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Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

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Aktuelles
Nachruf für Wolfgang Jung (27.01.1938 - 21.06.2024)
"NATO raus und raus aus der NATO" zum einigenden Band machen!
Von Klaus Hartmann

Mit Wolfgang verliert die Friedensbewegung einen unermüdlichen Kämpfer gegen den Krieg und insbesondere gegen Deutschlands „Kriegsdrehscheibe“, die US-Air Base Ramstein nahe Kaiserslautern in der Pfalz. Ihn „Urgestein der Friedensbewegung“ zu nennen, ist zwar nicht falsch, aber es erfasst sein spezielles Engagement ungenügend – Wolfgang war in erster Linie Friedensforscher, Aufklärer und Mahner. Von seinen zahlreichen Aktivitäten zur Bewahrung des Friedens ist an erster Stelle die gemeinsam mit seiner Ehefrau Fee Strieffler herausgegebene Internetzeitung „Die LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern /Ramstein“ zu nennen. Sie erschien von November 2004 bis April 2021 mit 3.185 Ausgaben und fand viele Tausend Leser im In- und Ausland. Grundlage der faktenbasierten Informationen waren zumeist die von Wolfgang Jung übersetzten, öffentlich zugänglichen offiziellen Mitteilungen aus US-Regierungs- und Militär-Quellen sowie Artikel von US-Autoren.


Wolfgang Jung

Die „Luftpost“ bleibt auch in Zukunft eine Fundgrube für alle friedenspolitisch interessierten Menschen, denn Fee und Wolfgang haben darin alle erreichbaren militärstrategischen, geopolitischen und waffentechnischen Informationen aus Strategiepapieren sowie in- und ausländischen Zeitungen akribisch ausgewertet, analysiert und orientierungsgebend eingeschätzt. Diese Arbeit bleibt ein Vermächtnis für die Friedensbewegung, die gut beraten wäre, sich diese Kenntnisse und Orientierungen anzueignen.

Wolfgang Jung wurde als Sohn einer Arbeiterfamilie in Miesenbach geboren, das heute Ortsteil von Ramstein-Miesenbach ist. Als Kind erlebte er die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, Bombenabwürfe und Zerstörungen, den Verlust von Spielkameraden, den Tod von Vater und Verwandten. Diese traumatischen Erlebnisse prägten ihn und bestimmten sein unbedingtes Eintreten für Frieden und Völkerverständigung.

Nach Abitur und Lehrerausbildung unterrichtete Wolfgang von 1960 bis 1999 an verschiedenen pfälzischen Schulen und wurde von Schülern und Kollegen geschätzt. Er erklärte den jungen Menschen, dass Kriege nur Tod und Zerstörung bringen. Ehrenamtlich engagierte er sich über Jahrzehnte in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, in der Arbeitsloseninitiative, in lokalpolitischen Initiativen, gegen die aufkommenden Berufsverbote und in Friedensinitiativen.

Seit Anfang der 1960er Jahre trug Wolfgang Berichte über US-Basen in Rheinland-Pfalz zusammen und war selbst erstaunt über die Vielzahl hochkarätiger US-Militäreinrichtungen, die sich allein in der Region Kaiserslautern/Ramstein befanden, z.B. die Kommandozentralen der USA und der NATO auf der Air Base Ramstein, die dort stationierten Atombomben und das Atomwaffenlager Miesau, drüber hinaus die Atomwaffen, die auf dem Bundeswehrflugplatz Büchel in der Eifel und auf dem US-Flugplatz Spangdahlem gelagert waren.

Für das vom Siegelbacher Pfarrer Hans Joachim Oeffler geleitete „Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit-Kaiserslautern“ erarbeiteten Wolfgang Jung und Fee Strieffler die Dokumentation „US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein, größtes atomares Machtzentrum der USA und der NATO in Europa“. Diese erregte bundesweites Aufsehen und rief zugleich den sogenannten „Verfassungsschutz“ in Rheinland-Pfalz auf den Plan. Die Bezirksregierung Neustadt a. d. Weinstraße eröffnete ein Dienstordnungsverfahren gegen Wolfgang mit dem Ziel, den Beamten auf Lebenszeit aus dem Schuldienst zu entfernen. Nach über fünf Jahren scheiterte der Antrag zwar beim Verwaltungsgericht Neustadt, aber es verfügte eine Kürzung der Bezüge für die Dauer von drei Jahren um 15%. Nachdem in ähnlich gelagerten Fällen in Nordrhein-Westfalen dieses Vorgehen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als menschenrechtswidrig eingestuft und das Land NRW dazu verurteilt wurde, den Betroffenen nicht nur die vorenthaltenen Bezüge, sondern auch eine hohe Entschädigung zu zahlen, forderte Wolfgang Jung Entsprechendes vom Land Rheinland-Pfalz. Dieses zahlte zwar die einbehalten Bezüge und die durch das Verfahren entstandenen Kosten als „Gnadenerweis“, lehnte aber eine Entschädigungszahlung ab.

Nachdem Wolfgang Jung 1997 die nebenamtliche Leitung des Medienzentrums Kaiserslautern übertragen worden war, fand er in dessen Keller Film-Fragmente, die sich nach mühevoller Aufbereitung und vorläufiger Datierung als Aufnahmen des ersten Bildstellenleiters Peter Turgetto aus der Nazi-Zeit in Kaiserslautern herausstellten. Der Filmemacher Andreas Pesch erklärte sich bereit, darüber eine filmische Dokumentation zu erstellen, und trotz des großen öffentlichen Interesses der Bürger Kaiserslauterns gab es von der Stadtverwaltung keine Unterstützung für das Filmprojekt. Eine Spende des damaligen Sparkassendirektors Grob von 10.000 DM deckte wenigsten einen Teil der Produktionskosten, die Suche nach Zeitzeugen begann, und schließlich entstand dank des Engagements von Andreas Pesch 1998 der fast einstündige Film „12 Jahre und 12 Tage – Kaiserslautern, eine Stadt im Nationalsozialismus“, er weckte landesweites Interesse, das bis heute anhält.

Gegen die 1979 beschlossene Stationierung der US-Atomraketen Pershing II und Cruise Missiles protestierten Fee und Wolfgang gemeinsam mit Hundertausenden, in Bonn und an den Stationierungsorten. Der Abzug erfolgte nach einer Einigung zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow auf Grundlage des INF-Vertrags von 1987, der ihre Verschrottung 1988 und ein Verbot von Raketen der Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometern in Europa vorsah.

Wolfgang warnte vor der weitverbreiteten trügerischen Erwartung eines ewigen Friedens nach dem Ende der sozialistischen Staaten in Europa, als sich der Warschauer Vertrag auflöste, aber die NATO nicht dran dachte, dies ebenfalls zu tun, und nach dem Abzug der russischen Truppen vom Territorium der DDR blieben die US-Truppen in Westdeutschland. Entgegen gegebener Versprechen rückte die NATO immer weiter nach Osten gegen Russlands Grenzen vor. Vor der damit wachsenden Kriegsgefahr warnten Fee und Wolfgang immer wieder in ihren Luftpost-Veröffentlichungen. Der INF-Vertrag wurde von US-Präsident Obama verletzt, indem die USA die mit Cruise Missiles bestückten Aegis-Systeme auf Schiffen sowie zu Land in Rumänien und Polen installierten, das mobile THAAD-System kann mit Raketen größerer Reichweite bestückt werden, die auch Atomsprengköpfe tragen können. „Damit ist eine noch gefährlichere Bedrohungslage für Europa und Russland entstanden als zu Zeiten des Krefelder Appells, denn die US-Mittelstreckenraketen sind jetzt viel näher an die russische Westgrenze herangerückt und die Vorwarnzeit für russische Abwehrmaßnahmen ist dadurch extrem kurz geworden“, lesen wir in der Luftpost. Schließlich kündigte Präsident Trump 2019 den INF-Vertrag auch formell auf.

2013 strengte Wolfgang Jung eine Einzelklage gegen die Bundesregierung an, weil diese die völkerrechts- und verfassungswidrige Nutzung der Air Base Ramstein, insbesondere für den US-Drohnen-Krieg, zulässt. Die Klage wurde 2013–2016 von drei Instanzen – dem Verwaltungsgericht Köln, dem Oberverwaltungsgericht Münster und dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig – mit der fadenscheinigen und absurden Begründung abgewiesen, Wolfgang Jung habe kein Klagerecht, weil er ja selbst gar nicht von US-Drohnen bedroht sei. 2016 fand in Kaiserslautern die Uraufführung der Filmdokumentation „Ramstein – das letzte Gefecht“ statt, Autor ist der Journalist und Filmemacher Norbert Fleischer, und Wolfgang wirkte an der Dokumentation mit, um die völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Aktivitäten auf der Air Base Ramstein aufzuzeigen.

Auf den reichen Informationsfundus, den Fee und Wolfgang zusammengetragen und hautsächlich via „Luftpost“ verbreitet haben, konnten sich viele Friedensinitiativen und -aktionen stützen, so auch die Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“. Leider haben manche davon nur „selektiven Gebrauch“ gemacht. So kritisierte Wolfgang beispielsweise, dass der Kampagnenaufruf „auf Betreiben einiger Leute in Berlin auf den Drohnenkrieg via Ramstein verengt wurde“, und: „Sie weigern sich hartnäckig, die für unser aller Überleben zwingend notwendige Kündigung des Vertrages über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland und den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO, der anschließend erfolgen muss, in ihre Forderungskataloge aufzunehmen und zu dem einigenden Band zu machen, das der Krefelder Appell einmal war.“

Diese Mahnung ist umso dringlicher geworden, nachdem beim jüngsten NATO-Gipfel zu ihrem 75. Gründungstag der Aufrüstungskurs zur Aufrechterhaltung der US-Hegemonie nochmals verschärft wurde. Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützte die Erklärung, dass ab 2026 in Deutschland Mittelstreckenraketen der USA stationiert werden sollen, die Ziele in Russland treffen können: Tomahawk-Marschflugkörper, Reichweite über 1.000 Kilometer, Ballistische SM-6- Raketen, Reichweite weniger als tausend Kilometer sowie Hyperschallraketen Dark Eagle, Reichweite über 2.500 Kilometer mit extrem verkürzter Vorwarnzeit. Damit kommt die 1988 entfernte und verbotene Waffengattung nach Deutschland (Clay-Kaserne Wiesbaden) zurück, das damit wie schon im Kalten Krieg mögliche Abschussrampe, Zielscheibe und Schlachtfeld eines Atomkrieges wird.

Fee Strieffler bemerkt: „Ein Trost ist, dass Wolfgang die schrecklichen Nachrichten der letzten Tage nicht mehr hören und sehen muss. Er muss nicht mehr hören, wie diese in jeder Beziehung zu kurz gekommen wichtigtuenden Kriegstreiber und Kriegsertüchtiger die Deutschen in einen Dritten Weltkrieg gegen Russland treiben werden. Und alles Geschwerls von ‚Wir sind mehr‘ bis hin zu den verblendeten ‚Omas gegen Rechts‘ tappen diesen Rattenfängern auf der Leimrute hinterher – und schicken ihre Enkel zum Bund – unfassbar. Er hat es genauso vorhergesagt. Alle können wissen was geplant ist, schon lange.“

Wolfgang Jung hat bis zuletzt vor der stetig wachsenden Kriegsgefahr gewarnt. Seine letzte Botschaft lautet: „Wenn sich die Bewohner Deutschlands, besonders die, die in dieser Region leben, nicht endlich selbst DAGEGEN aufzulehnen beginnen, werden sie und ihre Kinder, mit den Kriegstreibern und denen, die unser Land wieder ‚kriegstüchtig‘ machen wollen, untergehen …“.

Deshalb nochmal zurück zur „für unser aller Überleben zwingend notwendigen Kündigung des Vertrages über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland und den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO. Mit diesen beiden Forderungen, die sich in der prägnanten Formel ‚NATO raus – raus aus der NATO!‘ zusammenfassen lassen, und durch die gezielte Verbreitung des reichlich vorhandenen Aufklärungsmaterials über die besonders in unserem Land laufenden Vorbereitungen für einen Atomkrieg gegen Russland und/oder China müssen die Menschen darüber informiert werden, dass sie ganz plötzlich den Atomtod sterben könnten.“

Erfüllen wir Wolfgangs Vermächtnis, indem wir seinem Vorschlag folgen und mit dem kurzen Friedensappell „Der Atomtod bedroht uns alle – deshalb NATO raus und raus aus der NATO!“ in die Öffentlichkeit gehen.


Erstveröffentlichung am 26. Juli 2024 bei freidenker.org - Klaus Hartmann ist stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes.


Ergänzung der NRhZ-Redaktion:

Es ist Wolfgang Jung und Fee Strieffler zu verdanken, dass sie am 28. Juli 2015 darauf hingewiesen haben, dass der "Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland" (Truppenstationierungsvertrag) mit 2-Jahresfrist kündbar ist. Damit haben sie der von Freidenker-Verband und Bundesverband Arbeiterfotografie verfassten Erklärung "Sagt NEIN, ächtet Aggressionen, bannt die Weltkriegsgefahr!" mit der zentralen Forderung nach Verbannung ausländischer Truppen und Austritt aus der NATO (NATO raus! Raus aus der NATO!) entscheidenden Auftrieb gegeben haben.

Der Hinweis von Wolfgang und Fee enthielt die Information, dass der "Vertrag zwar unbegrenzt weitergilt, aber mit einer Frist von zwei Jahren jederzeit auch von der Bundesrepublik Deutschland gekündigt werden kann". Und in der Tat: das Auswärtige Amt räumt jeden Zweifel am Zutreffen dieser Information aus. Dort heißt es: "Der ursprünglich auf unbegrenzte Zeit abgeschlossene Aufenthaltsvertrag gilt auch nach Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrags [von 1990] weiter, er kann nun aber mit einer zweijährigen Frist gekündigt werden." Ohne diese Information wäre davon auszugehen gewesen, dass der Truppenstationierungsvertrag nicht einseitig, sondern nur im Einvernehmen mit den westlichen Alliierten oder durch "Abschluss einer friedensvertraglichen Regelung" (wie es in Art. 3 des Vertrags heißt) außer Kraft gesetzt werden kann.

So konnte die NRhZ am 5. August 2015 mitteilen: "Es gibt eine erfreuliche Nachricht. Die Bundesregierung hat es wesentlich leichter als ursprünglich angenommen, aus dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte auszusteigen. Die entscheidende Vorarbeit ist 1990 geleistet worden, als von den Diplomaten Helmut Kohls [mittels Notenwechsel] eine zweijährige Kündigungsfrist vereinbart worden war. Die heutige Bundesregierung braucht dieses Recht nur in Anspruch zu nehmen. Dann müssen die USA ihre Militärbasen in Ramstein und an all den anderen Orten Deutschlands innerhalb von zwei Jahren räumen und können sie dann nicht mehr zum Führen von Angriffskriegen missbrauchen... 'Die Bundesrepublik Deutschland kann den Aufenthaltsvertrag in Bezug auf eine oder mehrere Vertragsparteien durch Anzeige an die Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren beenden.' Das gilt in Folge eines Notenwechsels vom 25. September 1990. Der Hinweis darauf kam per LUFTPOST aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein von Fee Strieffler und Wolfgang Jung." Also noch einmal Dank an die beiden dafür!



Online-Flyer Nr. 834  vom 14.08.2024



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