangel, „keine Worte zu haben“. Daher freut mich, dass ich jetzt andere dabei unterstützen kann, z.B. indem ich Johanna begleite. Uns drei verbindet schon lange eine sehr gute Freundschaft, und ich denke, in vielen vor allem politischen Dingen denken wir ähnlich. Daher bin ich sehr dankbar für die Zusammenarbeit.
Anna von Rohden am Klavier
Eurer Programm heißt Friedens- und Lebenslieder. Wir erleben derzeit eine aufgeheizte Stimmung, die mich an Karl Kraus „Die letzten Tage der Menschheit“ erinnert, in der er die Kriegsstimmung beim Ausbruch des 1. Weltkriegs beschreibt. Wie beurteilst Du die aktuelle Lage?
Das Thema und die Bedrohung des Krieges schwingen bei allem mit, was man in diesem Frühjahr tut. Aber dieses Gefühl, dass unser selbstverständliches Leben, das wir hier leben, bedroht bzw. eine Illusion ist, war auch schon vorher vor allem durch den Klimawandel für mich latent. Das Wissen, dass unser Status Quo auf Kosten der „anderen Seite des Ufers“ (wie Nicolas in dem Lied „Nada“ singt) und auf Kosten einer intakten Umwelt geht, war mir schon lange vorher immer präsent – genau wie die Traurigkeit darüber, dass es für meine Generation so schwer ist, an eine bessere Zukunft zu glauben. Jetzt werden hier (kapitalistische) Prioritäten von militärischer Stärke und eigenem Vorteil und die Erzählung von der westlichen moralischen Überlegenheit wieder stärker sichtbar. Angesichts der Übermacht dieser zerstörerischen Prioritäten und der damit einhergehenden Erzählung „unserer“ Überlegenheit ist es schwer, daran zu glauben, dass Solidarität und Vernunft sich durchsetzen können, ist es schwer, an eine hoffnungsvolle Zukunft zu glauben.
Ich habe den offenen Brief an Olaf Scholz unterzeichnet, indem vor der weiteren Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gewarnt wird. In einem Interview der TAZ und einem der ZEIT werden die Erstunterzeichner*innen Juli Zeh und Harald Welzer mit solch einer Herablassung behandelt – als wären sie unverständige Kinder, die den Ton der Zeit nicht treffen können. Ich verstehe nicht, warum denen, die zur Vorsicht mahnen wollen, Emotionslosigkeit oder Zynismus vorgeworfen wird, oder, aus der Zeit gefallen zu sein.
Natürlich schulden wir den Menschen in der Ukraine auch Mitgefühl und Empörung (wie wir das als Menschen eigentlich auch allen anderen Menschen auf der Welt in vergleichbarer Lage schulden). Aber darüber hinaus scheint mir hier, aus der Position des Dritten heraus, eine Haltung angemessen, die jetzt oft kritisiert wird:
Eine bedachte, vorsichtige, abwägende Haltung – dazu gehört, eine Vorgeschichte zu analysieren und kritisch zu prüfen, wo statt auf respektvolles Gespräch auf Konfrontation und Demonstration von Stärke gesetzt wurde; eine Haltung, die jetzt vor allem alle Überlegungen darauf fokussiert, wie Menschenleben erhalten werden können, wie eine weitere Eskalation vermieden werden kann. Es wird so viel über Waffenlieferungen und Aufrüstung gesprochen, aber so wenig über Verhandlungen. Ich denke (mit Noam Chomsky), dass hier noch nicht alles getan und versucht wurde. Ich denke, viele Menschen teilen diese Zweifel an einer „Politik der Stärke“ – warum wird diese Position so schnell als naiv abgetan? Ich glaube, dieses oft bemühte Argument gegen jeden Kompromiss: Putin würde den gereichten kleinen Finger benutzen um die ganze Hand zu bekommen– das ist doch erstmal kein Argument sondern nur eine Behauptung. Das Schlechteste zu unterstellen und auf Konfrontation zu setzen, die Fronten zu verhärten, scheint mir sehr unvernünftig.
Die Haltung, die ich selbst finden möchte, ist die aus Brechts „Ostersonntag“: um die Bedrohung zu wissen und „mit dem Finger auf die zu deuten, die diesen Krieg vorbereiten“ und trotzdem einem Baum gegen die Kälte einhüllen.
Flyer zur Veranstaltung mit Johanna Arndt, Anna von Rhoden und Micolas Miquea, Darmstadt, 28.05.2022:
http://www.arbeiterfotografie.com/verband/2022-05-28-darmstadt-johanna-arndt/flyer.pdf
Online-Flyer Nr. 791 vom 25.05.2022
Zur Veranstaltung "Die Häuser sollen nicht brennen, Bomber sollt man nicht kennen" am 28. Mai 2022 in Darmstadt
„Mit dem Finger auf die zu deuten, die diesen Krieg vorbereiten und trotzdem einem Baum gegen die Kälte einhüllen.“
Anna von Rohden im Interview mit der NRhZ
Am 28. Mai 2022 findet der gemeinsame Auftritt von Johanna Arndt, Anna von Rohden und Nicolas Miquea in Darmstadt in der Bessunger Knabenschule statt – veranstaltet vom Deutschen Freidenker-Verband, vom Bundesverband Arbeiterfotografie und der DKP. Der Titel der Veranstaltung lautet: „Die Häuser sollen nicht brennen, Bomber sollt man nicht kennen“ aus Brechts Gedicht „Bitten der Kinder“. An dem Abend werden Texte und Lieder gegen den Krieg gespielt werden. Die Lieder und Texte des ersten Teils führen uns in die Zeit der beiden Weltkriege und vermitteln ein Bild von Szenarien, die in Europa in Jugoslawien und der Ukraine leider wieder aktuell geworden sind. Johanna Arndt verknüpft die Lieder mit autobiografischen Texten aus den beiden Weltkriegen. Im zweiten Teil des Konzertes spielt der chilenische Gitarrist, Dichter, Komponist und Liedermacher Nicolás Miquea eigene Friedens- und Lebenslieder. Er setzt sich in seinen Liedern kritisch mit der Rolle des Westens in der Welt auseinander und bemängelt, dass sich die Menschen in Europa trotz besserer Bildung kaum der globalen Zusammenhänge und Konflikte bewusst sind. Die NRhZ sprach vor dem Konzert mit der Pianistin Anna von Rohden.
Anna von Rohden (Fotos: arbeiterfotografie.com)
Wir freuen uns, dass wir es diesmal hoffentlich im 3. Anlauf schaffen Dich, Johanna und Nicolas mit Euren Friedens- und Lebensliedern in Darmstadt zu hören. Du hast eine klassische Klavierausbildung und hast schon als Musikerin und Schauspielerin in interdisziplinären Kunstprojekten gearbeitet. Kannst Du kurz etwas über Deinen künstlerischen Werdegang erzählen?
Ich habe zunächst in Rostock klassische Klavier studiert. Ganz zu Beginn meines Studiums konnte ich zusammen mit meiner Cousine, die Gesang studiert hat, einen Meisterkurs mit Brecht-Liedern bei Gisela May machen – eine erste kleine Verbindung zu Johanna, die ich damals noch nicht kannte.
In Rostock habe ich viel mit Schauspieler*innen zusammengearbeitet: wir haben Kafkas Strafkolonie aufgeführt und später habe ich zusammen mit einer Schauspielerin Gedichte von Inge Müller, die ich vertont hatte, auf die Bühne gebracht. In Berlin habe ich zusammen mit dieser Schauspielerin, Anna Ortmann, und Laiendarsteller*innen ein Musical mit dem Titel „120 Minuten Armut“ erarbeitet.
Damals habe ich aber offiziell schon begonnen, Rechtswissenschaften an der HU Berlin zu studieren. Ich wollte damals vor allem mehr über Völkerrecht lernen und war sehr von Norman Peach und Noam Chomsky inspiriert. Inzwischen habe ich mein 1. Staatsexamen und arbeite zurzeit im Referat Ökolandbau im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Wie kam es zu Deiner Zusammenarbeit mit Johanna Arndt und Nicolas Miquea?
Ich fand es immer schade, mich „nur“ über das klassische Klavier ausdrücken zu können und empfand es als einen Mangel, „keine Worte zu haben“. Daher freut mich, dass ich jetzt andere dabei unterstützen kann, z.B. indem ich Johanna begleite. Uns drei verbindet schon lange eine sehr gute Freundschaft, und ich denke, in vielen vor allem politischen Dingen denken wir ähnlich. Daher bin ich sehr dankbar für die Zusammenarbeit.
Anna von Rohden am Klavier
Eurer Programm heißt Friedens- und Lebenslieder. Wir erleben derzeit eine aufgeheizte Stimmung, die mich an Karl Kraus „Die letzten Tage der Menschheit“ erinnert, in der er die Kriegsstimmung beim Ausbruch des 1. Weltkriegs beschreibt. Wie beurteilst Du die aktuelle Lage?
Das Thema und die Bedrohung des Krieges schwingen bei allem mit, was man in diesem Frühjahr tut. Aber dieses Gefühl, dass unser selbstverständliches Leben, das wir hier leben, bedroht bzw. eine Illusion ist, war auch schon vorher vor allem durch den Klimawandel für mich latent. Das Wissen, dass unser Status Quo auf Kosten der „anderen Seite des Ufers“ (wie Nicolas in dem Lied „Nada“ singt) und auf Kosten einer intakten Umwelt geht, war mir schon lange vorher immer präsent – genau wie die Traurigkeit darüber, dass es für meine Generation so schwer ist, an eine bessere Zukunft zu glauben. Jetzt werden hier (kapitalistische) Prioritäten von militärischer Stärke und eigenem Vorteil und die Erzählung von der westlichen moralischen Überlegenheit wieder stärker sichtbar. Angesichts der Übermacht dieser zerstörerischen Prioritäten und der damit einhergehenden Erzählung „unserer“ Überlegenheit ist es schwer, daran zu glauben, dass Solidarität und Vernunft sich durchsetzen können, ist es schwer, an eine hoffnungsvolle Zukunft zu glauben.
Ich habe den offenen Brief an Olaf Scholz unterzeichnet, indem vor der weiteren Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gewarnt wird. In einem Interview der TAZ und einem der ZEIT werden die Erstunterzeichner*innen Juli Zeh und Harald Welzer mit solch einer Herablassung behandelt – als wären sie unverständige Kinder, die den Ton der Zeit nicht treffen können. Ich verstehe nicht, warum denen, die zur Vorsicht mahnen wollen, Emotionslosigkeit oder Zynismus vorgeworfen wird, oder, aus der Zeit gefallen zu sein.
Natürlich schulden wir den Menschen in der Ukraine auch Mitgefühl und Empörung (wie wir das als Menschen eigentlich auch allen anderen Menschen auf der Welt in vergleichbarer Lage schulden). Aber darüber hinaus scheint mir hier, aus der Position des Dritten heraus, eine Haltung angemessen, die jetzt oft kritisiert wird:
Eine bedachte, vorsichtige, abwägende Haltung – dazu gehört, eine Vorgeschichte zu analysieren und kritisch zu prüfen, wo statt auf respektvolles Gespräch auf Konfrontation und Demonstration von Stärke gesetzt wurde; eine Haltung, die jetzt vor allem alle Überlegungen darauf fokussiert, wie Menschenleben erhalten werden können, wie eine weitere Eskalation vermieden werden kann. Es wird so viel über Waffenlieferungen und Aufrüstung gesprochen, aber so wenig über Verhandlungen. Ich denke (mit Noam Chomsky), dass hier noch nicht alles getan und versucht wurde. Ich denke, viele Menschen teilen diese Zweifel an einer „Politik der Stärke“ – warum wird diese Position so schnell als naiv abgetan? Ich glaube, dieses oft bemühte Argument gegen jeden Kompromiss: Putin würde den gereichten kleinen Finger benutzen um die ganze Hand zu bekommen– das ist doch erstmal kein Argument sondern nur eine Behauptung. Das Schlechteste zu unterstellen und auf Konfrontation zu setzen, die Fronten zu verhärten, scheint mir sehr unvernünftig.
Die Haltung, die ich selbst finden möchte, ist die aus Brechts „Ostersonntag“: um die Bedrohung zu wissen und „mit dem Finger auf die zu deuten, die diesen Krieg vorbereiten“ und trotzdem einem Baum gegen die Kälte einhüllen.
Flyer zur Veranstaltung mit Johanna Arndt, Anna von Rhoden und Micolas Miquea, Darmstadt, 28.05.2022:
http://www.arbeiterfotografie.com/verband/2022-05-28-darmstadt-johanna-arndt/flyer.pdf
Online-Flyer Nr. 791 vom 25.05.2022