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Ein neokonservativer Paukenschlag in "Foreign Affairs" und etwas Kryptisches im "Economist"
Von Wolfgang Effenberger
Gleich in der ersten Ausgabe 2023 des Journals "Foreign Affairs", der Hauspostille des "Council on Foreign Relations" (1) (CFR) - die große elitäre private US-amerikanische Denkfabrik (4.500 Mitglieder und 250 Unternehmen) mit Fokus auf außenpolitische Themen - durfte der einflussreiche Neokonservative Robert Kagan in seinem Artikel "Eine freie Welt, wenn man sie behalten kann" (A Free World, If You Can Keep It) die US-Kriege des 20. und 21. Jahrhunderts als "Weltbeglückungskriege" darstellen. Kriege, die von den USA vor allem aus altruistischen Motiven geführt wurden. Kagan (64) ist der Ehemann von Victoria Nuland (sie ist Diplomatin im US-Außenministerium und kam durch ihren Ausspruch "Fuck the EU" in die Schlagzeilen der Weltpresse) und persönlicher Freund des jetzigen US-Außenministers Antony Blinken.
Kagan führt u.a. auch aus, dass die Amerikaner nach Ausbruch des Krieges im August 1914 entschlossen waren, „sich aus der europäischen Krise herauszuhalten, nur um drei Jahre später Millionen von Soldaten in den Ersten Weltkrieg zu schicken“ (2).
Das Heraushalten war sicherlich der Wunsch der überwiegenden US-amerikanischen Bevölkerung, der Kriegseintritt jedoch das Werk einer kleinen einflussreichen Geld-Elite, deren Anleihen an die Entente sonst wertlos geworden wären.
Schon im Januar 1914 hatte das Kabinett Wilson beschlossen, in Mexiko militärisch zu intervenieren (3) - Appetitanreger waren die kurz zuvor entdeckten Ölquellen im Süden Mexikos - und man hatte zu diesem Zweck bereits einen US-Flottenverband vor der mexikanischen Golfküste zusammengezogen. (4)
Die US-Streitkräfte hielten vom 21. April bis zum 23. November 1914 die Stadt Veracruz und deren Hafen am Golf von Mexiko besetzt. So war es nicht verwunderlich, dass die US-Bevölkerung von weiteren kriegerischen Abenteuern im Sommer 1914 die Nase voll hatte.
Wenige Tage vor Kriegsbeginn warnte auf dem 25. Internationalen Eucharistischen Kongress (vom 22. bis 25. Juli 1914 in Lourdes) der Erzbischof von New York, Kardinal Murphy Farley, eindringlich vor dem kommenden Krieg: „Der Krieg, der in Vorbereitung ist, wird ein Kampf zwischen dem internationalen Kapital und den regierenden Dynastien sein. Das Kapital wünscht niemanden über sich zu haben, kennt keinen Gott oder Herrn und möchte alle Staaten als großes Bankgeschäft regieren lassen. Ihr Gewinn soll zur alleinigen Richtschnur der Regierenden werden …Business … einzig und allein.“ (5)
Die Spekulanten in den USA witterten im kommenden Krieg enorme Gewinne: Fast gleichzeitig mit der visionären Aussage Farleys nahm der amerikanische Karikaturist Charles Lewis Bartholomew (1869–1949) am 27. Juli 1914 im „Minneapolis Journal“ unter der Überschrift „An American Recruit“ die Geschäfte mit dem Ernteausfall bei den künftigen kriegführenden Parteien aufs Korn.
Vor einem Rekrutierungsoffizier steht stramm ein riesiger Weizenmann mit der Aufschrift "U.S. Crop". Der Offizier macht sich auf einem Papier mit der Aufschrift "Recruits World War" Notizen. Auf dem am Boden liegenden Papier ist zu lesen: "Crop Failure Abroad" (Ernteausfall im Ausland). Zeitgenössische Nachrichten berichteten später über massive Getreideüberschüsse in den USA und dennoch gestiegene Preise wegen des Weltkriegs. (6)
Und das alles nur, um drei Jahre später Millionen von US-Soldaten nach Europa zu schicken, um dort die „Entente“ (also die „Alliierten“, u.a. Frankreich, Russland und Großbritannien) im Kampf gegen den „Vierbund“ (Deutschland, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich und Bulgarien) politisch und militärisch massiv zu unterstützen.
Anfang März 1917 liefen bestürzende Meldungen im Washingtoner Oval Office ein: Meuterei im französischen Heer! Zudem zeichnete sich allmählich der Zusammenbruch Russlands ab und auf hoher See schien Deutschland mit seinen U-Booten das Rennen zu machen. Ein Sieg Deutschlands und damit der Totalverlust der Kriegsanleihen an die Entente musste mit allen Mitteln verhindert werden, denn ein Zusammenbruch des J.P. Morgan-Bank-Imperiums hätte eine Implosion der Wall Street bedeutet. Die Kredite zum Vergleich: 27 Mio. USD bekam das Deutsche Kaiserreich und 2.300 Mio. USD die Entente. (7)
Am 2. April 1917 forderte US-Präsident Woodrow Wilson in einer äußerst emotional geführten Rede den Kongress auf, ihm die Zustimmung zur Kriegserklärung an Deutschland zu erteilen. Als Grund nannte er die Versenkung von US-Handelsschiffen als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Dabei hatte Wilson am 9. März 1917 selbst angeordnet, die Handelsschiffe zu bewaffnen - 7 Tage danach wurden 3 US-Schiffe versenkt. Und 16 Tage später bereits die Kriegserklärung! Es darf davon ausgegangen werden, dass die Weichenstellung für einen Krieg dieser Größenordnung nicht 16 Tage, sondern schon 16 Monate vorher erfolgte. (8)
Trotz der massenpsychotischen Wirkung von Wilsons Kriegs-Rede verlangte während der hitzigen Debatte Senator Bob LaFollette die sofortige Ausschreibung einer Volksbefragung über Frieden oder Krieg, von der er zuversichtlich voraussagte, die USA würden sich 10:1 gegen den Krieg aussprechen. Das veranlasste die Medien natürlich zu einer persönlichen Attacke auf LaFollette, in der behauptet wurde, er sei „ein besserer Deutscher als die Führer Deutschlands selbst.“ (9)
Senator George W. Norris wies in seiner Gegenrede die von Wilson angeführten Kriegsgründe zurück und zeigte - aus einem Kundenbrief der "New York Stock Exchange" zitierend - die Interessen der Wall Street auf: „Canada und Japan sind im Krieg und prosperieren mehr denn je. Bei Ausbruch unmittelbarer Feindseligkeiten würden die Aktien mit erfreulichem Blick schnell, klar und hitzig reagieren.
Der altmodische „Bull Market“ (also der Wertpapiermarkt bei steigenden Kursgewinnen) würde sich daran ebenso erfreuen, wie beim Ausbruch des Krieges mit Spanien 1898. Dagegen würde der Beginn des Friedens die Warenpreise nach unten anpassen und höchst-wahrscheinlich den Unternehmungsgeist hemmen.“ (10)
Die über 2 Millionen US-Soldaten mussten auf dem Kriegsschauplatz in Europa erscheinen, da nur so Deutschland den Krieg derart verlieren konnte, dass man es im Versailler Friedens-diktat als alleinschuldig (Art. 231 Versailler Friedensvertrag) brandmarken und zwingen konnte, auch die Darlehen der Entente zurückzuzahlen.
Auch Kagans Hinweis, dass Deutschland Russland im 20. Jahrhundert zweimal angegriffen hat, trifft zweifelsfrei nur für den deutschen Überfall vom 22. Juni 1941 zu. Für den Weg in den Ersten Weltkrieg ist Kagans vereinfachende Aussage jedoch keineswegs zutreffend.
Am 30. Juli 1914 befahl Zar Nikolaus II. die Generalmobilmachung der russischen Armee. Daraufhin verkündete das Deutsche Reich am 31. Juli 1914 den „Zustand der drohenden Kriegsgefahr“ und forderte Russland auf, die Mobilmachung seiner Armee innerhalb von 12 Stunden zu stoppen. Da Petersburg der Forderung nicht nachkam, verkündete Deutschland am 1. August 1914 gegen 17 Uhr die deutsche Mobilmachung und erklärte dann in den Abendstunden Russland den Krieg. (11)
Bereits am 1. August 1914 näherte sich im Osten von Preußen die „Njemen“-Armee unter Paul von Rennenkampff mit dem Ziel, Königsberg zu erobern. Von Süden her marschierte die „Narew“-Armee unter Alexander Samsonow auf die Weichsel zu, um Ostpreußen vom übrigen Reich abzuschneiden. Von den acht deutschen Armeen standen gemäß Schlieffen-Plan sieben an der Westfront, nur die 8. Armee sollte mit 190.000 Mann Ostpreußen gegen 485.000 russische Angreifer verteidigen.
Bereits am 2. August 1914 überschritten russische Verbände die deutsche Grenze, was zu ersten erbitterten Gefechten zwischen deutschen und russischen Truppen führte. Fast 200.000 Menschen in Ostpreußen traten panikartig die Flucht Richtung Westen an. Da die „Njemen“-Armee unter Rennenkampff weitgehend untätig blieb, konnte die „Narew“-Armee unter Samsonow zwischen 26. und 31. August 1914 im Raum Allenstein/Tannenberg weitgehend aufgerieben werden. Fast 80.000 russische Soldaten waren gefallen und insgesamt 92.000 gingen in die Gefangenschaft. Der Sieg bei Tannenberg stoppte die russische Offensive und befreite den größten Teil Ostpreußens von russischen Truppen.
Der Oberkommandierende der „Narew“-Armee, General Samsonow, beging Selbstmord, nachdem er noch 1 Woche vorher siegessicher seinen Truppen den Tagesbefehl erteilte: „Ich bin überzeugt, dass die mir anvertrauten Korps sich mit Deutschland, mit dem Feind unseres Mütterchen Russland und des gesamten Slaventums heldenhaft schlagen werden.“ (12) Was für ein tragischer Irrtum!
Kaiser Wilhelm II. pflegte ein inniges Verhältnis zu seinem Vetter Zar Nikolaus II. und war keineswegs ein Feind des Slawentums.
Laut Kagan war die US-Bevölkerung entschlossen, „sich aus der aufkeimenden Krise in Europa in den 1930er Jahren herauszuhalten, nur um dann nach dem Dezember 1941 viele Millionen in den nächsten Weltkrieg zu schicken“ (13). Diese Millionen marschierten dann wieder auf Geheiß und im Interesse des US-Kapitals.
Ende 1934, als nach dem Scheitern der New Deal-Pläne von US-Präsident Franklin Delano Roosevelt in den USA die Angst vor einem neuen Krieg umging und die Entwicklung der "Rainbow“-Kriegspläne anlief, nahm im US-Kongress unter Vorsitz von Senator Gerald P. Nye ein Untersuchungsausschuss ("The Special Committee on Investigation of the Munitions Industry") die Arbeit über die Gründe der Vereinigten Staaten von Amerika für den Kriegseintritt 1917 auf.
Im Zuge der sorgfältig durchgeführten Ermittlungen (93 Anhörungen, Dauer 2 Jahre) wurden 200 Zeugen von 50 Unternehmen befragt, darunter auch der einflussreiche US-Privatbankier J.P. Morgan Jr. und der US-Unternehmer Pierre Samuel du Pont.
Das Komitee unter der Leitung von Senator Gerald P. Nye konnte schließlich überzeugend darlegen, dass Banker und Rüstungsindustrielle neben Preisabsprachen vor und während des Krieges starken Einfluss auf die US-Außenpolitik genommen und so das Land in den Krieg "getrickst" hatten. (14)
Die Netto-Gewinne mancher Rüstungshersteller verzeichneten exorbitante Zuwächse: Bei Du Pont steigerten sie sich während des Krieges um fast 1.000 Prozent! Im US-Wahlkampf von 2008 tauchte übrigens unter Obamas größten Geldgebern der Name Morgan auf - gleich hinter Goldman Sachs und vor der Citigroup. (15) (1935 setzte die amerikanische Künstlerin Mabel Dwight den Profiteuren von Krieg und Krisen mit ihrer Lithografie "The Merchants of Death" ein Denkmal.
Mabel Dwight Lithografie "The Merchants of Death"
„Die Händler des Todes sind zäh und langlebig … ihr alleiniges Interesse ist das Eigeninteresse, ihr alleiniger Gott ist der Profit. … Als Politiker richtet sich ihr Interesse auf eine starke Herrscherklasse und die Bündelung der Privilegien … Was sie jedoch nur selten begreifen ist, dass der Tod ihr Anführer ist. Er liebt sie, denn er weiß, dass sie früher oder später seine Taschen füllen werden. Er weiß, dass sie Kriege und Revolutionen ausbrüten … ihre Hartnäckigkeit und ihre althergebrachte Dummheit übersteigen jedes verständliche Maß. Wir sprechen hier über Wesen, die ausgesprochen scharfsichtig, dabei aber unheilbar kurzsichtig sind. In diesem Land hassen sie das Ideal der Demokratie, doch sind sie froh über die lockeren Zügel und den Freiraum, den sie ihnen lässt.“ (16)
Kagan liegt richtig, wenn er schreibt, dass die Interventionspolitik von US-Präsident Franklin D. Roosevelt ab 1937 keine Reaktion auf eine zunehmende Bedrohung der amerikanischen Sicherheit war. Diese Politik war - wie auch die immer konkreter werdenden Kriegsplanungen - der desolaten wirtschaftlichen Lage in den Vereinigten Staaten geschuldet. Der US-Kongress brauchte damals den Krieg als „Ventil“ - und heute ist es wiederum so.
Staatsverschuldung der USA BIP in % 1930-2020 (17)
Am 1. September 1939, dem Tag des deutschen Angriffs auf Polen, berief US-Präsident Roosevelt Brigadegeneral George Catelett Marshall von seinem Posten als Chef des Kriegsplanungsamtes ab und ernannte ihn zum Stabschef der US-Army (im Rang eines Viersterne-Generals), hinweg über die Köpfe von 20 Generalmajoren und 14 dienstälteren Brigadiers. Marshall hatte keine Offiziersausbildung an der Westpoint-Militärakademie absolviert und konnte auch keine Verwendung als Truppenführer vorweisen. Somit muss seine ungewöhnliche Ernennung einerseits mit seinem Organisationstalent, andererseits aber wohl vor allem mit seiner bis zur Selbstaufgabe gehenden Treue zum Dienstherrn erklärt werden. (18)
Für General Marshall war bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs klar, dass sich die USA in Vorbereitung auf einen Krieg gegen die Sowjetunion befinden. Und er wusste, dass wirtschaftliche Stabilität ein wichtiges Element der Sicherheit ist - nämlich eine unabdingbare Voraussetzung beim geplanten Militärbündnis.
US-Präsident Harry S. Truman hatte am 12. März 1947 allen Staaten, die sich von der Sowjetunion bedroht fühlten, militärische Unterstützung im so genannten Kampf um die Freiheit zugesichert. Am 5. Juni 1947 präsentierte General Marshall, inzwischen US-Außenminister, ein Wiederaufbauprogramm für Europa („Marshall-Plan“). Am 26. Juli 1947 wurde der „National Security Act“ zur militärischen Durchdringung der Welt verabschiedet, eines der wichtigsten Gesetze der US-amerikanischen Nachkriegsgeschichte. Am 18. September 1947 folgte die Gründung der CIA.
Am 4. April 1949 wurde die NATO gegründet, offiziell als Verteidigungsbündnis gegen die Sowjetunion - die erst am 15. Mai 1955 (als Reaktion auf den NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland) den "Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand", im Westen kurz „Warschauer Pakt“ genannt, ins Leben rief.
Der erste NATO-Generalsekretär Lord Ismay hatte die Aufgabe der NATO auf eine saloppe Formel gebracht, nämlich „… die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten“ (19).
Bereits im Dezember 1949 verabschiedete die NATO den Kriegsplan "Dropshot", mit dem 1957 die Sowjetunion angegriffen werden sollte. Es hätte wie immer so aussehen sollen, als sei jeweils der Gegner der Aggressor. Die "Grundannahme" sei, so heißt es im streng geheimen Papier wörtlich: „Am oder um den 1. Januar 1957 ist den Vereinigten Staaten durch einen Aggressionsakt der UdSSR und/oder ihrer Satelliten ein Krieg aufgezwungen worden“ (20).
Daraufhin sollten 300 Atombomben und 29.000 hochexplosive Sprengsätze auf 200 Ziele in 100 Städten der Sowjetunion abgeworfen werden, um 85 Prozent der dortigen industriellen Kapazität schlagartig zu vernichten. Der Zeitpunkt war zweifellos auf den ursprünglich geplanten Abschlusstermin der Remilitarisierung Westdeutschlands abgestimmt.
Als dann 1957 allerdings der fiepsende Sputnik seine Kreise um die Erde zog, mussten die Kriegsplanungen überarbeitet und der Zeitpunkt für die „Operation Dropshot“ vertagt werden. In Moskau bleibt dieser Kriegsplan aber unvergessen, ebenso wie der geplante Atomkrieg anlässlich der Kuba-Krise 1962, den der damalige US-Präsident John F. Kennedy und sein sowjetischer Amtskollege Nikita Chruschtschow gerade noch verhindern konnten.
Mit der "National Security Decision Directive 54" (NSDD-54) vom 2. September 1982 wurde ein Instrument geschaffen, mit dem der gesamte Sowjetblock subversiv untergraben werden konnte. Ein Staat nach dem anderen wurde mit dem Versprechen amerikanischer Unterstützung dazu motiviert, sich von der Sowjetunion zu trennen. Neben destruktiven Operationen ("Unterminierung der Militärkapazitäten des Warschauer Paktes") wurden ökonomische Anreize geschaffen, vor allem die Aussicht auf Kredite und einen kulturell-wissenschaftlichen Austausch. (21)
Schon 1945 orakelte der US-Philosoph James Burnham, die USA seien dazu berufen, „in der Auseinandersetzung mit den anderen Supermächten die Weltmacht zu erringen“. (22)
„Damals wie heute“, schreibt Kagan euphemistisch, „handelten und handeln die Amerikaner nicht, weil ihre Sicherheit unmittelbar bedroht war, sondern um die liberale Welt jenseits der eigenen Küsten zu verteidigen.“ (23) Dabei seien die Amerikaner auf die vermeintliche moralische Unterscheidung zwischen "Kriegen der Notwendigkeit" und "Kriegen der Wahl" fixiert. Zum Angriff der Japaner auf Pearl Harbor (am 7. Dezember 1941) schreibt Kagan, dass sich die Amerikaner an den Angriff auf ihr Land und an Hitlers Kriegserklärung vier Tage später erinnern. Hier übersieht Kagan, dass die Inselkette am 7. Juli 1898 durch die Vereinigten Staaten annektiert und 1959 Hawaii als der 50. Bundesstaat der Vereinigten Staaten eingegliedert wurden.
Kein einziger Krieg der USA musste geführt werden, um die unmittelbare Sicherheit des Landes zu verteidigen: Es ging immer nur um die Gestaltung der internationalen Finanz- und Ressourcen-Ströme.
Die unzähligen weltweiten Kriege seit 1945 (Korea, Vietnam, Irak, Somalia, Afghanistan, Libyen, Syrien und viele weitere völkerrechtswidrige Regime-Wechsel) haben weit über 20 Millionen Menschen das Leben und viele weitere Millionen die Heimat gekostet. (24)
Weiter führt Kagan aus, dass mehr als ein Dutzend Jahre vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine (am 24. Februar 2022) die USA bestrebt waren, ihr Engagement in Übersee und auch in Europa zu reduzieren. Nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Serbien, der 1999 ohne UN-Resolution erfolgte, brachen die farbigen Revolutionen in den ehemaligen Sowjetrepubliken aus und gleich die erste 2004 in der Ukraine. Hier konnte der Westen die Wahl des prorussischen Wiktor Janukowytsch (er war zwischen 2002 und 2005 sowie erneut 2006 und 2007 Ministerpräsident der Ukraine) noch nicht verhindern. Er wurde 2010 zum Staatspräsidenten gewählt.
Im Jahr 2014 erlebte die Welt dann den vom Westen orchestrierten Putsch in der Ukraine. Am 21. Februar 2014 unterzeichneten Präsident Janukowytsch und die ukrainischen Oppositions-führer eine Vereinbarung zur Beilegung der Krise.
Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier war es, der den gestürzten Präsidenten Janukowytsch zur "friedlichen Übergabe der Macht überredete".
Anschließend fürchtete Janukowytsch um sein Leben und floh nach Russland. Zwei Tage später, am 23. Februar 2014, wurde das Gesetz, das der russischen Sprache in der Ukraine den Status einer "Regionalsprache" zusicherte, durch das ukrainische Parlament aufgehoben. (25)
Seitdem herrscht in der Ost-Ukraine ein Krieg, der das politische Verhältnis der Europäer zu Russland veränderte und die seit 1991 vorherrschende Politik der Annäherung zwischen Ost und West beendete. Der andauernde Konflikt machte die Ukraine - das zweitgrößte Land Europas - nach Moldawien auch zum zweitärmsten Land Europas.
Aus Sicht Kagans haben sich die Vereinigten Staaten seit dem 24. Februar 2022 an einem Krieg gegen eine aggressive Großmacht in Europa beteiligt und „…versprochen, eine andere kleine demokratische Nation gegen eine autokratische Großmacht in Ostasien zu verteidigen. Die Amerikaner sehen die Welt jetzt als einen gefährlicheren Ort an.“ (26)
Und das nicht zuletzt, weil Kagan im russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping verwerfliche Herrscher erkennt.
Dieser kriegsverherrlichende und faktenverdrehende Blick von Kagan auf das 20. und 21. Jahrhundert US-Kriegsgeschichte erscheint Anfang 2023 in einem der renommiertesten US-Magazine und hat Signalwirkung. Eine Friedensbotschaft ist das nicht - schon eher die mentale Vorbereitung auf eine gefährliche Ausweitung des Ukraine-Kriegs zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen NATO und Russland.
Der US-Ökonom Jeffrey Sachs sieht im Ukraine-Krieg den Höhepunkt eines 30-jährigen Projekts der amerikanischen neokonservativen Bewegung („Neocons“). Die „Neocons“-Bewegung entstand in den 1970er-Jahren um eine Gruppe öffentlich und medial aktiver Intellektueller, einige von ihnen unter dem Einfluss des Politikwissenschaftlers und Vertreters der Chaos-Theorie Leo Strauss von der University of Chicago und des Altphilologen Donald Kagan von der Yale University.
Zu den führenden Köpfen der „Neocons“ gehören Norman Podhoretz, Irving Kristol, Paul Wolfowitz, Robert Kagan (Sohn von Donald), Frederick Kagan (Sohn von Donald), Victoria Nuland (Ehefrau von Robert Kagan), Elliott Cohen, Elliott Abrams und Kimberley Allen Kagan (Ehefrau von Frederick).
Das 1997 von William Kristol und Robert Kagan gegründete „Project for the New American Century (PNAC)“ gilt allgemein als eine hauptsächlich neokonservative Denkfabrik. Eines der Hauptziele dieser Organisation, die von 1997 bis 2006 aktiv war, bestand darin, "…die amerikanische globale Führungsrolle zu fördern" (27). Nach ihrem im Juni 1997 veröffentlichten "Statement of Principles" ist die Verfolgung einer solchen stark interventionistischen und moralisch klaren Außenpolitik der einzige Weg, um die Sicherheit und Größe der Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert zu gewährleisten. „Dieser Prozess grundlegender Veränderung ... wird lange dauern, es sei denn, es tritt eine Katastrophe oder ein anderes beschleunigendes Ereignis ein - wie Pearl Harbor.“ (28)
In der Regierung Biden, so Jeffrey Sachs, sitzen dieselben Neokonservativen, die sich für die Kriege der USA in Serbien (1999), Afghanistan (2001), Irak (2003), Syrien (2011) und Libyen (2011) stark gemacht und die den Einmarsch Russlands in die Ukraine provoziert haben.
Er sieht in der Erfolgsbilanz der „Neocons“ ein einziges Desaster und befürchtet, dass die Regierung Biden die Ukraine, die USA und die Europäische Union in ein weiteres geopolitisches Debakel steuert.
Laut Sachs besagt das Credo der „Neocons“, dass die USA in jeder Region der Welt die militärische Vormachtstellung innehaben und den aufstrebenden regionalen Mächten entgegentreten müssen, die eines Tages die globale oder regionale Vorherrschaft der USA herausfordern könnten, vor allem Russland und China. Zu diesem Zweck muss Eurasien mit Hunderten von Militärstützpunkten umgeben werden. Dazu müssen die USA jederzeit in der Lage sein, bei Bedarf „Kriege nach Wahl“ zu führen. Die Vereinten Nationen sollen von den USA nur dann genutzt werden, wenn dies für ihre Zwecke nützlich ist. (29)
Dieser Ansatz wurde erstmals von Paul Wolfowitz im Jahr 1992 in seinem Entwurf der „Defense Policy Guidance“ (30) (DPG) für das US-Verteidigungsministerium dargelegt. Daraus entstand das Langzeitstrategiepapier "TRADOC 525-5" von 1994 mit den beiden Dekaden der Transition samt den vorgegebenen Schritten: Aufruhr, Krise, Konflikt und schließlich Krieg. Im September 2014 wurde das Nachfolgepapier verabschiedet: TRADCOC 525-3-1 "Win in a Complex World 2020-2040", welches das Militär auf einen Kriegskurs gegen Russland und China einstimmt.
Weitere friedensverhindernde Maßnahmen seitens der USA folgten:
Die neue Nuklearstrategie (Nuclear Posture Review) schließt explizit jeden Verzicht auf einen nuklearen Erstschlag aus: Gezielt wurden Russland und China als bedrohliche Feinde aufgebaut, um die militärische Schutzmacht USA durch die NATO und durch verschiedene asiatische Verteidigungsbündnisse zu vitalisieren. (31)
Der neokonservative Thinktank "Institute for the Study of War" (ISW) wird unter der Leitung von Kimberley Allen Kagan (unterstützt von Rüstungsunternehmen wie General Dynamics und Raytheon), nicht müde, weiterhin einen ukrainischen Sieg zu versprechen.
Ein kryptischer Blick auf 2023 im "Economist
Ende 2022 erschien die Doppelausgabe des globalistischen Magazins „The Economist“ (24. Dezember 2022 / 6. Januar 2023). (32) Die Titelseiten der vorigen Jahresausgaben waren wie immer mit ihren eincodierten Planungen der Hintergrund-Eliten sehr kryptisch gehalten: eine Mischung aus okkulter Symbolik und Verweisen auf Manipulation und Kontrolle der Massen. Auch die Andeutungen für 2023 sind mit seltsamen und ungewöhnlichen Symbolen und Hinweisen auf die Zukunft gefüllt. Es scheint sich hier aber nicht um Kristallkugelvorhersagen zu handeln, sondern „… um die Ankündigung der Verfahrenspläne der Globalisten für das kommende Jahr, mit denen sie ihre wichtigsten Ziele, die sie erreichen wollen, ankündigen und bekannt machen.“ (33)
An exponierter Stelle des Covers findet sich an der Spitze des Weihnachtsbaums eine überdimensionale gezackte Kugel mit einem modifizierten Atomsymbol (in der Mitte bis zu 5 Elektronen auf der Schale). Darunter brennen auf jeder Seite drei Kerzen, so dass insgesamt das Bild eines siebenarmigen jüdischen Leuchters, eines der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums, entsteht. Auf jeder Seite streben drei Falken - Symbole des ukrainischen Staatswappens - zum Atomsymbol. Der Hinweis auf einen möglichen Atomkrieg im Jahr 2023 ist so eklatant, dass es nicht weiter betont werden muss.
Einige um den Baum drapierte Symbole weisen auf dramatische Veränderungen in der Versorgungslage hin. So könnte der abgemagerte Hund oben rechts neben dem Atomsymbol auf das Ende der westlichen Welt und ihres Wohlstands im Jahr 2023 hindeuten. Die angedeutete Explosion im Bauch der traditionellen indischen Kuh, ehemals Symbol des Überflusses, scheint das Ende der tierischen Ernährung nicht nur in Indien zu prophezeien. Künftig wird sich das menschliche Gehirn mehr als alles andere mit den Sorgen des Magens um das Essen beschäftigen, wobei Mann und Frau getrennte Wege gehen werden.
Die beiden gekreuzten Schläger des britischen Crickets und des amerikanischen Baseballs symbolisieren den Konflikt zwischen London und Washington über die Neuordnung von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt. Das chinesische Schriftzeichen steht für „chinesische Anpassungsfähigkeit“, ohne dass sich China selbst verändert. Da das globale Magazin „The Economist“ eng mit dem Weltwirtschaftsforum von Klaus Schwab verbunden ist, schimmern hier auch die Ideen und Absichten des Great Reset durch.
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)
Fußnoten:
1) Das CFR wurde 1921 in New York von US-Präsidentenberater Edward M. House in Zusammenarbeit mit den deutschstämmigen Bankiers Paul M. Warburg und Otto Hermann Kahn, Amerikas einflussreichstem Journalisten, Walter Lippmann sowie New Yorker Unternehmern, Bankiers und hochrangigen Politikern gegründet (https://web.archive.org/web/20060718105425/http://www.cfr.org/about/history/cfr/inquiry.html)
Im Oktober 1939 finanzierte die Rockefeller Stiftung die War and Peace Studies des CFR. Im Dezember 1945 hatte der CFR neue Nachkriegsstudiengruppen organisiert und eingerichtet, resultierend darin waren unter anderem die Rahmenbedingungen für UN und Marshallplan (Voraussetzung für den Aufbau der NATO). Der Einfluss des CFR auf die amerikanische Außenpolitik seit 1939 darf nicht unterschätzt werden. So wurden auch die Regierungsexpertisen für den Kalten Krieg und den Vietnamkrieg von Studiengruppen des CFR erarbeitet.
2) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america
3) John Mason Hart: Empire and Revolution. The Americans in Mexico Since the Civil War. University of California Press, Berkeley 2002, ISBN 0-520-22324-1, S. 307.
4) Lawrence Lenz: Power and policy. America's first steps to superpower, 1889–1922. Algora, New York 2008, S. 185
5) Michael von Taube: Der großen Katastrophe entgegen, Leipzig 1937, S.379
6) Wolfgang Effenberger: Die unterschätzte Macht. Höhr-Grenzhausen 2022, S. 84
7) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23975&css=print
8) Wolfgang Effenberger/Willy Wimmer: Wiederkehr der Hasardeure. Höhr-Grenzhause 2014, S. 364 f..
9) vgl. Thelen, David P.: Robert LaFollette and the Insurgent Spirit. Boston 1976
10) Senator Norris Opposes U.S. Entry into the War. In: Congressional Record, 65th Cong., 1st Sess., Vol. LV, pt. I, pp. 212-13
11) https://www.dhm.de/lemo/kapitel/erster-weltkrieg/kriegsverlauf/juli-krise-1914.html
12) https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/die-schlacht-bei-tannenberg-1914/
13) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america
14) Report of the Special Committee on Investigation of the Munitions Industry (The Nye Report), U.S. Congress, Senate, 74th Congress, 2nd session, February 24, 1936,3-13.
15) https://www.opensecrets.org/pres08/contrib.php?cid=N00009638
16) Mabel Dwight: A Catalogue Raisonné of the Lithograhs, Smithosonians Institution Press, 1997
17) https://www.boerse.de/staatsverschuldung/staatsverschuldung-usa-prozent-bip
18) Wolfgang Effenberger: Schwarzbuch EU & NATO Warum die Welt keinen Frieden findet. Höhr-Grenzhausen 2020, S. 109
19) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25000&css=print
20) Wolfgang Effenberger: Die unterschätzte Macht Höhr-Grenzhausen 2022, S. 148
21) https://irp.fas.org/offdocs/nsdd/nsdd-54.pdf
22) Zitiert wie www.dradio.de/dkultur/sendungen/kalenderblatt/439652/
23) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america
24) Durch die vor allem von den USA 2015 mitzuverantwortende Flüchtlingswelle aus Syrien – führte seitens der USA zur Aufnahme 2015 von 1.500 syrischen Flüchtlingen, Deutschland nahm 1,5 Millionen auf!
25) https://uacrisis.org/de/65033-sprachengesetz-der-ukraine
26) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america
27) https://www.e-ir.info/2020/02/01/new-american-century-1997-2006-and-the-post-cold-war-neoconservative-moment/
28) http://web.archive.org/web/20020923154604/http://www.newamericancentury.org/RebuildingAmericasDefenses.pdf
29) https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/die-ukraine-ist-die-neueste-katastrophe-amerikanischer-neocons-li.242093
30) https://www.archives.gov/files/declassification/iscap/pdf/2008-003-docs1-12.pdf
31) Bereits im Herbst 1945 sah der Plan mit Namen TOTALITY (JIC 329/1) einen Atomangriff auf die Sowjetunion mit 20 bis 30 Atombomben vor. Details in Kaku/ Axelrod 1987, S. 30–31
32) https://www.economist.com/weeklyedition/2022-12-24
33) https://uncutnews.ch/tschechische-medien-die-globalisten-auf-der-titelseite-von-the-economist-sagen-den-energietod-der-bevoelkerung-bis-2023-voraus-und-noch-einiges-mehr
Online-Flyer Nr. 805 vom 23.01.2023
Imperiale Strategien
Ein neokonservativer Paukenschlag in "Foreign Affairs" und etwas Kryptisches im "Economist"
Von Wolfgang Effenberger
Gleich in der ersten Ausgabe 2023 des Journals "Foreign Affairs", der Hauspostille des "Council on Foreign Relations" (1) (CFR) - die große elitäre private US-amerikanische Denkfabrik (4.500 Mitglieder und 250 Unternehmen) mit Fokus auf außenpolitische Themen - durfte der einflussreiche Neokonservative Robert Kagan in seinem Artikel "Eine freie Welt, wenn man sie behalten kann" (A Free World, If You Can Keep It) die US-Kriege des 20. und 21. Jahrhunderts als "Weltbeglückungskriege" darstellen. Kriege, die von den USA vor allem aus altruistischen Motiven geführt wurden. Kagan (64) ist der Ehemann von Victoria Nuland (sie ist Diplomatin im US-Außenministerium und kam durch ihren Ausspruch "Fuck the EU" in die Schlagzeilen der Weltpresse) und persönlicher Freund des jetzigen US-Außenministers Antony Blinken.
Kagan führt u.a. auch aus, dass die Amerikaner nach Ausbruch des Krieges im August 1914 entschlossen waren, „sich aus der europäischen Krise herauszuhalten, nur um drei Jahre später Millionen von Soldaten in den Ersten Weltkrieg zu schicken“ (2).
Das Heraushalten war sicherlich der Wunsch der überwiegenden US-amerikanischen Bevölkerung, der Kriegseintritt jedoch das Werk einer kleinen einflussreichen Geld-Elite, deren Anleihen an die Entente sonst wertlos geworden wären.
Schon im Januar 1914 hatte das Kabinett Wilson beschlossen, in Mexiko militärisch zu intervenieren (3) - Appetitanreger waren die kurz zuvor entdeckten Ölquellen im Süden Mexikos - und man hatte zu diesem Zweck bereits einen US-Flottenverband vor der mexikanischen Golfküste zusammengezogen. (4)
Die US-Streitkräfte hielten vom 21. April bis zum 23. November 1914 die Stadt Veracruz und deren Hafen am Golf von Mexiko besetzt. So war es nicht verwunderlich, dass die US-Bevölkerung von weiteren kriegerischen Abenteuern im Sommer 1914 die Nase voll hatte.
Wenige Tage vor Kriegsbeginn warnte auf dem 25. Internationalen Eucharistischen Kongress (vom 22. bis 25. Juli 1914 in Lourdes) der Erzbischof von New York, Kardinal Murphy Farley, eindringlich vor dem kommenden Krieg: „Der Krieg, der in Vorbereitung ist, wird ein Kampf zwischen dem internationalen Kapital und den regierenden Dynastien sein. Das Kapital wünscht niemanden über sich zu haben, kennt keinen Gott oder Herrn und möchte alle Staaten als großes Bankgeschäft regieren lassen. Ihr Gewinn soll zur alleinigen Richtschnur der Regierenden werden …Business … einzig und allein.“ (5)
Die Spekulanten in den USA witterten im kommenden Krieg enorme Gewinne: Fast gleichzeitig mit der visionären Aussage Farleys nahm der amerikanische Karikaturist Charles Lewis Bartholomew (1869–1949) am 27. Juli 1914 im „Minneapolis Journal“ unter der Überschrift „An American Recruit“ die Geschäfte mit dem Ernteausfall bei den künftigen kriegführenden Parteien aufs Korn.
Vor einem Rekrutierungsoffizier steht stramm ein riesiger Weizenmann mit der Aufschrift "U.S. Crop". Der Offizier macht sich auf einem Papier mit der Aufschrift "Recruits World War" Notizen. Auf dem am Boden liegenden Papier ist zu lesen: "Crop Failure Abroad" (Ernteausfall im Ausland). Zeitgenössische Nachrichten berichteten später über massive Getreideüberschüsse in den USA und dennoch gestiegene Preise wegen des Weltkriegs. (6)
Und das alles nur, um drei Jahre später Millionen von US-Soldaten nach Europa zu schicken, um dort die „Entente“ (also die „Alliierten“, u.a. Frankreich, Russland und Großbritannien) im Kampf gegen den „Vierbund“ (Deutschland, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich und Bulgarien) politisch und militärisch massiv zu unterstützen.
Anfang März 1917 liefen bestürzende Meldungen im Washingtoner Oval Office ein: Meuterei im französischen Heer! Zudem zeichnete sich allmählich der Zusammenbruch Russlands ab und auf hoher See schien Deutschland mit seinen U-Booten das Rennen zu machen. Ein Sieg Deutschlands und damit der Totalverlust der Kriegsanleihen an die Entente musste mit allen Mitteln verhindert werden, denn ein Zusammenbruch des J.P. Morgan-Bank-Imperiums hätte eine Implosion der Wall Street bedeutet. Die Kredite zum Vergleich: 27 Mio. USD bekam das Deutsche Kaiserreich und 2.300 Mio. USD die Entente. (7)
Am 2. April 1917 forderte US-Präsident Woodrow Wilson in einer äußerst emotional geführten Rede den Kongress auf, ihm die Zustimmung zur Kriegserklärung an Deutschland zu erteilen. Als Grund nannte er die Versenkung von US-Handelsschiffen als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Dabei hatte Wilson am 9. März 1917 selbst angeordnet, die Handelsschiffe zu bewaffnen - 7 Tage danach wurden 3 US-Schiffe versenkt. Und 16 Tage später bereits die Kriegserklärung! Es darf davon ausgegangen werden, dass die Weichenstellung für einen Krieg dieser Größenordnung nicht 16 Tage, sondern schon 16 Monate vorher erfolgte. (8)
Trotz der massenpsychotischen Wirkung von Wilsons Kriegs-Rede verlangte während der hitzigen Debatte Senator Bob LaFollette die sofortige Ausschreibung einer Volksbefragung über Frieden oder Krieg, von der er zuversichtlich voraussagte, die USA würden sich 10:1 gegen den Krieg aussprechen. Das veranlasste die Medien natürlich zu einer persönlichen Attacke auf LaFollette, in der behauptet wurde, er sei „ein besserer Deutscher als die Führer Deutschlands selbst.“ (9)
Senator George W. Norris wies in seiner Gegenrede die von Wilson angeführten Kriegsgründe zurück und zeigte - aus einem Kundenbrief der "New York Stock Exchange" zitierend - die Interessen der Wall Street auf: „Canada und Japan sind im Krieg und prosperieren mehr denn je. Bei Ausbruch unmittelbarer Feindseligkeiten würden die Aktien mit erfreulichem Blick schnell, klar und hitzig reagieren.
Der altmodische „Bull Market“ (also der Wertpapiermarkt bei steigenden Kursgewinnen) würde sich daran ebenso erfreuen, wie beim Ausbruch des Krieges mit Spanien 1898. Dagegen würde der Beginn des Friedens die Warenpreise nach unten anpassen und höchst-wahrscheinlich den Unternehmungsgeist hemmen.“ (10)
Die über 2 Millionen US-Soldaten mussten auf dem Kriegsschauplatz in Europa erscheinen, da nur so Deutschland den Krieg derart verlieren konnte, dass man es im Versailler Friedens-diktat als alleinschuldig (Art. 231 Versailler Friedensvertrag) brandmarken und zwingen konnte, auch die Darlehen der Entente zurückzuzahlen.
Auch Kagans Hinweis, dass Deutschland Russland im 20. Jahrhundert zweimal angegriffen hat, trifft zweifelsfrei nur für den deutschen Überfall vom 22. Juni 1941 zu. Für den Weg in den Ersten Weltkrieg ist Kagans vereinfachende Aussage jedoch keineswegs zutreffend.
Am 30. Juli 1914 befahl Zar Nikolaus II. die Generalmobilmachung der russischen Armee. Daraufhin verkündete das Deutsche Reich am 31. Juli 1914 den „Zustand der drohenden Kriegsgefahr“ und forderte Russland auf, die Mobilmachung seiner Armee innerhalb von 12 Stunden zu stoppen. Da Petersburg der Forderung nicht nachkam, verkündete Deutschland am 1. August 1914 gegen 17 Uhr die deutsche Mobilmachung und erklärte dann in den Abendstunden Russland den Krieg. (11)
Bereits am 1. August 1914 näherte sich im Osten von Preußen die „Njemen“-Armee unter Paul von Rennenkampff mit dem Ziel, Königsberg zu erobern. Von Süden her marschierte die „Narew“-Armee unter Alexander Samsonow auf die Weichsel zu, um Ostpreußen vom übrigen Reich abzuschneiden. Von den acht deutschen Armeen standen gemäß Schlieffen-Plan sieben an der Westfront, nur die 8. Armee sollte mit 190.000 Mann Ostpreußen gegen 485.000 russische Angreifer verteidigen.
Bereits am 2. August 1914 überschritten russische Verbände die deutsche Grenze, was zu ersten erbitterten Gefechten zwischen deutschen und russischen Truppen führte. Fast 200.000 Menschen in Ostpreußen traten panikartig die Flucht Richtung Westen an. Da die „Njemen“-Armee unter Rennenkampff weitgehend untätig blieb, konnte die „Narew“-Armee unter Samsonow zwischen 26. und 31. August 1914 im Raum Allenstein/Tannenberg weitgehend aufgerieben werden. Fast 80.000 russische Soldaten waren gefallen und insgesamt 92.000 gingen in die Gefangenschaft. Der Sieg bei Tannenberg stoppte die russische Offensive und befreite den größten Teil Ostpreußens von russischen Truppen.
Der Oberkommandierende der „Narew“-Armee, General Samsonow, beging Selbstmord, nachdem er noch 1 Woche vorher siegessicher seinen Truppen den Tagesbefehl erteilte: „Ich bin überzeugt, dass die mir anvertrauten Korps sich mit Deutschland, mit dem Feind unseres Mütterchen Russland und des gesamten Slaventums heldenhaft schlagen werden.“ (12) Was für ein tragischer Irrtum!
Kaiser Wilhelm II. pflegte ein inniges Verhältnis zu seinem Vetter Zar Nikolaus II. und war keineswegs ein Feind des Slawentums.
Laut Kagan war die US-Bevölkerung entschlossen, „sich aus der aufkeimenden Krise in Europa in den 1930er Jahren herauszuhalten, nur um dann nach dem Dezember 1941 viele Millionen in den nächsten Weltkrieg zu schicken“ (13). Diese Millionen marschierten dann wieder auf Geheiß und im Interesse des US-Kapitals.
Ende 1934, als nach dem Scheitern der New Deal-Pläne von US-Präsident Franklin Delano Roosevelt in den USA die Angst vor einem neuen Krieg umging und die Entwicklung der "Rainbow“-Kriegspläne anlief, nahm im US-Kongress unter Vorsitz von Senator Gerald P. Nye ein Untersuchungsausschuss ("The Special Committee on Investigation of the Munitions Industry") die Arbeit über die Gründe der Vereinigten Staaten von Amerika für den Kriegseintritt 1917 auf.
Im Zuge der sorgfältig durchgeführten Ermittlungen (93 Anhörungen, Dauer 2 Jahre) wurden 200 Zeugen von 50 Unternehmen befragt, darunter auch der einflussreiche US-Privatbankier J.P. Morgan Jr. und der US-Unternehmer Pierre Samuel du Pont.
Das Komitee unter der Leitung von Senator Gerald P. Nye konnte schließlich überzeugend darlegen, dass Banker und Rüstungsindustrielle neben Preisabsprachen vor und während des Krieges starken Einfluss auf die US-Außenpolitik genommen und so das Land in den Krieg "getrickst" hatten. (14)
Die Netto-Gewinne mancher Rüstungshersteller verzeichneten exorbitante Zuwächse: Bei Du Pont steigerten sie sich während des Krieges um fast 1.000 Prozent! Im US-Wahlkampf von 2008 tauchte übrigens unter Obamas größten Geldgebern der Name Morgan auf - gleich hinter Goldman Sachs und vor der Citigroup. (15) (1935 setzte die amerikanische Künstlerin Mabel Dwight den Profiteuren von Krieg und Krisen mit ihrer Lithografie "The Merchants of Death" ein Denkmal.
Mabel Dwight Lithografie "The Merchants of Death"
„Die Händler des Todes sind zäh und langlebig … ihr alleiniges Interesse ist das Eigeninteresse, ihr alleiniger Gott ist der Profit. … Als Politiker richtet sich ihr Interesse auf eine starke Herrscherklasse und die Bündelung der Privilegien … Was sie jedoch nur selten begreifen ist, dass der Tod ihr Anführer ist. Er liebt sie, denn er weiß, dass sie früher oder später seine Taschen füllen werden. Er weiß, dass sie Kriege und Revolutionen ausbrüten … ihre Hartnäckigkeit und ihre althergebrachte Dummheit übersteigen jedes verständliche Maß. Wir sprechen hier über Wesen, die ausgesprochen scharfsichtig, dabei aber unheilbar kurzsichtig sind. In diesem Land hassen sie das Ideal der Demokratie, doch sind sie froh über die lockeren Zügel und den Freiraum, den sie ihnen lässt.“ (16)
Kagan liegt richtig, wenn er schreibt, dass die Interventionspolitik von US-Präsident Franklin D. Roosevelt ab 1937 keine Reaktion auf eine zunehmende Bedrohung der amerikanischen Sicherheit war. Diese Politik war - wie auch die immer konkreter werdenden Kriegsplanungen - der desolaten wirtschaftlichen Lage in den Vereinigten Staaten geschuldet. Der US-Kongress brauchte damals den Krieg als „Ventil“ - und heute ist es wiederum so.
Staatsverschuldung der USA BIP in % 1930-2020 (17)
Am 1. September 1939, dem Tag des deutschen Angriffs auf Polen, berief US-Präsident Roosevelt Brigadegeneral George Catelett Marshall von seinem Posten als Chef des Kriegsplanungsamtes ab und ernannte ihn zum Stabschef der US-Army (im Rang eines Viersterne-Generals), hinweg über die Köpfe von 20 Generalmajoren und 14 dienstälteren Brigadiers. Marshall hatte keine Offiziersausbildung an der Westpoint-Militärakademie absolviert und konnte auch keine Verwendung als Truppenführer vorweisen. Somit muss seine ungewöhnliche Ernennung einerseits mit seinem Organisationstalent, andererseits aber wohl vor allem mit seiner bis zur Selbstaufgabe gehenden Treue zum Dienstherrn erklärt werden. (18)
Für General Marshall war bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs klar, dass sich die USA in Vorbereitung auf einen Krieg gegen die Sowjetunion befinden. Und er wusste, dass wirtschaftliche Stabilität ein wichtiges Element der Sicherheit ist - nämlich eine unabdingbare Voraussetzung beim geplanten Militärbündnis.
US-Präsident Harry S. Truman hatte am 12. März 1947 allen Staaten, die sich von der Sowjetunion bedroht fühlten, militärische Unterstützung im so genannten Kampf um die Freiheit zugesichert. Am 5. Juni 1947 präsentierte General Marshall, inzwischen US-Außenminister, ein Wiederaufbauprogramm für Europa („Marshall-Plan“). Am 26. Juli 1947 wurde der „National Security Act“ zur militärischen Durchdringung der Welt verabschiedet, eines der wichtigsten Gesetze der US-amerikanischen Nachkriegsgeschichte. Am 18. September 1947 folgte die Gründung der CIA.
Am 4. April 1949 wurde die NATO gegründet, offiziell als Verteidigungsbündnis gegen die Sowjetunion - die erst am 15. Mai 1955 (als Reaktion auf den NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland) den "Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand", im Westen kurz „Warschauer Pakt“ genannt, ins Leben rief.
Der erste NATO-Generalsekretär Lord Ismay hatte die Aufgabe der NATO auf eine saloppe Formel gebracht, nämlich „… die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten“ (19).
Bereits im Dezember 1949 verabschiedete die NATO den Kriegsplan "Dropshot", mit dem 1957 die Sowjetunion angegriffen werden sollte. Es hätte wie immer so aussehen sollen, als sei jeweils der Gegner der Aggressor. Die "Grundannahme" sei, so heißt es im streng geheimen Papier wörtlich: „Am oder um den 1. Januar 1957 ist den Vereinigten Staaten durch einen Aggressionsakt der UdSSR und/oder ihrer Satelliten ein Krieg aufgezwungen worden“ (20).
Daraufhin sollten 300 Atombomben und 29.000 hochexplosive Sprengsätze auf 200 Ziele in 100 Städten der Sowjetunion abgeworfen werden, um 85 Prozent der dortigen industriellen Kapazität schlagartig zu vernichten. Der Zeitpunkt war zweifellos auf den ursprünglich geplanten Abschlusstermin der Remilitarisierung Westdeutschlands abgestimmt.
Als dann 1957 allerdings der fiepsende Sputnik seine Kreise um die Erde zog, mussten die Kriegsplanungen überarbeitet und der Zeitpunkt für die „Operation Dropshot“ vertagt werden. In Moskau bleibt dieser Kriegsplan aber unvergessen, ebenso wie der geplante Atomkrieg anlässlich der Kuba-Krise 1962, den der damalige US-Präsident John F. Kennedy und sein sowjetischer Amtskollege Nikita Chruschtschow gerade noch verhindern konnten.
Mit der "National Security Decision Directive 54" (NSDD-54) vom 2. September 1982 wurde ein Instrument geschaffen, mit dem der gesamte Sowjetblock subversiv untergraben werden konnte. Ein Staat nach dem anderen wurde mit dem Versprechen amerikanischer Unterstützung dazu motiviert, sich von der Sowjetunion zu trennen. Neben destruktiven Operationen ("Unterminierung der Militärkapazitäten des Warschauer Paktes") wurden ökonomische Anreize geschaffen, vor allem die Aussicht auf Kredite und einen kulturell-wissenschaftlichen Austausch. (21)
Schon 1945 orakelte der US-Philosoph James Burnham, die USA seien dazu berufen, „in der Auseinandersetzung mit den anderen Supermächten die Weltmacht zu erringen“. (22)
„Damals wie heute“, schreibt Kagan euphemistisch, „handelten und handeln die Amerikaner nicht, weil ihre Sicherheit unmittelbar bedroht war, sondern um die liberale Welt jenseits der eigenen Küsten zu verteidigen.“ (23) Dabei seien die Amerikaner auf die vermeintliche moralische Unterscheidung zwischen "Kriegen der Notwendigkeit" und "Kriegen der Wahl" fixiert. Zum Angriff der Japaner auf Pearl Harbor (am 7. Dezember 1941) schreibt Kagan, dass sich die Amerikaner an den Angriff auf ihr Land und an Hitlers Kriegserklärung vier Tage später erinnern. Hier übersieht Kagan, dass die Inselkette am 7. Juli 1898 durch die Vereinigten Staaten annektiert und 1959 Hawaii als der 50. Bundesstaat der Vereinigten Staaten eingegliedert wurden.
Kein einziger Krieg der USA musste geführt werden, um die unmittelbare Sicherheit des Landes zu verteidigen: Es ging immer nur um die Gestaltung der internationalen Finanz- und Ressourcen-Ströme.
Die unzähligen weltweiten Kriege seit 1945 (Korea, Vietnam, Irak, Somalia, Afghanistan, Libyen, Syrien und viele weitere völkerrechtswidrige Regime-Wechsel) haben weit über 20 Millionen Menschen das Leben und viele weitere Millionen die Heimat gekostet. (24)
Weiter führt Kagan aus, dass mehr als ein Dutzend Jahre vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine (am 24. Februar 2022) die USA bestrebt waren, ihr Engagement in Übersee und auch in Europa zu reduzieren. Nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Serbien, der 1999 ohne UN-Resolution erfolgte, brachen die farbigen Revolutionen in den ehemaligen Sowjetrepubliken aus und gleich die erste 2004 in der Ukraine. Hier konnte der Westen die Wahl des prorussischen Wiktor Janukowytsch (er war zwischen 2002 und 2005 sowie erneut 2006 und 2007 Ministerpräsident der Ukraine) noch nicht verhindern. Er wurde 2010 zum Staatspräsidenten gewählt.
Im Jahr 2014 erlebte die Welt dann den vom Westen orchestrierten Putsch in der Ukraine. Am 21. Februar 2014 unterzeichneten Präsident Janukowytsch und die ukrainischen Oppositions-führer eine Vereinbarung zur Beilegung der Krise.
Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier war es, der den gestürzten Präsidenten Janukowytsch zur "friedlichen Übergabe der Macht überredete".
Anschließend fürchtete Janukowytsch um sein Leben und floh nach Russland. Zwei Tage später, am 23. Februar 2014, wurde das Gesetz, das der russischen Sprache in der Ukraine den Status einer "Regionalsprache" zusicherte, durch das ukrainische Parlament aufgehoben. (25)
Seitdem herrscht in der Ost-Ukraine ein Krieg, der das politische Verhältnis der Europäer zu Russland veränderte und die seit 1991 vorherrschende Politik der Annäherung zwischen Ost und West beendete. Der andauernde Konflikt machte die Ukraine - das zweitgrößte Land Europas - nach Moldawien auch zum zweitärmsten Land Europas.
Aus Sicht Kagans haben sich die Vereinigten Staaten seit dem 24. Februar 2022 an einem Krieg gegen eine aggressive Großmacht in Europa beteiligt und „…versprochen, eine andere kleine demokratische Nation gegen eine autokratische Großmacht in Ostasien zu verteidigen. Die Amerikaner sehen die Welt jetzt als einen gefährlicheren Ort an.“ (26)
Und das nicht zuletzt, weil Kagan im russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping verwerfliche Herrscher erkennt.
Dieser kriegsverherrlichende und faktenverdrehende Blick von Kagan auf das 20. und 21. Jahrhundert US-Kriegsgeschichte erscheint Anfang 2023 in einem der renommiertesten US-Magazine und hat Signalwirkung. Eine Friedensbotschaft ist das nicht - schon eher die mentale Vorbereitung auf eine gefährliche Ausweitung des Ukraine-Kriegs zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen NATO und Russland.
Der US-Ökonom Jeffrey Sachs sieht im Ukraine-Krieg den Höhepunkt eines 30-jährigen Projekts der amerikanischen neokonservativen Bewegung („Neocons“). Die „Neocons“-Bewegung entstand in den 1970er-Jahren um eine Gruppe öffentlich und medial aktiver Intellektueller, einige von ihnen unter dem Einfluss des Politikwissenschaftlers und Vertreters der Chaos-Theorie Leo Strauss von der University of Chicago und des Altphilologen Donald Kagan von der Yale University.
Zu den führenden Köpfen der „Neocons“ gehören Norman Podhoretz, Irving Kristol, Paul Wolfowitz, Robert Kagan (Sohn von Donald), Frederick Kagan (Sohn von Donald), Victoria Nuland (Ehefrau von Robert Kagan), Elliott Cohen, Elliott Abrams und Kimberley Allen Kagan (Ehefrau von Frederick).
Das 1997 von William Kristol und Robert Kagan gegründete „Project for the New American Century (PNAC)“ gilt allgemein als eine hauptsächlich neokonservative Denkfabrik. Eines der Hauptziele dieser Organisation, die von 1997 bis 2006 aktiv war, bestand darin, "…die amerikanische globale Führungsrolle zu fördern" (27). Nach ihrem im Juni 1997 veröffentlichten "Statement of Principles" ist die Verfolgung einer solchen stark interventionistischen und moralisch klaren Außenpolitik der einzige Weg, um die Sicherheit und Größe der Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert zu gewährleisten. „Dieser Prozess grundlegender Veränderung ... wird lange dauern, es sei denn, es tritt eine Katastrophe oder ein anderes beschleunigendes Ereignis ein - wie Pearl Harbor.“ (28)
In der Regierung Biden, so Jeffrey Sachs, sitzen dieselben Neokonservativen, die sich für die Kriege der USA in Serbien (1999), Afghanistan (2001), Irak (2003), Syrien (2011) und Libyen (2011) stark gemacht und die den Einmarsch Russlands in die Ukraine provoziert haben.
Er sieht in der Erfolgsbilanz der „Neocons“ ein einziges Desaster und befürchtet, dass die Regierung Biden die Ukraine, die USA und die Europäische Union in ein weiteres geopolitisches Debakel steuert.
Laut Sachs besagt das Credo der „Neocons“, dass die USA in jeder Region der Welt die militärische Vormachtstellung innehaben und den aufstrebenden regionalen Mächten entgegentreten müssen, die eines Tages die globale oder regionale Vorherrschaft der USA herausfordern könnten, vor allem Russland und China. Zu diesem Zweck muss Eurasien mit Hunderten von Militärstützpunkten umgeben werden. Dazu müssen die USA jederzeit in der Lage sein, bei Bedarf „Kriege nach Wahl“ zu führen. Die Vereinten Nationen sollen von den USA nur dann genutzt werden, wenn dies für ihre Zwecke nützlich ist. (29)
Dieser Ansatz wurde erstmals von Paul Wolfowitz im Jahr 1992 in seinem Entwurf der „Defense Policy Guidance“ (30) (DPG) für das US-Verteidigungsministerium dargelegt. Daraus entstand das Langzeitstrategiepapier "TRADOC 525-5" von 1994 mit den beiden Dekaden der Transition samt den vorgegebenen Schritten: Aufruhr, Krise, Konflikt und schließlich Krieg. Im September 2014 wurde das Nachfolgepapier verabschiedet: TRADCOC 525-3-1 "Win in a Complex World 2020-2040", welches das Militär auf einen Kriegskurs gegen Russland und China einstimmt.
Weitere friedensverhindernde Maßnahmen seitens der USA folgten:
- Nov. 2014 Resolution H.Res.758 (vorbereitete Kriegserklärung an Russland)
- Mai 2017 Gesetz zur Bekämpfung des russischen Einflusses in Europa und Eurasien
- April 2019 RAND Corporation: „Russland überdehnen und aus dem Gleichgewicht bringen“
- Januar 2022 Ukrainian Democracy Defense Land Lease Act
- Juni 2022 US Government: Decolonizing Russia
- Okt. 2022 National Security Strategy (Aktualisierung von TRADOC 525-3-1), u.a.
Die neue Nuklearstrategie (Nuclear Posture Review) schließt explizit jeden Verzicht auf einen nuklearen Erstschlag aus: Gezielt wurden Russland und China als bedrohliche Feinde aufgebaut, um die militärische Schutzmacht USA durch die NATO und durch verschiedene asiatische Verteidigungsbündnisse zu vitalisieren. (31)
Der neokonservative Thinktank "Institute for the Study of War" (ISW) wird unter der Leitung von Kimberley Allen Kagan (unterstützt von Rüstungsunternehmen wie General Dynamics und Raytheon), nicht müde, weiterhin einen ukrainischen Sieg zu versprechen.
Ein kryptischer Blick auf 2023 im "Economist
Ende 2022 erschien die Doppelausgabe des globalistischen Magazins „The Economist“ (24. Dezember 2022 / 6. Januar 2023). (32) Die Titelseiten der vorigen Jahresausgaben waren wie immer mit ihren eincodierten Planungen der Hintergrund-Eliten sehr kryptisch gehalten: eine Mischung aus okkulter Symbolik und Verweisen auf Manipulation und Kontrolle der Massen. Auch die Andeutungen für 2023 sind mit seltsamen und ungewöhnlichen Symbolen und Hinweisen auf die Zukunft gefüllt. Es scheint sich hier aber nicht um Kristallkugelvorhersagen zu handeln, sondern „… um die Ankündigung der Verfahrenspläne der Globalisten für das kommende Jahr, mit denen sie ihre wichtigsten Ziele, die sie erreichen wollen, ankündigen und bekannt machen.“ (33)
An exponierter Stelle des Covers findet sich an der Spitze des Weihnachtsbaums eine überdimensionale gezackte Kugel mit einem modifizierten Atomsymbol (in der Mitte bis zu 5 Elektronen auf der Schale). Darunter brennen auf jeder Seite drei Kerzen, so dass insgesamt das Bild eines siebenarmigen jüdischen Leuchters, eines der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums, entsteht. Auf jeder Seite streben drei Falken - Symbole des ukrainischen Staatswappens - zum Atomsymbol. Der Hinweis auf einen möglichen Atomkrieg im Jahr 2023 ist so eklatant, dass es nicht weiter betont werden muss.
Einige um den Baum drapierte Symbole weisen auf dramatische Veränderungen in der Versorgungslage hin. So könnte der abgemagerte Hund oben rechts neben dem Atomsymbol auf das Ende der westlichen Welt und ihres Wohlstands im Jahr 2023 hindeuten. Die angedeutete Explosion im Bauch der traditionellen indischen Kuh, ehemals Symbol des Überflusses, scheint das Ende der tierischen Ernährung nicht nur in Indien zu prophezeien. Künftig wird sich das menschliche Gehirn mehr als alles andere mit den Sorgen des Magens um das Essen beschäftigen, wobei Mann und Frau getrennte Wege gehen werden.
Die beiden gekreuzten Schläger des britischen Crickets und des amerikanischen Baseballs symbolisieren den Konflikt zwischen London und Washington über die Neuordnung von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt. Das chinesische Schriftzeichen steht für „chinesische Anpassungsfähigkeit“, ohne dass sich China selbst verändert. Da das globale Magazin „The Economist“ eng mit dem Weltwirtschaftsforum von Klaus Schwab verbunden ist, schimmern hier auch die Ideen und Absichten des Great Reset durch.
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)
Fußnoten:
1) Das CFR wurde 1921 in New York von US-Präsidentenberater Edward M. House in Zusammenarbeit mit den deutschstämmigen Bankiers Paul M. Warburg und Otto Hermann Kahn, Amerikas einflussreichstem Journalisten, Walter Lippmann sowie New Yorker Unternehmern, Bankiers und hochrangigen Politikern gegründet (https://web.archive.org/web/20060718105425/http://www.cfr.org/about/history/cfr/inquiry.html)
Im Oktober 1939 finanzierte die Rockefeller Stiftung die War and Peace Studies des CFR. Im Dezember 1945 hatte der CFR neue Nachkriegsstudiengruppen organisiert und eingerichtet, resultierend darin waren unter anderem die Rahmenbedingungen für UN und Marshallplan (Voraussetzung für den Aufbau der NATO). Der Einfluss des CFR auf die amerikanische Außenpolitik seit 1939 darf nicht unterschätzt werden. So wurden auch die Regierungsexpertisen für den Kalten Krieg und den Vietnamkrieg von Studiengruppen des CFR erarbeitet.
2) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america
3) John Mason Hart: Empire and Revolution. The Americans in Mexico Since the Civil War. University of California Press, Berkeley 2002, ISBN 0-520-22324-1, S. 307.
4) Lawrence Lenz: Power and policy. America's first steps to superpower, 1889–1922. Algora, New York 2008, S. 185
5) Michael von Taube: Der großen Katastrophe entgegen, Leipzig 1937, S.379
6) Wolfgang Effenberger: Die unterschätzte Macht. Höhr-Grenzhausen 2022, S. 84
7) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23975&css=print
8) Wolfgang Effenberger/Willy Wimmer: Wiederkehr der Hasardeure. Höhr-Grenzhause 2014, S. 364 f..
9) vgl. Thelen, David P.: Robert LaFollette and the Insurgent Spirit. Boston 1976
10) Senator Norris Opposes U.S. Entry into the War. In: Congressional Record, 65th Cong., 1st Sess., Vol. LV, pt. I, pp. 212-13
11) https://www.dhm.de/lemo/kapitel/erster-weltkrieg/kriegsverlauf/juli-krise-1914.html
12) https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/die-schlacht-bei-tannenberg-1914/
13) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america
14) Report of the Special Committee on Investigation of the Munitions Industry (The Nye Report), U.S. Congress, Senate, 74th Congress, 2nd session, February 24, 1936,3-13.
15) https://www.opensecrets.org/pres08/contrib.php?cid=N00009638
16) Mabel Dwight: A Catalogue Raisonné of the Lithograhs, Smithosonians Institution Press, 1997
17) https://www.boerse.de/staatsverschuldung/staatsverschuldung-usa-prozent-bip
18) Wolfgang Effenberger: Schwarzbuch EU & NATO Warum die Welt keinen Frieden findet. Höhr-Grenzhausen 2020, S. 109
19) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25000&css=print
20) Wolfgang Effenberger: Die unterschätzte Macht Höhr-Grenzhausen 2022, S. 148
21) https://irp.fas.org/offdocs/nsdd/nsdd-54.pdf
22) Zitiert wie www.dradio.de/dkultur/sendungen/kalenderblatt/439652/
23) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america
24) Durch die vor allem von den USA 2015 mitzuverantwortende Flüchtlingswelle aus Syrien – führte seitens der USA zur Aufnahme 2015 von 1.500 syrischen Flüchtlingen, Deutschland nahm 1,5 Millionen auf!
25) https://uacrisis.org/de/65033-sprachengesetz-der-ukraine
26) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america
27) https://www.e-ir.info/2020/02/01/new-american-century-1997-2006-and-the-post-cold-war-neoconservative-moment/
28) http://web.archive.org/web/20020923154604/http://www.newamericancentury.org/RebuildingAmericasDefenses.pdf
29) https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/die-ukraine-ist-die-neueste-katastrophe-amerikanischer-neocons-li.242093
30) https://www.archives.gov/files/declassification/iscap/pdf/2008-003-docs1-12.pdf
31) Bereits im Herbst 1945 sah der Plan mit Namen TOTALITY (JIC 329/1) einen Atomangriff auf die Sowjetunion mit 20 bis 30 Atombomben vor. Details in Kaku/ Axelrod 1987, S. 30–31
32) https://www.economist.com/weeklyedition/2022-12-24
33) https://uncutnews.ch/tschechische-medien-die-globalisten-auf-der-titelseite-von-the-economist-sagen-den-energietod-der-bevoelkerung-bis-2023-voraus-und-noch-einiges-mehr
Online-Flyer Nr. 805 vom 23.01.2023