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Krieg und Frieden
Ein Bericht aus Basel vom internationalen Kernpunkte Friedens-Kongress am 10./11. März 2023 mit Daniele Ganser, Dirk Pohlmann, Cynthia Chung, Matthew Ehret u.a.
Durch Schönheit zu Frieden und Freiheit
Von Irene Eckert
Wer zum Frieden anstiften will, benötigt Liebe zum Menschengeschlecht, Geistesgegenwart, geopolitische Analysefähigkeit, wissenschaftliches Denken, Wertschätzung für sein jeweiliges Gegenüber und eine Portion Mut. Sinn für Schönheit und musische Talente sind gefordert, wenn vorgestanzte Denkrahmen hinterfragt werden wollen. Zur Friedensbildung unbedingt erforderlich ist auch spielerische Leichtigkeit, eine Portion Humor sowie die Bereitschaft zur Selbstreflexion und eventuellen Korrektur eigener blinder Flecke. Dieses alles schien Kirsten Juel, allgegenwärtige Organisatorin der Basler Tagung bedacht zu haben, als sie ihre diversen Impulse setzte. Ein hölzernes Jojo galt als Eintrittsbillet, ein Dolmetscher-Jongleur, zeigte spielerisch mittels bunter Bälle die geistige Flexibilität, die ein verstehender Vermittler haben muss.
Spielerische Heiterkeit öffnet den Geist
Spielerisch-heitere Anregungen, musikalische Präziosen, der schöne Begegnungsrahmen erleichterten dem Publikum den Zugang zu den menschheitlich schwierigsten Themen, die die Tagung umfasste: Die auf Abschaffung des Menschen zielenden Dystopien aus Davos, die Bedrohung des freien Wortes und der brennende Konfliktherd Ukraine.
Zum guten Ende hin wird Gansers Abschlussvortrag, die Hintergründe des Ukrainekriegs aufzeigend helfen, festgefahrene Scheinwahrheiten zu reflektieren.
An die Bedeutung des freien Wortes und die dafür notwendige Solidarität erinnerte durchgängig das Solidaritäts-Bistro für Julian Assange. Stunden vor Beginn der Tagung wurde es von Eurythmie-Schülern eröffnet. Demeter-Gebäck und ein anspruchsvoller musikalischer Rahmen begleiteten die ersten Begegnungen.
Mit dem Titel „Das 'Nichts' aus dem alles Neue entsteht“ eröffnet die Kongressplanerin schließlich selbst den weit gespannten thematischen Rahmen. Mit ihren philosophischen Betrachtungen über die heilsame Kraft der Liebe sprengt sie den medial omnipräsenten Davos-grünen Denkrahmen.
Sie spricht vom Herzen her. Ihr Vater sah einst als Bio-Bauer seine Lebensaufgabe darin, Land fruchtbar zu machen, um mehr Menschen gesunde Nahrungsquellen zu erschließen. Eine medial vorgestanzte, grüne Ideologie lasse dagegen heute den Kinderwunsch junger Frauen geradezu als amoralisch erscheinen, gelte doch jeder neue Erdenbürger als ein den Wärmetod des Planeten beschleunigender Faktor. Freundlich, charmant, aber bestimmt ruft die Anthroposophin den Apostel Paulus (1) ins Gedächtnis, nimmt aber auch immer wieder auf die Neurowissenschaft Bezug, wenn sie auf der Liebe als Heilungsfaktor für Mensch und Erde besteht. Was ein Stein ist, wissen alle, sagt sie weiter, was aber definiert einen Einstein? In dieser Fragestellung ist das menschenfreundliche Gegenmotiv zu Davos, das den Geist dieser Baseler Tagung prägen wird, angestimmt.
Artifzielle Intelligenz ist keine
Die Austreibung des Geistes würde unsere Spezies der dem Menschengeschlecht eigenen Würde berauben. Der Mensch ist nicht auf eine Rechenmaschine reduzierbar. Er ist mehr als die Summe seiner Bestandteile, mehr als ein Algorithmus, mehr als eine Anhäufung von Atomen. Solch materialistischer Reduktionismus birgt gefährliche Folgen für Mensch und Natur.
Wahrheitsliebe ist eine geistige, eine Frieden stiftende Qualität, Lügen sind es dagegen, die zum Kriege führen benötigt werden. Dieser Gedanke gab einem Julian Assange die vorbildliche Kraft für sein opferreiches Engagement.
Die junge Geigerin Johanna Tüscher (2) schuf mit ihrer Interpretation von Felix Mendelsohn Bartholdys Violinkonzert den geistigen Grundton für den abendlichen Vortrag des kanadischen Historikers Matthew Ehret. „Weil wir Menschen sind, können wir solch geistig bereichernde, solch erfüllende Werke voller Schönheit hervorbringen“ unterstreicht der Referent. Sein Leitmotiv ist die schöpferische Natur des Menschen. Menschen können immer wieder neue Erkenntnisse zu Tage fördern, können neue Wege bauen. Im Wissen um die Kraft der Liebe und um den menschlichen Schöpfergeist sieht auch Ehret einen Kompaß in turbulenten Zeiten. Er erinnert daran, dass Schönheit, Gerechtigkeit, Freiheit, Kreativität geistige, eben nicht quantifizierbare Werte sind. Dem „Großen Davoser Umbruch-Konzept“ des Weltwirtschaftsforums ist damit die Rote Karte gezeigt. Der Sprachgebrauch der Davoser Geldkragenelite klinge zwar manchmal verführerisch irreführend, ähnlich wie der unsere und doch ziele er in eine gegenteilige, eine menschenfeindliche Richtung (3). Begriffe bedürfen grundsätzlich immer wieder der inhaltlichen Präzision.
Artifizielle Intelligenz ist keine. Erkenntnisfähigkeit ist dem Menschen eigen. Es bedarf des geistigen Auges, bedarf der Ethik, bedarf der Moral, bedarf der liebevollen Unterscheidung dessen, was der Zukunft der „Menschheitsfamilie“ dienlich ist, um in die Tiefe zu sehen.
Zwei Paradigmen: Offenheit versus Geschlossenheit
Ehret stellt die zwei klar gegeneinander abgrenzbare Paradigmen unserer Gegenwart gegenüber. Das eine charakterisiert Offenheit und will vorhandene Potentiale für eine menschenwürdige Zukunft ausbauen. Die Suche nach Sinn und Wahrhaftigkeit sind seine Fundamente. Hermetische Geschlossenheit im Denken charakterisiere dagegen das zweite Paradigma. Letzteres eine Rezeptur für den selbstzerstörerischen Untergang.
Als „geschlossen“ bezeichnet Ehret das im Westen dominierende Ideengebäude. Beruhend auf der fixen Idee eines unabänderlichen Mangels mündet es in resignativer Hinnahme-Bereitschaft. Stasis ist sein Charakteristikum. Das Gegenmodell ist Entwicklungsdynamik. Im geschlossenen System wird Infrastruktur-Ausbau negativ bewertet, ihr Verfall hingenommen, Rückbau für wünschenswert erachtet wird. Im offenen Modell ist der Ausbau und die Erforschung neuer Technologien dagegen hoch willkommen. Diese dienen der Entwicklung und bieten Aussicht auf ein besseres Leben vor allem aus der Perspektive des Globalen Südens.
Im Paradigma der Stasis dagegen erscheint selbst die Zerstörung einer Energie liefernden Pipeline nicht als Katastrophe. Das große Potential etwa der Fusionsenergie gilt ganz und gar nicht als erschließenswert. Produktive Industrien werden abgebaut, bestenfalls ausgelagert, Konsum wird hoch gepriesen. Derivate und Schuldverschreibungen ersetzen genuin wirtschaftliches Wirken. Geld kommt aus der Druckerpresse.
Das Konzept einer zukunftsoffenen, entwicklungsorientierten Wirtschaft dagegen fokussiert auf den erst noch zu erschließenden Möglichkeiten, die das Füllhorn Erde und gar das Universum dem schöpferischen Geist darbieten. Der „offene“ Denkansatz sieht grenzenlosen, potentiellen Ressourcen-Reichtum. Grenzen gelten grundsätzlich als überwindbar. Wo produktives Wachstum als förderungswürdig gilt, ist menschliche Kreativität der entscheidende Wirtschaftsfaktor.
Gegen den drohenden Kollaps der bestehenden Finanzarchitektur und gegen die ebenfalls bedrohliche Zuspitzung des weltweiten Krisenpotentials setzt der kanadische Geschichtsforscher wie einst Franklin D. Roosevelt 1933 die Wiedereinführung des Glass Steagall Gesetzes (4) zur Bankentrennung. Die Rückkehr zu einer echten Industriepolitik, umfassende Investitionen in die zivile Infrastruktur durch staatliche Mittel sorgen für Entwicklung auf vielen Gebieten anstelle der Verschwendung von Geldern für eine endlosen Kette von Militärbasen und Kriegsgerät. Offene Systeme bieten demnach auch ein Konzept gegen die neuerlich drohende Faschisierung.
Die Bedeutung der „Neuen Seidenstraße“
Der Referent ist auch Spezialist für das seit 2013 von China gesponserte „Neue Seidenstraßen- oder BRI-Projekt“ , ein für ihn Hoffnung stiftendes, bereits Früchte tragendes Konzept. Wegen des medial geprägten, negativen Chinabildes und wegen der im „Werte-Westen“ dominierenden Davos-grünen Wachstumsfeindlichkeit konnte ein Interesse für die vieldimensionale Idee der „Neuen Seidenstraße“ bisher kaum aufkommen. Demgegenüber betont Ehret, dass Chinas Hinwendung zur Erforschung und Erprobung modernster Technologien im Reich der Mitte bereits zu einer erheblichen Anhebung des Lebensstandards geführt habe. Die Verlängerung der Lebenserwartung des 1,4 Milliarden Volkes, Eliminierung der absoluten Armut und sein Aufstieg zur ersten Wissenschaftsnation der Erde sind Indikatoren. Der Globale Süden zeigt großes Interesse am chinesischen Entwicklungsmodell. Auch die Zusammenarbeit zwischen dem heutigen Russland und dem modernen China gilt außerhalb des „Werte-Westens“ als ermutigend. Ehret erinnert seine Zuhörer daran, dass die konstruktiven Wurzeln der auch als „Gürtel und Straße“ benannten Infrastruktur-Initiative in US-Amerika lägen. Lange vor der Oktoberevolution liegt der Anstoß in einer damals schon anvisierten Behringstraßen-Landbrücken-Verbindung zwischen Russland und USA.
Das Narrativ von den angeblichen zwei Welt-Oberschurken China und Russland bedarf im globalen Interesse dringend einer Korrektur.
Ein wichtiges Bindeglied zur besseren Verständigung könnte das kulturelle Interesse stiften. Die „Neue Seidenstraße“ hat deswegen auch eine philosophisch-musische Spur. Wenn der Anthroposoph Thomas Brunner am nächsten Tag über Goethe, Schiller und Humboldt referiert, wenn Brahmsklänge und eurythmischer Tanz des auf den neuen Tag einstimmen werden, dann bildet das Reich der Schönheit und der scheinbar spielerischen Leichtigkeit ein solches Bindeglied nicht nur zu Friedrich Schillers „Ästhetischer Erziehung des Menschengeschlechts“. Der deutsche Klassiker erfreut sich erstaunlicher Weise einer herausragenden Wertschätzung in China. Diese Wertschätzung des Weimarers, der dem Spieltrieb so hohe Bedeutung bemisst, macht uns verständlich, warum nach dem Willen des Staatschefs Xi Jinping der Zugang zu Computerspielen für Kinder und Jugendliche zugunsten musisch-klassischer Bildung zurückgedrängt werden soll. Die Zeiten von Maos Kulturrevolution sind Vergangenheit. Sie bildeten ohnehin nur eine sehr kurze Zeitspanne in der Jahrtausende währenden wertvollen Kulturgeschichte der völkerreichen Nation. Was uns aber mit den Chinesen, Russen, Iranern, Indern und all den anderen Nationen als einer Menschheitsfamilie verbindet, ist die Suche nach dem Wertbeständigen in unseren respektiven Kulturen, ist das Streben nach Erkenntnis und Geistesbildung.
Es geht ums Verstehen
„Was uns trennt“, meint Dirk Pohlmann, „ist, dass wir nicht verstehen, was zwischen uns steht.“ Der einst preisverwöhnte deutsche Journalist zitiert den 2014 verstorbenen Elsässer Peter Scholl-Latour, der sah schon früh in China die Macht der Zukunft. Pohlmann fasziniert am aufsteigenden Reich der Mitte besonders seine zweieinhalb Jahrtausende währende Kulturtradition, der solide Rückbezug des modernen Landes auf den Konfuzianismus. Er gibt zu bedenken, dass im heutigen China immerhin 60% der Bürger zum Mittelstand gehören, das Land an der Spitze der technologischen Entwicklung steht und über ein dichtes Netzwerk pünktlicher Hochgeschwindigkeitszüge verfügt.
Pohlmann, wie einst Scholl-Latour weit gereist, sieht ganz gegentrendig die vornehme Aufgabe seines Berufsstandes darin, zunächst und vor allem ein „Versteher“ zu sein.
Es sind die westlichen Werte und die Frage nach ihrer zukünftigen Bedeutsamkeit um die der Dokumentarfilmer Pohlmann ringt. Er vergleicht diese mit dem, was er an chinesischer Werthaltigkeit heute wahrnimmt. Im Westen fasziniert den ehemaligen Grünen immer noch der kritische Rationalismus eines Karl Popper. Er verehrt den zu früh verstorbenen UN-General-Sekretär Dag Hammarskjöld als großen Mann. Dieser stand ein für Wahrheitsliebe, den Grundbestand christlich abendländischer Geisteslehre. Auch der ermordete Wirtschaftsführer und Bänker Alfred Herrhausen, der nach 1989 eine stabile Friedensordnung in Europa anstrebte, symbolisiert für Pohlmann das positive Potential westlicher Wertebindung. Bei den Gründungsvätern der Vereinigten Staaten, insofern sie für eine antikoloniale, eine menschenrechtliche Ordnung ohne Waffengewalt und Blutvergießen eintraten, findet er Leitideen westlicher Werte. Der aufrichtige Journalist räumt allerdings ein, dass diese Werte im Westen immer wieder kompromittiert werden. Demokratische Wahlen vermögen bei uns nichts zu ändern und das, trotz großer Unzufriedenheit mit dem Personal an der Spitze. Im vermeintlich autokratischen China dagegen bezeugen vielfältige Meinungsumfragen eine hohe Zustimmung mit der Regierungspolitik. Es handele sich im asiatischen Reich eben um eine Meritokratie, in der das Führungspersonal sich durch fachliche und persönliche Qualifikation verdient gemacht haben muss, ganz gemäß der konfuzianischen Regel „Bestehe deine Examina!“.
Menschenmaschinenparks werden unsere Gattung nicht ersetzen
Am Nachmittag wird Cynthia Chung, die kanadische Forscherin und Publizistin aus Quebec die Davoser Infragestellung einer menschlichen Zukunft mit einer zurückweisenden Geste erörtern. Anders als jene destruktiven, menschenfeindlichen Wahnideen der sich um das alpine Weltwirtschaftsforum tummelnden „Goldkragenelite“ gründen Cynthias wissenschaftliche Ausführungen ebenfalls auf ethischen Prinzipien. Die examinierte Bio-Chemikerin verweist darauf, dass moralisch-ethische, von Liebe getragene Grundsätze die Menschheit seit langem begleitet und eine zukunftsweisende Perspektive zu bieten vermögen. Pseudowissenschaftliche Konstrukte wie die des Transhumanisten Yuval Harari basieren demgegenüber auf falschen Prämissen. Die Autorin zweifelt zwar nicht an der Möglichkeit dass etwa verwirrte Anhänger von Menschenmaschinenparks unsere Gattung auszulöschen vermögen. Sie betont aber dass, jene, die solches entgegen den Naturgesetzen im Schilde führen, den schwächenden Keim der Selbstzerstörung bereits in sich trügen. Man sehe sich nur den aktuellen Zustand des US-Imperiums an, dem der Verfall auf allen Ebenen anzusehen ist.
Vorwärtsschauende, bedeutende Wissenschaftler wie Kepler, Leibniz oder Einstein haben das Geschäft der Wissenschaft einst aus Liebe und Respekt vor der göttlichen, universalen Natur betrieben. Sie handelten im Interesse der Menschheitsfamilie, so wird Matthew Ehret, Cynthias Ehemann später noch einmal unterstreichen. Der Selbstauslöschung der Spezies zuzuarbeiten sei hochgradig selbstschädigend und stärke keinesfalls den schwankenden Machterhalt der nach imperialer Vorherrschaft strebenden Kreise. Die sowohl naturwissenschaftlich als auch musisch geschulte Cynthia Chung weist nach, dass derartige das Menschengeschlecht als Bürde für Mutter Erde betrachtenden Dystopien keinesfalls zufällig entstehen. Sie wurden vielmehr um imperialer Interessen willen absichtsvoll gezüchtet. Hararis Vordenker wirkten entsprechend bereits im 19. Jahrhundert. Ihre Namen lauten etwa Thomas R. Malthus (1766 -1834), Thomas Huxley (1825-1895), Charles Darwin (1802-1882), Bertrand Russel (1872-1970), Julien Huxley (1887-1975), Aldous Huxley (1894-1963), H. G. Wells (1846-1964). Sie alle und noch vielmehr wurden gesponsert und arbeiteten für die Dienste des Britischen Imperiums. Zahlreiche Zirkel um diese Figuren herum entwickelten Grundlagen des für unsere Spezies bedrohlichen Gedankenguts. Ihre Erben betreiben das Davoser Forum, deren Phantasmen die Menschheit in den Ruin zu leiten vermöchten. Wäre da nicht das Faktum, dass „die menschliche schöpferische Mentalität ausdrücklich nichtlinear (ist), da sie an nicht formalisierbare Zustände der Existenz wie Inspiration, Wahrheitsliebe, Würde und Schönheit gebunden ist, die kein binäres System annähernd erfassen kann.“ „Die Programmierer des „Club of Rome“, Kybernetiker und Systemtheoretiker ignorieren diese Tatsachen und nehmen an, das Universum sei so binär wie ihre Software“ wendet der Hoffnung stiftende Matthew Ehret gegen das Davoser Gedankengut ein.
Davoser Denken ist kein „Intelligentes Design“
Es handelt sich hier damals wie heute um Kreise, die sich selber und ihre Algorithmen für Halbgötter, normale Durchschnittsmenschen dagegen für überflüssige Elementarteilchen halten.
Ausgehend von Harari und dem Weltwirtschaftsforum (WEF*) verweist Cynthia zurück auf die Kopfgeburten des ehemaligen Pfarrers und schließlichen Politökonomen im Dienste der East Indian Company des Britischen Empire Thomas Robert Malthus. Der Gottesmann erfand die „Bevölkerungsfalle“ und war von der Notwendigkeit überzeugt, das Wachstum der Menschheit begrenzen zu müssen, weil angeblich nicht genug für alle da sei. Wer aber erklärt wen für den überflüssigen Esser? Malthusianisches Denken führe stracks zur Eugenik, zu Ausmerzungsstrategien gegen einen großen Teil der Menschenfamilie. Beim Davoser Vordenker Yuval Harari zeugt es das Phantasma der Ersetzung des Menschen durch intelligente Maschinen. Sein nur vermeintlich „intelligenteres Design“ glaubt, die schöpferische Natur übertrumpfen zu können. Damit wäre die Sache mit dem Geist und mit der Liebe ein für alle Mal erledigt. Fühlen, Denken, Moral, Gerechtigkeit alles überflüssig in den Augen der Kybernetiker. Aber, so Cynthia Chung, das kann und wird nicht das letzte Wort sein. Es sind nämlich gute, heilsame Kräfte unterwegs, die wir nur erkennen und unterstützen müssen. Dann kann und dann wird es gelingen, den Davoser Ungeistern die 'Rote Karte' zu zeigen und die für uns vorgesehene Katastrophe abzuwehren.
Daniele Ganser verteilt Rote Karten
Die Rote Karte ist das Lieblingsstilmittel Daniele Gansers an diesem Abend. Der Friedensforscher und Waldorfschüler verteilt sie an jene Entscheidungsträger, die in seinen Augen die illegalen Kriege der letzten Jahre begonnen haben. Durch seinen Vortrag wird sehr schnell deutlich, dass die Sache mit der einseitigen Schuldzuschreibung im derzeit weltbeherrschenden Ukrainekonflikt so einfach nicht ist. Der Krieg hat dort nun einmal nicht erst vor einem Jahr begonnen. Wir verstehen nichts, ohne den US-gesteuerten, gewaltsamen Putsch von 2014 und die vertragswidrige NATO-Osterweiterung mittels derer die Europäische Friedensordnung ausgehebelt wurde. Noch beim NATO-Gipfel in Bukarest 2008, so Ganser, habe der russische Präsident Putin zu bedenken gegeben, dass sein Land mit der Entstehung eines mächtigen NATO-Militärblocks an der Grenze Russlands und gar noch mit einem vorgesehenen NATO-Beitritt der Ukraine die Sicherheitsinteressen Russlands gefährdet sah. Mit einer NATO-Mitgliedschaft der ehemaligen Sowjetrepublik gewinne der westliche Militärblock die Erstschlagsfähigkeit. Bereits ab 1999, als sukzessive Polen, Ungarn, Tschechien, das Baltikum, Albanien, Bulgarien, Rumänien, Norwegen dem Militärbündnis beigetreten seien, hätten sich gegenüber Gorbatschow gemachte Zusagen in Luft aufgelöst. Bereits mit dem NATO-Bombardement gegen Jugoslawien 1999 habe der Krieg wieder Einzug in Europa gehalten.
Seit 2014 forderte der Bürgerkrieg in der zerrissenen Ukraine 14.000 Todesopfer, also bereits vor dem bewaffneten Eingreifen der Russen im Februar 2022. Vielmehr griffen die Russen gerade deswegen ein.
Nach diesem Eingriff im letzten Jahr aber gaben die Schweiz und die schließlich auch die Österreicher ihre verfassungsrechtlich verankerte Neutralität auf, indem sie sich an allen Sanktionen gegen Russland beteiligen. Direkte Folge: Dem Frieden zuarbeitende Gespräche finden ab jetzt nicht mehr in Genf statt, sondern in Istanbul. Das kann sein, weil das NATO-Mitglied Türkei sich dem erzwungenen Boykott gegenüber Russland bisher verweigert und sich nicht an den von der EU auf oktroyierten Sanktionen beteiligt.
Der Historiker Ganser besteht immer wieder darauf, dass das, was wir für die „Wahrheit“ zu halten geneigt sind, sich in den Köpfen erst bildet und zwar durch eine endlose Schleife neuronaler Verknüpfungen, die nun einmal durch pausenlose Wiederholung, durch erzwungene Redundanzen und Rahmenvorgaben fest verankert werden. Eine uns medial aufgezwungene Echokammer definiert, was wir für Gut und was für Böse zu halten haben.
Gansers Vortrag ist trotz seines bleiernen Themas mit spielerischer Leichtigkeit vorgetragen. Das wirkt erleichternd und wird mit viel Applaus bedacht. Ohne konstruktives Denken, ohne eine Portion ironisierenden Humor und ohne den weiten geopolitischen Blick könnte ein aufmerksamer Zeitgenosse in diesen Zeiten durchaus den Verstand verlieren. Der mit abendlichen Wissensvertiefungen zu Ende gehende Kongress aber liefert den Teilnehmenden einige essentielle KERNPUNKTE zur Gesunderhaltung. Das Bewusstsein über die real existierenden Heilungskräfte auf allen Kontinenten, die gestaltungsmächtiger sind als die menschliche Hybris einer Geldkragen-Elite, wurde vertieft. Die Teilnehmer werden das Erfahrene in ihre Familien und Gemeinden hinaustragen und so weithin wirksam werden lassen.
Anmerkungen:
1 Zur Auffrischung hier Paulus 1. Korinther, 13, https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/1kor13.html
2 Im Baseler Umland scheinen viele musische Talente und Menschen voller Ethik, Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein zu gedeihen. Die junge, fantastische Geigerin Johanna Tüscher ist die Tochter eines Antroposophen, der dem Kongressanliegen zugearbeitet hat. Hier eine frühe Probe ihres Schaffens. Sie ist heute 24 Jahre alt.https://www.youtube.com/watch?v=5ZudjoMknhc
3 Sehr aufschlussreich und vertiefend zu Ehrets Vortag: https://uncutnews.ch/die-rache-der-malthusianer-und-die-wissenschaft-der-grenzen/ Auch ein George Soros redet von „Offenheit“, „open society“, meint aber das Gegenteil von dem wofür Matthew Ehret steht.
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Glass-Steagall_Act
Online-Flyer Nr. 809 vom 29.03.2023
Ein Bericht aus Basel vom internationalen Kernpunkte Friedens-Kongress am 10./11. März 2023 mit Daniele Ganser, Dirk Pohlmann, Cynthia Chung, Matthew Ehret u.a.
Durch Schönheit zu Frieden und Freiheit
Von Irene Eckert
Wer zum Frieden anstiften will, benötigt Liebe zum Menschengeschlecht, Geistesgegenwart, geopolitische Analysefähigkeit, wissenschaftliches Denken, Wertschätzung für sein jeweiliges Gegenüber und eine Portion Mut. Sinn für Schönheit und musische Talente sind gefordert, wenn vorgestanzte Denkrahmen hinterfragt werden wollen. Zur Friedensbildung unbedingt erforderlich ist auch spielerische Leichtigkeit, eine Portion Humor sowie die Bereitschaft zur Selbstreflexion und eventuellen Korrektur eigener blinder Flecke. Dieses alles schien Kirsten Juel, allgegenwärtige Organisatorin der Basler Tagung bedacht zu haben, als sie ihre diversen Impulse setzte. Ein hölzernes Jojo galt als Eintrittsbillet, ein Dolmetscher-Jongleur, zeigte spielerisch mittels bunter Bälle die geistige Flexibilität, die ein verstehender Vermittler haben muss.
Spielerische Heiterkeit öffnet den Geist
Spielerisch-heitere Anregungen, musikalische Präziosen, der schöne Begegnungsrahmen erleichterten dem Publikum den Zugang zu den menschheitlich schwierigsten Themen, die die Tagung umfasste: Die auf Abschaffung des Menschen zielenden Dystopien aus Davos, die Bedrohung des freien Wortes und der brennende Konfliktherd Ukraine.
Zum guten Ende hin wird Gansers Abschlussvortrag, die Hintergründe des Ukrainekriegs aufzeigend helfen, festgefahrene Scheinwahrheiten zu reflektieren.
An die Bedeutung des freien Wortes und die dafür notwendige Solidarität erinnerte durchgängig das Solidaritäts-Bistro für Julian Assange. Stunden vor Beginn der Tagung wurde es von Eurythmie-Schülern eröffnet. Demeter-Gebäck und ein anspruchsvoller musikalischer Rahmen begleiteten die ersten Begegnungen.
Mit dem Titel „Das 'Nichts' aus dem alles Neue entsteht“ eröffnet die Kongressplanerin schließlich selbst den weit gespannten thematischen Rahmen. Mit ihren philosophischen Betrachtungen über die heilsame Kraft der Liebe sprengt sie den medial omnipräsenten Davos-grünen Denkrahmen.
Sie spricht vom Herzen her. Ihr Vater sah einst als Bio-Bauer seine Lebensaufgabe darin, Land fruchtbar zu machen, um mehr Menschen gesunde Nahrungsquellen zu erschließen. Eine medial vorgestanzte, grüne Ideologie lasse dagegen heute den Kinderwunsch junger Frauen geradezu als amoralisch erscheinen, gelte doch jeder neue Erdenbürger als ein den Wärmetod des Planeten beschleunigender Faktor. Freundlich, charmant, aber bestimmt ruft die Anthroposophin den Apostel Paulus (1) ins Gedächtnis, nimmt aber auch immer wieder auf die Neurowissenschaft Bezug, wenn sie auf der Liebe als Heilungsfaktor für Mensch und Erde besteht. Was ein Stein ist, wissen alle, sagt sie weiter, was aber definiert einen Einstein? In dieser Fragestellung ist das menschenfreundliche Gegenmotiv zu Davos, das den Geist dieser Baseler Tagung prägen wird, angestimmt.
Artifzielle Intelligenz ist keine
Die Austreibung des Geistes würde unsere Spezies der dem Menschengeschlecht eigenen Würde berauben. Der Mensch ist nicht auf eine Rechenmaschine reduzierbar. Er ist mehr als die Summe seiner Bestandteile, mehr als ein Algorithmus, mehr als eine Anhäufung von Atomen. Solch materialistischer Reduktionismus birgt gefährliche Folgen für Mensch und Natur.
Wahrheitsliebe ist eine geistige, eine Frieden stiftende Qualität, Lügen sind es dagegen, die zum Kriege führen benötigt werden. Dieser Gedanke gab einem Julian Assange die vorbildliche Kraft für sein opferreiches Engagement.
Die junge Geigerin Johanna Tüscher (2) schuf mit ihrer Interpretation von Felix Mendelsohn Bartholdys Violinkonzert den geistigen Grundton für den abendlichen Vortrag des kanadischen Historikers Matthew Ehret. „Weil wir Menschen sind, können wir solch geistig bereichernde, solch erfüllende Werke voller Schönheit hervorbringen“ unterstreicht der Referent. Sein Leitmotiv ist die schöpferische Natur des Menschen. Menschen können immer wieder neue Erkenntnisse zu Tage fördern, können neue Wege bauen. Im Wissen um die Kraft der Liebe und um den menschlichen Schöpfergeist sieht auch Ehret einen Kompaß in turbulenten Zeiten. Er erinnert daran, dass Schönheit, Gerechtigkeit, Freiheit, Kreativität geistige, eben nicht quantifizierbare Werte sind. Dem „Großen Davoser Umbruch-Konzept“ des Weltwirtschaftsforums ist damit die Rote Karte gezeigt. Der Sprachgebrauch der Davoser Geldkragenelite klinge zwar manchmal verführerisch irreführend, ähnlich wie der unsere und doch ziele er in eine gegenteilige, eine menschenfeindliche Richtung (3). Begriffe bedürfen grundsätzlich immer wieder der inhaltlichen Präzision.
Artifizielle Intelligenz ist keine. Erkenntnisfähigkeit ist dem Menschen eigen. Es bedarf des geistigen Auges, bedarf der Ethik, bedarf der Moral, bedarf der liebevollen Unterscheidung dessen, was der Zukunft der „Menschheitsfamilie“ dienlich ist, um in die Tiefe zu sehen.
Zwei Paradigmen: Offenheit versus Geschlossenheit
Ehret stellt die zwei klar gegeneinander abgrenzbare Paradigmen unserer Gegenwart gegenüber. Das eine charakterisiert Offenheit und will vorhandene Potentiale für eine menschenwürdige Zukunft ausbauen. Die Suche nach Sinn und Wahrhaftigkeit sind seine Fundamente. Hermetische Geschlossenheit im Denken charakterisiere dagegen das zweite Paradigma. Letzteres eine Rezeptur für den selbstzerstörerischen Untergang.
Als „geschlossen“ bezeichnet Ehret das im Westen dominierende Ideengebäude. Beruhend auf der fixen Idee eines unabänderlichen Mangels mündet es in resignativer Hinnahme-Bereitschaft. Stasis ist sein Charakteristikum. Das Gegenmodell ist Entwicklungsdynamik. Im geschlossenen System wird Infrastruktur-Ausbau negativ bewertet, ihr Verfall hingenommen, Rückbau für wünschenswert erachtet wird. Im offenen Modell ist der Ausbau und die Erforschung neuer Technologien dagegen hoch willkommen. Diese dienen der Entwicklung und bieten Aussicht auf ein besseres Leben vor allem aus der Perspektive des Globalen Südens.
Im Paradigma der Stasis dagegen erscheint selbst die Zerstörung einer Energie liefernden Pipeline nicht als Katastrophe. Das große Potential etwa der Fusionsenergie gilt ganz und gar nicht als erschließenswert. Produktive Industrien werden abgebaut, bestenfalls ausgelagert, Konsum wird hoch gepriesen. Derivate und Schuldverschreibungen ersetzen genuin wirtschaftliches Wirken. Geld kommt aus der Druckerpresse.
Das Konzept einer zukunftsoffenen, entwicklungsorientierten Wirtschaft dagegen fokussiert auf den erst noch zu erschließenden Möglichkeiten, die das Füllhorn Erde und gar das Universum dem schöpferischen Geist darbieten. Der „offene“ Denkansatz sieht grenzenlosen, potentiellen Ressourcen-Reichtum. Grenzen gelten grundsätzlich als überwindbar. Wo produktives Wachstum als förderungswürdig gilt, ist menschliche Kreativität der entscheidende Wirtschaftsfaktor.
Gegen den drohenden Kollaps der bestehenden Finanzarchitektur und gegen die ebenfalls bedrohliche Zuspitzung des weltweiten Krisenpotentials setzt der kanadische Geschichtsforscher wie einst Franklin D. Roosevelt 1933 die Wiedereinführung des Glass Steagall Gesetzes (4) zur Bankentrennung. Die Rückkehr zu einer echten Industriepolitik, umfassende Investitionen in die zivile Infrastruktur durch staatliche Mittel sorgen für Entwicklung auf vielen Gebieten anstelle der Verschwendung von Geldern für eine endlosen Kette von Militärbasen und Kriegsgerät. Offene Systeme bieten demnach auch ein Konzept gegen die neuerlich drohende Faschisierung.
Die Bedeutung der „Neuen Seidenstraße“
Der Referent ist auch Spezialist für das seit 2013 von China gesponserte „Neue Seidenstraßen- oder BRI-Projekt“ , ein für ihn Hoffnung stiftendes, bereits Früchte tragendes Konzept. Wegen des medial geprägten, negativen Chinabildes und wegen der im „Werte-Westen“ dominierenden Davos-grünen Wachstumsfeindlichkeit konnte ein Interesse für die vieldimensionale Idee der „Neuen Seidenstraße“ bisher kaum aufkommen. Demgegenüber betont Ehret, dass Chinas Hinwendung zur Erforschung und Erprobung modernster Technologien im Reich der Mitte bereits zu einer erheblichen Anhebung des Lebensstandards geführt habe. Die Verlängerung der Lebenserwartung des 1,4 Milliarden Volkes, Eliminierung der absoluten Armut und sein Aufstieg zur ersten Wissenschaftsnation der Erde sind Indikatoren. Der Globale Süden zeigt großes Interesse am chinesischen Entwicklungsmodell. Auch die Zusammenarbeit zwischen dem heutigen Russland und dem modernen China gilt außerhalb des „Werte-Westens“ als ermutigend. Ehret erinnert seine Zuhörer daran, dass die konstruktiven Wurzeln der auch als „Gürtel und Straße“ benannten Infrastruktur-Initiative in US-Amerika lägen. Lange vor der Oktoberevolution liegt der Anstoß in einer damals schon anvisierten Behringstraßen-Landbrücken-Verbindung zwischen Russland und USA.
Das Narrativ von den angeblichen zwei Welt-Oberschurken China und Russland bedarf im globalen Interesse dringend einer Korrektur.
Ein wichtiges Bindeglied zur besseren Verständigung könnte das kulturelle Interesse stiften. Die „Neue Seidenstraße“ hat deswegen auch eine philosophisch-musische Spur. Wenn der Anthroposoph Thomas Brunner am nächsten Tag über Goethe, Schiller und Humboldt referiert, wenn Brahmsklänge und eurythmischer Tanz des auf den neuen Tag einstimmen werden, dann bildet das Reich der Schönheit und der scheinbar spielerischen Leichtigkeit ein solches Bindeglied nicht nur zu Friedrich Schillers „Ästhetischer Erziehung des Menschengeschlechts“. Der deutsche Klassiker erfreut sich erstaunlicher Weise einer herausragenden Wertschätzung in China. Diese Wertschätzung des Weimarers, der dem Spieltrieb so hohe Bedeutung bemisst, macht uns verständlich, warum nach dem Willen des Staatschefs Xi Jinping der Zugang zu Computerspielen für Kinder und Jugendliche zugunsten musisch-klassischer Bildung zurückgedrängt werden soll. Die Zeiten von Maos Kulturrevolution sind Vergangenheit. Sie bildeten ohnehin nur eine sehr kurze Zeitspanne in der Jahrtausende währenden wertvollen Kulturgeschichte der völkerreichen Nation. Was uns aber mit den Chinesen, Russen, Iranern, Indern und all den anderen Nationen als einer Menschheitsfamilie verbindet, ist die Suche nach dem Wertbeständigen in unseren respektiven Kulturen, ist das Streben nach Erkenntnis und Geistesbildung.
Es geht ums Verstehen
„Was uns trennt“, meint Dirk Pohlmann, „ist, dass wir nicht verstehen, was zwischen uns steht.“ Der einst preisverwöhnte deutsche Journalist zitiert den 2014 verstorbenen Elsässer Peter Scholl-Latour, der sah schon früh in China die Macht der Zukunft. Pohlmann fasziniert am aufsteigenden Reich der Mitte besonders seine zweieinhalb Jahrtausende währende Kulturtradition, der solide Rückbezug des modernen Landes auf den Konfuzianismus. Er gibt zu bedenken, dass im heutigen China immerhin 60% der Bürger zum Mittelstand gehören, das Land an der Spitze der technologischen Entwicklung steht und über ein dichtes Netzwerk pünktlicher Hochgeschwindigkeitszüge verfügt.
Pohlmann, wie einst Scholl-Latour weit gereist, sieht ganz gegentrendig die vornehme Aufgabe seines Berufsstandes darin, zunächst und vor allem ein „Versteher“ zu sein.
Es sind die westlichen Werte und die Frage nach ihrer zukünftigen Bedeutsamkeit um die der Dokumentarfilmer Pohlmann ringt. Er vergleicht diese mit dem, was er an chinesischer Werthaltigkeit heute wahrnimmt. Im Westen fasziniert den ehemaligen Grünen immer noch der kritische Rationalismus eines Karl Popper. Er verehrt den zu früh verstorbenen UN-General-Sekretär Dag Hammarskjöld als großen Mann. Dieser stand ein für Wahrheitsliebe, den Grundbestand christlich abendländischer Geisteslehre. Auch der ermordete Wirtschaftsführer und Bänker Alfred Herrhausen, der nach 1989 eine stabile Friedensordnung in Europa anstrebte, symbolisiert für Pohlmann das positive Potential westlicher Wertebindung. Bei den Gründungsvätern der Vereinigten Staaten, insofern sie für eine antikoloniale, eine menschenrechtliche Ordnung ohne Waffengewalt und Blutvergießen eintraten, findet er Leitideen westlicher Werte. Der aufrichtige Journalist räumt allerdings ein, dass diese Werte im Westen immer wieder kompromittiert werden. Demokratische Wahlen vermögen bei uns nichts zu ändern und das, trotz großer Unzufriedenheit mit dem Personal an der Spitze. Im vermeintlich autokratischen China dagegen bezeugen vielfältige Meinungsumfragen eine hohe Zustimmung mit der Regierungspolitik. Es handele sich im asiatischen Reich eben um eine Meritokratie, in der das Führungspersonal sich durch fachliche und persönliche Qualifikation verdient gemacht haben muss, ganz gemäß der konfuzianischen Regel „Bestehe deine Examina!“.
Menschenmaschinenparks werden unsere Gattung nicht ersetzen
Am Nachmittag wird Cynthia Chung, die kanadische Forscherin und Publizistin aus Quebec die Davoser Infragestellung einer menschlichen Zukunft mit einer zurückweisenden Geste erörtern. Anders als jene destruktiven, menschenfeindlichen Wahnideen der sich um das alpine Weltwirtschaftsforum tummelnden „Goldkragenelite“ gründen Cynthias wissenschaftliche Ausführungen ebenfalls auf ethischen Prinzipien. Die examinierte Bio-Chemikerin verweist darauf, dass moralisch-ethische, von Liebe getragene Grundsätze die Menschheit seit langem begleitet und eine zukunftsweisende Perspektive zu bieten vermögen. Pseudowissenschaftliche Konstrukte wie die des Transhumanisten Yuval Harari basieren demgegenüber auf falschen Prämissen. Die Autorin zweifelt zwar nicht an der Möglichkeit dass etwa verwirrte Anhänger von Menschenmaschinenparks unsere Gattung auszulöschen vermögen. Sie betont aber dass, jene, die solches entgegen den Naturgesetzen im Schilde führen, den schwächenden Keim der Selbstzerstörung bereits in sich trügen. Man sehe sich nur den aktuellen Zustand des US-Imperiums an, dem der Verfall auf allen Ebenen anzusehen ist.
Vorwärtsschauende, bedeutende Wissenschaftler wie Kepler, Leibniz oder Einstein haben das Geschäft der Wissenschaft einst aus Liebe und Respekt vor der göttlichen, universalen Natur betrieben. Sie handelten im Interesse der Menschheitsfamilie, so wird Matthew Ehret, Cynthias Ehemann später noch einmal unterstreichen. Der Selbstauslöschung der Spezies zuzuarbeiten sei hochgradig selbstschädigend und stärke keinesfalls den schwankenden Machterhalt der nach imperialer Vorherrschaft strebenden Kreise. Die sowohl naturwissenschaftlich als auch musisch geschulte Cynthia Chung weist nach, dass derartige das Menschengeschlecht als Bürde für Mutter Erde betrachtenden Dystopien keinesfalls zufällig entstehen. Sie wurden vielmehr um imperialer Interessen willen absichtsvoll gezüchtet. Hararis Vordenker wirkten entsprechend bereits im 19. Jahrhundert. Ihre Namen lauten etwa Thomas R. Malthus (1766 -1834), Thomas Huxley (1825-1895), Charles Darwin (1802-1882), Bertrand Russel (1872-1970), Julien Huxley (1887-1975), Aldous Huxley (1894-1963), H. G. Wells (1846-1964). Sie alle und noch vielmehr wurden gesponsert und arbeiteten für die Dienste des Britischen Imperiums. Zahlreiche Zirkel um diese Figuren herum entwickelten Grundlagen des für unsere Spezies bedrohlichen Gedankenguts. Ihre Erben betreiben das Davoser Forum, deren Phantasmen die Menschheit in den Ruin zu leiten vermöchten. Wäre da nicht das Faktum, dass „die menschliche schöpferische Mentalität ausdrücklich nichtlinear (ist), da sie an nicht formalisierbare Zustände der Existenz wie Inspiration, Wahrheitsliebe, Würde und Schönheit gebunden ist, die kein binäres System annähernd erfassen kann.“ „Die Programmierer des „Club of Rome“, Kybernetiker und Systemtheoretiker ignorieren diese Tatsachen und nehmen an, das Universum sei so binär wie ihre Software“ wendet der Hoffnung stiftende Matthew Ehret gegen das Davoser Gedankengut ein.
Davoser Denken ist kein „Intelligentes Design“
Es handelt sich hier damals wie heute um Kreise, die sich selber und ihre Algorithmen für Halbgötter, normale Durchschnittsmenschen dagegen für überflüssige Elementarteilchen halten.
Ausgehend von Harari und dem Weltwirtschaftsforum (WEF*) verweist Cynthia zurück auf die Kopfgeburten des ehemaligen Pfarrers und schließlichen Politökonomen im Dienste der East Indian Company des Britischen Empire Thomas Robert Malthus. Der Gottesmann erfand die „Bevölkerungsfalle“ und war von der Notwendigkeit überzeugt, das Wachstum der Menschheit begrenzen zu müssen, weil angeblich nicht genug für alle da sei. Wer aber erklärt wen für den überflüssigen Esser? Malthusianisches Denken führe stracks zur Eugenik, zu Ausmerzungsstrategien gegen einen großen Teil der Menschenfamilie. Beim Davoser Vordenker Yuval Harari zeugt es das Phantasma der Ersetzung des Menschen durch intelligente Maschinen. Sein nur vermeintlich „intelligenteres Design“ glaubt, die schöpferische Natur übertrumpfen zu können. Damit wäre die Sache mit dem Geist und mit der Liebe ein für alle Mal erledigt. Fühlen, Denken, Moral, Gerechtigkeit alles überflüssig in den Augen der Kybernetiker. Aber, so Cynthia Chung, das kann und wird nicht das letzte Wort sein. Es sind nämlich gute, heilsame Kräfte unterwegs, die wir nur erkennen und unterstützen müssen. Dann kann und dann wird es gelingen, den Davoser Ungeistern die 'Rote Karte' zu zeigen und die für uns vorgesehene Katastrophe abzuwehren.
Daniele Ganser verteilt Rote Karten
Die Rote Karte ist das Lieblingsstilmittel Daniele Gansers an diesem Abend. Der Friedensforscher und Waldorfschüler verteilt sie an jene Entscheidungsträger, die in seinen Augen die illegalen Kriege der letzten Jahre begonnen haben. Durch seinen Vortrag wird sehr schnell deutlich, dass die Sache mit der einseitigen Schuldzuschreibung im derzeit weltbeherrschenden Ukrainekonflikt so einfach nicht ist. Der Krieg hat dort nun einmal nicht erst vor einem Jahr begonnen. Wir verstehen nichts, ohne den US-gesteuerten, gewaltsamen Putsch von 2014 und die vertragswidrige NATO-Osterweiterung mittels derer die Europäische Friedensordnung ausgehebelt wurde. Noch beim NATO-Gipfel in Bukarest 2008, so Ganser, habe der russische Präsident Putin zu bedenken gegeben, dass sein Land mit der Entstehung eines mächtigen NATO-Militärblocks an der Grenze Russlands und gar noch mit einem vorgesehenen NATO-Beitritt der Ukraine die Sicherheitsinteressen Russlands gefährdet sah. Mit einer NATO-Mitgliedschaft der ehemaligen Sowjetrepublik gewinne der westliche Militärblock die Erstschlagsfähigkeit. Bereits ab 1999, als sukzessive Polen, Ungarn, Tschechien, das Baltikum, Albanien, Bulgarien, Rumänien, Norwegen dem Militärbündnis beigetreten seien, hätten sich gegenüber Gorbatschow gemachte Zusagen in Luft aufgelöst. Bereits mit dem NATO-Bombardement gegen Jugoslawien 1999 habe der Krieg wieder Einzug in Europa gehalten.
Seit 2014 forderte der Bürgerkrieg in der zerrissenen Ukraine 14.000 Todesopfer, also bereits vor dem bewaffneten Eingreifen der Russen im Februar 2022. Vielmehr griffen die Russen gerade deswegen ein.
Nach diesem Eingriff im letzten Jahr aber gaben die Schweiz und die schließlich auch die Österreicher ihre verfassungsrechtlich verankerte Neutralität auf, indem sie sich an allen Sanktionen gegen Russland beteiligen. Direkte Folge: Dem Frieden zuarbeitende Gespräche finden ab jetzt nicht mehr in Genf statt, sondern in Istanbul. Das kann sein, weil das NATO-Mitglied Türkei sich dem erzwungenen Boykott gegenüber Russland bisher verweigert und sich nicht an den von der EU auf oktroyierten Sanktionen beteiligt.
Der Historiker Ganser besteht immer wieder darauf, dass das, was wir für die „Wahrheit“ zu halten geneigt sind, sich in den Köpfen erst bildet und zwar durch eine endlose Schleife neuronaler Verknüpfungen, die nun einmal durch pausenlose Wiederholung, durch erzwungene Redundanzen und Rahmenvorgaben fest verankert werden. Eine uns medial aufgezwungene Echokammer definiert, was wir für Gut und was für Böse zu halten haben.
Gansers Vortrag ist trotz seines bleiernen Themas mit spielerischer Leichtigkeit vorgetragen. Das wirkt erleichternd und wird mit viel Applaus bedacht. Ohne konstruktives Denken, ohne eine Portion ironisierenden Humor und ohne den weiten geopolitischen Blick könnte ein aufmerksamer Zeitgenosse in diesen Zeiten durchaus den Verstand verlieren. Der mit abendlichen Wissensvertiefungen zu Ende gehende Kongress aber liefert den Teilnehmenden einige essentielle KERNPUNKTE zur Gesunderhaltung. Das Bewusstsein über die real existierenden Heilungskräfte auf allen Kontinenten, die gestaltungsmächtiger sind als die menschliche Hybris einer Geldkragen-Elite, wurde vertieft. Die Teilnehmer werden das Erfahrene in ihre Familien und Gemeinden hinaustragen und so weithin wirksam werden lassen.
Anmerkungen:
1 Zur Auffrischung hier Paulus 1. Korinther, 13, https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/1kor13.html
2 Im Baseler Umland scheinen viele musische Talente und Menschen voller Ethik, Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein zu gedeihen. Die junge, fantastische Geigerin Johanna Tüscher ist die Tochter eines Antroposophen, der dem Kongressanliegen zugearbeitet hat. Hier eine frühe Probe ihres Schaffens. Sie ist heute 24 Jahre alt.https://www.youtube.com/watch?v=5ZudjoMknhc
3 Sehr aufschlussreich und vertiefend zu Ehrets Vortag: https://uncutnews.ch/die-rache-der-malthusianer-und-die-wissenschaft-der-grenzen/ Auch ein George Soros redet von „Offenheit“, „open society“, meint aber das Gegenteil von dem wofür Matthew Ehret steht.
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Glass-Steagall_Act
Online-Flyer Nr. 809 vom 29.03.2023