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Kultur und Wissen
79 Jahre nach der Selbstbefreiung des Konzentrationslager Buchenwald
Der 14. April 2024: ein Tag des Erinnerns, Mahnens und Handelns
Von Brigitte Dornheim
Am 14. April 2024 fanden in Weimar am Buchenwaldplatz und in der Gedenkstätte Buchenwald anlässlich des 138. Geburtstages von Ernst Thälmann und des 79. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald Ehrungen statt. Vorbereitet wurden sie von Torsten Schöwitz, dem Vorsitzenden der KPD, von Heike Cienskowski, der Vorsitzenden des Deutschen Freidenkerverbandes Thüringen und von mir. Um 11 Uhr trafen sich Mitglieder der DKP Thüringen, der SDAJ Thüringen, der KPD, des Deutschen Freidenkerverbandes, der Kommunistischen Organisation (KO) und des Revolutionären Freundschaftsbundes (RFB) am Ernst-Thälmann-Denkmal in Weimar. Ich war geradezu gerührt von der großen Anzahl derer, die Teddy ehren wollten, wobei die Mitglieder der SDAJ die größte Gruppe stellte. Dies lässt auf eine fruchtbringende Zusammenarbeit in der Zukunft hoffen.
Der Jannik von der SDAJ eröffnete mit dem auf seiner Gitarre gespielten Lied der Thälmann-Kolonne die Gedenkveranstaltung. Zuerst hielt Torsten Schöwitz, Vorsitzender der KPD, am Denkmal, das schon mit vielen roten Nelken geschmückt war, eine Rede, in der er vor allem Ernst Thälmanns Bedeutung für die deutsche und internationale Arbeiterbewegung und dessen Kampf gegen Faschismus und Krieg würdigte. Ich möchte die Schlusspassage, welche die Aktualität dieses Kampfes wiedergibt, zitieren.
Danach ergriff Jannik das Wort. Auch er begründete die Aktualität des Kampfes der deutschen Kommunisten gegen Faschismus und Krieg in der Zeit der Weimarer Republik und würdigte die Standhaftigkeit Ernst Thälmanns in der Zeit der faschistischen Terrorherrschaft.
Alle Anwesenden waren sich einig in dem Wissen, dass die damalige Spaltung der deutschen Arbeiterklasse verhängnisvolle Folgen für Deutschland und ganz Europa hatte. Die Haltung der rechten Führer der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, die jegliche Zusammenarbeit mit der KPD ablehnten, machte es erst möglich, dass die politische Macht an die Hitlerfaschisten übertragen werden konnte.
Dieses uns einigende Wissen wurde deutlich bei dem Gedankenaustausch, den die Teilnehmer anschließend an die Gedenkveranstaltung vollzogen. Hier informierte ich auch über die Vorbereitungen für den 80. Jahrestag der Ermordung Ernst Thälmanns am 18. August dieses Jahres.
Am Vortag jener Veranstaltung hatten sich acht Vertreter der genannten Parteien und Organisationen getroffen, um über die von mir vorgelegte Konzeption zur antifaschistischen Gedenkarbeit Thüringer Kommunisten zu diskutieren. Grundlage dieser Konzeption waren Lebensbilder von Kommunisten, deren Weg sie in den zwanziger, dreißiger oder vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts auch nach Thüringen führte sowie von sowjetischen Kriegsgefangenen in Thüringer Stammlagern. Diese Lebensbilder wurden von Peter Franz und Udo Wohlfeld im Rahmen ihrer Tätigkeit im Prager-Haus-Verein Apolda erstellt. Peter Franz konnten wir bei unserer Besprechung begrüßen, die der erste Schritt zur Verwirklichung des Konzeptes gewesen sein soll.
Um 15 Uhr begann die offizielle Veranstaltung des IKBD, des Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos. Nachdem die Ehrengäste aus der Thüringer Politik, von Bodo Ramelow bis Katrin Göring-Eckart, sowie die noch lebenden ehemalige Häftlinge begrüßt worden waren, sprachen der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora Professor Christian Wagner, sowie ein Überlebender aus Israel, der als Kind die Qualen eines Buchenwaldhäftlings ertragen musste. Professor Wagner warnte vor den nationalsozialistischen Bestrebungen der Thüringer AfD und verglich diese mit der Entwicklung im so genannten Mustergau Thüringen der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Sowohl er, als auch der Gast aus Israel widmeten den größten Teil ihrer Rede dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dessen Folgen. Sie sprachen ausführlich über das Schicksal der israelischen Geiseln, zu denen auch Angehörige des israelischen Überlebenden gehörten und warnten vor dem zunehmenden Antisemitismus nicht nur in Deutschland. Nur am Rande erwähnten sie, dass auch unter den palästinensischen Zivilisten Opfer zu beklagen seien. Der Stiftungsdirektor unterließ es auch nicht, wie in den Vorjahren, zu begründen, warum die offiziellen Vertreter der Russischen Föderation und Belorusslands in der Gedenkstätte unerwünscht seien. Er erläuterte das zentrale Thema der Stiftung im Jahr 2024, 79 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald - die Zwangsarbeit der Buchenwaldhäftlinge.
Kein Wort über die historisch einmalige, mutige Tat der Selbstbefreiung der Häftlinge, geführt vom Illegalen Lagerkomitee, ohne die 12.000 Häftlinge nicht überlebt hätten! Kein Wort über diese kommunistische Untergrundbewegung im Lager, über deren Mitgliedern, denen auch die Rettung der mehr als 900 Kinder, darunter das Buchenwaldkind Stefan Jerzy Zweig, zu verdanken war. Keine Würdigung des im Februar 2024 verstorbenen Stefan Jerzy Zweig, der seine Biographie „Tränen allein genügen nicht“ nannte.
Nach diesen beiden Reden berichteten Schüler einer Klasse aus Wuppertal sehr emotional von ihrem Projekt, das sich mit dem Leben von Zwangsarbeiterinnen eines Buchenwald- Außenkommandos in ihrer Heimatstadt beschäftigt. Sie leisten damit einen Beitrag zur Erschließung des diesjährigen zentralen Buchenwald-Themas.
Sehr beeindruckend war auch eine Sintiza, die in deutscher Sprache und in Romenes, der Sprache der Sinti, aus dem Tagebuch einer von den Nazis verfolgten und zur Zwangsarbeit getriebenen Frau aus der nationalen Minderheit der deutschen Sinti und Roma las.
Die meisten von uns verließen vorzeitig den Platz, um im Hof des Krematoriums an der Gedenktafel für Ernst Thälmann, der hier am 18. August 1944 heimtückisch ermordet wurde, Blumen niederzulegen und seiner zu gedenken. Ich stelle fast immer mit Erstaunen fest, dass diese zu der Zeit angebrachte Tafel, als die gesamte Nationale Mahn- und Gedenkstätte von dem zutiefst antifaschistischen 1. Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden angelegt wurde, noch nicht der antikommunistischen Bilderstürmerei zum Opfer gefallen ist.
Nach dem aus einem kleinen Lautsprecher tönenden Thälmann-Lied „Heimatland reck deine Glieder“ und dem Erich-Weinert-Gedicht von 1934 „Dem Genossen Thälmann hoch die Faust“ erzählte ich eine kleine Geschichte zum Namen Ernst Thälmann.
Sowjetische T34-Panzer hielten im Frühjahr 1945 am Rande eines kleinen deutschen Dorfes und fragten einen etwa zehnjährigen Jungen nach dem Weg in Richtung Bautzen. Der Panzerschütze Sascha, wollte einer derjenigen sein, die Ernst Thälmann aus dem Zuchthaus Bautzen befreien sollten, ohne zu wissen, dass Teddy schon Monate vorher in Buchenwald erschossen worden war. Nachdem der Junge in die richtige Richtung gewiesen hatte, wurde er von Sascha nach seinem Namen gefragt. Ernst, antwortete dieser. „Aha, wie Ernst Thälmann“, so Sascha. Die Junge guckte ungläubig und fragte, wer dies sei. Die Panzerfahrer konnten zuerst nicht begreifen, dass ein deutsches Kind diesen Namen nicht kannte. Diese Geschichte wurde von der DDR-Schriftstellerin Gisela Karau aufgeschrieben.
Anschließend erzählte ich von Lotta, einem Mädchen, ungefähr so alt wie Ernst, aus meiner Heimatstadt Sonneberg. Sie sah auf meinem Schreibtisch das Buch „Erinnerungen an Ernst Thälmann“ von Irma Thälmann liegen und fragte, ob sie dieses einmal lesen dürfte. Erstaunt sagte ich zu. Als sie es mir wieder brachte, sagte sie, dass es ihr und auch ihrer Mama gefallen habe. Mein Gedanke: So kennt zumindest ein Kind in Sonneberg den Namen Ernst Thälmann und wird ihn bestimmt nicht vergessen.
Anschließend ergriff Heike Cienskowski das Wort. Sie las aus einem Buch der VVN von 1949 mit Briefen von zum Tode verurteilter Antifaschisten aus dem Kerker vor ihrer Hinrichtung. Danach sprach sie darüber, was uns Ernst Thälmann für unseren heutigen Kampf gegen die faschistische Gefahr und den imperialistischen Krieg, für Frieden und Sozialismus mit auf den Weg geben würde. Unter den Klängen von Schostakowitschs „Unsterbliche Opfer“ legten wir auch hier Blumen nieder.
Buchenwald (Foto: arbeiterfotografie.com)
Erklärung zur Selbstbefreiung der Buchenwaldhäftlinge
Buchenwald war das einzige deutsche Konzentrationslager, dessen Insassen sich selbst befreiten, als die Stunde dieser geschichtlich bedeutsamen Tat gekommen war!
Die Selbstbefreiung der Buchenwaldhäftlinge ist durch eine ganze Reihe von Dokumenten belegt. Die wichtigste Dokumentation unter dem Titel „Buchenwald – ein Konzentrationslager“ wurde von den ehemaligen Häftlingen Emil Carlebach, Willy Schmidt, Paul Grünewald, Hellmut Röder und Walter Vielhauer zusammengestellt.
Das Kapitel „Die Selbstbefreiung“ belegt, dass diese Selbstbefreiung mit passivem Widerstand und so mit einer Kampfansage des ILK, des Illegalen Lagerkomitees an die schwerbewaffnete SS begann.
Dieser passive Widerstand begann am 4. April 1945, als in einer organisierten Aktion die jüdischen Häftlinge, von denen sich rund 6000 im Lager befanden, versteckt wurden. Die Lagerführung hatte jene Häftlinge auf den Appellplatz befohlen, um sie von dort aus zu evakuieren und damit dem sichern Tod auszuliefern. Der damalige Lagerälteste, der Trierer Kommunist Hans Eiden, der 1946 seine Erfahrungen in dem Buch „Eh‘ die Sonne lacht“ niederschrieb, hatte in dieser Situation gesagt „Wir liefern die Juden nicht der SS ans Messer, sie treten nicht an.“ An jenem Tag war von Erfurt her schon der Kanonendonner der US-Armee zu hören und die SS demzufolge sehr nervös geworden und unsicher, wie sie den Befehl Himmlers, die Häftlinge zu evakuieren, zu liquidieren umsetzen sollten. Der Blockälteste eines so genannten Judenblocks, der Kommunist Emil Carlebach, hatte die Häftlinge seines Blocks aufgefordert, die Judensterne von den Zebra-Jacken zu reißen und damit passive Widerstandsaktionen eingeleitet, welche letztendlich über 4000 jüdischen Kameraden das Leben rettete.
Aus der Kampfansage an die SS wurde am 6. April 1945 eine offene Kriegserklärung an die SS-Bewacher, deren Zahl in jenen Apriltagen von ca. 2000 Mann auf ca. 3000 erhöht worden war.
Die SS-Lagerführung verlangte, dass 46 politische Häftlinge, von denen sie glaubte, sie seien der politische Kopf des Widerstandes im Lager, am Lagertor antreten sollten, um sie zu liquidieren. Die 46 waren von einem Gestapo-Agenten denunziert worden. Das Internationale Lagerkomitee, das ILK, an dessen Spitze der deutsche Kommunist Walter Bartel stand, beschloss: „Die aufgerufenen Häftlinge stehen unter dem Schutz des ILK und werden im Lager versteckt!“ Auch diese Aktion war erfolgreich.
In den folgenden Tagen gelang es, durch die vielseitige solidarische Hilfe der Häftlinge und die Wirksamkeit der illegalen antifaschistischen Organisation mit dem ILK an der Spitze erneute Evakuierungen zu verhindern und damit weiteren Häftlingen das Leben zu retten.
Am 11. April 1945 war vom Lager aus die Annäherung der amerikanischen Panzerspitzen deutlich wahrnehmbar. Auf Weisung des ILK erteilte der Leiter der IMO, der Internationalen Militärorganisation den Befehl zum Angriff auf die SS. Blitzartig stießen daraufhin die 4 gebildeten Kampfgruppen gegen die Türme und die gesamte Lagerumzäunung vor. Die Postentürme wurden besetzt. Mit den dort erbeuteten Waffen wurde das vorher, in einem langen Zeitraum angelegte Waffenarsenal der IMO erweitert. Die sonst so schießwütigen SS-Schergen setzten angesichts des wuchtig und organisiert geführten Angriffs den Kampfgruppen der Häftlinge wenig Widerstand entgegen. Insgesamt wurden 220 SS-Leute gefangengenommen und später den US-Amerikanern übergeben. Ein Teil der SS-Bewacher war im Kampf gefallen, die große Mehrzahl, darunter die Lagerführung hatte die Flucht ergriffen. Um 15.15 Uhr flatterte die weiße Fahne auf dem Turm 1 von Buchenwald. Der Lagerälteste Hans Eiden sagte durchs Mikrofon: „Kameraden, die Faschisten sind geflohen. Das Internationale Lagerkomitee hat die Macht übernommen. Wir fordern Euch auf, Ruhe und Ordnung zu bewahren.“
Die Gewalt der SS war im Konzentrationslager Buchenwald durch die mutige Tat antifaschistischer Kämpfer aller Nationalitäten gebrochen. Die 21000 Lagerinsassen waren gerettet, waren frei.
In der Nacht zum 12. April 1945 erschien ein US-amerikanischer Offizier einer Panzerspitze im Lager. Er begab sich zur Leitung der Kampforganisation, informierte über die Lage an der Front und legte zusammen mit dem ILK eine Sicherungslinie von 2 km im Umkreis des Lagers fest. Die US-Armee traf erst am 13. April 1945 im befreiten Lager Buchenwald ein. Ein amerikanischer Leutnant sagte: „Ich begrüße Euch, beglückwünsche Euch zu Eurer Befreiung. Ihr habt mit Eurer Leistung unseren Kampf unterstützt und bildet einen starken Stützpunkt unserer gemeinsamen Sache: ich hoffe, dass Ihr bald nach Hause zurückkehren könnt.“
Dieser US-amerikanische Offizier erkannte die außerordentliche Leistung der antifaschistischen Kämpfer von Buchenwald an, die Leistung der Selbstbefreiung.
Wie sieht es mit der heutigen Anerkennung dieser Leistung aus, mit der Anerkennung im wiedervereinigten Deutschland, das ja von vielen Menschen auch heute noch als das „Land der Täter“ gesehen wird?
Bei der offiziellen Gedenkfeier zum 79. Jahrestag der Befreiung Buchenwalds hörte man kein Wort von dieser historisch einmaligen mutigen Tat der Selbstbefreiung. Kein Wort über die oben beschriebenen Ereignisse zwischen dem 6. und dem 13. April 1945, weder vom Leiter der Gedenkstätte noch von einem Überlebenden aus Israel. Stattdessen ein politischer Rundumschlag gegen die „Bösen“ in der heutigen Welt, gegen die Russen und Belorussen, gegen die Antisemiten der palästinensischen Hamas und des iranischen Regimes.
Auch beim Bericht des MDR über den 79. Jahrestag und in einem Artikel des Südthüringer „Freien Wort“ kein Wort über die bis ins Kleinste dokumentierte heldenhafte Tat der Selbstbefreiung und damit der Rettung von 21.000 Buchenwaldhäftlingen.
Wir protestieren gegen diese Revision der Geschichte!
Wer die Wahrheit nicht weiß,
der ist bloß ein Dummkopf.
Aber wer sie weiß
und sie eine Lüge nennt,
der ist ein Verbrecher.
Bertolt Brecht
Online-Flyer Nr. 830 vom 11.05.2024
79 Jahre nach der Selbstbefreiung des Konzentrationslager Buchenwald
Der 14. April 2024: ein Tag des Erinnerns, Mahnens und Handelns
Von Brigitte Dornheim
Am 14. April 2024 fanden in Weimar am Buchenwaldplatz und in der Gedenkstätte Buchenwald anlässlich des 138. Geburtstages von Ernst Thälmann und des 79. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald Ehrungen statt. Vorbereitet wurden sie von Torsten Schöwitz, dem Vorsitzenden der KPD, von Heike Cienskowski, der Vorsitzenden des Deutschen Freidenkerverbandes Thüringen und von mir. Um 11 Uhr trafen sich Mitglieder der DKP Thüringen, der SDAJ Thüringen, der KPD, des Deutschen Freidenkerverbandes, der Kommunistischen Organisation (KO) und des Revolutionären Freundschaftsbundes (RFB) am Ernst-Thälmann-Denkmal in Weimar. Ich war geradezu gerührt von der großen Anzahl derer, die Teddy ehren wollten, wobei die Mitglieder der SDAJ die größte Gruppe stellte. Dies lässt auf eine fruchtbringende Zusammenarbeit in der Zukunft hoffen.
Der Jannik von der SDAJ eröffnete mit dem auf seiner Gitarre gespielten Lied der Thälmann-Kolonne die Gedenkveranstaltung. Zuerst hielt Torsten Schöwitz, Vorsitzender der KPD, am Denkmal, das schon mit vielen roten Nelken geschmückt war, eine Rede, in der er vor allem Ernst Thälmanns Bedeutung für die deutsche und internationale Arbeiterbewegung und dessen Kampf gegen Faschismus und Krieg würdigte. Ich möchte die Schlusspassage, welche die Aktualität dieses Kampfes wiedergibt, zitieren.
- Wir stehen hier heute gemeinsam für die Sache Ernst Thälmanns und das ist die Sache des Friedens und der Freundschaft mit allen friedliebenden Völkern.
Die Lehre aus dem Kampf des Vorsitzenden der KPD Ernst Thälmanns sowie der deutschen und der internationalen Arbeiterbewegung für die gerechteste Sache der Welt ist für die KPD auch heute Grundsatz. Es ist die Einheit der Arbeiterklasse. Nur so kann diese Welt vor der Barbarei gerettet werden. Dazu bedarf es aber der Einheit ihrer revolutionären Vorhut. Das heißt, die Einheit der Kommunisten in einer Partei auf der Grundlage der von Marx, Engels und Lenin begründeten wissenschaftlichen Weltanschauung. Deswegen sagen wir, Ernst Thälmann war unter uns, als in der Deutschen Demokratischen Republik das erste Mal in der Geschichte der deutschen revolutionären Arbeiterbewegung die sozialistische Alternative auf deutschen Boden Wirklichkeit wurde. Dies war nur auf der Grundlage einer geeinten Arbeiterklasse mit ihrer Partei möglich.
Deswegen wissen wir, Ernst Thälmann wird unter uns sein, wenn wir mithelfen, in seinem Geiste die Kommunisten in einer geeinten kommunistischen Partei zusammenzuführen. Unser Angebot steht. Einen Finger kann man brechen, eine Faust nicht! Deswegen sage ich abschließend im Geiste Ernst Thälmanns gegen Imperialismus und Krieg, für Frieden, Völkerfreundschaft und Sozialismus Rot Front.
Danach ergriff Jannik das Wort. Auch er begründete die Aktualität des Kampfes der deutschen Kommunisten gegen Faschismus und Krieg in der Zeit der Weimarer Republik und würdigte die Standhaftigkeit Ernst Thälmanns in der Zeit der faschistischen Terrorherrschaft.
Alle Anwesenden waren sich einig in dem Wissen, dass die damalige Spaltung der deutschen Arbeiterklasse verhängnisvolle Folgen für Deutschland und ganz Europa hatte. Die Haltung der rechten Führer der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, die jegliche Zusammenarbeit mit der KPD ablehnten, machte es erst möglich, dass die politische Macht an die Hitlerfaschisten übertragen werden konnte.
Dieses uns einigende Wissen wurde deutlich bei dem Gedankenaustausch, den die Teilnehmer anschließend an die Gedenkveranstaltung vollzogen. Hier informierte ich auch über die Vorbereitungen für den 80. Jahrestag der Ermordung Ernst Thälmanns am 18. August dieses Jahres.
Am Vortag jener Veranstaltung hatten sich acht Vertreter der genannten Parteien und Organisationen getroffen, um über die von mir vorgelegte Konzeption zur antifaschistischen Gedenkarbeit Thüringer Kommunisten zu diskutieren. Grundlage dieser Konzeption waren Lebensbilder von Kommunisten, deren Weg sie in den zwanziger, dreißiger oder vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts auch nach Thüringen führte sowie von sowjetischen Kriegsgefangenen in Thüringer Stammlagern. Diese Lebensbilder wurden von Peter Franz und Udo Wohlfeld im Rahmen ihrer Tätigkeit im Prager-Haus-Verein Apolda erstellt. Peter Franz konnten wir bei unserer Besprechung begrüßen, die der erste Schritt zur Verwirklichung des Konzeptes gewesen sein soll.
Um 15 Uhr begann die offizielle Veranstaltung des IKBD, des Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos. Nachdem die Ehrengäste aus der Thüringer Politik, von Bodo Ramelow bis Katrin Göring-Eckart, sowie die noch lebenden ehemalige Häftlinge begrüßt worden waren, sprachen der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora Professor Christian Wagner, sowie ein Überlebender aus Israel, der als Kind die Qualen eines Buchenwaldhäftlings ertragen musste. Professor Wagner warnte vor den nationalsozialistischen Bestrebungen der Thüringer AfD und verglich diese mit der Entwicklung im so genannten Mustergau Thüringen der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Sowohl er, als auch der Gast aus Israel widmeten den größten Teil ihrer Rede dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dessen Folgen. Sie sprachen ausführlich über das Schicksal der israelischen Geiseln, zu denen auch Angehörige des israelischen Überlebenden gehörten und warnten vor dem zunehmenden Antisemitismus nicht nur in Deutschland. Nur am Rande erwähnten sie, dass auch unter den palästinensischen Zivilisten Opfer zu beklagen seien. Der Stiftungsdirektor unterließ es auch nicht, wie in den Vorjahren, zu begründen, warum die offiziellen Vertreter der Russischen Föderation und Belorusslands in der Gedenkstätte unerwünscht seien. Er erläuterte das zentrale Thema der Stiftung im Jahr 2024, 79 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald - die Zwangsarbeit der Buchenwaldhäftlinge.
Kein Wort über die historisch einmalige, mutige Tat der Selbstbefreiung der Häftlinge, geführt vom Illegalen Lagerkomitee, ohne die 12.000 Häftlinge nicht überlebt hätten! Kein Wort über diese kommunistische Untergrundbewegung im Lager, über deren Mitgliedern, denen auch die Rettung der mehr als 900 Kinder, darunter das Buchenwaldkind Stefan Jerzy Zweig, zu verdanken war. Keine Würdigung des im Februar 2024 verstorbenen Stefan Jerzy Zweig, der seine Biographie „Tränen allein genügen nicht“ nannte.
Nach diesen beiden Reden berichteten Schüler einer Klasse aus Wuppertal sehr emotional von ihrem Projekt, das sich mit dem Leben von Zwangsarbeiterinnen eines Buchenwald- Außenkommandos in ihrer Heimatstadt beschäftigt. Sie leisten damit einen Beitrag zur Erschließung des diesjährigen zentralen Buchenwald-Themas.
Sehr beeindruckend war auch eine Sintiza, die in deutscher Sprache und in Romenes, der Sprache der Sinti, aus dem Tagebuch einer von den Nazis verfolgten und zur Zwangsarbeit getriebenen Frau aus der nationalen Minderheit der deutschen Sinti und Roma las.
Die meisten von uns verließen vorzeitig den Platz, um im Hof des Krematoriums an der Gedenktafel für Ernst Thälmann, der hier am 18. August 1944 heimtückisch ermordet wurde, Blumen niederzulegen und seiner zu gedenken. Ich stelle fast immer mit Erstaunen fest, dass diese zu der Zeit angebrachte Tafel, als die gesamte Nationale Mahn- und Gedenkstätte von dem zutiefst antifaschistischen 1. Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden angelegt wurde, noch nicht der antikommunistischen Bilderstürmerei zum Opfer gefallen ist.
Nach dem aus einem kleinen Lautsprecher tönenden Thälmann-Lied „Heimatland reck deine Glieder“ und dem Erich-Weinert-Gedicht von 1934 „Dem Genossen Thälmann hoch die Faust“ erzählte ich eine kleine Geschichte zum Namen Ernst Thälmann.
Sowjetische T34-Panzer hielten im Frühjahr 1945 am Rande eines kleinen deutschen Dorfes und fragten einen etwa zehnjährigen Jungen nach dem Weg in Richtung Bautzen. Der Panzerschütze Sascha, wollte einer derjenigen sein, die Ernst Thälmann aus dem Zuchthaus Bautzen befreien sollten, ohne zu wissen, dass Teddy schon Monate vorher in Buchenwald erschossen worden war. Nachdem der Junge in die richtige Richtung gewiesen hatte, wurde er von Sascha nach seinem Namen gefragt. Ernst, antwortete dieser. „Aha, wie Ernst Thälmann“, so Sascha. Die Junge guckte ungläubig und fragte, wer dies sei. Die Panzerfahrer konnten zuerst nicht begreifen, dass ein deutsches Kind diesen Namen nicht kannte. Diese Geschichte wurde von der DDR-Schriftstellerin Gisela Karau aufgeschrieben.
Anschließend erzählte ich von Lotta, einem Mädchen, ungefähr so alt wie Ernst, aus meiner Heimatstadt Sonneberg. Sie sah auf meinem Schreibtisch das Buch „Erinnerungen an Ernst Thälmann“ von Irma Thälmann liegen und fragte, ob sie dieses einmal lesen dürfte. Erstaunt sagte ich zu. Als sie es mir wieder brachte, sagte sie, dass es ihr und auch ihrer Mama gefallen habe. Mein Gedanke: So kennt zumindest ein Kind in Sonneberg den Namen Ernst Thälmann und wird ihn bestimmt nicht vergessen.
Anschließend ergriff Heike Cienskowski das Wort. Sie las aus einem Buch der VVN von 1949 mit Briefen von zum Tode verurteilter Antifaschisten aus dem Kerker vor ihrer Hinrichtung. Danach sprach sie darüber, was uns Ernst Thälmann für unseren heutigen Kampf gegen die faschistische Gefahr und den imperialistischen Krieg, für Frieden und Sozialismus mit auf den Weg geben würde. Unter den Klängen von Schostakowitschs „Unsterbliche Opfer“ legten wir auch hier Blumen nieder.
Buchenwald (Foto: arbeiterfotografie.com)
Erklärung zur Selbstbefreiung der Buchenwaldhäftlinge
Buchenwald war das einzige deutsche Konzentrationslager, dessen Insassen sich selbst befreiten, als die Stunde dieser geschichtlich bedeutsamen Tat gekommen war!
Die Selbstbefreiung der Buchenwaldhäftlinge ist durch eine ganze Reihe von Dokumenten belegt. Die wichtigste Dokumentation unter dem Titel „Buchenwald – ein Konzentrationslager“ wurde von den ehemaligen Häftlingen Emil Carlebach, Willy Schmidt, Paul Grünewald, Hellmut Röder und Walter Vielhauer zusammengestellt.
Das Kapitel „Die Selbstbefreiung“ belegt, dass diese Selbstbefreiung mit passivem Widerstand und so mit einer Kampfansage des ILK, des Illegalen Lagerkomitees an die schwerbewaffnete SS begann.
Dieser passive Widerstand begann am 4. April 1945, als in einer organisierten Aktion die jüdischen Häftlinge, von denen sich rund 6000 im Lager befanden, versteckt wurden. Die Lagerführung hatte jene Häftlinge auf den Appellplatz befohlen, um sie von dort aus zu evakuieren und damit dem sichern Tod auszuliefern. Der damalige Lagerälteste, der Trierer Kommunist Hans Eiden, der 1946 seine Erfahrungen in dem Buch „Eh‘ die Sonne lacht“ niederschrieb, hatte in dieser Situation gesagt „Wir liefern die Juden nicht der SS ans Messer, sie treten nicht an.“ An jenem Tag war von Erfurt her schon der Kanonendonner der US-Armee zu hören und die SS demzufolge sehr nervös geworden und unsicher, wie sie den Befehl Himmlers, die Häftlinge zu evakuieren, zu liquidieren umsetzen sollten. Der Blockälteste eines so genannten Judenblocks, der Kommunist Emil Carlebach, hatte die Häftlinge seines Blocks aufgefordert, die Judensterne von den Zebra-Jacken zu reißen und damit passive Widerstandsaktionen eingeleitet, welche letztendlich über 4000 jüdischen Kameraden das Leben rettete.
Aus der Kampfansage an die SS wurde am 6. April 1945 eine offene Kriegserklärung an die SS-Bewacher, deren Zahl in jenen Apriltagen von ca. 2000 Mann auf ca. 3000 erhöht worden war.
Die SS-Lagerführung verlangte, dass 46 politische Häftlinge, von denen sie glaubte, sie seien der politische Kopf des Widerstandes im Lager, am Lagertor antreten sollten, um sie zu liquidieren. Die 46 waren von einem Gestapo-Agenten denunziert worden. Das Internationale Lagerkomitee, das ILK, an dessen Spitze der deutsche Kommunist Walter Bartel stand, beschloss: „Die aufgerufenen Häftlinge stehen unter dem Schutz des ILK und werden im Lager versteckt!“ Auch diese Aktion war erfolgreich.
In den folgenden Tagen gelang es, durch die vielseitige solidarische Hilfe der Häftlinge und die Wirksamkeit der illegalen antifaschistischen Organisation mit dem ILK an der Spitze erneute Evakuierungen zu verhindern und damit weiteren Häftlingen das Leben zu retten.
Am 11. April 1945 war vom Lager aus die Annäherung der amerikanischen Panzerspitzen deutlich wahrnehmbar. Auf Weisung des ILK erteilte der Leiter der IMO, der Internationalen Militärorganisation den Befehl zum Angriff auf die SS. Blitzartig stießen daraufhin die 4 gebildeten Kampfgruppen gegen die Türme und die gesamte Lagerumzäunung vor. Die Postentürme wurden besetzt. Mit den dort erbeuteten Waffen wurde das vorher, in einem langen Zeitraum angelegte Waffenarsenal der IMO erweitert. Die sonst so schießwütigen SS-Schergen setzten angesichts des wuchtig und organisiert geführten Angriffs den Kampfgruppen der Häftlinge wenig Widerstand entgegen. Insgesamt wurden 220 SS-Leute gefangengenommen und später den US-Amerikanern übergeben. Ein Teil der SS-Bewacher war im Kampf gefallen, die große Mehrzahl, darunter die Lagerführung hatte die Flucht ergriffen. Um 15.15 Uhr flatterte die weiße Fahne auf dem Turm 1 von Buchenwald. Der Lagerälteste Hans Eiden sagte durchs Mikrofon: „Kameraden, die Faschisten sind geflohen. Das Internationale Lagerkomitee hat die Macht übernommen. Wir fordern Euch auf, Ruhe und Ordnung zu bewahren.“
Die Gewalt der SS war im Konzentrationslager Buchenwald durch die mutige Tat antifaschistischer Kämpfer aller Nationalitäten gebrochen. Die 21000 Lagerinsassen waren gerettet, waren frei.
In der Nacht zum 12. April 1945 erschien ein US-amerikanischer Offizier einer Panzerspitze im Lager. Er begab sich zur Leitung der Kampforganisation, informierte über die Lage an der Front und legte zusammen mit dem ILK eine Sicherungslinie von 2 km im Umkreis des Lagers fest. Die US-Armee traf erst am 13. April 1945 im befreiten Lager Buchenwald ein. Ein amerikanischer Leutnant sagte: „Ich begrüße Euch, beglückwünsche Euch zu Eurer Befreiung. Ihr habt mit Eurer Leistung unseren Kampf unterstützt und bildet einen starken Stützpunkt unserer gemeinsamen Sache: ich hoffe, dass Ihr bald nach Hause zurückkehren könnt.“
Dieser US-amerikanische Offizier erkannte die außerordentliche Leistung der antifaschistischen Kämpfer von Buchenwald an, die Leistung der Selbstbefreiung.
Wie sieht es mit der heutigen Anerkennung dieser Leistung aus, mit der Anerkennung im wiedervereinigten Deutschland, das ja von vielen Menschen auch heute noch als das „Land der Täter“ gesehen wird?
Bei der offiziellen Gedenkfeier zum 79. Jahrestag der Befreiung Buchenwalds hörte man kein Wort von dieser historisch einmaligen mutigen Tat der Selbstbefreiung. Kein Wort über die oben beschriebenen Ereignisse zwischen dem 6. und dem 13. April 1945, weder vom Leiter der Gedenkstätte noch von einem Überlebenden aus Israel. Stattdessen ein politischer Rundumschlag gegen die „Bösen“ in der heutigen Welt, gegen die Russen und Belorussen, gegen die Antisemiten der palästinensischen Hamas und des iranischen Regimes.
Auch beim Bericht des MDR über den 79. Jahrestag und in einem Artikel des Südthüringer „Freien Wort“ kein Wort über die bis ins Kleinste dokumentierte heldenhafte Tat der Selbstbefreiung und damit der Rettung von 21.000 Buchenwaldhäftlingen.
Wir protestieren gegen diese Revision der Geschichte!
Wer die Wahrheit nicht weiß,
der ist bloß ein Dummkopf.
Aber wer sie weiß
und sie eine Lüge nennt,
der ist ein Verbrecher.
Bertolt Brecht
Online-Flyer Nr. 830 vom 11.05.2024