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Arbeit und Soziales
Aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44
Das Imperium und seine Gewerkschaften
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Wir können aufatmen. Die Lösung für gravierende Probleme ist gefunden. Wir müssen nur den Rat befolgen: "Gespräche sollten nicht auf der Sachebene, sondern emotionsbasiert geführt werden". Das erfahren wir aus der Publikation einer DGB-Gewerkschaft. Und in der zugehörigen Überschrift heißt es: "Vermeiden Sie Faktendiskussionen!" So ist es in der Zeitschrift M, dem medienpolitischen Magazin der Gewerkschaft ver.di, einem Artikel zu entnehmen, in dem über den 35. ver.di-Journalismustag am 4. März 2023 in Berlin berichtet wird. Dort fungiert die 2021 von der Bundesregierung ausgezeichnete Sham Jaff als "Keynote-Sprecherin". Sie gehört dem Kuratorium des von RTL, Rheinischer Post, Deutscher Welle und dem "Constructive Institute" getragenen, von der NRW-Staatskanzlei anschub-finanzierten "Bonn Institute" an.
Was sagt diese Abgesandte der Herrschaftsmedien? "Gesellschaften brauchen Journalist*innen, um verlässliche Informationen und den Bezugsrahmen für eine gemeinsame Realität zu schaffen." Danke für diese erhellende Information, dass Propaganda von Propagandisten, die die Herrschaftsnarrative z.B. in Sachen Corona, Ukraine oder Klima bedienen, als "verlässliche Information" bezeichnet wird! Weiter die Abgesandte: "Wir sind ja jeden Tag in der luxuriösen Situation, völlig frei zu entscheiden, über welches Thema wir berichten." Großartig, wie so eine die Wirklichkeit verzerrende Sicht von einer Gewerkschaft getragen wird, als könnten Journalisten tatsächlich ohne die Konsequenz, gefeuert zu werden, frei entscheiden! Da können wir aus dem Blickwinkel der Strategen der Macht nur sagen: wunderbar, wie sich Gewerkschaften instrumentalisieren lassen!
Aber zurück zum Artikel "Vermeiden Sie Faktendiskussionen!". Darin geht es um einen beim Journalismustag abgehaltenen Workshop mit dem Titel "Konstruktiv kontern: Verschwörungsmythen und Fake News entlarven und entgegnen", der vom Mitgründer der vom Land Berlin geförderten "Beratungsstelle veritas" geleitet wurde. "veritas" ist ein Projekt des "Interdisziplinären Zentrums für Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung", das sich – wie es in der Selbstdarstellung heißt – mit "Verschwörungserzählungen und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" befasst.
Der Artikel über den Workshop in der ver.di-Zeitschrift beginnt mit der Frage: "Wie umgehen mit Verschwörungsgläubigen?" Und dann erfahren wir: "Die Gespräche sollten nicht auf der Sachebene, sondern emotionsbasiert geführt werden. Etwa bei Corona: 'Ich höre gerade ganz schön viel Angst heraus.' Sinn mache es, gemeinsame Themen zu finden, zum Beispiel über Fotos oder Hobbies." Probieren wir den Rat an einem Beispiel aus. Nehmen wir das Thema "Great Reset". Jemand spricht von Klaus Schwabs Buch "Covid-19: The Great Reset". Da sich die Existenz dieses Buches mit seinem prägnanten, entlarvenden Titel nicht abstreiten lässt, lassen wir den Handlanger des großen Kapitals – wie es intelligenter kaum möglich ist – antworten: "Ich höre gerade ganz schön viel Angst heraus. Sprechen wir lieber über Ihren Garten." Grandios: diese überzeugende Reaktion! So kann das Thema "Great Reset" als Verschwörungstheorie wirkungsvoll ins Abseits gestellt werden.
Krieg gegen die Pressefreiheit
Auf der Rückseite der Zeitschrift M findet sich eine ganzseitige Anzeige. Dabei handelt es sich um übelste Kriegspropaganda – ganz im Sinne des Imperiums und seiner NATO. Zu lesen ist dort: "Russlands Überfall auf die Ukraine ist auch ein Krieg gegen die Pressefreiheit. Russische Soldaten entführen, foltern und erschießen ukrainische und internationale Medienschaffende." Diese Formulierung ist Bestandteil einer Anzeige, mit der "Reporter ohne Grenzen" Spenden für kugelsichere Westen, Helme, Sicherheitstraining, psychologische Beratung und Strom-Generatoren einwirbt, statt Journalisten aufzufordern, die Hintergründe des Stellvertreterkrieges der NATO gegen Russland zu beleuchten.
Nun gut, ließe sich einwenden: das ist ja nicht die Position des DGB oder einer seiner Gewerkschaften, sondern die eines Anzeigenkunden. Deshalb werfen wir einen Blick in einige DGB-Aufrufe. "Mit seinem völkerrechtswidrigen Angriff hat Russland unendliches Leid über die Menschen in der Ukraine gebracht." So heißt es im Aufruf des DGB zu den Ostermärschen 2022. "Durch den brutalen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine sterben jeden Tag Menschen. Millionen Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, sind auf der Flucht. Dieser Krieg ist auch ein Angriff auf die europäische Friedensordnung..." So steht es die Realität auf den Kopf stellend im Aufruf des DGB zum 1. Mai 2022 – als wäre die Expansion der NATO nach Osten bis an die Grenzen Russlands ein Akt des Friedens, als sei der Putsch in der Ukraine 2014 ein demokratischer Vorgang, als habe es den Krieg des Putschregimes gegen seine eigene Bevölkerung im Osten das Landes nicht gegeben und als sei der völkerrechtswidrige Bruch von Minsk II rechtens.
Und der DGB-Aufruf zu den Ostermärschen 2023 beginnt – all die Kriege von USA und NATO wie z.B. den im Jemen vollkommen ausblendend – mit Sätzen, wie sie die NATO nach dem Prinzip der Opfer-Täter-Umkehr bzw. der Einmischung in die Belange souveräner Staaten nicht krasser formulieren könnte: "Wir fordern den syrischen Präsidenten Assad auf, den Krieg gegen seine Bevölkerung endlich zu beenden! Wir fordern das Regime im Iran auf, den Terror gegen Frauen und Mädchen endlich zu beenden! Wir fordern die russische Regierung auf, die Kämpfe in der Ukraine endlich zu beenden und ihre territoriale Integrität durch den Rückzug ihrer Truppen wiederherzustellen! Wir akzeptieren das in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegte Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung." Aber nicht das Recht auf kollektive Selbstverteidigung der Donbass-Republiken und Russlands gemäß Artikel 51 der UN-Charta. Weiter: "Wir verurteilen alle Regierungen, die Unterdrückung, Gewalt und Folter als Mittel der Politik und Instrumente zur Sicherung ihrer Macht einsetzen!" Aber nicht das US-Imperium und dessen Vasallen, die die Welt seit Jahrzehnten mit Kriegen überziehen, oder Großbritannien, das Julian Assange seit Jahren in Folterhaft hält. Und zum Schluss heißt es im DGB-Ostermarsch-Aufruf: "Unsere Positionen verharmlosen nicht Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und haben keine Verschwörungsmythen über die Mächtigen im Gepäck."
Das Imperium und seine NATO können sich angesichts derartiger Gewerkschaften nur glücklich schätzen.
Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44 (März 2023) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.
Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/
Siehe auch:
Aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44
Das Imperium und seine Friedensbewegung
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 810 vom 26.04.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28569
Online-Flyer Nr. 811 vom 17.05.2023
Aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44
Das Imperium und seine Gewerkschaften
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Wir können aufatmen. Die Lösung für gravierende Probleme ist gefunden. Wir müssen nur den Rat befolgen: "Gespräche sollten nicht auf der Sachebene, sondern emotionsbasiert geführt werden". Das erfahren wir aus der Publikation einer DGB-Gewerkschaft. Und in der zugehörigen Überschrift heißt es: "Vermeiden Sie Faktendiskussionen!" So ist es in der Zeitschrift M, dem medienpolitischen Magazin der Gewerkschaft ver.di, einem Artikel zu entnehmen, in dem über den 35. ver.di-Journalismustag am 4. März 2023 in Berlin berichtet wird. Dort fungiert die 2021 von der Bundesregierung ausgezeichnete Sham Jaff als "Keynote-Sprecherin". Sie gehört dem Kuratorium des von RTL, Rheinischer Post, Deutscher Welle und dem "Constructive Institute" getragenen, von der NRW-Staatskanzlei anschub-finanzierten "Bonn Institute" an.
Was sagt diese Abgesandte der Herrschaftsmedien? "Gesellschaften brauchen Journalist*innen, um verlässliche Informationen und den Bezugsrahmen für eine gemeinsame Realität zu schaffen." Danke für diese erhellende Information, dass Propaganda von Propagandisten, die die Herrschaftsnarrative z.B. in Sachen Corona, Ukraine oder Klima bedienen, als "verlässliche Information" bezeichnet wird! Weiter die Abgesandte: "Wir sind ja jeden Tag in der luxuriösen Situation, völlig frei zu entscheiden, über welches Thema wir berichten." Großartig, wie so eine die Wirklichkeit verzerrende Sicht von einer Gewerkschaft getragen wird, als könnten Journalisten tatsächlich ohne die Konsequenz, gefeuert zu werden, frei entscheiden! Da können wir aus dem Blickwinkel der Strategen der Macht nur sagen: wunderbar, wie sich Gewerkschaften instrumentalisieren lassen!
Aber zurück zum Artikel "Vermeiden Sie Faktendiskussionen!". Darin geht es um einen beim Journalismustag abgehaltenen Workshop mit dem Titel "Konstruktiv kontern: Verschwörungsmythen und Fake News entlarven und entgegnen", der vom Mitgründer der vom Land Berlin geförderten "Beratungsstelle veritas" geleitet wurde. "veritas" ist ein Projekt des "Interdisziplinären Zentrums für Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung", das sich – wie es in der Selbstdarstellung heißt – mit "Verschwörungserzählungen und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" befasst.
Der Artikel über den Workshop in der ver.di-Zeitschrift beginnt mit der Frage: "Wie umgehen mit Verschwörungsgläubigen?" Und dann erfahren wir: "Die Gespräche sollten nicht auf der Sachebene, sondern emotionsbasiert geführt werden. Etwa bei Corona: 'Ich höre gerade ganz schön viel Angst heraus.' Sinn mache es, gemeinsame Themen zu finden, zum Beispiel über Fotos oder Hobbies." Probieren wir den Rat an einem Beispiel aus. Nehmen wir das Thema "Great Reset". Jemand spricht von Klaus Schwabs Buch "Covid-19: The Great Reset". Da sich die Existenz dieses Buches mit seinem prägnanten, entlarvenden Titel nicht abstreiten lässt, lassen wir den Handlanger des großen Kapitals – wie es intelligenter kaum möglich ist – antworten: "Ich höre gerade ganz schön viel Angst heraus. Sprechen wir lieber über Ihren Garten." Grandios: diese überzeugende Reaktion! So kann das Thema "Great Reset" als Verschwörungstheorie wirkungsvoll ins Abseits gestellt werden.
Krieg gegen die Pressefreiheit
Auf der Rückseite der Zeitschrift M findet sich eine ganzseitige Anzeige. Dabei handelt es sich um übelste Kriegspropaganda – ganz im Sinne des Imperiums und seiner NATO. Zu lesen ist dort: "Russlands Überfall auf die Ukraine ist auch ein Krieg gegen die Pressefreiheit. Russische Soldaten entführen, foltern und erschießen ukrainische und internationale Medienschaffende." Diese Formulierung ist Bestandteil einer Anzeige, mit der "Reporter ohne Grenzen" Spenden für kugelsichere Westen, Helme, Sicherheitstraining, psychologische Beratung und Strom-Generatoren einwirbt, statt Journalisten aufzufordern, die Hintergründe des Stellvertreterkrieges der NATO gegen Russland zu beleuchten.
Nun gut, ließe sich einwenden: das ist ja nicht die Position des DGB oder einer seiner Gewerkschaften, sondern die eines Anzeigenkunden. Deshalb werfen wir einen Blick in einige DGB-Aufrufe. "Mit seinem völkerrechtswidrigen Angriff hat Russland unendliches Leid über die Menschen in der Ukraine gebracht." So heißt es im Aufruf des DGB zu den Ostermärschen 2022. "Durch den brutalen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine sterben jeden Tag Menschen. Millionen Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, sind auf der Flucht. Dieser Krieg ist auch ein Angriff auf die europäische Friedensordnung..." So steht es die Realität auf den Kopf stellend im Aufruf des DGB zum 1. Mai 2022 – als wäre die Expansion der NATO nach Osten bis an die Grenzen Russlands ein Akt des Friedens, als sei der Putsch in der Ukraine 2014 ein demokratischer Vorgang, als habe es den Krieg des Putschregimes gegen seine eigene Bevölkerung im Osten das Landes nicht gegeben und als sei der völkerrechtswidrige Bruch von Minsk II rechtens.
Und der DGB-Aufruf zu den Ostermärschen 2023 beginnt – all die Kriege von USA und NATO wie z.B. den im Jemen vollkommen ausblendend – mit Sätzen, wie sie die NATO nach dem Prinzip der Opfer-Täter-Umkehr bzw. der Einmischung in die Belange souveräner Staaten nicht krasser formulieren könnte: "Wir fordern den syrischen Präsidenten Assad auf, den Krieg gegen seine Bevölkerung endlich zu beenden! Wir fordern das Regime im Iran auf, den Terror gegen Frauen und Mädchen endlich zu beenden! Wir fordern die russische Regierung auf, die Kämpfe in der Ukraine endlich zu beenden und ihre territoriale Integrität durch den Rückzug ihrer Truppen wiederherzustellen! Wir akzeptieren das in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegte Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung." Aber nicht das Recht auf kollektive Selbstverteidigung der Donbass-Republiken und Russlands gemäß Artikel 51 der UN-Charta. Weiter: "Wir verurteilen alle Regierungen, die Unterdrückung, Gewalt und Folter als Mittel der Politik und Instrumente zur Sicherung ihrer Macht einsetzen!" Aber nicht das US-Imperium und dessen Vasallen, die die Welt seit Jahrzehnten mit Kriegen überziehen, oder Großbritannien, das Julian Assange seit Jahren in Folterhaft hält. Und zum Schluss heißt es im DGB-Ostermarsch-Aufruf: "Unsere Positionen verharmlosen nicht Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und haben keine Verschwörungsmythen über die Mächtigen im Gepäck."
Das Imperium und seine NATO können sich angesichts derartiger Gewerkschaften nur glücklich schätzen.
Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44 (März 2023) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.
Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/
Siehe auch:
Aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44
Das Imperium und seine Friedensbewegung
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 810 vom 26.04.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28569
Online-Flyer Nr. 811 vom 17.05.2023