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Da war Syrien...
Von Markus Heizmann
Da war Syrien im Jahr 2004. Da war Hussein, der uns Morgens um drei Uhr weckte, damit er uns auf seinen Kamelen in die Wüste von Tadmor (Palmyra) führen konnte. Bei den Totentürmen machten wir Rast, kochten Tee und beobachteten den Sonnenaufgang in der Wüste. Da war Ahmed, ein junger Mann im Souk Al-Hamidiyah in Damaskus. Er hatte den Laden erst kürzlich von seinem Vater übernommen, der noch ab und zu aushalf. Bei Tee und einem angeregten Gespräch verkaufte mir Ahmed eine wunderschöne Wasserpfeife, die noch heute, 20 Jahre danach, ihren Dienst tut. Da war Hasan, der Hotelangestellte in Damaskus. Er brachte unserer Tochter, als sie mit leichtem Fieber auf dem Zimmer lag Blumen und Früchte ans Bett und er entschuldigte sich bei uns und bei ihr, weil er ihr nur französische Zeitschriften und keine deutschen bringen konnte. Da war der namenlose Pater in Maalula, der uns würzigen Wein servierte, uns die Kirche und das Kloster zeigte und uns dazu fachkundig das frühe Christentum in Syrien erklärte. Da war der Kellner im Kaffeehaus Beit al Yasmin, der uns zwischen Kaffee und Wasserpfeife die Geschichte Syriens nahe brachte, fachkundiger und sensibler als jeder westliche Orientalist.
Da war Yusuf, ein Offizier der syrischen Armee, der uns durch die von den Zionisten zerstörte Stadt Qunaitra, am Fuss des Golan führte und uns berichtete, wie es dazu gekommen war: 1974 führten die syrische und die ägyptische Armee einen gemeinsamen Feldzug gegen «Israel». Die von den Zionisten besetzte ägyptische Sinai Halbinsel wurde zurückerobert. Bevor die ebenfalls besetzten Golanhöhen auch befreit werden konnten, zog sich die ägyptische Armee zurück und die Syrisch Arabische Armee stand geschwächt und allein da. In der Folge blieben die Golanhöhen bis zum heutigen Tag illegal besetztes Gebiet und die Stadt Qunaitra wurde, ohne jeden militärischen Nutzen, von den Zionisten vollständig zerstört. Die syrische Regierung lies die zerstörte Stadt als Mahnmal und als Zeugnis für die zionistische Barbarei zerstört stehen. Da waren Gewürzhändler, Betreiber von Kaffeehäusern, Bauern, Arbeiter, Frauen, Männer, Kinder, alte, junge Menschen. Da war Syrien im Jahr 2004.
Eine Zäsur
Syrien erlebte eine Zäsur ab dem Jahr 2000 mit dem Tod von Hafiz al Assad. Als sein Nachfolger war sein Sohn Basil al Assad vorgesehen. Basil war ausgebildeter Offizier der Syrisch Arabischen Armee und hatte Politwissenschaften studiert. Er starb 1994 bei einem mysteriösen Autounfall. Die Menschen in Syrien verehren ihn als «Basil den Märtyrer». Hafiz al Assad holte nach Basils Tod seinen zweiten Sohn, Bashar von London, wo dieser als Augenarzt arbeitete, zurück nach Syrien. Nach dem Tod seines Vaters am 10. Juni 2000, trat Bashar das Amt als Präsident an.
Zuerst sah es so aus, als hätte der Westen nun einen willfährigen Diener im Präsidentenamt in Damaskus. Bashar al-Assad brachte diverse, so genannte Reformen, in Tat und Wahrheit Privatisierungen auf den Weg. Diese wurden jedoch nach heftigen Protesten auf der Strasse schon bald wieder rückgängig gemacht. In der Folge lockerte sich die Atmosphäre innerhalb der syrischen Gesellschaft merklich. Immer wieder war zu hören, dass Bashar al-Assad, der junge und unerfahrene Präsident in seinem Amt wächst. Nach und nach stabilisierte sich das Land und wurde in der Region zu einem Garant für Frieden und Fortschritt.
Der Frühling der keiner war
Dies änderte sich im Jahr 2011 mit den Ereignissen des sogenannten «arabischen Frühlings». Wer immer irgendeine Hoffnung in diesen «arabischen Frühling» gesetzt hat, wurde bitter enttäuscht. Am Ende des Tages handelte es sich bei den in Szene gesetzten Geschehnissen von Tunis über Ägypten, nach Libyen bis hin nach Syrien um eine weitere Episode der wohlbekannten «Farbrevolutionen». Kein einziges der vom «arabischen Frühling» heimgesuchten Länder hat sich in den Jahren danach zum besseren gewandelt. In Tunis und Ägypten kann davon ausgegangen werden kann, dass die Initialzündung zu den Aufständen zwar von aussen kam, die Aufstände selbst jedoch wurden bis zum bitteren Ende, bis zum Sturz der jeweiligen Regierungen (Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien und Hosni Mubarak in Ägypten) weitgehend vom Volk getragen. Ganz anders in Syrien: Auch dort kam es zwar zu anfänglich friedlichen Demonstrationen gegen die Regierung und gegen den Präsidenten Bashar al Assad. Auffällig waren dabei jedoch vor allem zwei Dinge: Erstens wurden zum Teil völlig unnötige Forderungen, wie z.B. eine Rücknahme der Privatisierungen erhoben. Diese waren schon lange vor 2011 zurück buchstabiert worden. Zweitens waren die Demonstrationen in Syrien, anders als in Tunesien oder Ägypten von Beginn an bewaffnet. Ein beteiligter Polizist, mittlerweile in Rente, erzählte uns im Jahr 2019 in einem Kaffeehaus in Damaskus die folgende Episode:
«Wir [die Polizei] wurden zu den Demonstrationen aufgeboten. Schusswaffen durften wir keine tragen, wohl aber Helme, Gummiknüppel und seltsamerweise wurde uns auch befohlen schusssichere Westen zu tragen. Sehr bald wurde klar, weshalb. Von den Dächern aus wurden die Demonstrationen beschossen und zwar wurde wahllos auf Demonstranten und auf Polizisten geschossen. Das waren nicht irgendwelche Verrückte. Das waren ausgebildete Scharfschützen. So wurden die Polizisten zum Teil in die Stirn, zum Teil in die Schulterhöhlen, also genau dorthin wo Helm und Weste keinen Schutz bieten getroffen». Die Berichterstattung in den westlichen Medien schwieg über die ermordeten Polizisten, berichtete aber ausführlich über ermordete oder Verletzte Demonstranten. Diese wurden den syrischen Sicherheitskräften in die Schuhe geschoben. Diese Lügen waren lediglich der Beginn einer gigantischen Lügenkampagne, die gegen die syrische Regierung und deren Institutionen losgetreten wurde.
Die Blockade
Das Papier reicht nicht aus um all die Lügen zu drucken, die über und gegen Syrien verbreitet wurden und noch immer verbreitet werden. Wichtig ist jedoch, dass alle Repressionen gegen das syrische Volk auf diesen Lügen beruhen. So ist es denn auch müßig hier diese Lügen alle nochmals aufzulisten. Erwähnt sei dennoch: Das in Syrien jemals ein «Bürgerkrieg» stattgefunden hat, ist eine Lüge, es waren und es sind Angriffe von Außen. Das die syrische Regierung, bzw. die syrische Armee ihr eigenes Volk massakriert ist eine Lüge. Im Gegenteil hat die syrische Armee während all der Jahre alles in ihrer Macht stehende getan um die Zivilbevölkerung zu schützen. Gleichwohl wurden diese und andere Lügen von den westlichen Regierungen, allen voran die USA und die NATO Staaten als Vorwand genommen um Syrien unter eine, sich ständig verschärfende illegale Blockade zu stellen. (1) (Wir werden weiter unten noch auf diese sich ständig wiederholenden Lügen gegen Syrien zurück kommen).
Diese Blockade hatte – wie alle anderen Aktionen gegen Syrien übrigens auch – einen einzigen Zweck: Das Land sollte auf Dauer destabilisiert und zerstört werden. Wenn wir den Grund für diese Boshaftigkeit verstehen wollen, müssen wir die politische und geo-strategische Lage verstehen, in der sich Syrien befindet.
In der Region zählen wir drei arabische Länder, die unabhängig voneinander eine konsequent anti zionistische und anti imperialistische Politik betreiben, bzw. betrieben haben. Dies bedeutet in der Praxis, sie lehnen den zionistischen Siedlerkolonialismus und die aggressive zionistische Expansion ab und sie pflegen eine unbedingte Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Es handelt sich bei diesen drei Ländern um Irak, Libyen und um Syrien. Wie wir wissen, wurden Irak und Libyen zerstört. Syrien hat niemals, wie andere arabische Länder eingewilligt mit «Israel» Frieden zu schliessen. Wie denn auch, solange die Zionisten illegal die syrischen Golanhöhen besetzen und ständig syrisches Gebiet beschießen? So ist es denn eine von den USA, den NATO Mächten und von «Israel» seit langem beschlossene Sache: Syrien muss zerstört werden. Die anhaltende Blockade gegen das syrische Volk war dabei nur ein Mittel. Die illegale Besatzung des Landes durch die USA und die Türkei im Norden Syriens und der damit verbundene Raub der dortigen Rohstoffe sind andere Mittel.
13 Jahre
13 lange Jahre hat Syrien Blockade, Besatzung, Rohstoffraub und ständigen militärischen Angriffen seitens «Israels» standgehalten. Diese 13 Jahre sind am Land und an der Bevölkerung nicht spurlos vorüber gegangen. Während es vor 2011 zwar Korruption gab, diese jedoch mit Maßnahmen wie angemessenen Löhnen und Abstrafung von korrupten Beamten gut eingedämmt werden konnte, erreichte sie in den Jahren nach 2011 ein exorbitantes Ausmaß. Dies ist selbstverständlich ausschliesslich der sich ständig verschärfenden Blockade geschuldet. Die Währung, das syrische Pfund fiel ins bodenlose und die Preise, auch für Grundnahrungsmittel schossen, trotz staatlicher Subvention in nie dagewesene Höhen. In all den Jahren haben wir Syrien immer wieder besucht und nach wie vor ist für uns ein Rätsel, wie die Menschen unter diesen desolaten Umständen überhaupt überleben konnten. Erklären lässt sich dies nur mit der enormen gelebten gegenseitigen Solidarität, alle helfen allen. Erklären lässt sich dies jedoch auch mit dem Widerstandswillen des syrischen Volkes. Zusätzlich zu der wirtschaftlichen Misere kamen die immer wieder kehrenden Bombardierungen durch die «israelische» Armee. (2)
Hinzu kommen weitere, bösartige und durchaus so gewollte Auswirkungen der Blockade. So war Syrien weitgehend von allen internationalen Institutionen abgeschnitten. Geldtransfer von und nach Syrien: Unmöglich! Weiterbildung, zum Beispiel von syrischen ÄrztInnen an internationalen Kongressen: Ausgeschlossen! Sämtliche westlichen Länder und deren Medien taten zudem alles in ihrer Macht stehende um die legitime Regierung Syriens zu diskreditieren und zu diffamieren. Wer die Wahrheit hinter den Schlagzeilen erkennen wollte musste schon sehr genau hinsehen und in der westlichen Presslandschaft wurde kaum jemand fündig. Durchwegs war von einem «blutigen Diktator» die Rede, von «Giftgasangriffen gegen das eigene Volk» und auch die Hilfswerke wie zum Beispiel Amnesty International (AI) erhoben Foltervorwürfe, die indes bis zum heutigen Tag nicht verifiziert wurden. Nun nach 13 Jahren Belagerung, nach 13 Jahren Besatzung, nach 13 Jahren Blockade und nach 13 Jahren immer wiederkehrenden militärischen Angriffen, vor allem seitens der «israelischen « Armee, schien Syrien sturmreif für die endgültige Zerstörung.
Zusammenzug der terroristischen Kräfte
Ab dem Jahr 2015 engagierte sich bekanntlich Russland auf Seiten der Syrisch Arabischen Armee gegen die Terrorbanden, die mit Syrien größtenteils nichts zu tun haben. Die Kämpfer stammen aus über 80 verschiedenen Ländern, die meisten von ihnen sind bezahlte Söldner. Gemeinsam mit der russischen Armee und – nicht zu vergessen – mit Einheiten der libanesischen Hisbollah, ist es der Syrischen Armee gelungen, die Terroristen zu stoppen, Aleppo zu befreien und ab dem Jahr 2016, den sogenanntem «islamischen Staat» zu zerschlagen und so den größten Teil Syriens zu befrieden. Nun hätten eigentlich die USA und die NATO Mächte in einen großsen Jubel ausbrechen müssen. Hatten sie denn nicht über all die Jahre behauptet, die US Streitkräfte seien einzig und allein in Syrien um eben diesen «islamischen Staat» zu bekämpfen? Tatsache ist aber, als die Kräfte des IS (DAESH) noch von den USA und ihrer Kumpanei «bekämpft» wurden, wuchs dieser «islamische Staat» von Woche zu Woche. Erst mit dem Eingreifen Russlands und der Hisbollah gelang es die Banden auseinander zu treiben. Sie formierten sich neu in der Region Idlib. Es ist gewiss kein Zufall, dass sich in eben dieser Region auch die türkischen, die kurdischen und die US Streitkräfte tummelten. Es sei zum wiederholten Mal erwähnt: Sie allesamt besetzen, gemeinsam mit «Israel» im Süden des Landes illegal syrischen Boden.
So also präsentierte sich die Situation in den Jahren 2016 bis 2024: In der rohstoffreichen Region nordöstlich von Aleppo wurden Syriens Rohstoffe (Öl, Wasser, Getreide) von den verschiedensten Akteuren geraubt, ohne dass die Syrische Armee etwas dagegen hätte unternehmen können. Ihr und allen mit ihr verbündeten Kräften hätte ein Konflikt mit den USA und mit der Türkei (immerhin ein NATO Mitglied) gedroht. Die syrische Regierung konzentrierte sich in der Folge darauf die schlimmsten Auswirkungen der Blockade so gut wie möglich zu mindern. Weiterhin wurden Terrorbanden, die sich ergeben hatten und die nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeschafft werden konnten, in die Gegend rund um Idlib deportiert. Es kam zu einem regelrechten Stelldichein der Terrorbanden aus aller Herren Länder in Idlib.
Kein spontaner Überfall
Ab dem 26. November dieses Jahres starten die Banden den Überfall gegen Aleppo. Das dieser Überfall von langer Hand vorbereitet wurde, zeigt u.a. die Analyse von Pepe Escobar: (Zitat) Die Zeitachse erzählt die Geschichte:
Das mag sein und das hoffen wir alle. Vorerst jedoch ist es eine Tatsache, dass es den Dschihadisten gelungen ist, Syrien so quasi im Handstreich einzunehmen. Dies notabene unter dem gar nicht so sehr verhaltenen Jubel der westlichen Öffentlichkeit. Es ist mehr als offensichtlich, dass hinter einer solchen Aktion die Geheimdienste verschiedenster Länder aktiv sein müssen. Ganz oben auf der Liste stehen «Israel», die USA und die Türkei. Selbstverständlich wissen wir nicht, was hinter verschlossenen Türen beschlossen wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat es jedoch Absprachen mit dem Kreml, mit der Iranischen Regierung und möglicherweise gar mit der Syrischen Regierung selbst gegeben. Offizielle Verlautbarungen sind jedoch schlimm genug und lassen vieles erahnen. So zeigte der «israelische» Machthaber Benjamin Netanjahu vor der UNO Vollversammlung eine Karte der arabischen Region auf welcher klar ersichtlich ist, wohin die Reise gehen soll: In ein «Grossisrael». (5) Dies sind weder Spekulationen noch gehört dies ins gefürchtete Reich der Verschwörungstheorien. Es handelt sich hierbei um einfach nachzuprüfende Tatsachen.
Tatsachen…
Der Sturz der Regierung von Präsident Assad ist ein Ereignis, welches weitreichende Folgen für die Region und für die Welt haben wird. Natürlich kommen wir nicht darum herum zu spekulieren – besonders auch weil es sich im Fall Syriens um ein Land von enormer geo-strategischer und geo-politscher Bedeutung handelt. Trotzdem wollen wir zuerst auf dem Boden der Tatsachen bleiben und eine kurze Aufstellung vom dem leisten was wir gesichert wissen, oder was zumindest als gesichertes Wissen gelten kann: Die Eroberung Syriens ging in einer atemberaubenden Geschwindigkeit vor sich. Beteiligt waren vor allem die bewaffneten Kämpfer von Hayat Tahrir al-Sham (HTS), deren Anführer Abu Muhammad al-Dschaulani sich mittlerweile zum Sprachrohr des Putsches gegen die Regierung von Präsident Bashar al Assad gemacht hat und als starker Mann der mittlerweile liebevoll «Rebellen» genannten Terroristen gilt. (6) Auch eine Tatsache ist, das die HTS (Hayat Tahrir al-Sham) eine Abspaltung der al-Nusra Front ist, diese wiederum geht auf die Al-Qaida zurück. Erstaunlich (oder auch nicht) ist die Tatsache, dass der Überfall der Dschihadisten gegen Aleppo nahezu zeitgleich mit der Netanjahu versprochenen, aber niemals eingehaltenen, Waffenruhe in Libanon zusammenfällt. Noch vor einem Jahr sprach Erdogan davon, dass er gemeinsam mit Assad «die Zukunft Syriens gestalten wolle». Bashar al-Assad lehnte dies mit Hinweis auf die türkische Besatzung im Norden Syriens ab.
Eine traurige Tatsache ist auch, dass die Syrische Armee dem immer heftiger werdenden Beschuss aus «Israel» wenig bis gar nichts entgegen zu setzen hatte. Dies aus einem leicht nachvollziehbaren Grund: Kein Land kämpft gegen «Israel». Der Kampf gegen «Israel» bedeutet gleichzeitig auch Kampf gegen die NATO und Kampf gegen die USA. Zusammen mit der illegalen Blockade ist es einsichtig, dass die syrische Regierung den Kampf mit «Israel» vermeiden wollte. Die aktuellen Machthaber in Damaskus, die HTS Leute um al-Dschaulani herum fahren einen «israelfreundlichen» Kurs. Die Boshaftigkeit mit welcher seit mindestens 2011 von Seiten des Westens agiert wird, lässt nur einen Schluss zu: Syrien soll zerstört werden. Falls sich das neue Regime unter al-Dschaulani dem Westen nicht beugt ist eine weitere Eskalation absehbar. Mittlerweile hat die HTS nun den Gouverneur der Provinz Idlib, Muhammad al-Baschir als Interimspräsidenten ernannt. Das Ende davon könnte ein Syrien sein, welches von den diversen Kriegsherren so zugerichtet wird, wie wir das von Libyen, Irak und anderen Schauplätzen westlicher Demokratisierungsprozesse kennen. Damit sind wir zwar noch nicht all zu weit aber dennoch schon ins Reich der Spekulationen vorgedrungen.
...und Spekulationen
Die Vorschusslorbeeren welche die Putschisten von links bis rechts in der westlichen Presse bekommen, lassen tief blicken. Von einem von den USA gesuchten Terroristen, auf den ein Kopfgeld von 10 Millionen US $ Dollar ausgesetzt ist mausert er sich zu einem allseits respektierten «Rebellen». Die willigen Vasallen der USA, die scheinbar vom Weltpolizisten gejagt, in Tat und Wahrheit jedoch von den US Geheimdiensten gefördert wurden leben indes gefährlich. Erinnert sei an Bin Laden, erinnert sei an Abu Bakr al-Baghdadi und an viele andere, die von den USA ermordet wurden, nachdem sie ihre Schuldigkeit getan hatten.
Wie auch immer: Bereits im Jahr 2015 erfuhren wir von einem damaligen Kommandanten diesmal der bewaffneten kurdischen Streitkräfte, welche «Lösung» für Syrien vorgesehen sei: Die Aufspaltung in einen sunnitischen, einen schiitischen, ein alevitischen und einen kurdischen Staat. Die Vierteilung Syriens also. Diese üblen Fantasien decken sich mit denen eines Benjamin Netanjahu und seinem Träumen von einem «Grossisrael»: Wo könnten die zionistischen Truppen müheloser voranschreiten als in einem zerrissenen und weitgehend zerstörten Syrien?
Erinnert sich noch jemand an den US General a.D. Wesley Clark? Clark erklärte in TV Interview mit der Moderatorin Amy Goodman dass die USA (sehr zu Clarks Erstaunen) planten innerhalb von 5 Jahren 7 Länder auszuschalten und zwar Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und Iran. (7) Zugegeben: In der Reihenfolge und im Zeitplan haben sie sich etwas vertan. Aber weshalb soll es den geringsten Zweifel daran geben, dass der Iran das nächste Opfer auf der Liste sein wird? Um so erstaunlicher, dass sich die iranische Regierung so zurück hält!
Keine Spekulation sondern eine Tatsache ist, dass das eigentliche Problem mindestens seit 1948 «Israel» heisst. «Israel» ist das was als der Elefant im Raum bezeichnet kann. Während zum Beispiel zur Zeit da dieser Artikel verfasst wird, das Schweizer Parlament darüber diskutiert ob die Organisationen Hamas und Hisbollah auf der Terrorliste des Schweizer Staates landen sollen, gelten noch immer alle, die «Israel» fundamental kritisieren als «Antisemiten». Wohlverstanden: Dies nach den Massakern im Gazastreifen, nachdem weltweit das Vorgehen der «israelischen» Armee als Genozid gebrandmarkt wird. Es ist «Israel» und immer wieder «Israel» welches in der Region Probleme schafft. Israel überfällt mit dem heuchlerischen Argument «Selbstverteidigung» immer wieder seine Nachbarn. «Israel» steckt gemeinsam mit den USA und der Türkei ganz offensichtlich hinter dem Putsch in Damaskus. Und zu guter Letzt: «Israel» besetzt neu syrisches Gebiet und steht nun mit seinen Bewaffneten erneut in der Provinz Qunaitra und beruft sich auch hier heuchlerisch auf sein «Recht auf Selbstverteidigung».
Wie weiter?
Diese Frage ist nicht zu beantworten, ohne das wir uns vollends in Spekulationen verlieren. Natürlich stehen die Pläne eines «Großisrael» und daran anschließend eines «Grosskurdistan» für alle gut sichtbar im Raum. Allein dies garantiert jedoch noch lange nicht das Gelingen dieser üblen Pläne. Gewiss ist: Das Syrien welches wir kannten und das wir oben unter der Überschrift «Gedankensplitter» skizziert haben, existiert nicht mehr. Mit welchem Syrien wir in Zukunft werden rechnen können ist völlig offen. Selbstverständlich ist es möglich, dass die geplante Teilung, die geplante weitere Landnahme «Israels» und die geplante Staatsgründung von «Kurdistan» zustande kommen. Wahrscheinlicher jedoch ist das Scheitern dieser Pläne aus dem einfachen Grund, weil Unterdrückung immer und zu allen Zeiten Widerstand hervorruft. Vermutlich wird es kurz- und mittelfristig zu einer Pattsituation kommen. Dies wird jedoch kaum von langer Dauer sein. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass der künftige syrische Staat gemäß den Wünschen des Westens, bzw. gemäss den Wünschen «Israels» politisiert. Genau das jedoch wird zu einem Problem werden: Solange «Israel» seine Aggressionspolitik gegenüber seinen Nachbarn allen voran natürlich gegenüber Palästina beibehält – wie bitteschön soll so ein nachhaltiger Frieden zustande kommen? An dieser Stelle sei an das weiter oben zitierte Wort von Tim Anderson erinnert: «Das syrische Volk wird eine Al-Qaida Regierung nicht lange dulden». Die Putschisten wären gut beraten, sich das zu merken und dementsprechend zu handeln. Dies wäre eine Möglichkeit wie das multikulturelle, multireligiöse und multiethnische Syrien wieder entstehen könnte wie der Phönix aus der Asche. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Fußnoten:
1 Siehe dazu: «Der verschwiegene Krieg – Sanktionen, Embargos, Blockaden», Heizmann, TuP Verlag Hamburg
2 Hier kann durchaus ein Vergleich zum Irak gezogen werden: Auch der Irak wurde durch eine jahrelange Blockade sturmreif gemacht, dann folgten die Angriffe.
3 https://strategic-culture.su/news/2024/12/04/the-syria-riddle-how-it-may-turn-into-the-first-brics-war/ (letzter Zugriff Dezember 2024)
4 Tim Anderson ist ein australischer Politwissenschaftler, Aktivist und Schriftsteller. Besonders empfohlen sei sein Buch «Tim Anderson: Der schmutzige Krieg gegen Syrien. Washington, Regime Change und Widerstand, Liepsen Verlag, Marburg. Das obige Zitat stammt aus einer Email Korrespondenz zwischen Tim Anderson und dem Autor.
5 Siehe dazu https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-09/nahostkonflikt-benjamin-netanjahu-israelpalaestinenser-un-vollversammlung-kritik (Letzter Zugriff Dezember 2024)
6 Abu Muhammad al-Dschaulani oder Dscholani ist übrigens ein Kampfname, der von den Mainstream Medien übernommen wird. Der richtige Name ist Ahmad Husain asch-Schar’a. Im Jahr 2006 wurde Ahmad Husain asch-Schar’a alias al-Dschaulani von US-amerikanischen Soldaten festgenommen und über fünf Jahre lang in verschiedenen US Militärgefängnissen inhaftiert. Auch darüber mag spekuliert werden: Was ist mit einem Menschen geschehen, der 5 Jahre lang mutmaßlicher US Folter ausgesetzt war und der danach freikommt? Wurde er umgedreht?
7 «We’re going to take out seven countries in five years, starting with Iraq, and then Syria, Lebanon, Libya, Somalia, Sudan and, finishing off, Iran.» https://genius.com/General-wesley-clark-seven-countries-in-fiveyears-annotated (Letzter Zugriff Dezember 2024)
Online-Flyer Nr. 840 vom 14.12.2024
Gedankensplitter
Da war Syrien...
Von Markus Heizmann
Da war Syrien im Jahr 2004. Da war Hussein, der uns Morgens um drei Uhr weckte, damit er uns auf seinen Kamelen in die Wüste von Tadmor (Palmyra) führen konnte. Bei den Totentürmen machten wir Rast, kochten Tee und beobachteten den Sonnenaufgang in der Wüste. Da war Ahmed, ein junger Mann im Souk Al-Hamidiyah in Damaskus. Er hatte den Laden erst kürzlich von seinem Vater übernommen, der noch ab und zu aushalf. Bei Tee und einem angeregten Gespräch verkaufte mir Ahmed eine wunderschöne Wasserpfeife, die noch heute, 20 Jahre danach, ihren Dienst tut. Da war Hasan, der Hotelangestellte in Damaskus. Er brachte unserer Tochter, als sie mit leichtem Fieber auf dem Zimmer lag Blumen und Früchte ans Bett und er entschuldigte sich bei uns und bei ihr, weil er ihr nur französische Zeitschriften und keine deutschen bringen konnte. Da war der namenlose Pater in Maalula, der uns würzigen Wein servierte, uns die Kirche und das Kloster zeigte und uns dazu fachkundig das frühe Christentum in Syrien erklärte. Da war der Kellner im Kaffeehaus Beit al Yasmin, der uns zwischen Kaffee und Wasserpfeife die Geschichte Syriens nahe brachte, fachkundiger und sensibler als jeder westliche Orientalist.
Da war Yusuf, ein Offizier der syrischen Armee, der uns durch die von den Zionisten zerstörte Stadt Qunaitra, am Fuss des Golan führte und uns berichtete, wie es dazu gekommen war: 1974 führten die syrische und die ägyptische Armee einen gemeinsamen Feldzug gegen «Israel». Die von den Zionisten besetzte ägyptische Sinai Halbinsel wurde zurückerobert. Bevor die ebenfalls besetzten Golanhöhen auch befreit werden konnten, zog sich die ägyptische Armee zurück und die Syrisch Arabische Armee stand geschwächt und allein da. In der Folge blieben die Golanhöhen bis zum heutigen Tag illegal besetztes Gebiet und die Stadt Qunaitra wurde, ohne jeden militärischen Nutzen, von den Zionisten vollständig zerstört. Die syrische Regierung lies die zerstörte Stadt als Mahnmal und als Zeugnis für die zionistische Barbarei zerstört stehen. Da waren Gewürzhändler, Betreiber von Kaffeehäusern, Bauern, Arbeiter, Frauen, Männer, Kinder, alte, junge Menschen. Da war Syrien im Jahr 2004.
Eine Zäsur
Syrien erlebte eine Zäsur ab dem Jahr 2000 mit dem Tod von Hafiz al Assad. Als sein Nachfolger war sein Sohn Basil al Assad vorgesehen. Basil war ausgebildeter Offizier der Syrisch Arabischen Armee und hatte Politwissenschaften studiert. Er starb 1994 bei einem mysteriösen Autounfall. Die Menschen in Syrien verehren ihn als «Basil den Märtyrer». Hafiz al Assad holte nach Basils Tod seinen zweiten Sohn, Bashar von London, wo dieser als Augenarzt arbeitete, zurück nach Syrien. Nach dem Tod seines Vaters am 10. Juni 2000, trat Bashar das Amt als Präsident an.
Zuerst sah es so aus, als hätte der Westen nun einen willfährigen Diener im Präsidentenamt in Damaskus. Bashar al-Assad brachte diverse, so genannte Reformen, in Tat und Wahrheit Privatisierungen auf den Weg. Diese wurden jedoch nach heftigen Protesten auf der Strasse schon bald wieder rückgängig gemacht. In der Folge lockerte sich die Atmosphäre innerhalb der syrischen Gesellschaft merklich. Immer wieder war zu hören, dass Bashar al-Assad, der junge und unerfahrene Präsident in seinem Amt wächst. Nach und nach stabilisierte sich das Land und wurde in der Region zu einem Garant für Frieden und Fortschritt.
Der Frühling der keiner war
Dies änderte sich im Jahr 2011 mit den Ereignissen des sogenannten «arabischen Frühlings». Wer immer irgendeine Hoffnung in diesen «arabischen Frühling» gesetzt hat, wurde bitter enttäuscht. Am Ende des Tages handelte es sich bei den in Szene gesetzten Geschehnissen von Tunis über Ägypten, nach Libyen bis hin nach Syrien um eine weitere Episode der wohlbekannten «Farbrevolutionen». Kein einziges der vom «arabischen Frühling» heimgesuchten Länder hat sich in den Jahren danach zum besseren gewandelt. In Tunis und Ägypten kann davon ausgegangen werden kann, dass die Initialzündung zu den Aufständen zwar von aussen kam, die Aufstände selbst jedoch wurden bis zum bitteren Ende, bis zum Sturz der jeweiligen Regierungen (Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien und Hosni Mubarak in Ägypten) weitgehend vom Volk getragen. Ganz anders in Syrien: Auch dort kam es zwar zu anfänglich friedlichen Demonstrationen gegen die Regierung und gegen den Präsidenten Bashar al Assad. Auffällig waren dabei jedoch vor allem zwei Dinge: Erstens wurden zum Teil völlig unnötige Forderungen, wie z.B. eine Rücknahme der Privatisierungen erhoben. Diese waren schon lange vor 2011 zurück buchstabiert worden. Zweitens waren die Demonstrationen in Syrien, anders als in Tunesien oder Ägypten von Beginn an bewaffnet. Ein beteiligter Polizist, mittlerweile in Rente, erzählte uns im Jahr 2019 in einem Kaffeehaus in Damaskus die folgende Episode:
«Wir [die Polizei] wurden zu den Demonstrationen aufgeboten. Schusswaffen durften wir keine tragen, wohl aber Helme, Gummiknüppel und seltsamerweise wurde uns auch befohlen schusssichere Westen zu tragen. Sehr bald wurde klar, weshalb. Von den Dächern aus wurden die Demonstrationen beschossen und zwar wurde wahllos auf Demonstranten und auf Polizisten geschossen. Das waren nicht irgendwelche Verrückte. Das waren ausgebildete Scharfschützen. So wurden die Polizisten zum Teil in die Stirn, zum Teil in die Schulterhöhlen, also genau dorthin wo Helm und Weste keinen Schutz bieten getroffen». Die Berichterstattung in den westlichen Medien schwieg über die ermordeten Polizisten, berichtete aber ausführlich über ermordete oder Verletzte Demonstranten. Diese wurden den syrischen Sicherheitskräften in die Schuhe geschoben. Diese Lügen waren lediglich der Beginn einer gigantischen Lügenkampagne, die gegen die syrische Regierung und deren Institutionen losgetreten wurde.
Die Blockade
Das Papier reicht nicht aus um all die Lügen zu drucken, die über und gegen Syrien verbreitet wurden und noch immer verbreitet werden. Wichtig ist jedoch, dass alle Repressionen gegen das syrische Volk auf diesen Lügen beruhen. So ist es denn auch müßig hier diese Lügen alle nochmals aufzulisten. Erwähnt sei dennoch: Das in Syrien jemals ein «Bürgerkrieg» stattgefunden hat, ist eine Lüge, es waren und es sind Angriffe von Außen. Das die syrische Regierung, bzw. die syrische Armee ihr eigenes Volk massakriert ist eine Lüge. Im Gegenteil hat die syrische Armee während all der Jahre alles in ihrer Macht stehende getan um die Zivilbevölkerung zu schützen. Gleichwohl wurden diese und andere Lügen von den westlichen Regierungen, allen voran die USA und die NATO Staaten als Vorwand genommen um Syrien unter eine, sich ständig verschärfende illegale Blockade zu stellen. (1) (Wir werden weiter unten noch auf diese sich ständig wiederholenden Lügen gegen Syrien zurück kommen).
Diese Blockade hatte – wie alle anderen Aktionen gegen Syrien übrigens auch – einen einzigen Zweck: Das Land sollte auf Dauer destabilisiert und zerstört werden. Wenn wir den Grund für diese Boshaftigkeit verstehen wollen, müssen wir die politische und geo-strategische Lage verstehen, in der sich Syrien befindet.
In der Region zählen wir drei arabische Länder, die unabhängig voneinander eine konsequent anti zionistische und anti imperialistische Politik betreiben, bzw. betrieben haben. Dies bedeutet in der Praxis, sie lehnen den zionistischen Siedlerkolonialismus und die aggressive zionistische Expansion ab und sie pflegen eine unbedingte Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Es handelt sich bei diesen drei Ländern um Irak, Libyen und um Syrien. Wie wir wissen, wurden Irak und Libyen zerstört. Syrien hat niemals, wie andere arabische Länder eingewilligt mit «Israel» Frieden zu schliessen. Wie denn auch, solange die Zionisten illegal die syrischen Golanhöhen besetzen und ständig syrisches Gebiet beschießen? So ist es denn eine von den USA, den NATO Mächten und von «Israel» seit langem beschlossene Sache: Syrien muss zerstört werden. Die anhaltende Blockade gegen das syrische Volk war dabei nur ein Mittel. Die illegale Besatzung des Landes durch die USA und die Türkei im Norden Syriens und der damit verbundene Raub der dortigen Rohstoffe sind andere Mittel.
13 Jahre
13 lange Jahre hat Syrien Blockade, Besatzung, Rohstoffraub und ständigen militärischen Angriffen seitens «Israels» standgehalten. Diese 13 Jahre sind am Land und an der Bevölkerung nicht spurlos vorüber gegangen. Während es vor 2011 zwar Korruption gab, diese jedoch mit Maßnahmen wie angemessenen Löhnen und Abstrafung von korrupten Beamten gut eingedämmt werden konnte, erreichte sie in den Jahren nach 2011 ein exorbitantes Ausmaß. Dies ist selbstverständlich ausschliesslich der sich ständig verschärfenden Blockade geschuldet. Die Währung, das syrische Pfund fiel ins bodenlose und die Preise, auch für Grundnahrungsmittel schossen, trotz staatlicher Subvention in nie dagewesene Höhen. In all den Jahren haben wir Syrien immer wieder besucht und nach wie vor ist für uns ein Rätsel, wie die Menschen unter diesen desolaten Umständen überhaupt überleben konnten. Erklären lässt sich dies nur mit der enormen gelebten gegenseitigen Solidarität, alle helfen allen. Erklären lässt sich dies jedoch auch mit dem Widerstandswillen des syrischen Volkes. Zusätzlich zu der wirtschaftlichen Misere kamen die immer wieder kehrenden Bombardierungen durch die «israelische» Armee. (2)
Hinzu kommen weitere, bösartige und durchaus so gewollte Auswirkungen der Blockade. So war Syrien weitgehend von allen internationalen Institutionen abgeschnitten. Geldtransfer von und nach Syrien: Unmöglich! Weiterbildung, zum Beispiel von syrischen ÄrztInnen an internationalen Kongressen: Ausgeschlossen! Sämtliche westlichen Länder und deren Medien taten zudem alles in ihrer Macht stehende um die legitime Regierung Syriens zu diskreditieren und zu diffamieren. Wer die Wahrheit hinter den Schlagzeilen erkennen wollte musste schon sehr genau hinsehen und in der westlichen Presslandschaft wurde kaum jemand fündig. Durchwegs war von einem «blutigen Diktator» die Rede, von «Giftgasangriffen gegen das eigene Volk» und auch die Hilfswerke wie zum Beispiel Amnesty International (AI) erhoben Foltervorwürfe, die indes bis zum heutigen Tag nicht verifiziert wurden. Nun nach 13 Jahren Belagerung, nach 13 Jahren Besatzung, nach 13 Jahren Blockade und nach 13 Jahren immer wiederkehrenden militärischen Angriffen, vor allem seitens der «israelischen « Armee, schien Syrien sturmreif für die endgültige Zerstörung.
Zusammenzug der terroristischen Kräfte
Ab dem Jahr 2015 engagierte sich bekanntlich Russland auf Seiten der Syrisch Arabischen Armee gegen die Terrorbanden, die mit Syrien größtenteils nichts zu tun haben. Die Kämpfer stammen aus über 80 verschiedenen Ländern, die meisten von ihnen sind bezahlte Söldner. Gemeinsam mit der russischen Armee und – nicht zu vergessen – mit Einheiten der libanesischen Hisbollah, ist es der Syrischen Armee gelungen, die Terroristen zu stoppen, Aleppo zu befreien und ab dem Jahr 2016, den sogenanntem «islamischen Staat» zu zerschlagen und so den größten Teil Syriens zu befrieden. Nun hätten eigentlich die USA und die NATO Mächte in einen großsen Jubel ausbrechen müssen. Hatten sie denn nicht über all die Jahre behauptet, die US Streitkräfte seien einzig und allein in Syrien um eben diesen «islamischen Staat» zu bekämpfen? Tatsache ist aber, als die Kräfte des IS (DAESH) noch von den USA und ihrer Kumpanei «bekämpft» wurden, wuchs dieser «islamische Staat» von Woche zu Woche. Erst mit dem Eingreifen Russlands und der Hisbollah gelang es die Banden auseinander zu treiben. Sie formierten sich neu in der Region Idlib. Es ist gewiss kein Zufall, dass sich in eben dieser Region auch die türkischen, die kurdischen und die US Streitkräfte tummelten. Es sei zum wiederholten Mal erwähnt: Sie allesamt besetzen, gemeinsam mit «Israel» im Süden des Landes illegal syrischen Boden.
So also präsentierte sich die Situation in den Jahren 2016 bis 2024: In der rohstoffreichen Region nordöstlich von Aleppo wurden Syriens Rohstoffe (Öl, Wasser, Getreide) von den verschiedensten Akteuren geraubt, ohne dass die Syrische Armee etwas dagegen hätte unternehmen können. Ihr und allen mit ihr verbündeten Kräften hätte ein Konflikt mit den USA und mit der Türkei (immerhin ein NATO Mitglied) gedroht. Die syrische Regierung konzentrierte sich in der Folge darauf die schlimmsten Auswirkungen der Blockade so gut wie möglich zu mindern. Weiterhin wurden Terrorbanden, die sich ergeben hatten und die nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeschafft werden konnten, in die Gegend rund um Idlib deportiert. Es kam zu einem regelrechten Stelldichein der Terrorbanden aus aller Herren Länder in Idlib.
Kein spontaner Überfall
Ab dem 26. November dieses Jahres starten die Banden den Überfall gegen Aleppo. Das dieser Überfall von langer Hand vorbereitet wurde, zeigt u.a. die Analyse von Pepe Escobar: (Zitat) Die Zeitachse erzählt die Geschichte:
- 18. November: Ronen Bar, Chef des «israelischen» Geheimdienstes Shin Bet, trifft sich mit den Leitern des MIT, dem türkischen Geheimdienst.
- 25. November: NATO-Chef Mark Rutte trifft sich mit dem türkischen Sultan Erdogan.
- 26. November: Salafistische Dschihadisten, die von Hayat Tahrir al-Sham (HTS), ehemals Nusra-Front, zusammengestellt wurden und von türkischen Geheimdiensten unterstützt werden, sowie eine mächtige Koalition von Söldner-Dschihadisten starten einen blitzschnellen Angriff auf Aleppo. (Zitat Ende). (3)
Das mag sein und das hoffen wir alle. Vorerst jedoch ist es eine Tatsache, dass es den Dschihadisten gelungen ist, Syrien so quasi im Handstreich einzunehmen. Dies notabene unter dem gar nicht so sehr verhaltenen Jubel der westlichen Öffentlichkeit. Es ist mehr als offensichtlich, dass hinter einer solchen Aktion die Geheimdienste verschiedenster Länder aktiv sein müssen. Ganz oben auf der Liste stehen «Israel», die USA und die Türkei. Selbstverständlich wissen wir nicht, was hinter verschlossenen Türen beschlossen wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat es jedoch Absprachen mit dem Kreml, mit der Iranischen Regierung und möglicherweise gar mit der Syrischen Regierung selbst gegeben. Offizielle Verlautbarungen sind jedoch schlimm genug und lassen vieles erahnen. So zeigte der «israelische» Machthaber Benjamin Netanjahu vor der UNO Vollversammlung eine Karte der arabischen Region auf welcher klar ersichtlich ist, wohin die Reise gehen soll: In ein «Grossisrael». (5) Dies sind weder Spekulationen noch gehört dies ins gefürchtete Reich der Verschwörungstheorien. Es handelt sich hierbei um einfach nachzuprüfende Tatsachen.
Tatsachen…
Der Sturz der Regierung von Präsident Assad ist ein Ereignis, welches weitreichende Folgen für die Region und für die Welt haben wird. Natürlich kommen wir nicht darum herum zu spekulieren – besonders auch weil es sich im Fall Syriens um ein Land von enormer geo-strategischer und geo-politscher Bedeutung handelt. Trotzdem wollen wir zuerst auf dem Boden der Tatsachen bleiben und eine kurze Aufstellung vom dem leisten was wir gesichert wissen, oder was zumindest als gesichertes Wissen gelten kann: Die Eroberung Syriens ging in einer atemberaubenden Geschwindigkeit vor sich. Beteiligt waren vor allem die bewaffneten Kämpfer von Hayat Tahrir al-Sham (HTS), deren Anführer Abu Muhammad al-Dschaulani sich mittlerweile zum Sprachrohr des Putsches gegen die Regierung von Präsident Bashar al Assad gemacht hat und als starker Mann der mittlerweile liebevoll «Rebellen» genannten Terroristen gilt. (6) Auch eine Tatsache ist, das die HTS (Hayat Tahrir al-Sham) eine Abspaltung der al-Nusra Front ist, diese wiederum geht auf die Al-Qaida zurück. Erstaunlich (oder auch nicht) ist die Tatsache, dass der Überfall der Dschihadisten gegen Aleppo nahezu zeitgleich mit der Netanjahu versprochenen, aber niemals eingehaltenen, Waffenruhe in Libanon zusammenfällt. Noch vor einem Jahr sprach Erdogan davon, dass er gemeinsam mit Assad «die Zukunft Syriens gestalten wolle». Bashar al-Assad lehnte dies mit Hinweis auf die türkische Besatzung im Norden Syriens ab.
Eine traurige Tatsache ist auch, dass die Syrische Armee dem immer heftiger werdenden Beschuss aus «Israel» wenig bis gar nichts entgegen zu setzen hatte. Dies aus einem leicht nachvollziehbaren Grund: Kein Land kämpft gegen «Israel». Der Kampf gegen «Israel» bedeutet gleichzeitig auch Kampf gegen die NATO und Kampf gegen die USA. Zusammen mit der illegalen Blockade ist es einsichtig, dass die syrische Regierung den Kampf mit «Israel» vermeiden wollte. Die aktuellen Machthaber in Damaskus, die HTS Leute um al-Dschaulani herum fahren einen «israelfreundlichen» Kurs. Die Boshaftigkeit mit welcher seit mindestens 2011 von Seiten des Westens agiert wird, lässt nur einen Schluss zu: Syrien soll zerstört werden. Falls sich das neue Regime unter al-Dschaulani dem Westen nicht beugt ist eine weitere Eskalation absehbar. Mittlerweile hat die HTS nun den Gouverneur der Provinz Idlib, Muhammad al-Baschir als Interimspräsidenten ernannt. Das Ende davon könnte ein Syrien sein, welches von den diversen Kriegsherren so zugerichtet wird, wie wir das von Libyen, Irak und anderen Schauplätzen westlicher Demokratisierungsprozesse kennen. Damit sind wir zwar noch nicht all zu weit aber dennoch schon ins Reich der Spekulationen vorgedrungen.
...und Spekulationen
Die Vorschusslorbeeren welche die Putschisten von links bis rechts in der westlichen Presse bekommen, lassen tief blicken. Von einem von den USA gesuchten Terroristen, auf den ein Kopfgeld von 10 Millionen US $ Dollar ausgesetzt ist mausert er sich zu einem allseits respektierten «Rebellen». Die willigen Vasallen der USA, die scheinbar vom Weltpolizisten gejagt, in Tat und Wahrheit jedoch von den US Geheimdiensten gefördert wurden leben indes gefährlich. Erinnert sei an Bin Laden, erinnert sei an Abu Bakr al-Baghdadi und an viele andere, die von den USA ermordet wurden, nachdem sie ihre Schuldigkeit getan hatten.
Wie auch immer: Bereits im Jahr 2015 erfuhren wir von einem damaligen Kommandanten diesmal der bewaffneten kurdischen Streitkräfte, welche «Lösung» für Syrien vorgesehen sei: Die Aufspaltung in einen sunnitischen, einen schiitischen, ein alevitischen und einen kurdischen Staat. Die Vierteilung Syriens also. Diese üblen Fantasien decken sich mit denen eines Benjamin Netanjahu und seinem Träumen von einem «Grossisrael»: Wo könnten die zionistischen Truppen müheloser voranschreiten als in einem zerrissenen und weitgehend zerstörten Syrien?
Erinnert sich noch jemand an den US General a.D. Wesley Clark? Clark erklärte in TV Interview mit der Moderatorin Amy Goodman dass die USA (sehr zu Clarks Erstaunen) planten innerhalb von 5 Jahren 7 Länder auszuschalten und zwar Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und Iran. (7) Zugegeben: In der Reihenfolge und im Zeitplan haben sie sich etwas vertan. Aber weshalb soll es den geringsten Zweifel daran geben, dass der Iran das nächste Opfer auf der Liste sein wird? Um so erstaunlicher, dass sich die iranische Regierung so zurück hält!
Keine Spekulation sondern eine Tatsache ist, dass das eigentliche Problem mindestens seit 1948 «Israel» heisst. «Israel» ist das was als der Elefant im Raum bezeichnet kann. Während zum Beispiel zur Zeit da dieser Artikel verfasst wird, das Schweizer Parlament darüber diskutiert ob die Organisationen Hamas und Hisbollah auf der Terrorliste des Schweizer Staates landen sollen, gelten noch immer alle, die «Israel» fundamental kritisieren als «Antisemiten». Wohlverstanden: Dies nach den Massakern im Gazastreifen, nachdem weltweit das Vorgehen der «israelischen» Armee als Genozid gebrandmarkt wird. Es ist «Israel» und immer wieder «Israel» welches in der Region Probleme schafft. Israel überfällt mit dem heuchlerischen Argument «Selbstverteidigung» immer wieder seine Nachbarn. «Israel» steckt gemeinsam mit den USA und der Türkei ganz offensichtlich hinter dem Putsch in Damaskus. Und zu guter Letzt: «Israel» besetzt neu syrisches Gebiet und steht nun mit seinen Bewaffneten erneut in der Provinz Qunaitra und beruft sich auch hier heuchlerisch auf sein «Recht auf Selbstverteidigung».
Wie weiter?
Diese Frage ist nicht zu beantworten, ohne das wir uns vollends in Spekulationen verlieren. Natürlich stehen die Pläne eines «Großisrael» und daran anschließend eines «Grosskurdistan» für alle gut sichtbar im Raum. Allein dies garantiert jedoch noch lange nicht das Gelingen dieser üblen Pläne. Gewiss ist: Das Syrien welches wir kannten und das wir oben unter der Überschrift «Gedankensplitter» skizziert haben, existiert nicht mehr. Mit welchem Syrien wir in Zukunft werden rechnen können ist völlig offen. Selbstverständlich ist es möglich, dass die geplante Teilung, die geplante weitere Landnahme «Israels» und die geplante Staatsgründung von «Kurdistan» zustande kommen. Wahrscheinlicher jedoch ist das Scheitern dieser Pläne aus dem einfachen Grund, weil Unterdrückung immer und zu allen Zeiten Widerstand hervorruft. Vermutlich wird es kurz- und mittelfristig zu einer Pattsituation kommen. Dies wird jedoch kaum von langer Dauer sein. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass der künftige syrische Staat gemäß den Wünschen des Westens, bzw. gemäss den Wünschen «Israels» politisiert. Genau das jedoch wird zu einem Problem werden: Solange «Israel» seine Aggressionspolitik gegenüber seinen Nachbarn allen voran natürlich gegenüber Palästina beibehält – wie bitteschön soll so ein nachhaltiger Frieden zustande kommen? An dieser Stelle sei an das weiter oben zitierte Wort von Tim Anderson erinnert: «Das syrische Volk wird eine Al-Qaida Regierung nicht lange dulden». Die Putschisten wären gut beraten, sich das zu merken und dementsprechend zu handeln. Dies wäre eine Möglichkeit wie das multikulturelle, multireligiöse und multiethnische Syrien wieder entstehen könnte wie der Phönix aus der Asche. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Fußnoten:
1 Siehe dazu: «Der verschwiegene Krieg – Sanktionen, Embargos, Blockaden», Heizmann, TuP Verlag Hamburg
2 Hier kann durchaus ein Vergleich zum Irak gezogen werden: Auch der Irak wurde durch eine jahrelange Blockade sturmreif gemacht, dann folgten die Angriffe.
3 https://strategic-culture.su/news/2024/12/04/the-syria-riddle-how-it-may-turn-into-the-first-brics-war/ (letzter Zugriff Dezember 2024)
4 Tim Anderson ist ein australischer Politwissenschaftler, Aktivist und Schriftsteller. Besonders empfohlen sei sein Buch «Tim Anderson: Der schmutzige Krieg gegen Syrien. Washington, Regime Change und Widerstand, Liepsen Verlag, Marburg. Das obige Zitat stammt aus einer Email Korrespondenz zwischen Tim Anderson und dem Autor.
5 Siehe dazu https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-09/nahostkonflikt-benjamin-netanjahu-israelpalaestinenser-un-vollversammlung-kritik (Letzter Zugriff Dezember 2024)
6 Abu Muhammad al-Dschaulani oder Dscholani ist übrigens ein Kampfname, der von den Mainstream Medien übernommen wird. Der richtige Name ist Ahmad Husain asch-Schar’a. Im Jahr 2006 wurde Ahmad Husain asch-Schar’a alias al-Dschaulani von US-amerikanischen Soldaten festgenommen und über fünf Jahre lang in verschiedenen US Militärgefängnissen inhaftiert. Auch darüber mag spekuliert werden: Was ist mit einem Menschen geschehen, der 5 Jahre lang mutmaßlicher US Folter ausgesetzt war und der danach freikommt? Wurde er umgedreht?
7 «We’re going to take out seven countries in five years, starting with Iraq, and then Syria, Lebanon, Libya, Somalia, Sudan and, finishing off, Iran.» https://genius.com/General-wesley-clark-seven-countries-in-fiveyears-annotated (Letzter Zugriff Dezember 2024)
Online-Flyer Nr. 840 vom 14.12.2024