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Kultur und Wissen
HIStory: Das Woodstock-Festival von 1969
Eine gigantische politische Manifestation gegen den Krieg
Von Hermann Ploppa
Heute reden wir über ein Rock-Festival. Im Jahre 1969 versammelten sich über eine halbe Million Besucher beim legendären Woodstock-Festival in der Nähe von New York. Dieses Ereignis veränderte die Kultur in der westlichen Welt nicht unerheblich. Woodstock bündelte wie ein Brennglas eine Reihe von Strömungen jener Zeit. Und dieses scheinbar unpolitische Musikfestival stellte eine versteckte massive politische Kundgebung in einer Zeit dar, in der politische Artikulation in den USA zunehmend mit brutalster Repression beantwortet wurde. Wir wollen in der heutigen Sendung einmal dem Phänomen Woodstock auf den Grund gehen.
Aus einer Werbung für das Woodstock-Festival - Gescannt von Chic Chicas (Lizenz: CC4.0)
Warum kamen denn überhaupt eine halbe Million Leute vom 15. bis 18. August 1969 zum Festival nach Woodstock, obwohl nur fünfzigtausend Besucher erwartet wurden? Es wären ja noch viel mehr gekommen, wenn nicht schon alle Wege zum Festival im Bundesstaat New York hoffnungslos verstopft gewesen wären. Warum? Begeben wir uns einfach mal in die ausgehenden 1960er Jahre.
Schon mal vorweg: Woodstock war eine gigantische politische Demonstration für eine Welt im Frieden. Für eine Welt der Demokratie und Selbstbestimmung. Für eine Welt ohne Rassendiskriminierung. Und: nach all dem grässlichen Terror gegen Andersdenkende; nach all den Massakern gegen friedvolle Demonstranten suchte das bessere Amerika nach neuen Formen politischer Artikulation. Es reichte nicht mehr, einfach auf die Straße zu gehen und gegen das Böse in der Welt mit Schildern und Transparenten zu protestieren. Man war ja gegen etwas, weil man eindeutig für etwas war. Es ging um ein neues Denken. Ein neues Erleben. Um ein anderes Miteinander.
Wir machen uns kaum ein Bild davon, wie brutal die linke Gegenkultur in den USA niedergeschlagen wurde. Das war etwas ganz anderes wie bei uns in der beschaulichen Konsensdemokratie der 1960er Jahre-Bundesrepublik. Die deutschen Polizeibeamten waren auf den Straßenkampf praktisch gar nicht vorbereitet. Die Polizisten droschen mit Schlagstöcken um sich und waren mit der vollkommen neuartigen Situation schlicht überfordert. Es gab in der ersten, noch spontanen Phase des 68er Widerstands lediglich einen Toten in Deutschland durch Polizeiaktionen zu beklagen, nämlich den Berliner Studenten Benno Ohnesorg.
Ganz anders das Bild in den USA. Gewalt ist ein konstituierendes Element in den Vereinigten Staaten von Amerika. Schon immer gab es die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Angehörigen verschiedener Ethnien in den USA (1). Besonders schlimm war bekanntlich die Gewalt gegen Afroamerikaner und Juden. Diese Gewalt ging sowohl von der Polizei wie auch von sadistischen Mitbürgern aus. Das Lynching von Schwarzen gehörte noch bis in die frühen 1960er Jahre zur Folklore der US-Südstaaten. Als nun schwarze Führungspersönlichkeiten wie Malcolm X oder Martin Luther King ermordet wurden, war das Fass jahrzehntelanger Demütigung übergelaufen.
Bei so genannten „Rassenunruhen“ – „Negerkrawalle“ sagte man damals in Deutschland ganz unbedarft – kamen in Newark im Jahre 1967 tatsächlich 26 Menschen zu Tode, hunderte von Menschen wurden verletzt. Im selben Jahr ermordete die Polizei in der Autostadt Detroit 43 Afroamerikaner. Es blieben zudem 1189 Verletzte auf der Strecke. 7.000 afroamerikanische Bürger kamen ins Gefängnis – und das allein nur in Detroit! Als im Frühjahr 1968 der Führer der Bürgerrechtsbewegung, der Friedensnobelpreisträger Dr. Martin Luther King, ermordet wurde, folgten ihm bei Protestkundgebungen noch einmal neun Demonstranten mit ins Grab. Als zudem im Spätsommer 1968 die Partei der Demokraten ihren Konvent in Chicago abhält, um ihren Präsidentschaftskandidaten zu küren, setzt die Regierung gegen die friedlichen Protest-Demonstranten schwerste Infanterie und Luftwaffe ein. In Zahlen: 6.000 Nationalgardisten, also Soldaten des US-Bundesstaates Michigan; dazu 6.000 Soldaten der US-Bundesarmee und der 101. Luftlandedivision. Diese Männer in voller Panzerung rückten mit Flammenwerfern und Bazookas in die zivile offene Feldschlacht. Zum besseren Verständnis: bei Bazookas handelt es sich um von Raketen angetriebene Geschossrohre, mit denen Panzer gesprengt werden! Zudem waren 1.000 Agenten des FBI sowie des Militärgeheimdienstes DID in der Stadt als Spähtrupp unterwegs. Die Angst der Mächtigen konzentrierte sich darauf, dass sich womöglich die weißen Studenten mit den diskriminierten Afroamerikanern Chicagos solidarisieren könnten. Also belagerten die armierten Bürgerkrieger die schwarzen Wohnviertel besonders scharf. Die „Schlacht in der Michigan Avenue“ kostete dem Demonstranten Dean Johnson das Leben.
Doch im Mai 1969 sollte es noch schlimmer kommen. Der ehemalige Schauspieler mit Rollen in so genannten B-Movies, Ronald Reagan, hatte sich im Präsidentschaftswahlkampf im Jahre 1964 bereits für den republikanischen Kandidaten Barry Goldwater engagiert. Goldwater galt als derart polarisierend rechtsextrem und marktradikal, dass er eine schwere Niederlage gegen den Amtsinhaber Lyndon Baynes Johnson einstecken musste. Doch Reagan blieb auf Goldwater-Kurs und baute seine eigene politische Basis konsequent aus. So eroberte Reagan im Jahre 1966 mit 57 Prozent der abgegebenen Stimmen bei den Wahlen das Amt des Gouverneurs von Kalifornien. Seine eigene Klientel konnte Reagan mobilisieren mit der Behauptung, die Studenten in der Universitätsstadt Berkeley seien allesamt „Kommunistenversteher, Protestler und sexuell Perverse“. Als Gouverneur von Kalifornien konsolidierte Reagan seine Machtbasis durch martialische Maßnahmen gegen Minderheiten.
Die Studenten und Bürger von Berkeley hatten mit viel Liebe einen Volkspark angelegt, der allen Bürgern zur Verfügung stehen sollte. Am so genannten „Blutigen Donnerstag“, dem 15. Mai 1969 (2) ließ Reagan den Volkspark durch Sperrmauern verbarrikadieren und die liebevoll angelegten Blumenbeete, Bäume und Hecken zerstören. Das war unverkennbar eine gezielte Provokation, um die Bürger von Berkeley aus der Reserve zu locken und dann medienwirksam zu exekutieren. Die Bürger sind wütend, und 6.000 Menschen versammeln sich um den ruinierten Volkspark. 800 Polizisten in voller Kampfmontur stürzen sich auf die geschockten Menschen und schießen den Flüchtenden noch hohe Dosen von Kampfgasen in den Rücken. Der Student James Rector wird erschossen. Nun ist die ganze Stadt in Aufruhr. Reagan will die lange geplante Entscheidungsschlacht. Er ruft den Notstand aus und holt 2.700 Nationalgardisten nach Berkeley, die nun die Stadt zwei Wochen lang belagern. Die Bürger werden militärisch angegriffen. Die hoch armierten Krieger verhindern mit Gewalt eine Neubepflanzung des Parks.
Sie räuchern die Redaktionsräume der alternativen Zeitung Berkeley Tribe mit Kampfgas aus. Am 20. Mai 1969 fliegt die National Guard Hubschrauberangriffe gegen Berkeley und besprüht die ganze Stadt mit Tränengas. Nicht nur Berkeley wird Opfer der gezielten Provokationen von Ronald Reagan. Die Flowerpower-Metropole San Francisco wird über Jahre hinweg Opfer militärischer Attacken. Solange, bis auch dem letzten Hippie die Lust am Frieden vergangen ist? Dubiose Akteure aus Geheimdiensten und Mafia-Kreisen fluten zudem die Stadt mit Heroin. Aber Ronald Reagan hat unter Beweis gestellt, dass er der geeignete Mann ist, um als zukünftiger Präsident die gesamten Vereinigten Staaten von Friedensfreunden zu reinigen …
Der Vietnamkrieg zerreißt die Gesellschaft der USA. Die Spaltung geht quer durch die Familien, Gemeinden und sogar Bundesstaaten. 60.000 wehrpflichtige junge Männer aus den USA verlieren im Dschungel von Vietnam ihr Leben. Selbst in den allerhöchsten Elitezirkeln wie dem Council on Foreign Relations oder in der exklusiven Studentenbruderschaft Skull and Bones an der Elite-Uni Yale werden die Diskussionen um das Für und Wider des Vietnamkriegs mit harten Bandagen ausgetragen. Und die führenden Köpfe des anderen, des friedvollen Amerikas verlieren nacheinander ihr Leben durch gewaltsame Akte. Zu nennen sind: John F. Kennedy, sein Bruder Robert Kennedy; Malcolm X, Martin Luther King, um nur die Prominentesten zu nennen. Für den Frieden zu kämpfen ist in den USA nicht nur in jenen Jahren durchaus lebensgefährlich. Auch die Leitfiguren der Popkultur leben auffällig kurz, wenn sie sich politisch klar artikulieren für Frieden und Gerechtigkeit: Jim Morrison, Janis Joplin, Jimi Hendrix, und spät erst erwischt: Ober-Beatle John Lennon. Diese jungen Künstler sind Leitfiguren der nachwachsenden Generation und stellen somit eine akute Gefahr für den Fortbestand des Militärisch-Industriellen Komplexes dar.
„Wonder what can a poor boy do, than to play in a Rock n‘ Roll-band?“ (3), fragen sich nicht nur die Rolling Stones. Man kann sich zum Beispiel erst mal bei einem scheinbar unpolitischen Musikfestival treffen und erholen. Dabei ein stärkendes Gemeinschaftsgefühl erleben und genießen. In der zagen Hoffnung, wenigstens dabei nicht von diesen psychisch vollkommen gestörten Redneck-Amerikanern belästigt zu werden. Durch Mundpropaganda verabreden sich die friedvollen Amerikaner, in jenem Örtchen Woodstock unfern von New York zu einem scheinbar unpolitischen Musikfestival zusammen zu kommen. Musikfestivals sind schon lange in den USA Orte politischer Artikulation. Beim gesitteten Newport Musikfestival fanden schon Anfang der 1960er Jahre kritische Geister wie Pete Seeger, Bob Dylan oder Joan Baez ein großes Publikum. Dort saß man noch auf weißen Klappstühlen und hörte andächtig den nicht immer einfachen Liedern zu. Der Geist politischer Lieder von Woody Guthrie wurde wach gerufen.
Doch in Woodstock gab es keine Klappstühle und noch nicht einmal genug Verköstigung für jene halbe Million Zuschauer. Wo sollte denn die Verköstigung so schnell her geholt werden? Die Veranstalter sind völlig überwältigt. Sie schaffen es nicht mehr, Eintrittskarten zu verkaufen. Also ist hier plötzlich eine Schenker-Kultur ausgebrochen. Das Konzert ist ab sofort für alle kostenlos. Essen und Trinken werden ebenfalls kostenlos ausgegeben. Sogar das Militär gibt kostenlos Suppen aus. Ärzte sorgen für die Versorgung von Kranken. Alles klappt spontan und wie am Schnürchen. Alles ist absolut entspannt und friedvoll. Die Teilnehmer dieses spontanen Massenfestivals haben das Gefühl, Zeugen einer Zeitenwende zu sein. Die rechten Spießer kochen vor Wut und vor uneingestandenem Neid. Wie kann das angehen, dass hier junge Leute ganz zwanglos und freudvoll ein großartiges Wochenende zusammen verbringen? Der Kulturschock faschistoider Kleinbürger veranlasste den neuen Präsidenten Richard Nixon, seine repressive Politik ab jetzt mit der vermeintlichen Zustimmung einer „schweigenden Mehrheit“ zu rechtfertigen. Für diese Kreise war offenkundig schon das Pflanzen von Blumen und Bäumen ein subversiver Akt.
Und dafür, dass nun auf einmal zehnmal mehr Leute in Woodstock sind als geplant, läuft alles absolut super. Solidarität kann organisatorische Mängel locker überwinden. Und schon dient sich das Establishment wieder an: der Gouverneur des zuständigen Bundesstaates New York, Nelson Rockefeller, ruft die in den Massen eingekesselten Woodstock-Veranstalter an und fragt, ob er zur Aufrechterhaltung der Ordnung 10.000 Soldaten der Nationalgarde vorbeischicken soll. Die Veranstalter lehnen dankend ab. Nelson Rockefeller gehört zum gemäßigten Ostküsten-Establishment, und im Gegensatz zum Gewalt verherrlichenden Ronald Reagan an der Westküste respektiert Rockefeller den Willen der Veranstalter. Dennoch helfen Abteilungen der benachbarten Stewart Air Force Base netterweise mit Sanitätern und Hubschraubern bei der Organisation des Mega-Festivals. Man kann sagen: gerade weil keine Security auf dem Platz ist, blieb alles schön friedlich und entspannt. Beim nachfolgenden Altamont Festival im Dezember 1969 sind Mitglieder der berüchtigten Rockerbande Hells Angels als Ordner eingestellt worden, und prompt entgleitet den Veranstaltern das Geschehen, als Hells Angels einen Festivalbesucher ermorden (4). Die Festivalmacher hatten den Bock zum Gärtner gemacht.
Trotzdem kam auch Woodstock anscheinend nicht ohne die gefürchtete staatliche Repression aus. Denn über das Festivalgelände schwebten zwei Flugzeuge (5). Aus den Flugzeugen wurden undefinierbare Gaswolken ausgestoßen. Das Wetter in dem Festivalgelände änderte sich daraufhin radikal. Das Barometer zeigte nach wie vor stabiles Hochdruckwetter. Doch es zogen Wolken auf, die Luft kühlte deutlich ab und ein Sturm kam auf. Die Bühne sowie die Beschallungsanlage auf den Stahlgerüsten gerieten unter massiven Sturm und die Anlage drohte unter dem Druck des Sturms zu kollabieren. Die Helfer räumten in aller Schnelle alle Planen und alle empfindlichen Anlagen ab. Die Festivalbesucher haben den Vorgang ganz genau beobachtet. Sie können ohne Weiteres den Zusammenhang zwischen den ausgebrachten giftigen Substanzen und der vollkommen unnatürlichen Wetterverschlechterung herstellen. Sie wissen, dass sie hier wieder einmal mit militärischen Mitteln angegriffen werden. Sie skandieren: „No Rain! No Rain!“ „Kein Regen! Kein Regen!“ Der unbedarfte Kinobesucher, der den legendären Film von Martin Scorsese Jahre später anschaut, fragt sich selbstverständlich: Ja, wie, kann man denn einfordern, dass der Regen jetzt aufzuhören hat? Sind diese Hippies bescheuert? Nein, die Hippies sind nicht bescheuert. Sie wissen, dass hier eine Leistungsschau zeitgenössischer Wettermanipulationskünste abgehalten wird. Das ist nämlich überhaupt keine Kunst, mal eben mit einer Silberjodidmischung Regen oder auch Gewitterstürme zu erzeugen. Schon im Jahre 1955 sollte in der beliebten US-Fernsehshow „What’s your line?“, die in Deutschland als heiteres Beruferaten „Was bin ich?“ bekannt wurde, ein hauptberuflicher Regenmacher geraten werden (6).
Das ist nichts Besonderes mehr (7). Auch in Deutschland setzen sich Winzer, wenn es zu lange nicht geregnet hat, in ihr einmotoriges Piper-Flugzeug und bringen über die Weinstöcke Silberjodid aus. Und die US-Luftwaffe hatte in der Operation Popeye in Vietnam über den Ho Chi Minh-Pfad eine garstige Soße ausgebracht, die die Regenintensität erheblich verstärkt hat. Die Monsunsaison wurde auf diese Weise um sechs Wochen verlängert. Das sollte den Vietcong den Materialnachschub erschweren (8). Diese üble Wettermanipulation hat allerdings physikalisch nichts mit Chemtrails zu tun. Das ist eine andere Baustelle …
Nachdem auch dieser Angriff mit Geoengineering kein Chaos mehr auslösen konnte und die Festivalbesucher ruhig und diszipliniert blieben, stand der Freude über die Konzerte nichts mehr im Weg. Autoren der Mainstreampresse wissen heute zu berichten, musikalisch sei Woodstock ein Desaster gewesen. Den Tontechnikern gelang es jedoch, auch die zehnfache Anzahl wie geplant gut zu beschallen. Und die Musiker auf der Bühne haben die technischen Unzulänglichkeiten gut bewältigt. Denn es gab damals noch keine Bühnen-Monitore. Auf der riesigen Bühne war es damals ohne Monitorsysteme äußerst schwierig, sich selber als Musiker überhaupt zu hören. Deshalb hielt sich Jefferson Airplane-Sängerin Grace Slick auch ein Ohr zu (9), um wenigstens die eigene Stimme über ihre Körper-Resonanz hören zu können. Auch wenn Joe Cocker wie gewohnt etwas spastisch herumzuckte: er konnte mühelos den Takt halten.
Und zu behaupten, Carlos Santana habe schlechtes Mescalin konsumiert und habe mit grantigem Gesicht schlecht gespielt, kann als unzutreffend ad acta gelegt werden. Santana ist eigentlich eher ein ungeheuer fleißiger Klangfacharbeiter, ja geradezu ein langweiliger Streber. Bei seinen Gitarrensoli grimassiert Santana immer wie bei einer Zahnwurzelbehandlung. Doch bei seinem Solo zu dem Stück „Soul Sacrifice“ wachsen ihm Flügel (10). Santana und sein junger Schlagzeuger Michael Shrieve schwebten in einer anderen Dimension – Albert Hoffmann, dem Erfinder des LSD sei Dank.
Am Morgen des letzten Festival-Tages sind statt der halben Million nur noch etwa 30.000 Zuschauer auf dem Festivalgelände. Überall packen erschöpfte Hippies ihre Rucksäcke und verlassen das Gelände. Helfer räumen bereits Dreck weg. Doch auf der Bühne erscheint der Gitarren-Gott Jimi Hendrix, bunt gekleidet und exotisch. Halb Indianer, halb Afroamerikaner. Ein Maniac, der ohne seine geliebte Gitarre nicht leben kann. Der aus der US-Armee rausgeschmissen wurde, weil er als Soldat ums Verrecken nicht zu gebrauchen war. Aus dem Nichts war er aufgetaucht und hatte die Gitarre mit ihren technischen Möglichkeiten völlig neu erfunden. Ein Linkshänder zudem. Also völlig gegen den Strich gebürstet. Jimi hat seit drei Tagen nicht mehr geschlafen. Er macht mit der Hand das „Peace“-Zeichen. Frieden allen Menschen. Um dann mit der Gitarre den US-Imperialismus zu zersägen. Die Nationalhymne, das Star-Spangled Banner, erklingt oder besser: jault schmerzgequält auf. Durch die Effektgeräte an der Elektro-Gitarre wird die getragene Melodie mehr und mehr zu einem Stakkato und Knirschen und Krachen von Sturzkampffliegern. Bomben schlagen auf dem vietnamesischen Boden auf. Die Nationalhymne der Amerikaner wird zu einem jämmerlichen und bedrohlichen Brei, der am Boden ausglimmt. Jimi Hendrix lässt die Gitarre mit ihrer elenden Rückkopplung alleine. Seine Augen sagen: „Nun ist es passiert! Nun kann ich nicht mehr zurück! Möge mein Ende kommen. Es ist vollbracht!“
Es ist klar, dass Jimi Hendrix in Woodstock das Festival mit einem Sakrileg beendet hat. Eine schlimmere Provokation des aufgeblasenen US-Chauvinismus ist kaum noch vorstellbar. Das kann nur von John Lennon und Yoko Ono getoppt werden, die sich splitternackt fotografieren lassen oder im Bett eine Pressekonferenz geben. Jimi Hendrix wird ein Jahr nach seinem denkwürdigen Auftritt in Woodstock in einem Londoner Apartment von seiner Freundin Monika Dannemann bewusstlos aufgefunden. Im Krankenhaus stirbt Jimi Hendrix. Er stand auf der Liste der amerikanischen Bundespolizei FBI, da er an die Black Panther und verschiedene schwarze Bürgerrechtsaktivisten Geld gespendet hatte. Der Beruf des politisch bewussten Rockmusikers ist in jenen Zeiten gefährlicher als der Beruf des ABC-Tieftauchers. Jim Morrison, Janis Joplin, später auch John Lennon, sterben unter höchst dubiosen Umständen. Das macht klar, dass auch das legendäre Festival in Woodstock kein unpolitisches Hippie-Walla-Walla-Ereignis war, sondern ein Politikum, das vom politischen Establishment in den USA äußerst argwöhnisch beobachtet wurde.
Dennoch, oder gerade deswegen halten wir fest: Woodstock ist und bleibt der verdichtete Augenblick einer anderen, einer besseren Welt. Jener Welt, für die wir uns beschimpfen, diskriminieren und beleidigen lassen. Woodstock zeigt, dass es Menschen gibt, die sich nicht auf die Rolle der passiven Konsumenten oder Soldaten reduzieren lassen. Woodstock machte klar: wir sind nicht länger die „Idioten der Geschichte“, wie Rudi Dutschke es einmal ausdrückte. Woodstock ist das schillernde Symbol für die Liebe und die Demut, mit der wir unserer Mitwelt begegnen. Für die Erkenntnis, dass wir zusammen mehr erreichen können als isoliert und allein. Dass es Freude macht, sich zu gegenseitig zu stärken. Das Feuer der Freude leuchtet weiter.
Wir lernen aus der Geschichte, wie wir die Zukunft besser machen.
Fußnoten:
1. siehe dazu Hermann Ploppa: Hitlers amerikanische Lehrer – Die Eliten der USA als Geburtshelfer des Nationalsozialismus. S.34ff.
2. https://www.youtube.com/watch?v=0BCj8s04jKw
3. https://www.youtube.com/watch?v=NHugEELD8o8
4. https://www.youtube.com/watch?v=0qTKsylrpsg
5. https://www.youtube.com/watch?v=lsqfk-WtoIo
6. https://www.youtube.com/watch?v=lbbPRAMv01E&t=1626s
7. https://www.br.de/themen/wissen/wetter-meteorologie-rosenheimer-hagelabwehr100.html
8. https://usacontrol.wordpress.com/2012/07/20/wetter-als-waffe/
9. https://www.youtube.com/watch?v=R_raXzIRgsA
10. https://www.youtube.com/watch?v=JaaT_HRb4GU
11. Alex Constantine: The Covert War Against Rock: What You Don’t Know About the Deaths of Jim Morrison, Tupac Shakur, Michael Hutchence, Brian Jones, Jimi Hendrix, Phil Ochs, Bob Marley, Peter Tosh, John Lennon, and The Notorious B.I.G. Port Townsend/Washington 2000.
Erstveröffentlichung am 4. Juni 2023 bei apolut
Online-Flyer Nr. 813 vom 14.06.2023
HIStory: Das Woodstock-Festival von 1969
Eine gigantische politische Manifestation gegen den Krieg
Von Hermann Ploppa
Heute reden wir über ein Rock-Festival. Im Jahre 1969 versammelten sich über eine halbe Million Besucher beim legendären Woodstock-Festival in der Nähe von New York. Dieses Ereignis veränderte die Kultur in der westlichen Welt nicht unerheblich. Woodstock bündelte wie ein Brennglas eine Reihe von Strömungen jener Zeit. Und dieses scheinbar unpolitische Musikfestival stellte eine versteckte massive politische Kundgebung in einer Zeit dar, in der politische Artikulation in den USA zunehmend mit brutalster Repression beantwortet wurde. Wir wollen in der heutigen Sendung einmal dem Phänomen Woodstock auf den Grund gehen.
Aus einer Werbung für das Woodstock-Festival - Gescannt von Chic Chicas (Lizenz: CC4.0)
Warum kamen denn überhaupt eine halbe Million Leute vom 15. bis 18. August 1969 zum Festival nach Woodstock, obwohl nur fünfzigtausend Besucher erwartet wurden? Es wären ja noch viel mehr gekommen, wenn nicht schon alle Wege zum Festival im Bundesstaat New York hoffnungslos verstopft gewesen wären. Warum? Begeben wir uns einfach mal in die ausgehenden 1960er Jahre.
Schon mal vorweg: Woodstock war eine gigantische politische Demonstration für eine Welt im Frieden. Für eine Welt der Demokratie und Selbstbestimmung. Für eine Welt ohne Rassendiskriminierung. Und: nach all dem grässlichen Terror gegen Andersdenkende; nach all den Massakern gegen friedvolle Demonstranten suchte das bessere Amerika nach neuen Formen politischer Artikulation. Es reichte nicht mehr, einfach auf die Straße zu gehen und gegen das Böse in der Welt mit Schildern und Transparenten zu protestieren. Man war ja gegen etwas, weil man eindeutig für etwas war. Es ging um ein neues Denken. Ein neues Erleben. Um ein anderes Miteinander.
Wir machen uns kaum ein Bild davon, wie brutal die linke Gegenkultur in den USA niedergeschlagen wurde. Das war etwas ganz anderes wie bei uns in der beschaulichen Konsensdemokratie der 1960er Jahre-Bundesrepublik. Die deutschen Polizeibeamten waren auf den Straßenkampf praktisch gar nicht vorbereitet. Die Polizisten droschen mit Schlagstöcken um sich und waren mit der vollkommen neuartigen Situation schlicht überfordert. Es gab in der ersten, noch spontanen Phase des 68er Widerstands lediglich einen Toten in Deutschland durch Polizeiaktionen zu beklagen, nämlich den Berliner Studenten Benno Ohnesorg.
Ganz anders das Bild in den USA. Gewalt ist ein konstituierendes Element in den Vereinigten Staaten von Amerika. Schon immer gab es die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Angehörigen verschiedener Ethnien in den USA (1). Besonders schlimm war bekanntlich die Gewalt gegen Afroamerikaner und Juden. Diese Gewalt ging sowohl von der Polizei wie auch von sadistischen Mitbürgern aus. Das Lynching von Schwarzen gehörte noch bis in die frühen 1960er Jahre zur Folklore der US-Südstaaten. Als nun schwarze Führungspersönlichkeiten wie Malcolm X oder Martin Luther King ermordet wurden, war das Fass jahrzehntelanger Demütigung übergelaufen.
Bei so genannten „Rassenunruhen“ – „Negerkrawalle“ sagte man damals in Deutschland ganz unbedarft – kamen in Newark im Jahre 1967 tatsächlich 26 Menschen zu Tode, hunderte von Menschen wurden verletzt. Im selben Jahr ermordete die Polizei in der Autostadt Detroit 43 Afroamerikaner. Es blieben zudem 1189 Verletzte auf der Strecke. 7.000 afroamerikanische Bürger kamen ins Gefängnis – und das allein nur in Detroit! Als im Frühjahr 1968 der Führer der Bürgerrechtsbewegung, der Friedensnobelpreisträger Dr. Martin Luther King, ermordet wurde, folgten ihm bei Protestkundgebungen noch einmal neun Demonstranten mit ins Grab. Als zudem im Spätsommer 1968 die Partei der Demokraten ihren Konvent in Chicago abhält, um ihren Präsidentschaftskandidaten zu küren, setzt die Regierung gegen die friedlichen Protest-Demonstranten schwerste Infanterie und Luftwaffe ein. In Zahlen: 6.000 Nationalgardisten, also Soldaten des US-Bundesstaates Michigan; dazu 6.000 Soldaten der US-Bundesarmee und der 101. Luftlandedivision. Diese Männer in voller Panzerung rückten mit Flammenwerfern und Bazookas in die zivile offene Feldschlacht. Zum besseren Verständnis: bei Bazookas handelt es sich um von Raketen angetriebene Geschossrohre, mit denen Panzer gesprengt werden! Zudem waren 1.000 Agenten des FBI sowie des Militärgeheimdienstes DID in der Stadt als Spähtrupp unterwegs. Die Angst der Mächtigen konzentrierte sich darauf, dass sich womöglich die weißen Studenten mit den diskriminierten Afroamerikanern Chicagos solidarisieren könnten. Also belagerten die armierten Bürgerkrieger die schwarzen Wohnviertel besonders scharf. Die „Schlacht in der Michigan Avenue“ kostete dem Demonstranten Dean Johnson das Leben.
Doch im Mai 1969 sollte es noch schlimmer kommen. Der ehemalige Schauspieler mit Rollen in so genannten B-Movies, Ronald Reagan, hatte sich im Präsidentschaftswahlkampf im Jahre 1964 bereits für den republikanischen Kandidaten Barry Goldwater engagiert. Goldwater galt als derart polarisierend rechtsextrem und marktradikal, dass er eine schwere Niederlage gegen den Amtsinhaber Lyndon Baynes Johnson einstecken musste. Doch Reagan blieb auf Goldwater-Kurs und baute seine eigene politische Basis konsequent aus. So eroberte Reagan im Jahre 1966 mit 57 Prozent der abgegebenen Stimmen bei den Wahlen das Amt des Gouverneurs von Kalifornien. Seine eigene Klientel konnte Reagan mobilisieren mit der Behauptung, die Studenten in der Universitätsstadt Berkeley seien allesamt „Kommunistenversteher, Protestler und sexuell Perverse“. Als Gouverneur von Kalifornien konsolidierte Reagan seine Machtbasis durch martialische Maßnahmen gegen Minderheiten.
Die Studenten und Bürger von Berkeley hatten mit viel Liebe einen Volkspark angelegt, der allen Bürgern zur Verfügung stehen sollte. Am so genannten „Blutigen Donnerstag“, dem 15. Mai 1969 (2) ließ Reagan den Volkspark durch Sperrmauern verbarrikadieren und die liebevoll angelegten Blumenbeete, Bäume und Hecken zerstören. Das war unverkennbar eine gezielte Provokation, um die Bürger von Berkeley aus der Reserve zu locken und dann medienwirksam zu exekutieren. Die Bürger sind wütend, und 6.000 Menschen versammeln sich um den ruinierten Volkspark. 800 Polizisten in voller Kampfmontur stürzen sich auf die geschockten Menschen und schießen den Flüchtenden noch hohe Dosen von Kampfgasen in den Rücken. Der Student James Rector wird erschossen. Nun ist die ganze Stadt in Aufruhr. Reagan will die lange geplante Entscheidungsschlacht. Er ruft den Notstand aus und holt 2.700 Nationalgardisten nach Berkeley, die nun die Stadt zwei Wochen lang belagern. Die Bürger werden militärisch angegriffen. Die hoch armierten Krieger verhindern mit Gewalt eine Neubepflanzung des Parks.
Sie räuchern die Redaktionsräume der alternativen Zeitung Berkeley Tribe mit Kampfgas aus. Am 20. Mai 1969 fliegt die National Guard Hubschrauberangriffe gegen Berkeley und besprüht die ganze Stadt mit Tränengas. Nicht nur Berkeley wird Opfer der gezielten Provokationen von Ronald Reagan. Die Flowerpower-Metropole San Francisco wird über Jahre hinweg Opfer militärischer Attacken. Solange, bis auch dem letzten Hippie die Lust am Frieden vergangen ist? Dubiose Akteure aus Geheimdiensten und Mafia-Kreisen fluten zudem die Stadt mit Heroin. Aber Ronald Reagan hat unter Beweis gestellt, dass er der geeignete Mann ist, um als zukünftiger Präsident die gesamten Vereinigten Staaten von Friedensfreunden zu reinigen …
Der Vietnamkrieg zerreißt die Gesellschaft der USA. Die Spaltung geht quer durch die Familien, Gemeinden und sogar Bundesstaaten. 60.000 wehrpflichtige junge Männer aus den USA verlieren im Dschungel von Vietnam ihr Leben. Selbst in den allerhöchsten Elitezirkeln wie dem Council on Foreign Relations oder in der exklusiven Studentenbruderschaft Skull and Bones an der Elite-Uni Yale werden die Diskussionen um das Für und Wider des Vietnamkriegs mit harten Bandagen ausgetragen. Und die führenden Köpfe des anderen, des friedvollen Amerikas verlieren nacheinander ihr Leben durch gewaltsame Akte. Zu nennen sind: John F. Kennedy, sein Bruder Robert Kennedy; Malcolm X, Martin Luther King, um nur die Prominentesten zu nennen. Für den Frieden zu kämpfen ist in den USA nicht nur in jenen Jahren durchaus lebensgefährlich. Auch die Leitfiguren der Popkultur leben auffällig kurz, wenn sie sich politisch klar artikulieren für Frieden und Gerechtigkeit: Jim Morrison, Janis Joplin, Jimi Hendrix, und spät erst erwischt: Ober-Beatle John Lennon. Diese jungen Künstler sind Leitfiguren der nachwachsenden Generation und stellen somit eine akute Gefahr für den Fortbestand des Militärisch-Industriellen Komplexes dar.
„Wonder what can a poor boy do, than to play in a Rock n‘ Roll-band?“ (3), fragen sich nicht nur die Rolling Stones. Man kann sich zum Beispiel erst mal bei einem scheinbar unpolitischen Musikfestival treffen und erholen. Dabei ein stärkendes Gemeinschaftsgefühl erleben und genießen. In der zagen Hoffnung, wenigstens dabei nicht von diesen psychisch vollkommen gestörten Redneck-Amerikanern belästigt zu werden. Durch Mundpropaganda verabreden sich die friedvollen Amerikaner, in jenem Örtchen Woodstock unfern von New York zu einem scheinbar unpolitischen Musikfestival zusammen zu kommen. Musikfestivals sind schon lange in den USA Orte politischer Artikulation. Beim gesitteten Newport Musikfestival fanden schon Anfang der 1960er Jahre kritische Geister wie Pete Seeger, Bob Dylan oder Joan Baez ein großes Publikum. Dort saß man noch auf weißen Klappstühlen und hörte andächtig den nicht immer einfachen Liedern zu. Der Geist politischer Lieder von Woody Guthrie wurde wach gerufen.
Doch in Woodstock gab es keine Klappstühle und noch nicht einmal genug Verköstigung für jene halbe Million Zuschauer. Wo sollte denn die Verköstigung so schnell her geholt werden? Die Veranstalter sind völlig überwältigt. Sie schaffen es nicht mehr, Eintrittskarten zu verkaufen. Also ist hier plötzlich eine Schenker-Kultur ausgebrochen. Das Konzert ist ab sofort für alle kostenlos. Essen und Trinken werden ebenfalls kostenlos ausgegeben. Sogar das Militär gibt kostenlos Suppen aus. Ärzte sorgen für die Versorgung von Kranken. Alles klappt spontan und wie am Schnürchen. Alles ist absolut entspannt und friedvoll. Die Teilnehmer dieses spontanen Massenfestivals haben das Gefühl, Zeugen einer Zeitenwende zu sein. Die rechten Spießer kochen vor Wut und vor uneingestandenem Neid. Wie kann das angehen, dass hier junge Leute ganz zwanglos und freudvoll ein großartiges Wochenende zusammen verbringen? Der Kulturschock faschistoider Kleinbürger veranlasste den neuen Präsidenten Richard Nixon, seine repressive Politik ab jetzt mit der vermeintlichen Zustimmung einer „schweigenden Mehrheit“ zu rechtfertigen. Für diese Kreise war offenkundig schon das Pflanzen von Blumen und Bäumen ein subversiver Akt.
Und dafür, dass nun auf einmal zehnmal mehr Leute in Woodstock sind als geplant, läuft alles absolut super. Solidarität kann organisatorische Mängel locker überwinden. Und schon dient sich das Establishment wieder an: der Gouverneur des zuständigen Bundesstaates New York, Nelson Rockefeller, ruft die in den Massen eingekesselten Woodstock-Veranstalter an und fragt, ob er zur Aufrechterhaltung der Ordnung 10.000 Soldaten der Nationalgarde vorbeischicken soll. Die Veranstalter lehnen dankend ab. Nelson Rockefeller gehört zum gemäßigten Ostküsten-Establishment, und im Gegensatz zum Gewalt verherrlichenden Ronald Reagan an der Westküste respektiert Rockefeller den Willen der Veranstalter. Dennoch helfen Abteilungen der benachbarten Stewart Air Force Base netterweise mit Sanitätern und Hubschraubern bei der Organisation des Mega-Festivals. Man kann sagen: gerade weil keine Security auf dem Platz ist, blieb alles schön friedlich und entspannt. Beim nachfolgenden Altamont Festival im Dezember 1969 sind Mitglieder der berüchtigten Rockerbande Hells Angels als Ordner eingestellt worden, und prompt entgleitet den Veranstaltern das Geschehen, als Hells Angels einen Festivalbesucher ermorden (4). Die Festivalmacher hatten den Bock zum Gärtner gemacht.
Trotzdem kam auch Woodstock anscheinend nicht ohne die gefürchtete staatliche Repression aus. Denn über das Festivalgelände schwebten zwei Flugzeuge (5). Aus den Flugzeugen wurden undefinierbare Gaswolken ausgestoßen. Das Wetter in dem Festivalgelände änderte sich daraufhin radikal. Das Barometer zeigte nach wie vor stabiles Hochdruckwetter. Doch es zogen Wolken auf, die Luft kühlte deutlich ab und ein Sturm kam auf. Die Bühne sowie die Beschallungsanlage auf den Stahlgerüsten gerieten unter massiven Sturm und die Anlage drohte unter dem Druck des Sturms zu kollabieren. Die Helfer räumten in aller Schnelle alle Planen und alle empfindlichen Anlagen ab. Die Festivalbesucher haben den Vorgang ganz genau beobachtet. Sie können ohne Weiteres den Zusammenhang zwischen den ausgebrachten giftigen Substanzen und der vollkommen unnatürlichen Wetterverschlechterung herstellen. Sie wissen, dass sie hier wieder einmal mit militärischen Mitteln angegriffen werden. Sie skandieren: „No Rain! No Rain!“ „Kein Regen! Kein Regen!“ Der unbedarfte Kinobesucher, der den legendären Film von Martin Scorsese Jahre später anschaut, fragt sich selbstverständlich: Ja, wie, kann man denn einfordern, dass der Regen jetzt aufzuhören hat? Sind diese Hippies bescheuert? Nein, die Hippies sind nicht bescheuert. Sie wissen, dass hier eine Leistungsschau zeitgenössischer Wettermanipulationskünste abgehalten wird. Das ist nämlich überhaupt keine Kunst, mal eben mit einer Silberjodidmischung Regen oder auch Gewitterstürme zu erzeugen. Schon im Jahre 1955 sollte in der beliebten US-Fernsehshow „What’s your line?“, die in Deutschland als heiteres Beruferaten „Was bin ich?“ bekannt wurde, ein hauptberuflicher Regenmacher geraten werden (6).
Das ist nichts Besonderes mehr (7). Auch in Deutschland setzen sich Winzer, wenn es zu lange nicht geregnet hat, in ihr einmotoriges Piper-Flugzeug und bringen über die Weinstöcke Silberjodid aus. Und die US-Luftwaffe hatte in der Operation Popeye in Vietnam über den Ho Chi Minh-Pfad eine garstige Soße ausgebracht, die die Regenintensität erheblich verstärkt hat. Die Monsunsaison wurde auf diese Weise um sechs Wochen verlängert. Das sollte den Vietcong den Materialnachschub erschweren (8). Diese üble Wettermanipulation hat allerdings physikalisch nichts mit Chemtrails zu tun. Das ist eine andere Baustelle …
Nachdem auch dieser Angriff mit Geoengineering kein Chaos mehr auslösen konnte und die Festivalbesucher ruhig und diszipliniert blieben, stand der Freude über die Konzerte nichts mehr im Weg. Autoren der Mainstreampresse wissen heute zu berichten, musikalisch sei Woodstock ein Desaster gewesen. Den Tontechnikern gelang es jedoch, auch die zehnfache Anzahl wie geplant gut zu beschallen. Und die Musiker auf der Bühne haben die technischen Unzulänglichkeiten gut bewältigt. Denn es gab damals noch keine Bühnen-Monitore. Auf der riesigen Bühne war es damals ohne Monitorsysteme äußerst schwierig, sich selber als Musiker überhaupt zu hören. Deshalb hielt sich Jefferson Airplane-Sängerin Grace Slick auch ein Ohr zu (9), um wenigstens die eigene Stimme über ihre Körper-Resonanz hören zu können. Auch wenn Joe Cocker wie gewohnt etwas spastisch herumzuckte: er konnte mühelos den Takt halten.
Und zu behaupten, Carlos Santana habe schlechtes Mescalin konsumiert und habe mit grantigem Gesicht schlecht gespielt, kann als unzutreffend ad acta gelegt werden. Santana ist eigentlich eher ein ungeheuer fleißiger Klangfacharbeiter, ja geradezu ein langweiliger Streber. Bei seinen Gitarrensoli grimassiert Santana immer wie bei einer Zahnwurzelbehandlung. Doch bei seinem Solo zu dem Stück „Soul Sacrifice“ wachsen ihm Flügel (10). Santana und sein junger Schlagzeuger Michael Shrieve schwebten in einer anderen Dimension – Albert Hoffmann, dem Erfinder des LSD sei Dank.
Am Morgen des letzten Festival-Tages sind statt der halben Million nur noch etwa 30.000 Zuschauer auf dem Festivalgelände. Überall packen erschöpfte Hippies ihre Rucksäcke und verlassen das Gelände. Helfer räumen bereits Dreck weg. Doch auf der Bühne erscheint der Gitarren-Gott Jimi Hendrix, bunt gekleidet und exotisch. Halb Indianer, halb Afroamerikaner. Ein Maniac, der ohne seine geliebte Gitarre nicht leben kann. Der aus der US-Armee rausgeschmissen wurde, weil er als Soldat ums Verrecken nicht zu gebrauchen war. Aus dem Nichts war er aufgetaucht und hatte die Gitarre mit ihren technischen Möglichkeiten völlig neu erfunden. Ein Linkshänder zudem. Also völlig gegen den Strich gebürstet. Jimi hat seit drei Tagen nicht mehr geschlafen. Er macht mit der Hand das „Peace“-Zeichen. Frieden allen Menschen. Um dann mit der Gitarre den US-Imperialismus zu zersägen. Die Nationalhymne, das Star-Spangled Banner, erklingt oder besser: jault schmerzgequält auf. Durch die Effektgeräte an der Elektro-Gitarre wird die getragene Melodie mehr und mehr zu einem Stakkato und Knirschen und Krachen von Sturzkampffliegern. Bomben schlagen auf dem vietnamesischen Boden auf. Die Nationalhymne der Amerikaner wird zu einem jämmerlichen und bedrohlichen Brei, der am Boden ausglimmt. Jimi Hendrix lässt die Gitarre mit ihrer elenden Rückkopplung alleine. Seine Augen sagen: „Nun ist es passiert! Nun kann ich nicht mehr zurück! Möge mein Ende kommen. Es ist vollbracht!“
Es ist klar, dass Jimi Hendrix in Woodstock das Festival mit einem Sakrileg beendet hat. Eine schlimmere Provokation des aufgeblasenen US-Chauvinismus ist kaum noch vorstellbar. Das kann nur von John Lennon und Yoko Ono getoppt werden, die sich splitternackt fotografieren lassen oder im Bett eine Pressekonferenz geben. Jimi Hendrix wird ein Jahr nach seinem denkwürdigen Auftritt in Woodstock in einem Londoner Apartment von seiner Freundin Monika Dannemann bewusstlos aufgefunden. Im Krankenhaus stirbt Jimi Hendrix. Er stand auf der Liste der amerikanischen Bundespolizei FBI, da er an die Black Panther und verschiedene schwarze Bürgerrechtsaktivisten Geld gespendet hatte. Der Beruf des politisch bewussten Rockmusikers ist in jenen Zeiten gefährlicher als der Beruf des ABC-Tieftauchers. Jim Morrison, Janis Joplin, später auch John Lennon, sterben unter höchst dubiosen Umständen. Das macht klar, dass auch das legendäre Festival in Woodstock kein unpolitisches Hippie-Walla-Walla-Ereignis war, sondern ein Politikum, das vom politischen Establishment in den USA äußerst argwöhnisch beobachtet wurde.
Dennoch, oder gerade deswegen halten wir fest: Woodstock ist und bleibt der verdichtete Augenblick einer anderen, einer besseren Welt. Jener Welt, für die wir uns beschimpfen, diskriminieren und beleidigen lassen. Woodstock zeigt, dass es Menschen gibt, die sich nicht auf die Rolle der passiven Konsumenten oder Soldaten reduzieren lassen. Woodstock machte klar: wir sind nicht länger die „Idioten der Geschichte“, wie Rudi Dutschke es einmal ausdrückte. Woodstock ist das schillernde Symbol für die Liebe und die Demut, mit der wir unserer Mitwelt begegnen. Für die Erkenntnis, dass wir zusammen mehr erreichen können als isoliert und allein. Dass es Freude macht, sich zu gegenseitig zu stärken. Das Feuer der Freude leuchtet weiter.
Wir lernen aus der Geschichte, wie wir die Zukunft besser machen.
Fußnoten:
1. siehe dazu Hermann Ploppa: Hitlers amerikanische Lehrer – Die Eliten der USA als Geburtshelfer des Nationalsozialismus. S.34ff.
2. https://www.youtube.com/watch?v=0BCj8s04jKw
3. https://www.youtube.com/watch?v=NHugEELD8o8
4. https://www.youtube.com/watch?v=0qTKsylrpsg
5. https://www.youtube.com/watch?v=lsqfk-WtoIo
6. https://www.youtube.com/watch?v=lbbPRAMv01E&t=1626s
7. https://www.br.de/themen/wissen/wetter-meteorologie-rosenheimer-hagelabwehr100.html
8. https://usacontrol.wordpress.com/2012/07/20/wetter-als-waffe/
9. https://www.youtube.com/watch?v=R_raXzIRgsA
10. https://www.youtube.com/watch?v=JaaT_HRb4GU
11. Alex Constantine: The Covert War Against Rock: What You Don’t Know About the Deaths of Jim Morrison, Tupac Shakur, Michael Hutchence, Brian Jones, Jimi Hendrix, Phil Ochs, Bob Marley, Peter Tosh, John Lennon, and The Notorious B.I.G. Port Townsend/Washington 2000.
Erstveröffentlichung am 4. Juni 2023 bei apolut
Online-Flyer Nr. 813 vom 14.06.2023