SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Krieg und Frieden
Über den Versuch eines Volksbegehrens
Österreich 1969: Weg mit dem Bundesheer!
Von Heinrich Frei
Heute sollen Soldaten Disziplin, Ruhe, Ordnung und Gehorsam in die Schule bringen. Wie in der Dorfzeitung aus Salzburg zu lesen war, sollen in Österreich «neben den Quereinsteiger:innen aus diversen Berufen nun auch Soldat:innen den Personalmangel in den Schulen ausgleichen.» (1) Dr. Andrea Holz-Dahrenstaedt, Kinder- und Jugendanwältin des Landes Salzburg meinte dazu in einem offenen Brief an den «Sehr geehrten Herr Bildungsminister! Bei aller Wertschätzung für die Leistungen des Bundesheers und andere Berufsgruppen hat es den Anschein, als wären für den Lehrberuf keine speziellen Qualifikationen mehr notwendig.»
Make Austria a little greater again
Frau Dr. Andrea Holz-Dahrenstaedt schreibt in ihrem Brief an den Bildungsminister über eine weitere Absicht der Behörden: «Zur engeren Kooperation zwischen Bildungs- und Verteidigungsministerium werden nun zwei Bundesheer-Offiziere für die Schulbuchkommission abgestellt. Um das Thema Landesverteidigung in den heimischen Schulbüchern zu überprüfen und Schüler:innen verstärkt dafür zu sensibilisieren. Grund dafür ist die umfassende Landesverteidigung, die in den Lehrplänen steht». – Make Austria a little greater again.
Frau Holz-Dahrenstaedt ist sicher nicht der Meinung, dass es ein Glück ist, dass Österreich über Soldaten verfügt, die man in Schulen einsetzen kann, die dort wie in der Kaserne für Disziplin, Ruhe, Ordnung und Gehorsam sorgen.
Henri Rousseau (1844-1910): Der Krieg (Bild: gemeinfrei) - So sieht es heute schon in der Ukraine aus
1969: Volksbegehren zur Auflösung des österreichischen Bundesheeres
Es ist nicht selbstverständlich, dass Österreich heute noch Soldaten hat. Wilfried Daim (2) versuchte nämlich zusammen mit Günther Nenning (3) 1969, das österreichische Bundesheer mit einem Volksbegehren abzuschaffen: «Volksbegehren zur Auflösung des österreichischen Bundesheeres»
Zu einer Abstimmung über diese Armeeabschaffungsinitiative kam es jedoch nie. Die Initianten dieses Volksbegehrens, Nenning und Daim, waren damals der Meinung, «die strategische Lage Österreichs, seine ökonomische Potenz und die staatsvertraglichen Beschränkungen seiner Rüstung würden eine ernsthafte Verteidigung des Landes unmöglich machen. Der Rüstungswettlauf der Supermächte sei eine so ernste Gefährdung des Lebens auf unserem Planeten, dass kleine Staaten wenigstens durch dramatische Gesten einen Druck auf die großen Staaten zu ernstlichen Abrüstungsbemühungen ausüben sollten.
Die Not von Millionen Menschen stehe in himmelschreiendem Widerspruch zu den so genannten Verteidigungsbudgets. Die qualitativ neue Vernichtungskapazität der modernen Waffen fordere eine entscheidende Überprüfung der traditionellen Moralbegriffe hinsichtlich der «Gerechtigkeit» auch von Verteidigungskriegen. Auch in Österreich gebe es sehr viele soziale und kulturelle Aufgaben zu lösen, die sinnlose Budgetposten ebenso unverantwortlich erscheinen lassen wie die unnötige Herausnahme von tausenden jungen Leuten aus dem Produktionsprozess.»
Kopiert aus der Broschüre, Der überwundene Krieg in Europa, ermöglicht die Abschaffung der Armee in der Schweiz, Max Meier, 1988 (zum Vergrößern hier klicken)
Analyse eine Illusion, das österreichische Bundesheer
Günther Nenning und Wilfried Daim hatten sich dieses Volksbegehren zur Abschaffung des österreichischen Bundesheeres reiflich überlegt. Daim begründete die Initiative auch christlich. Nicht zufällig widmete er sein Buch, «Die Analyse einer Illusion», dem Andenken der heiligen Kriegsdienstverweigerer Martin von Tours und Franz Jägerstätter. Jägerstätter wurde während dem Zweiten Weltkrieg von den Nazis wie viele andere Kriegsdienstverweigerer ermordet.
Günther Nenning wie Wilfried Daim waren im Zweiten Weltkrieg Soldaten
Sowohl Nenning wie Daim wussten was Krieg bedeutete. Günther Nenning musste nach seiner Matura ab 1940 fünf Jahre Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht leisten. Er wurde am Schluss des Krieges von den amerikanischen Streitkräften gefangen genommen, aber bald wieder freigelassen. Wilfried Daim beteiligte sich von 1940 an in einer katholischen Jungendgruppe am Widerstand gegen die Nationalsozialisten, leistete aber dennoch in der Wehrmacht Kriegsdienst und wurde dreimal schwer verwundet.
Kernkraftwerk Zwentendorf in Österreich wurde nie in Betrieb genommen
Nenning beteiligte sich seinerzeit auch am Kampf gegen die Atomkraft, ein Kampf, der in Österreich erfolgreich verlief. Das fertig gebaute Kernkraftwerk Zwentendorf, das einzige AKW in Österreich, wurde nie in Betrieb genommen. Seine grünen Aktivitäten und ökologisch motivierte Kritik an sozialistischen Nationalratsabgeordneten führten 1985 zu einem Ausschluss aus der Sozialistischen Partei Österreichs. Nur einen Monat später trat Nenning der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz bei.
Volksinitiative zur Abschaffung der Schweizer Armee
1970 versuchte man auch in der Schweiz eine Volksinitiative zu lancieren zur Abschaffung der Schweizer Armee, inspiriert von dem Volksbegehren in Österreich. Die neue autonome Gruppe des Zürcher Manifestes formulierte im Frühling 1970 ein Volksbegehren «Zur Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht und zum Verbot der schweizerischen Waffenproduktion». In der «Kleinen österreichischen Soldaten Zeitung» im Magazin «Neues Forum» wurde anfangs September 1970 über diese Initiative aus der Schweiz informiert.
Zu einer Unterschriftensammlung zu dieser Volksinitiative gegen die Schweizer Armee kam es damals jedoch nicht. Erst 1986 reichte die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee i(GSoA) eine Initiative zur Abschaffung der Schweizer Armee ein. Am 26. November 1989 stimmten dann fast 36% der Stimmberechtigten für die Abschaffung der Schweizer Armee.
Fußnoten:
(1) Was Kinderrechte und Landesverteidigung miteinander zutun haben - Dorfzeitung - Kultur online
https://dorfzeitung.com/archive/108950
(2) Daim, Wilfried | Biographien im Austria-Forum
https://austria-forum.org/af/Biographien/Daim%2C_Wilfried
(3) Nenning, Günther | Biographien im Austria-Forum
https://austria-forum.org/af/Biographien/Nenning%2C_Günther
Online-Flyer Nr. 819 vom 20.09.2023
Über den Versuch eines Volksbegehrens
Österreich 1969: Weg mit dem Bundesheer!
Von Heinrich Frei
Heute sollen Soldaten Disziplin, Ruhe, Ordnung und Gehorsam in die Schule bringen. Wie in der Dorfzeitung aus Salzburg zu lesen war, sollen in Österreich «neben den Quereinsteiger:innen aus diversen Berufen nun auch Soldat:innen den Personalmangel in den Schulen ausgleichen.» (1) Dr. Andrea Holz-Dahrenstaedt, Kinder- und Jugendanwältin des Landes Salzburg meinte dazu in einem offenen Brief an den «Sehr geehrten Herr Bildungsminister! Bei aller Wertschätzung für die Leistungen des Bundesheers und andere Berufsgruppen hat es den Anschein, als wären für den Lehrberuf keine speziellen Qualifikationen mehr notwendig.»
Make Austria a little greater again
Frau Dr. Andrea Holz-Dahrenstaedt schreibt in ihrem Brief an den Bildungsminister über eine weitere Absicht der Behörden: «Zur engeren Kooperation zwischen Bildungs- und Verteidigungsministerium werden nun zwei Bundesheer-Offiziere für die Schulbuchkommission abgestellt. Um das Thema Landesverteidigung in den heimischen Schulbüchern zu überprüfen und Schüler:innen verstärkt dafür zu sensibilisieren. Grund dafür ist die umfassende Landesverteidigung, die in den Lehrplänen steht». – Make Austria a little greater again.
Frau Holz-Dahrenstaedt ist sicher nicht der Meinung, dass es ein Glück ist, dass Österreich über Soldaten verfügt, die man in Schulen einsetzen kann, die dort wie in der Kaserne für Disziplin, Ruhe, Ordnung und Gehorsam sorgen.
Henri Rousseau (1844-1910): Der Krieg (Bild: gemeinfrei) - So sieht es heute schon in der Ukraine aus
1969: Volksbegehren zur Auflösung des österreichischen Bundesheeres
Es ist nicht selbstverständlich, dass Österreich heute noch Soldaten hat. Wilfried Daim (2) versuchte nämlich zusammen mit Günther Nenning (3) 1969, das österreichische Bundesheer mit einem Volksbegehren abzuschaffen: «Volksbegehren zur Auflösung des österreichischen Bundesheeres»
Zu einer Abstimmung über diese Armeeabschaffungsinitiative kam es jedoch nie. Die Initianten dieses Volksbegehrens, Nenning und Daim, waren damals der Meinung, «die strategische Lage Österreichs, seine ökonomische Potenz und die staatsvertraglichen Beschränkungen seiner Rüstung würden eine ernsthafte Verteidigung des Landes unmöglich machen. Der Rüstungswettlauf der Supermächte sei eine so ernste Gefährdung des Lebens auf unserem Planeten, dass kleine Staaten wenigstens durch dramatische Gesten einen Druck auf die großen Staaten zu ernstlichen Abrüstungsbemühungen ausüben sollten.
Die Not von Millionen Menschen stehe in himmelschreiendem Widerspruch zu den so genannten Verteidigungsbudgets. Die qualitativ neue Vernichtungskapazität der modernen Waffen fordere eine entscheidende Überprüfung der traditionellen Moralbegriffe hinsichtlich der «Gerechtigkeit» auch von Verteidigungskriegen. Auch in Österreich gebe es sehr viele soziale und kulturelle Aufgaben zu lösen, die sinnlose Budgetposten ebenso unverantwortlich erscheinen lassen wie die unnötige Herausnahme von tausenden jungen Leuten aus dem Produktionsprozess.»
Kopiert aus der Broschüre, Der überwundene Krieg in Europa, ermöglicht die Abschaffung der Armee in der Schweiz, Max Meier, 1988 (zum Vergrößern hier klicken)
Analyse eine Illusion, das österreichische Bundesheer
Günther Nenning und Wilfried Daim hatten sich dieses Volksbegehren zur Abschaffung des österreichischen Bundesheeres reiflich überlegt. Daim begründete die Initiative auch christlich. Nicht zufällig widmete er sein Buch, «Die Analyse einer Illusion», dem Andenken der heiligen Kriegsdienstverweigerer Martin von Tours und Franz Jägerstätter. Jägerstätter wurde während dem Zweiten Weltkrieg von den Nazis wie viele andere Kriegsdienstverweigerer ermordet.
Günther Nenning wie Wilfried Daim waren im Zweiten Weltkrieg Soldaten
Sowohl Nenning wie Daim wussten was Krieg bedeutete. Günther Nenning musste nach seiner Matura ab 1940 fünf Jahre Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht leisten. Er wurde am Schluss des Krieges von den amerikanischen Streitkräften gefangen genommen, aber bald wieder freigelassen. Wilfried Daim beteiligte sich von 1940 an in einer katholischen Jungendgruppe am Widerstand gegen die Nationalsozialisten, leistete aber dennoch in der Wehrmacht Kriegsdienst und wurde dreimal schwer verwundet.
Kernkraftwerk Zwentendorf in Österreich wurde nie in Betrieb genommen
Nenning beteiligte sich seinerzeit auch am Kampf gegen die Atomkraft, ein Kampf, der in Österreich erfolgreich verlief. Das fertig gebaute Kernkraftwerk Zwentendorf, das einzige AKW in Österreich, wurde nie in Betrieb genommen. Seine grünen Aktivitäten und ökologisch motivierte Kritik an sozialistischen Nationalratsabgeordneten führten 1985 zu einem Ausschluss aus der Sozialistischen Partei Österreichs. Nur einen Monat später trat Nenning der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz bei.
Volksinitiative zur Abschaffung der Schweizer Armee
1970 versuchte man auch in der Schweiz eine Volksinitiative zu lancieren zur Abschaffung der Schweizer Armee, inspiriert von dem Volksbegehren in Österreich. Die neue autonome Gruppe des Zürcher Manifestes formulierte im Frühling 1970 ein Volksbegehren «Zur Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht und zum Verbot der schweizerischen Waffenproduktion». In der «Kleinen österreichischen Soldaten Zeitung» im Magazin «Neues Forum» wurde anfangs September 1970 über diese Initiative aus der Schweiz informiert.
Zu einer Unterschriftensammlung zu dieser Volksinitiative gegen die Schweizer Armee kam es damals jedoch nicht. Erst 1986 reichte die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee i(GSoA) eine Initiative zur Abschaffung der Schweizer Armee ein. Am 26. November 1989 stimmten dann fast 36% der Stimmberechtigten für die Abschaffung der Schweizer Armee.
Fußnoten:
(1) Was Kinderrechte und Landesverteidigung miteinander zutun haben - Dorfzeitung - Kultur online
https://dorfzeitung.com/archive/108950
(2) Daim, Wilfried | Biographien im Austria-Forum
https://austria-forum.org/af/Biographien/Daim%2C_Wilfried
(3) Nenning, Günther | Biographien im Austria-Forum
https://austria-forum.org/af/Biographien/Nenning%2C_Günther
Online-Flyer Nr. 819 vom 20.09.2023