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Aktueller Online-Flyer vom 24. November 2024  

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Krieg und Frieden
Krieg in der Ukraine
Wird 2023 den ersehnten Frieden bringen?
Von Wolfgang Effenberger

In seiner Weihnachtsansprache rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Solidarität und Zuversicht in "rauen Zeiten" auf. Frieden sei der sehnlichste Wunsch. Nach Steinmeier gäbe es Grund zur Zuversicht, denn: „Die Ukraine behauptet sich mit großem Mut. Europa steht zusammen. Und unser Land wächst in der Herausforderung wieder einmal über sich hinaus“ (1). Doch wie lange wird sich die Ukraine behaupten können? Waffenlieferungen bis zum letzten Ukrainer? Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, rief in seiner Weihnachtsansprache im Limburger Georgsdom die Menschen in der Ukraine und Russland zu gegenseitigen Gesprächen auf. „Auch wenn die Unterstützung des völkerrechtswidrig überfallenen Landes durch alle benötigten Güter weitergehen muss, braucht es gleichzeitig jetzt schon Friedensinitiativen“ (2), so der Bischof von Limburg.

Der Krieg und die brutalen Menschenrechtsverletzungen säten Hass und werden dem Bischof zufolge „über Generationen hinweg wieder und wieder Gewalt provozieren“. Damit schon die Saat des Friedens ausgestreut werden könne, sollten die Christen in Deutschland auf diese Menschen zugehen und mit ihnen „über Licht und gemeinsame Perspektiven mitten in der Finsternis von Krieg und Zerstörung“ sprechen.

Damit die Saat des Friedens überhaupt aufgehen kann, braucht es nach dem Philosophen Karl Jaspers neben der Freiheit noch das Fundament der Wahrheit. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz scheint im gängigen Narrativ verhaftet zu sein. Die Vorgeschichte des 24. Februar 2022 wird der Einfachheit ausgeklammert. Dabei handelte es sich bei dem vom kollektiven Westen 2014 orchestrierten Putsch auf dem Maidan-Platz in Kiew um ein völkerrechtswidriges Vorgehen, durch das der 2010 rechtmäßig gewählte Präsident Janukowitsch um sein Amt gebracht wurde (er floh, um sein Leben fürchtend, nach Russland). Das eine kann nicht das andere entschuldigen - es ist aber zum Verständnis notwendig und die Anerkennung dieses Sachverhalts ist Voraussetzung dafür, dass sich die Kriegsparteien wieder annähern können. Im Osten der Ukraine wurde der Umsturz nicht hingenommen und die Oblaste Luhansk und Donezk begannen sich zu separieren, worauf die ukrainische Armee zum Einsatz kam. Diese führt seit 2014 Krieg gegen die vorwiegend russisch-stämmige und somit auch pro-Russland eingestellte Bevölkerung in der Ukraine.

Nachdem über diesen achtjährigen Krieg im Donbass in den öffentlich-rechtlichen Medien kaum berichtet wird, ist der Kommentar "Krieg in der Ukraine - Europas Verantwortung" von Monitor-Chef Georg Restle am 28. Juli 2014 in den Tagesthemen wahrlich ein Zeitdokument.

"Über tausend Tote, dreieinhalbtausend Verletzte, hunderttausend auf der Flucht: Wer die Zahlen der Vereinten Nationen von heute ernst nimmt, der sollte aufhören in der Ukraine von einem Konflikt oder Aufstand zu sprechen. Nein: Dies ist Krieg. Mitten in Europa. Und es ist einer der schmutzigsten, den dieser Kontinent in den letzten Jahrzehnten gesehen hat. Was die Menschen in Donezk oder Luhansk in diesen Tagen erleben, ist ein Albtraum, den die meisten von uns nur noch von den Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern kennen: Kein Strom und kein Wasser, kaum noch Brot zum Essen und die tägliche Angst, schon morgen unter den Trümmern des eigenen Hauses begraben zu werden.“ (3)

Und Restle forderte schon 2014 in seinem Kommentar, dass dieser Krieg aufhören muss - und zwar ohne einseitige wohlfeile Appelle:

„Wenn westliche Politiker Vladimir Putin zurecht auffordern, Russlands Unterstützung für die prorussischen Terrormilizen zu beenden, dann müssen sie jetzt auch der ukrainischen Regierung in den Arm fallen. Denn der Bericht der UN ist unmissverständlich. Auch das ukrainische Militär terrorisiert die Zivilbevölkerung. Es trägt den Krieg mit Artilleriefeuer in Wohn- und Schlafzimmer. Es nimmt kaum Rücksicht auf die Not der Menschen, und auf deren Leben offenbar noch weniger. Dies kann und darf Europa nicht dulden. (4)

Restle sieht Moskau mitverantwortlich für eine Soldateska, die Unschuldige entführt, foltert und mordet, aber ebenso tragen für ihn Europas Regierungen Mitverantwortung für das rücksichtslose Töten einer Regierung, der sie selbst zur Macht verholfen haben: „Deshalb braucht es jetzt eine klare Botschaft an die Machthaber in Kiew. Der Terror gegen die Zivilbevölkerung muss beendet, der Artilleriebeschuss von Wohngebieten sofort eingestellt werden. Wenn nicht, macht sich Europa mitschuldig: Dann sind die getöteten Zivilisten im Häuserkampf von Donezk oder Lugansk auch unsere Toten.“ (5)

Und der Artilleriebeschuss auf die Wohngebiete hat in den letzten Tagen und Wochen noch dramatisch zugenommen. Darüber wird in den Mainstream-Medien nicht berichtet.

Mit einer Weihnachtsbotschaft wandte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nun an die Ukrainer, sprach ihnen Mut zu und appellierte an ihren Durchhaltewillen: „Wir werden nicht auf ein Wunder warten. Wir schaffen es selbst“ (6). Ein selbstbewusster Selenskyj, der nur drei Tage zuvor aus Washington zurückgekehrt war.

Für Michael Whitney, den geopolitischen und sozialen Analysten in Washington, ist Wolodymyr Selenskyj nicht über den Atlantik geflogen, um nur eine Rede vor dem US-Kongress zu halten. Dessen eigentliches Ziel war es, in Zeiten des abnehmenden Interesses der US-Bürger am Ukraine-Konflikt (vor allem seit die Republikaner bei den „Midterm Elections“ im November 2022 das Repräsentantenhaus übernehmen konnten) ein aufrüttelndes Ereignis zu schaffen, nämlich die Illusion, dass in den USA eine breite Öffentlichkeit den Kampf der ukrainischen Streitkräfte unterstützt. Deshalb wurde die von tosendem Beifall begleitete Rede auf allen Kanälen der Mainstream-Medien ausgestrahlt. „Wieder einmal sind die Kader der gefräßigen Eliten, die die politischen Hebel der Macht in Amerika kontrollieren, entschlossen, das Land in den Krieg zu ziehen.“ Whitney sieht darin eine PR-Arbeit vom Allerfeinsten und den Versuch, „Unterstützung für einen Konflikt zu gewinnen, in den bald junge amerikanische Männer und Frauen verwickelt sein werden, die sterben sollen, damit die wohlhabenden Eliten ihren Griff auf die globale Macht behalten können“ (7).

US-Colonel Douglas MacGregor sieht im Ukraine-Konflikt eine Vergrößerung der menschlichen Tragödie, die ihre Ursache letztlich im absoluten Willen einer kleinen US-Elite zu einer von den USA dominierten unipolaren Welt hat. Die Osterweiterung der NATO ist auf dem Weg dahin nur ein kleiner Zwischenschritt.

„Die Opfer leben nicht in Nordamerika. Sie leben in einer Region, die die meisten Amerikaner nicht einmal auf einer Landkarte finden können“, so MacGregor: „Washington hat die Ukrainer zum Kampf gedrängt. Jetzt muss Washington sie auffordern, damit aufzuhören“ (8). Diese Einstellung ehrt den Colonel. Er übersieht dabei leider, dass die Ukraine für diese Elite auf dem Weg zur Weltherrschaft nur ein Bauernopfer ist.

Am 30. August 2022 verstarb im Alter von 91 Jahren der Friedensnobelpreisträger und frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow. Er galt als einer der Väter der Deutschen Einheit und als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges - in den 1980er-Jahren hatte die Sowjetunion unter Gorbatschows Präsidentschaft mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle geschlossen. (9)

„Ich verneige mich vor einem großen Staatsmann“, hieß es in einem Kondolenzschreiben des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier an Gorbatschows Tochter, „Deutschland bleibt ihm verbunden, in Dankbarkeit für seinen entscheidenden Beitrag zur deutschen Einheit, in Respekt für seinen Mut zur demokratischen Öffnung und zum Brückenschlag zwischen Ost und West, und in Erinnerung an seine große Vision von einem gemeinsamen und friedlichen Haus Europa.“ (10)

„Wer ihn in den letzten Jahren erlebt hat“, so Steinmeier (den Tod von Gorbatschow für die aktuelle Politik instrumentalisierend), „konnte spüren, wie sehr er daran litt, dass dieser Traum in immer weitere Ferne rückte. Heute liegt der Traum in Trümmern, zerstört durch den brutalen Angriff Russlands auf die Ukraine.“ (11)

Waren das nur leere Worthülsen? An den Beisetzungsfeierlichkeiten in Moskau nahm keine deutsche Polit-Prominenz teil. Sogar der deutsche Botschafter in Moskau sagte wegen eines angeblichen positiven Corona-Tests ab. (12) Stellvertretend für ihn nahm dann der Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Moskau teil.

Für den Zeit-Fragen-Kommentator Karl-Jürgen Müller wurde Gorbatschows Vision von einem "gemeinsamen europäischen Haus" - bis auf wenige Episoden - von der EU-, speziell von deutscher Seite, niemals ernsthaft und nachhaltig aufgegriffen: „Anders als die Worte des deutschen Bundespräsidenten Glauben machen könnten, hat EU-Europa, hat Deutschland in den vergangenen 30 Jahren kräftig mit dazu beigetragen, dass Gorbatschows "Traum" nicht erst seit Februar 2022 in Trümmern liegt. Die Unterordnung EU-Europas und Deutschlands unter die Vereinigten Staaten und deren Pläne für eine unipolare Welt mit US-amerikanischer Vorherrschaft haben diesen "Traum" schon viel früher zur Makulatur werden lassen“. (13)

Das war bereits deutlich bei der Verleihung des Franz Josef Strauß-Preises 2011 der Hanns-Seidel-Stiftung am 10. Dezember 2011im Kaisersaal der Münchner Residenz zu spüren.

In seiner Dankesrede gab Gorbatschow seiner Freude darüber Ausdruck, dass es gut sei, dass es keine Berliner Mauer mehr gibt. Diese Freude trübten leider schon wieder neue Spaltungslinien. So forderte Gorbatschow die damaligen Politiker in ganz Europa einschließlich Mittel- und Osteuropa auf, sich Gedanken zu machen, vor allem über ihre Pflicht, eine neue Konfrontation unter keinen Umständen zuzulassen.

„Anfangs war ich der Ansicht“, sagte Gorbatschow, „dass unsere Politiker in Russland auf die europäische Raketenabwehr und deren geplante Stationierung in Europa übermäßig scharf reagieren. Nun frage ich mich heute immer wieder nach dem Sinn des ganzen Vorhabens. Denn es sieht danach aus, dass das Raketenabwehrsystem der USA als ein Verteidigungsschild gegen Russland angedacht worden sei. Alles Gegenteilige mutet nur als Geschwafel und Rauchschleier zur Verdeckung der Wahrheit an. Die russische Regierung hat schließlich erklärt: „Wir stationieren auch entsprechende Verteidigungs- und Abwehrmittel, und wir sind bereit, Waffen einzusetzen, die unsere Sicherheit gewährleisten.“ Und was heißt das unterm Strich? Das heißt, dass die Möglichkeit eines neuen Krieges nicht auszuschließen ist. Stehen Russland und die USA einander feindlich gegenüber, wird die ganze Sache über den Rahmen eines lokalen Konflikts unausweichlich hinauswachsen.“ (14)

Des Weiteren forderte Gorbatschow dazu auf, sich darüber klar zu werden, dass der Kalte Krieg zu Ende ist: „Manche unserer Partner im Westen meinten, er endete mit ihrem "Sieg". Es scheint mir, dass sie, von dieser falschen Siegeseuphorie befallen, die Fähigkeit zur kritischen Bewertung des eigenen Zustands einbüßten, das gilt besonders für die USA. Dort begannen so manche Absichten dahingehend zu hegen, ein neues Imperium in der Welt, eine Situation zu schaffen, in der eine einzige Supermacht die Weltszene beherrscht. Man will Russland in Unruhe und Angst versetzen. Und in Europa scheint man vor Russland immer noch Furcht zu haben. Keiner hat im 20. Jahrhundert so viele Kriege führen müssen wie wir. Unser Volk musste viel Leid über sich ergehen lassen. Es sei in diesem Zusammenhang gesagt, dass nach der Beendigung des Zweiten Weltkriegs wir keinerlei Pläne hatten, gegen die USA Kriegshandlungen zu beginnen [Im Gegensatz zur USA mit ihren Kriegsplan DROPSHOT vom 19. Dezember 1949, W.E.]. Das weiß ich ganz genau. Nun kommt es erneut zu einer Zuspitzung der Lage. Erinnern Sie sich an jene zwei- bzw. dreihundert Militärstützpunkte der USA, die zur Zeit des Kalten Krieges überall in der ganzen Welt verstreut wurden. Haben sie jemandem auch nur irgendeinen Nutzen gebracht?“ (15)

Beschwörend wiederholte Gorbatschow die drohende Kriegsgefahr: „Wir sind schon wieder in einem Wettrüsten verfangen. Es geht tatsächlich um ein neues Wettrüsten. Wir haben es dabei nicht nur mit der Militarisierung der Wirtschaft, sondern auch mit der des Bewusstseins zu tun. Wir sind krank, wir alle haben es nötig, behandelt und geheilt zu werden. Es scheint, dass die Generäle wieder zu Helden werden; sie meinen, mit der Abrüstung sei man zu weit gegangen. Wenn jemand auf eine militärische Lösung von Problemen setzt, dann ist es ein Fehler.“ (16)

Später schrieb Gorbatschow dann zahlreiche Bücher, in denen er sich von den Deutschen und vom Westen allgemein enttäuscht zeigte und beklagte, dass neue Feindbilder gegen Russland gezeichnet würden. (17)

Deutschland scheint in seiner selbstzerstörerischen Politik gegen Russland alle Friedenstüren zuzuschlagen. Jüngstes Beispiel dafür ist ein Entschlussantrag vom 30. November 2022 mit dem Titel „Holodomor in der Ukraine: Erinnern – Gedenken – Mahnen“ (18), den die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP sowie die CDU/CSU (20/4681) gemeinsam vorgelegt haben. Die Vorlage wurde mit der Mehrheit der Antragsteller bei Enthaltung der AfD und Die Linke angenommen.

Der Begriff Holodomor (von ukrainisch „holod“ – Hunger und „moryty“ – umbringen) bezeichnet dem Antrag zufolge die gezielte und massenhafte Tötung durch Hunger, der in den Jahren 1932 und 1933 Millionen Menschen in Sowjetunion zum Opfer fielen.

In ihrem Antrag fordern die Abgeordneten die Bundesregierung unter anderem auf, die Erinnerung an die Opfer des Holodomors und dessen internationale Bekanntmachung politisch weiter zu unterstützen und „jeglichen Versuchen, einseitige russische historische Narrative zu lancieren, weiterhin entschieden entgegenzuwirken“. Als „Opfer des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands und der imperialistischen Politik Wladimir Putins“ solle die Ukraine zudem weiterhin politisch, finanziell, humanitär und militärisch unterstützt werden.

Als Teil der Kriegspropaganda gegen Russland hat das deutsche Parlament den zweifelsfrei von der damaligen sowjetischen Politik zu verantwortenden Hungertod von ein paar Millionen Menschen in der gesamten Sowjetunion in den Jahren 1931–1933 als gezielten Völkermord an den Ukrainern gedeutet. Dieser Entschlussantrag ist ausdrücklich gegen das heutige Russland gerichtet und folgt der aus den USA kommenden Propagandaformel (Anne Applebaum, Timothy Snyder und andere), „Stalin und den heutigen russischen Präsidenten Putin gleichzusetzen“. (19)

Um von diesem Propagandaverdacht abzulenken, suchen die Verfasser Schutz hinter dem Panzer der eigenen moralischen Überhöhung: „Der Deutsche Bundestag leitet aus Deutschlands eigener Vergangenheit eine besondere Verantwortung ab, innerhalb der internationalen Gemeinschaft Menschheitsverbrechen kenntlich zu machen und aufzuarbeiten.“ So wird der Holodomor in eine Reihe mit massivsten, in ihrer Grausamkeit bis dahin unvorstellbarer Menschheitsverbrechen gestellt: Dem Holocaust an den europäischen Jüdinnen und Juden in seiner historischen Singularität, den Kriegsverbrechen der Wehrmacht und der planmäßigen Ermordung von Millionen unschuldiger Zivilistinnen und Zivilisten im Rahmen des rassistischen deutschen Vernichtungskriegs im Osten, für die Deutschland die historische Verantwortung trägt.

In der Aufzählung fehlt der Hinweis auf die ca. 3,3 Millionen Rotarmisten, die die deutsche Gefangenschaft nicht überlebten. (20) Sie wurden gezielt durch Schwerstarbeit bei unterdurchschnittlicher Verpflegung vernichtet oder u.a. durch Genickschuss ermordet. So mordete die SS im Herbst 1941 allein im KZ Sachsenhausen 13.000 sowjetische Kriegsgefangene in einer eigens dafür gebauten "Genickschussanlage" und bei der Erprobung von Gaswagen. (21)

In der Aufzählung der jüngsten Menschheitsverbrechen fehlt der Genozid an den ca. 1,5 Millionen Armeniern 1915, ebenso wie der in den USA nach dem Bürgerkrieg 1865 einsetzende Ausrottungskrieg gegen die Ureinwohner durch die Nordstaaten-Armee.

Wie die Armenier warten die überlebenden Indianer auf eine Entschuldigung. Bisher hat noch kein US-Präsident in seiner Vereidigungsrede die Ureinwohner überhaupt nur erwähnt, geschweige denn, dass es in den USA ein offizielles Denkmal für die ermordeten Ureinwohner gibt. Dagegen genehmigte der Kongress 2006 - zwei Jahre nach der erfolgreichen orangenen Revolution in der Ukraine - die Schaffung des Holodomor-Denkmals in Washington.

Das am 7. November 2015 eingeweihte Denkmal befindet sich in der Nähe des US-Kapitolgebäudes an der Kreuzung der North Capitol Street, der Massachusetts Avenue und der F Street NW. Es soll die Opfer der ukrainischen Hungersnot ehren und die amerikanische Öffentlichkeit informieren. (22)

Von den Antragstellern aus den Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP sowie der CDU/CSU waren bisher nur Rufe nach weiteren schweren Waffen für die Ukraine zu hören. Kampf bis zum letzten Ukrainer? Auf Friedens-Impulse wurde bisher verzichtet.

Doch bereits die Präambel des Grundgesetzes enthält die zentrale Verpflichtung des Staates zum Frieden. Diese Pflicht begründet sich aus Deutschlands Verantwortung für die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts und wurde in Artikel 2 des Zwei-plus-Vier-Vertrages von 1990 für Gesamtdeutschland erneut betont: „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird.“ (23)

Doch wo sind die deutschen Stimmen, die laut die zentrale Verpflichtung Deutschlands zum Frieden fordern? Sie sind weder in der Politik, in den Gewerkschaften noch in den Kirchen auszumachen. Wo bleiben die Forderungen zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine und nach ernsthaften Friedensverhandlungen, „die von der Achtung vor dem Willen und dem Leiden der betroffenen Menschen in der Ukraine und in Russland sowie der berechtigten Sicherheitsinteressen aller am Konflikt beteiligten Staaten getragen sind“? (24)

Zu den rühmlichen Ausnahmen zählt der ehemalige Generalinspekteur der Deutschen Bundeswehr und hochrangige NATO-General Harald Kujat, der immer wieder nach ernsthaften Friedensverhandlungen gerufen hat und nicht müde wurde, die NATO-Propaganda über den Kriegsverlauf in der Ukraine zu entlarven.

Leider verkennt Kujat, dass es sich im Ukraine-Konflikt um einen Stellvertreterkrieg zwischen USA und Russland handelt, in dem es um nichts weniger geht als die unipolare Weltgeltung der USA (Langzeitstrategie: "Win in a Complex World 2020-2040" vom September 2014). Dauerhaften Frieden wird es nur geben können, wenn die USA dieses Ziel aufgeben und als gleichrangiges Mitglied im Konzert einer multipolaren Welt ihren Teil dazu beitragen.

Leider sieht es nicht so aus, als könnten wir darauf hoffen. Auch mit noch so viel NATO-Hilfs- und Siegespropaganda hat die Ukraine keine realistische Chance, den Krieg gegen Russland zu gewinnen, und so ist bald eine direkte Konfrontation NATO - Russland nicht mehr auszuschließen.


Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)


Fußnoten:

1) https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/bundespraesident-steinmeier-weihnachtsansprache-104.html
2) https://www.spiegel.de/panorama/bischofsreden-zu-weihnachten-haben-uns-auffallend-schnell-an-gewalt-in-tat-und-wort-gewoehnt-a-406598a9-3317-4f0b-a285-a70bec519cf3
3) https://de-de.facebook.com/monitor.wdr/posts/krieg-in-der-ukraine-europas-verantwortung-der-kommentar-von-monitor-chef-georg-/746153788756897/
4) Ebd.
5) Ebd.
6) https://www.spiegel.de/ausland/wolodymyr-selenskyj-in-weihnachtsansprache-wir-werden-nicht-auf-ein-wunder-warten-wir-schaffen-es-selbst-a-0f285068-3a3c-4f12-bb49-f3a988967b5c
7) https://www.unz.com/mwhitney/why-putins-winter-offensive-will-prompt-us-entry-into-the-war/
8) https://www.theamericanconservative.com/washington-is-prolonging-ukraines-suffering/
9) https://www.tagesschau.de/ausland/europa/gorbatschow-gestorben-101.html
10) https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-08/reaktionen-tod-gorbatschow?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com
11) https://www.tagesspiegel.de/politik/das-unterschlagt-steinmeier-in-seinem-kondolenzschreiben-8590702.html
12) https://www.zeit.de/politik/2022-09/michail-gorbatschow-begraebnis-mit-deutschem-diplomat
13) https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-27-13-dezember-2022/1987-ueberlegungen-fuer-ein-gemeinsames-europaeisches-haus-und-weltweite-abruestung
14) https://www.hss.de/fileadmin/user_upload/HSS/Dokumente/111210_RM_Gorbatschow.pdf
15) Ebd.
16) Ebd.
17) https://www.tagesschau.de/ausland/europa/gorbatschow-gestorben-101.html
18) https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw48-de-holodomor-923060
19) https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-27-13-dezember-2022/1987-ueberlegungen-fuer-ein-gemeinsames-europaeisches-haus-und-weltweite-abruestung
20) https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/kriegsgefangenschaft.html
21) https://www.sachsenhausen-sbg.de/geschichte/1936-1945-konzentrationslager-sachsenhausen/
22) https://en.wikipedia.org/wiki/Holodomor_Genocide_Memorial,_Washington,_DC?oldid=718026533
23) https://www.grundrechtekomitee.de/details/zur-geschichte-des-verrats-am-friedensgebot-23-mai-2019-70-jahre-grundgesetz
24) https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-27-13-dezember-2022/1987-ueberlegungen-fuer-ein-gemeinsames-europaeisches-haus-und-weltweite-abruestung

Online-Flyer Nr. 805  vom 23.01.2023



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