SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Globales
Die Angriffsziele des Imperialismus
Ist Ägypten ein bedrohtes Land? Falls ja, weshalb?
Von Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)
Imperialismus und Zionismus sind einander verwandte, gar identische, friedensunfähige Ideologien. Krieg, Landraub, und Zerstörung sind die Geschäftsgrundlagen mit denen Imperialisten und Zionisten global gegen die Völker vorgehen. Verschärft manifestiert sich diese Aggression in der arabischen Welt: Libyen, Irak, Syrien, Libanon und immer wieder Palästina sind die Stationen der transatlantischen Beutezüge. In aufgeklärten politischen Kreisen wird gegenwärtig darüber diskutiert, welches Land der Region wohl als nächstes auf der Agenda der US / NATO und «Israel» Aggressionen stehen mag. Gewiss: Die tagespolitischen Ereignisse rund um die beiden Clowns in Washington und und Kiew scheinen alles andere zu überschatten. Trotzdem – oder deswegen lohnt es sich, einen Blick auf die zur Zeit scheinbar weniger exponierten Länder zu werfen: Die zionistischen Ambitionen sind formuliert und könnten nicht klarer formuliert werden: Ziel ist die Errichtung eines «Eretz Israel», die an den palästinensischen Solidaritätsdemonstrationen verpönte Parole «From the river to sea...» reklamiert «Israel» für sich:

Quelle: https://www.ahavat-israel.com/eretz/future (Letzter Zugriff März 2025)
Dies ist lediglich eine Facette der zionistischen Aggressionsgelüste, die völlig offen und unverhohlen kommuniziert werden. So zeigte Netanjahu sowohl vor dem US-Kongress, als auch vor der UN-Vollversammlung eine ähnliche Karte, wie er sich die künftige Ausdehnung «Israels» vorstellt. (1)
Um die Antwort auf unsere Frage vorwegzunehmen: Ja, Ägypten ist bedroht. Bedroht wie jedes Land in der Nachbarschaft der Zionisten, die Frage ist lediglich in welchem Ausmass.
Die jüngere Geschichte
Die jahrtausendealte Geschichte Ägyptens kann hier nicht mal ansatzweise gezeigt werden. Die Literatur dazu ist vielfältig und divers. Für unsere Fragestellung wollen wir uns auf die Zeit ab 1952 beschränken, der Zeit als die Freien Offiziere unter Gamal Abdel Nasser König Faruk, einen Herrscher von Großbritanniens Gnaden, stürzten. Unter der Regierung der Freien Offiziere entwickelte sich Ägypten zu einer regionalen Großmacht und zu einer unumstrittenen Führungsmacht innerhalb der arabischen Welt. Nicht vernachlässigen dürfen wir die globale Rolle, die Ägypten spielte: Gemeinsam mit Jugoslawien (Jossip Broz [Tito]), Indien (Jawaharlal Nehru) und Indonesien (Sukarno) gehörte Ägypten unter Gamal Abdel Nasser zu den Gründerstaaten der Bewegung der blockfreien Staaten. (2) Hinzu kam, dass die ägyptische Revolution unter den jungen Offizieren die Befreiungsbewegungen weltweit inspirierte. (3)
Dies änderte sich abrupt mit dem Tod Nassers am 28. September 1970. Offizielle Todesursache war ein Herzinfarkt. Gerüchte, dass der Präsident vergiftet wurde, halten sich bis heute hartnäckig.
Der Beginn des Verrats
Auf Nasser folgte Anwar AS Sadat. Sadat löste 1973 löste Ägypten aus der engen Bindung mit der Sowjetunion und schloss 1979 einen Separatfrieden mit «Israel». Dies war ein Tabubruch, welcher unter anderem zwei Dinge zur Folge hatte: 1. wurde Ägypten innerhalb der arabischen Welt nicht mehr als Führungsmacht akzeptiert und 2. war nun der Konsens, dass die arabische Welt, bzw. die in der arabischen Liga vereinten Länder mit einer Stimme sprechen, gebrochen. Damit öffnete Sadat der zionistischen Infiltrierung der dafür empfänglichen arabischen Länder Tür und Tor. Vor allem die Öl-Oligarchien am Golf waren und sind gegenüber der imperialistischen Penetration offen und verhindern so eine gemeinsame arabische Front gegen Zionismus und Imperialismus. Mit Ägypten als starker Führungskraft sprachen die arabischen Staaten, vereint innerhalb der arabischen Liga noch mit einer Stimme. Am 6. Oktober 1981 wurde Anwar as-Sadat bei einer Militärparade von einem Leutnant der Armee, Chalid Islambuli .erschossen. Der neben Sadat stehende Vizepräsident Hosni Mubarak wurde verletzt. Übereinstimmenden Berichten zufolge handelte Islambuli aus vorwiegend «religiösen Motiven» heraus; Sadat hatte die Muslimbrüder in Ägypten verfolgen lassen.
Hosni Mubarak, der auf Sadat folgte, setzte die Appeasement-Politik seines Vorgängers gegenüber den USA und gegenüber «Israel» weitgehend fort. Die Nachteile liegen auf der Hand: Die staatliche Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand wurde – anders als unter Gamal Abdel Nasser – auf das absolut notwendige Minimum reduziert. Die Führungsrolle Ägyptens wurde nicht wiederhergestellt. Das ägyptische Volk – zu 100% solidarisch mit der Sache Palästinas – verfolgte Mubaraks Politik während all der Jahre skeptisch bis ablehnend.
Die Ereignisse des so genannten «arabischen Frühlings», welche nicht nur Mubaraks Rücktritt erzwangen sondern die gesamte Region ins Chaos stürzten, sind noch nicht lückenlos aufgearbeitet. Klar ist jedoch: Der Einfluss von Aussen, namentlich von den USA auf die Ereignisse des «arabischen Frühlings» kann kaum mehr bestritten werden.
Einmischung der USA
Besonders die damalige Außenministerin Hilary Clinton tat sich hervor: Sie forderte nach dem Sturz Mubaraks nicht nur «sofortige Wahlen», sondern sie verlangte insbesondere vom Militär «sich nun zurück zu halten». (4) Dies widersprach den Forderungen, welche die Menschen des Tahirplatzes, die Mubarak ja schließlich gestürzt hatten diametral: Sie forderten eine Interimsregierung, bestehend aus Militärs und Experten. Diese sollten das Land fünf Jahre lang führen und danach erst sollte es Wahlen geben. Der Grund dafür ein einfacher: Außer der Regierungspartei von Mubarak und den Muslimbrüdern gab es keine Partei oder Organisation in Ägypten, welch über die notwendigen Strukturen verfügte um überhaupt einen Wahlkampf führen zu können. Die geforderte fünfjährige Interimsregierung sollte also dazu dienen diese Strukturen zu schaffen.
Es sollte anders kommen, die Forderungen der USA und ihrer transatlantischen Verbündeten wurden erfüllt und im Juni 2012 wurde gewählt. Es gab einen Kandidaten von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei - Ahmed Schafik, einem Offizier – und Mohammed Mursi, einem Parteigänger der Muslimbruderschaft. Zwar trat er als Kandidat der «Freiheits- und Gerechtigkeitspartei» an, diese war jedoch von den Muslimbrüdern gegründet worden und Mursi machte auch nie ein Hehl daraus, dass er sich zu den Muslimbrüdern zählte.
Ein Militärputsch?
Wenn die Regierungen von Sadat und Mubarak schlecht für das ägyptische Volk waren, dann war die (relativ kurze) Herrschaft von Mohammed Mursi eine Katastrophe. Sowohl Sadat als auch Mubarak erfüllten zwar weitgehend die Wünsche der Zionisten, der Weltbank und dem IWF, das war natürlich schlimm genug. Innenpolitisch gelang es jedoch sowohl Sadat als auch Mubarak einigermaßen die Stabilität des Landes zu sichern. Dies indem sie gezielt die Minderheiten, wie zum Beispiel die Kopten einbezogen. Ähnlich wie im Nachbarland Syrien gab es keine religiösen oder ethnischen Konflikte. Wenn es zu Konflikten kam, dann entwickelten sich diese entlang der ägyptischen Außenpolitik insbesondere entlang der Palästina Politik und wurden mit entsprechender Repression geahndet.
Nicht so unter Präsident Mursi. Er, der von sich selbst gerne behauptete, er sei der «erste in freien Wahlen gewählte Präsident Ägyptens», tat buchstäblich alles um das Land zu spalten. Um ein Haar wäre ihm, bzw. seinen Hintermännern, diese Spaltung auch gelungen. Die Liste von Mursis Verfehlungen ist lang. So äußerte er zum Beispiel öffentlich, er könne sich vorstellen, die Sinai Halbinsel an «Israel» zu verpachten, natürlich mit dem Ziel einer Deportation des palästinensischen Volkes nach dem Sinai. (Eine Idee, die Trump und Konsorten heute als «Neuheit» präsentieren). Mursi vertrat stets die Partikularinteressen der Muslimbruderschaft, niemals die Interessen der Minderheiten, so wie es seine Vorgänger taten, so wie es die Aufgabe eines Präsidenten ist. Dies führte schließlich auch zu seinem Sturz: Mursi war bei einem Freitagsgebet zugegen, als ein Imam der Muslimbruderschaft darauf beharrte, «Ägypten sei in islamisches Land». Für Kopten und Juden, so der Prediger weiter, könne es in Ägypten keinen Platz geben. Dies widersprach der Politik Kairos diametral. Hier hätte Mursi eingreifen müssen oder wenigstens hätte er als Präsident von ganz Ägypten handeln müssen. Als solcher hätte er darauf hinweisen müssen, dass diese reaktionäre Haltung zwar die Meinung der Muslimbruderschaft widerspiegele, jedoch keinesfalls die Politik der ägyptischen Regierung. Das tat er nicht. In der Folge kam es zu heftigen Protesten, welche die westlichen Medien weitgehend ignorierten. Am 3. Juli 2013 wurde Mursi nach tagelangen Massenprotesten gegen seine Politik durch einen Militärputsch abgesetzt und inhaftiert. Ob es sich dabei in der Tat um einen Militärputsch handelte, muss mit einem Fragezeichen versehen werden. Nicht nur in der arabischen Welt wird (auch) die Meinung vertreten, Abd al-Fattah as-Sisi habe durch den «Militärputsch» eigentlich Mursis Leben gerettet, andernfalls wäre er nämlich von der wütenden Menge gelyncht worden.
Der grosse Demokratie Schwindel
2013 wurde Mursi vom Oberbefehlshaber der Armee, Abd al-Fattah as-Sisi gestürzt. Ab 2014 übernahm as-Sisi offiziell das Präsidentenamt. Im Jahr 2023 ließ er sich, nach einer Verfassungsänderung für eine dritte Amtszeit wählen. Mindestens auf dem Papier ist as-Sisi also ein demokratisch gewählter Präsident. Was bedeutet das in der Praxis? Genau gar nichts! Die Liste von wirklich demokratisch gewählten Staatsoberhäuptern ist lang. Ebenso die Liste derer, die zwar demokratisch gewählt, aber dennoch gestürzt wurden, weil sie nicht den Kriterien der transatlantischen Allianz entsprachen. Erwähnt seien als Beispiele Salvator Allende, (Chile), Jacobo Árbenz Guzmán (Guatemala), Mohammad Mossadegh (Iran) oder Bashar al Assad (Syrien). Ihnen gegenüber steht eine lange Liste von Diktatoren und Autokraten, die mit den westlichen Machthabern beste politische, wirtschaftliche und militärische Beziehungen pflegen. «Demokratie» als Garant dafür zu sehen, dass sich ein Land sicher fühlen kann von der so genannten «freien Welt» und deren Armeen nicht angegriffen wird, ist also auf jeden ein tragischer Irrtum.
Ohnehin werden die demokratischen Spielregeln in den verschieden Länder jeweils anders interpretiert. Während es in Europa möglich ist, dass mittels einer demokratischen Entscheidung rechtsradikale, gar faschistische Parteien an die Macht kommen, werden in der arabischen Welt die demokratischen Entscheidungen vielerorts auf den Strassen ausgetragen. Massenproteste tragen viel dazu bei die jeweiligen Regierungen in die Richtungen zu drängen, in die das Volk will: Vor allem die mindestens nach außen getragene anti-zionistische Haltung aller arabischen Regierungen ist diesem Volkswillen geschuldet. Kommt hinzu, dass diese «demokratischen Gepflogenheiten» ein vom Westen indoktrinierter Prozess sind. Wahlen außerhalb der USA und außerhalb Europas werden verlangt, jedoch nur solange geduldet, wie die dem Westen genehmen, sprich hörigen Kandidaten die Wahl gewinnen. Ist dies nicht der Fall, ist sehr schnell von «Manipulation» und von «Wahlbetrug» die Rede. Beispiele dafür liefern uns Venezuela (Nicolás MaduroI, Russland (Wladimir Putin) und einmal mehr Syrien (Bashar al Assad).
Divide et impera
Manchmal ist ein Blick in die berüchtigte Wikipedia eben doch nützlich und sei es nur um uns schon Bekanntes in Erinnerung zu rufen: Zitat: «Divide et impera (lateinisch für „teile und herrsche“) ist eine Redewendung. Sie empfiehlt, eine zu besiegende oder zu beherrschende Gruppe in Untergruppen mit einander widerstrebenden Interessen aufzuspalten. Dadurch soll erreicht werden, dass die Teilgruppen sich gegeneinander wenden, statt sich als Gruppe vereint gegen den gemeinsamen Feind zu stellen.» Zitat Ende
Genau das tun Imperialismus und Zionismus mit großem Engagement und leider auch mit einem Erfolg, der nicht geleugnet werden kann. Erinnern wir uns: Unter der Regierung von Gamal Abdel Nasser war nicht nur Ägypten vereint, sondern weitgehend auch die gesamte arabische Welt. Die Liga der arabischen Staaten war nicht nur ein regionaler, sondern ein globaler Machtfaktor mit dem die Herrschenden rechnen mussten. Bereits mit dem Sykes-Picot Abkommen (16. Mai 1916) (5) wurde die Fragmentierung der arabischen Welt beschlossen. Nassers Politik der arabischen Einheit gab dem Gegensteuer. Nach Nasser Tod hatte dies ein (vorläufiges) Ende, es folgte die erneute Zerteilung arabischen Staaten.
Wenn wir die gegenwärtig Politik im arabischen Raum realistisch beurteilen wollen, dann müssen wir uns immer vor Augen halten, dass die neo-kolonialen Mächte, namentlich «Israel», die USA und die NATO Mächte ihre angeblichen Interessen in der Region mit allen Mitteln die ihnen zur Verfügung stehen verteidigen werden. Insofern muss sowohl die Innen- als auch die Aussenpolitik dieser Länder in diesem Kontext analysiert und beurteilt werden. Bezogen auf Ägypten bedeutet dies: Selbstverständlich handelt es sich um berechtigte Kritik, wenn wir der Regierung von Abd al-Fattah as-Sisi Vorwürfe machen: Die Zusammenarbeit mit den USA ist ein Fehler. Die Appeasement-Politik gegenüber «Israel» von seinen Vorgängern übernommen und nicht korrigiert ist ein Fehler. Die mangelnde Zusammenarbeit mit anderen bedrohten arabischen Ländern, namentlich Syrien ist ein Fehler. Die nicht ausreichende Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand ist ein Fehler. Wenn wir all diese Fehler zum Anlass nehmen, den Sturz der Regierung von Kairo zu fordern, dann geschieht zweierlei: Erstens massen wir uns an etwas zu fordern was einzig und allein dem ägyptischen Volk zusteht, niemandem sonst! Zweitens, und das ist möglicherweise noch viel wichtiger: Wir besorgen, bewusst oder unbewusst, das Geschäft der Imperialisten und der Zionisten, wir tragen zu einer Spaltung bei, die nur und ausschließlich dem Zionismus und dem Imperialismus nutzen kann.
Der Gegner sind nicht die angegriffenen Regierungen
...Und der Gegner, das muss klar sein, sind nicht die Regierungen der angegriffenen Länder. Nicht in Kairo, nicht in Bagdad, nicht in Teheran, nicht in Damaskus und auch nicht in Moskau. Wo immer mit Hilfe der aggressiven transatlantischen Politik ein Regierungswechsel stattgefunden hat, haben sich die Ereignisse für die betroffenen Völker massiv verschlimmert, nicht verbessert. Hinzugefügt werden muss auch: Keine Regierung in einem angegriffenen Land ist so schrecklich und menschenverachtend wie es ein Angriffskrieg des Imperialismus ist.
Gehen wir mal – rein hypothetisch – davon aus, dass die Propagandabehauptungen der imperialistischen Medien gegen die von ihnen angegriffenen Regierungen der Wahrheit entsprechen: Die Regierung, die gestützt werden soll befindet sich nicht im luftleeren Raum. Findet dann tatsächlich ein Umsturz statt, entsteht jedoch ein Vakuum und in die zionistischen und imperialistischen Mächte werden sie beeilen, dieses Vakuum mit Chaos aufzufüllen.Wir kommen nicht in Verlegenheit, wenn wir diese Behauptung mit Fallbeispielen belegen sollen: Präsident Saddam Hussein wurde von einen Femegericht ermordet, der Irak versank im Chaos. Oberst Muamar al Gaddafi wurde gestürzt, bzw. bestialisch gelyncht und Libyen versank im Chaos. Präsident Bashar al Assad wurde vertrieben, Syrien versinkt im Chaos, der Anführer einer islamischen Terrorgruppe spielt sich jetzt als Staatsoberhaupt auf. All diese Beispiele, mehr könnten hinzugefügt werden, zeigen: Sobald sich die transatlantischen Mächte am Umsturz eines Staatsoberhauptes beteiligen tritt das Schlimmste ein.
Ja, Ägypten ist ein akut bedrohtes Land!
Was uns zu unserer Eingangsfrage zurückführt: Ja, Ägypten ist akut bedroht, aber weshalb ist das so? Man mag nun einwenden, dass Präsident Sisi alles in seiner Macht stehende tut, um das Schicksal welches Irak, Libyen, Syrien und immer wieder Palästina erleiden abzuwenden. Kooperation mit den USA gehört ebenso in das Repertoire der ägyptischen Regierung wie der Kauf von Waffen bei den USA, wenn auch in letzter Zeit vermehrt in Russland eingekauft wird. Wie auch immer, die Regierung von Kairo lässt keine Gelegenheit aus, zu beweisen, dass sie einen friedlichen Weg sucht um mit dem westlichen Aggressionspotential und vor allem mit dem «israelischen» Aggressionspotential adäquat umzugehen. Die Frage ist, wie lange ihr das noch gelingen wird und viel wichtiger: Ob es überhaupt von Nutzen ist, Friedfertigkeit an den Tag zu legen? Die oben genannten Beispiele zeigen, dass es keinen Grund braucht um einen Angriff auszulösen. Menschenrechtsverletzungen, Foltervorwürfe, mangelnde Demokratie sind der Gründe genug, die leicht konstruiert und von der hörigen Presse gerne kolportiert werden. Die europäische Linke scheint darauf immer wieder herein zu fallen, vor allem wenn sich unter den Anklägern «Dissidente» aus dem Land zu Wort melden, die einen Regierungswechsel um jeden Preis befürworten. Zum Beispiel Hossam el-Hamalawy, der unter dem Nickname «3arabawy» mehrere soziale Medien bedient. (6) In einem Flyer, welcher anlässlich einer Veranstaltung von ihm in Basel auflag, gibt el-Hamalawy die folgenden Ratschläge für Menschen, die aktiv werden wollen (Original in englischer Sprache, Übersetzung mh):
Die Frage, ob solche «Ratschläge» (O-Ton: «I urge you to campaign against the Egypt regime!») (7) dazu dienen sollen, Ägypten im Bewusstsein der europäischen Linken sturmreif für einen Angriffskrieg zu machen, beantwortet sich somit wohl von selbst.
Den Gegner erkennen
Auf welcher Seite der Barrikade Hamalawy und Konsorten stehen dürfte ebenfalls klar sein. Die Gegner, welche den Frieden, die soziale Gerechtigkeit, mit einem Wort, uns alle bedrohen und angreifen sind klar als Angreifer erkennbar: Nicht die Sisis, Assads oder Gaddafis dieser Welt bedrohen uns. Es sind die Exponenten der NATO, es sind die Kolonial- und Neo-Kolonial Herren, die sich nicht damit abfinden können, dass ihre Welt eine nekrophile Welt ist, die abgewirtschaftet hat und die endgültig auf dem Misthaufen der Geschichte entsorgt gehört. Selbst in ihren eigenen Reihen erkennen einige von ihnen mittlerweile, dass es so nicht weitergehen kann, dass die rassistischen Systeme der USA, Israels und der EU am Ende sind. Das System, welches wir kennen und in dem die Meisten von uns leben ist am Ende. Che Guevara nannte dieses System, «das Herz der Bestie». Und genau hier, im Herzen der Bestie erkennen einige der der früheren Protagonisten des Systems dessen Zerfall und sie versuchen das Steuer in letzter Sekunde herum zu reißen. Einer von ihnen ist der ehemalige US General Douglas Macgregor. In einem seiner Videos äußert Macgregor die Befürchtung, dass die Politik Netanjahus die arabischen Staaten, namentlich Ägypten, in einen Krieg zwingen wird, einen Krieg, der einen regionalen, ja globalen Krieg auslösen könnte. (8) Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass uns ein ex General eine anti Kriegs Analyse liefert, während so genannt linke Journalisten versuchen, uns eine Kampagne gegen den ägyptischen Präsidenten beliebt zu machen.
Fußnoten:
1 https://www.timesofisrael.com/in-un-speech-saudi-fm-urges-formation-of-palestinian-state-doesntmention-israel/ (Letzter Zugriff März 2025)
2 Siehe dazu auch: «Die Konferenz von Bandung» in NRhZ Flyer 804
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28397 (Letzter Zugriff März 2025)
3 Siehe dazu: Karam Khella: «Ägypten und Revolution»TuP Verlag Hamburg, 2011
4 https://www.zeit.de/politik/ausland/2012-07/aegypten-usa-clinton (Letzter Zugriff März 2025)
5 Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Grossbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessengebiete im arabischen Raum nach der erwarteten Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt wurden. Die arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches wurden in vier permanente Einflusszonen aufgeteilt. Die bolschewistische Revolution öffnete die Geheimarchive des gestürzten Zaren und machte das Geheimabkommen öffentlich.
6 Zum Beispiel auf Youtube: https://www.youtube.com/3arabawy (letzter Zugriff März 2025)
7 «Ich fordere euch dazu auf, eine Kampagne gegen das ägyptische Regime zu führen!»
8 https://www.youtube.com/watch?v=m2ewAfmkKUw (Letzter Zugriff März 2025)
Online-Flyer Nr. 845 vom 17.04.2025
Die Angriffsziele des Imperialismus
Ist Ägypten ein bedrohtes Land? Falls ja, weshalb?
Von Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)


Quelle: https://www.ahavat-israel.com/eretz/future (Letzter Zugriff März 2025)
Dies ist lediglich eine Facette der zionistischen Aggressionsgelüste, die völlig offen und unverhohlen kommuniziert werden. So zeigte Netanjahu sowohl vor dem US-Kongress, als auch vor der UN-Vollversammlung eine ähnliche Karte, wie er sich die künftige Ausdehnung «Israels» vorstellt. (1)
Um die Antwort auf unsere Frage vorwegzunehmen: Ja, Ägypten ist bedroht. Bedroht wie jedes Land in der Nachbarschaft der Zionisten, die Frage ist lediglich in welchem Ausmass.
Die jüngere Geschichte
Die jahrtausendealte Geschichte Ägyptens kann hier nicht mal ansatzweise gezeigt werden. Die Literatur dazu ist vielfältig und divers. Für unsere Fragestellung wollen wir uns auf die Zeit ab 1952 beschränken, der Zeit als die Freien Offiziere unter Gamal Abdel Nasser König Faruk, einen Herrscher von Großbritanniens Gnaden, stürzten. Unter der Regierung der Freien Offiziere entwickelte sich Ägypten zu einer regionalen Großmacht und zu einer unumstrittenen Führungsmacht innerhalb der arabischen Welt. Nicht vernachlässigen dürfen wir die globale Rolle, die Ägypten spielte: Gemeinsam mit Jugoslawien (Jossip Broz [Tito]), Indien (Jawaharlal Nehru) und Indonesien (Sukarno) gehörte Ägypten unter Gamal Abdel Nasser zu den Gründerstaaten der Bewegung der blockfreien Staaten. (2) Hinzu kam, dass die ägyptische Revolution unter den jungen Offizieren die Befreiungsbewegungen weltweit inspirierte. (3)
Dies änderte sich abrupt mit dem Tod Nassers am 28. September 1970. Offizielle Todesursache war ein Herzinfarkt. Gerüchte, dass der Präsident vergiftet wurde, halten sich bis heute hartnäckig.
Der Beginn des Verrats
Auf Nasser folgte Anwar AS Sadat. Sadat löste 1973 löste Ägypten aus der engen Bindung mit der Sowjetunion und schloss 1979 einen Separatfrieden mit «Israel». Dies war ein Tabubruch, welcher unter anderem zwei Dinge zur Folge hatte: 1. wurde Ägypten innerhalb der arabischen Welt nicht mehr als Führungsmacht akzeptiert und 2. war nun der Konsens, dass die arabische Welt, bzw. die in der arabischen Liga vereinten Länder mit einer Stimme sprechen, gebrochen. Damit öffnete Sadat der zionistischen Infiltrierung der dafür empfänglichen arabischen Länder Tür und Tor. Vor allem die Öl-Oligarchien am Golf waren und sind gegenüber der imperialistischen Penetration offen und verhindern so eine gemeinsame arabische Front gegen Zionismus und Imperialismus. Mit Ägypten als starker Führungskraft sprachen die arabischen Staaten, vereint innerhalb der arabischen Liga noch mit einer Stimme. Am 6. Oktober 1981 wurde Anwar as-Sadat bei einer Militärparade von einem Leutnant der Armee, Chalid Islambuli .erschossen. Der neben Sadat stehende Vizepräsident Hosni Mubarak wurde verletzt. Übereinstimmenden Berichten zufolge handelte Islambuli aus vorwiegend «religiösen Motiven» heraus; Sadat hatte die Muslimbrüder in Ägypten verfolgen lassen.
Hosni Mubarak, der auf Sadat folgte, setzte die Appeasement-Politik seines Vorgängers gegenüber den USA und gegenüber «Israel» weitgehend fort. Die Nachteile liegen auf der Hand: Die staatliche Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand wurde – anders als unter Gamal Abdel Nasser – auf das absolut notwendige Minimum reduziert. Die Führungsrolle Ägyptens wurde nicht wiederhergestellt. Das ägyptische Volk – zu 100% solidarisch mit der Sache Palästinas – verfolgte Mubaraks Politik während all der Jahre skeptisch bis ablehnend.
Die Ereignisse des so genannten «arabischen Frühlings», welche nicht nur Mubaraks Rücktritt erzwangen sondern die gesamte Region ins Chaos stürzten, sind noch nicht lückenlos aufgearbeitet. Klar ist jedoch: Der Einfluss von Aussen, namentlich von den USA auf die Ereignisse des «arabischen Frühlings» kann kaum mehr bestritten werden.
Einmischung der USA
Besonders die damalige Außenministerin Hilary Clinton tat sich hervor: Sie forderte nach dem Sturz Mubaraks nicht nur «sofortige Wahlen», sondern sie verlangte insbesondere vom Militär «sich nun zurück zu halten». (4) Dies widersprach den Forderungen, welche die Menschen des Tahirplatzes, die Mubarak ja schließlich gestürzt hatten diametral: Sie forderten eine Interimsregierung, bestehend aus Militärs und Experten. Diese sollten das Land fünf Jahre lang führen und danach erst sollte es Wahlen geben. Der Grund dafür ein einfacher: Außer der Regierungspartei von Mubarak und den Muslimbrüdern gab es keine Partei oder Organisation in Ägypten, welch über die notwendigen Strukturen verfügte um überhaupt einen Wahlkampf führen zu können. Die geforderte fünfjährige Interimsregierung sollte also dazu dienen diese Strukturen zu schaffen.
Es sollte anders kommen, die Forderungen der USA und ihrer transatlantischen Verbündeten wurden erfüllt und im Juni 2012 wurde gewählt. Es gab einen Kandidaten von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei - Ahmed Schafik, einem Offizier – und Mohammed Mursi, einem Parteigänger der Muslimbruderschaft. Zwar trat er als Kandidat der «Freiheits- und Gerechtigkeitspartei» an, diese war jedoch von den Muslimbrüdern gegründet worden und Mursi machte auch nie ein Hehl daraus, dass er sich zu den Muslimbrüdern zählte.
Ein Militärputsch?
Wenn die Regierungen von Sadat und Mubarak schlecht für das ägyptische Volk waren, dann war die (relativ kurze) Herrschaft von Mohammed Mursi eine Katastrophe. Sowohl Sadat als auch Mubarak erfüllten zwar weitgehend die Wünsche der Zionisten, der Weltbank und dem IWF, das war natürlich schlimm genug. Innenpolitisch gelang es jedoch sowohl Sadat als auch Mubarak einigermaßen die Stabilität des Landes zu sichern. Dies indem sie gezielt die Minderheiten, wie zum Beispiel die Kopten einbezogen. Ähnlich wie im Nachbarland Syrien gab es keine religiösen oder ethnischen Konflikte. Wenn es zu Konflikten kam, dann entwickelten sich diese entlang der ägyptischen Außenpolitik insbesondere entlang der Palästina Politik und wurden mit entsprechender Repression geahndet.
Nicht so unter Präsident Mursi. Er, der von sich selbst gerne behauptete, er sei der «erste in freien Wahlen gewählte Präsident Ägyptens», tat buchstäblich alles um das Land zu spalten. Um ein Haar wäre ihm, bzw. seinen Hintermännern, diese Spaltung auch gelungen. Die Liste von Mursis Verfehlungen ist lang. So äußerte er zum Beispiel öffentlich, er könne sich vorstellen, die Sinai Halbinsel an «Israel» zu verpachten, natürlich mit dem Ziel einer Deportation des palästinensischen Volkes nach dem Sinai. (Eine Idee, die Trump und Konsorten heute als «Neuheit» präsentieren). Mursi vertrat stets die Partikularinteressen der Muslimbruderschaft, niemals die Interessen der Minderheiten, so wie es seine Vorgänger taten, so wie es die Aufgabe eines Präsidenten ist. Dies führte schließlich auch zu seinem Sturz: Mursi war bei einem Freitagsgebet zugegen, als ein Imam der Muslimbruderschaft darauf beharrte, «Ägypten sei in islamisches Land». Für Kopten und Juden, so der Prediger weiter, könne es in Ägypten keinen Platz geben. Dies widersprach der Politik Kairos diametral. Hier hätte Mursi eingreifen müssen oder wenigstens hätte er als Präsident von ganz Ägypten handeln müssen. Als solcher hätte er darauf hinweisen müssen, dass diese reaktionäre Haltung zwar die Meinung der Muslimbruderschaft widerspiegele, jedoch keinesfalls die Politik der ägyptischen Regierung. Das tat er nicht. In der Folge kam es zu heftigen Protesten, welche die westlichen Medien weitgehend ignorierten. Am 3. Juli 2013 wurde Mursi nach tagelangen Massenprotesten gegen seine Politik durch einen Militärputsch abgesetzt und inhaftiert. Ob es sich dabei in der Tat um einen Militärputsch handelte, muss mit einem Fragezeichen versehen werden. Nicht nur in der arabischen Welt wird (auch) die Meinung vertreten, Abd al-Fattah as-Sisi habe durch den «Militärputsch» eigentlich Mursis Leben gerettet, andernfalls wäre er nämlich von der wütenden Menge gelyncht worden.
Der grosse Demokratie Schwindel
2013 wurde Mursi vom Oberbefehlshaber der Armee, Abd al-Fattah as-Sisi gestürzt. Ab 2014 übernahm as-Sisi offiziell das Präsidentenamt. Im Jahr 2023 ließ er sich, nach einer Verfassungsänderung für eine dritte Amtszeit wählen. Mindestens auf dem Papier ist as-Sisi also ein demokratisch gewählter Präsident. Was bedeutet das in der Praxis? Genau gar nichts! Die Liste von wirklich demokratisch gewählten Staatsoberhäuptern ist lang. Ebenso die Liste derer, die zwar demokratisch gewählt, aber dennoch gestürzt wurden, weil sie nicht den Kriterien der transatlantischen Allianz entsprachen. Erwähnt seien als Beispiele Salvator Allende, (Chile), Jacobo Árbenz Guzmán (Guatemala), Mohammad Mossadegh (Iran) oder Bashar al Assad (Syrien). Ihnen gegenüber steht eine lange Liste von Diktatoren und Autokraten, die mit den westlichen Machthabern beste politische, wirtschaftliche und militärische Beziehungen pflegen. «Demokratie» als Garant dafür zu sehen, dass sich ein Land sicher fühlen kann von der so genannten «freien Welt» und deren Armeen nicht angegriffen wird, ist also auf jeden ein tragischer Irrtum.
Ohnehin werden die demokratischen Spielregeln in den verschieden Länder jeweils anders interpretiert. Während es in Europa möglich ist, dass mittels einer demokratischen Entscheidung rechtsradikale, gar faschistische Parteien an die Macht kommen, werden in der arabischen Welt die demokratischen Entscheidungen vielerorts auf den Strassen ausgetragen. Massenproteste tragen viel dazu bei die jeweiligen Regierungen in die Richtungen zu drängen, in die das Volk will: Vor allem die mindestens nach außen getragene anti-zionistische Haltung aller arabischen Regierungen ist diesem Volkswillen geschuldet. Kommt hinzu, dass diese «demokratischen Gepflogenheiten» ein vom Westen indoktrinierter Prozess sind. Wahlen außerhalb der USA und außerhalb Europas werden verlangt, jedoch nur solange geduldet, wie die dem Westen genehmen, sprich hörigen Kandidaten die Wahl gewinnen. Ist dies nicht der Fall, ist sehr schnell von «Manipulation» und von «Wahlbetrug» die Rede. Beispiele dafür liefern uns Venezuela (Nicolás MaduroI, Russland (Wladimir Putin) und einmal mehr Syrien (Bashar al Assad).
Divide et impera
Manchmal ist ein Blick in die berüchtigte Wikipedia eben doch nützlich und sei es nur um uns schon Bekanntes in Erinnerung zu rufen: Zitat: «Divide et impera (lateinisch für „teile und herrsche“) ist eine Redewendung. Sie empfiehlt, eine zu besiegende oder zu beherrschende Gruppe in Untergruppen mit einander widerstrebenden Interessen aufzuspalten. Dadurch soll erreicht werden, dass die Teilgruppen sich gegeneinander wenden, statt sich als Gruppe vereint gegen den gemeinsamen Feind zu stellen.» Zitat Ende
Genau das tun Imperialismus und Zionismus mit großem Engagement und leider auch mit einem Erfolg, der nicht geleugnet werden kann. Erinnern wir uns: Unter der Regierung von Gamal Abdel Nasser war nicht nur Ägypten vereint, sondern weitgehend auch die gesamte arabische Welt. Die Liga der arabischen Staaten war nicht nur ein regionaler, sondern ein globaler Machtfaktor mit dem die Herrschenden rechnen mussten. Bereits mit dem Sykes-Picot Abkommen (16. Mai 1916) (5) wurde die Fragmentierung der arabischen Welt beschlossen. Nassers Politik der arabischen Einheit gab dem Gegensteuer. Nach Nasser Tod hatte dies ein (vorläufiges) Ende, es folgte die erneute Zerteilung arabischen Staaten.
Wenn wir die gegenwärtig Politik im arabischen Raum realistisch beurteilen wollen, dann müssen wir uns immer vor Augen halten, dass die neo-kolonialen Mächte, namentlich «Israel», die USA und die NATO Mächte ihre angeblichen Interessen in der Region mit allen Mitteln die ihnen zur Verfügung stehen verteidigen werden. Insofern muss sowohl die Innen- als auch die Aussenpolitik dieser Länder in diesem Kontext analysiert und beurteilt werden. Bezogen auf Ägypten bedeutet dies: Selbstverständlich handelt es sich um berechtigte Kritik, wenn wir der Regierung von Abd al-Fattah as-Sisi Vorwürfe machen: Die Zusammenarbeit mit den USA ist ein Fehler. Die Appeasement-Politik gegenüber «Israel» von seinen Vorgängern übernommen und nicht korrigiert ist ein Fehler. Die mangelnde Zusammenarbeit mit anderen bedrohten arabischen Ländern, namentlich Syrien ist ein Fehler. Die nicht ausreichende Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand ist ein Fehler. Wenn wir all diese Fehler zum Anlass nehmen, den Sturz der Regierung von Kairo zu fordern, dann geschieht zweierlei: Erstens massen wir uns an etwas zu fordern was einzig und allein dem ägyptischen Volk zusteht, niemandem sonst! Zweitens, und das ist möglicherweise noch viel wichtiger: Wir besorgen, bewusst oder unbewusst, das Geschäft der Imperialisten und der Zionisten, wir tragen zu einer Spaltung bei, die nur und ausschließlich dem Zionismus und dem Imperialismus nutzen kann.
Der Gegner sind nicht die angegriffenen Regierungen
...Und der Gegner, das muss klar sein, sind nicht die Regierungen der angegriffenen Länder. Nicht in Kairo, nicht in Bagdad, nicht in Teheran, nicht in Damaskus und auch nicht in Moskau. Wo immer mit Hilfe der aggressiven transatlantischen Politik ein Regierungswechsel stattgefunden hat, haben sich die Ereignisse für die betroffenen Völker massiv verschlimmert, nicht verbessert. Hinzugefügt werden muss auch: Keine Regierung in einem angegriffenen Land ist so schrecklich und menschenverachtend wie es ein Angriffskrieg des Imperialismus ist.
Gehen wir mal – rein hypothetisch – davon aus, dass die Propagandabehauptungen der imperialistischen Medien gegen die von ihnen angegriffenen Regierungen der Wahrheit entsprechen: Die Regierung, die gestützt werden soll befindet sich nicht im luftleeren Raum. Findet dann tatsächlich ein Umsturz statt, entsteht jedoch ein Vakuum und in die zionistischen und imperialistischen Mächte werden sie beeilen, dieses Vakuum mit Chaos aufzufüllen.Wir kommen nicht in Verlegenheit, wenn wir diese Behauptung mit Fallbeispielen belegen sollen: Präsident Saddam Hussein wurde von einen Femegericht ermordet, der Irak versank im Chaos. Oberst Muamar al Gaddafi wurde gestürzt, bzw. bestialisch gelyncht und Libyen versank im Chaos. Präsident Bashar al Assad wurde vertrieben, Syrien versinkt im Chaos, der Anführer einer islamischen Terrorgruppe spielt sich jetzt als Staatsoberhaupt auf. All diese Beispiele, mehr könnten hinzugefügt werden, zeigen: Sobald sich die transatlantischen Mächte am Umsturz eines Staatsoberhauptes beteiligen tritt das Schlimmste ein.
Ja, Ägypten ist ein akut bedrohtes Land!
Was uns zu unserer Eingangsfrage zurückführt: Ja, Ägypten ist akut bedroht, aber weshalb ist das so? Man mag nun einwenden, dass Präsident Sisi alles in seiner Macht stehende tut, um das Schicksal welches Irak, Libyen, Syrien und immer wieder Palästina erleiden abzuwenden. Kooperation mit den USA gehört ebenso in das Repertoire der ägyptischen Regierung wie der Kauf von Waffen bei den USA, wenn auch in letzter Zeit vermehrt in Russland eingekauft wird. Wie auch immer, die Regierung von Kairo lässt keine Gelegenheit aus, zu beweisen, dass sie einen friedlichen Weg sucht um mit dem westlichen Aggressionspotential und vor allem mit dem «israelischen» Aggressionspotential adäquat umzugehen. Die Frage ist, wie lange ihr das noch gelingen wird und viel wichtiger: Ob es überhaupt von Nutzen ist, Friedfertigkeit an den Tag zu legen? Die oben genannten Beispiele zeigen, dass es keinen Grund braucht um einen Angriff auszulösen. Menschenrechtsverletzungen, Foltervorwürfe, mangelnde Demokratie sind der Gründe genug, die leicht konstruiert und von der hörigen Presse gerne kolportiert werden. Die europäische Linke scheint darauf immer wieder herein zu fallen, vor allem wenn sich unter den Anklägern «Dissidente» aus dem Land zu Wort melden, die einen Regierungswechsel um jeden Preis befürworten. Zum Beispiel Hossam el-Hamalawy, der unter dem Nickname «3arabawy» mehrere soziale Medien bedient. (6) In einem Flyer, welcher anlässlich einer Veranstaltung von ihm in Basel auflag, gibt el-Hamalawy die folgenden Ratschläge für Menschen, die aktiv werden wollen (Original in englischer Sprache, Übersetzung mh):
- Halte dich auf dem Laufenden über die ägyptischen Dissidenten.
- Bring Berichte über Menschenrechtsverletzungen des Sisi Regimes in Umlauf. Ebenso Berichte über Proteste und Streiks in Ägypten.
- Übe Druck auf deine Regierung und auf deine gewählten Parlamentarier aus, Waffenexporte und Sicherheitstechnologie nach Ägypten zu unterbinden.
- Organisiere Sit-ins und Demonstrationen vor den ägyptischen Botschaften und Konsulaten in deinen Städten in Solidarität mit den politischen Gefangenen in Ägypten.
Die Frage, ob solche «Ratschläge» (O-Ton: «I urge you to campaign against the Egypt regime!») (7) dazu dienen sollen, Ägypten im Bewusstsein der europäischen Linken sturmreif für einen Angriffskrieg zu machen, beantwortet sich somit wohl von selbst.
Den Gegner erkennen
Auf welcher Seite der Barrikade Hamalawy und Konsorten stehen dürfte ebenfalls klar sein. Die Gegner, welche den Frieden, die soziale Gerechtigkeit, mit einem Wort, uns alle bedrohen und angreifen sind klar als Angreifer erkennbar: Nicht die Sisis, Assads oder Gaddafis dieser Welt bedrohen uns. Es sind die Exponenten der NATO, es sind die Kolonial- und Neo-Kolonial Herren, die sich nicht damit abfinden können, dass ihre Welt eine nekrophile Welt ist, die abgewirtschaftet hat und die endgültig auf dem Misthaufen der Geschichte entsorgt gehört. Selbst in ihren eigenen Reihen erkennen einige von ihnen mittlerweile, dass es so nicht weitergehen kann, dass die rassistischen Systeme der USA, Israels und der EU am Ende sind. Das System, welches wir kennen und in dem die Meisten von uns leben ist am Ende. Che Guevara nannte dieses System, «das Herz der Bestie». Und genau hier, im Herzen der Bestie erkennen einige der der früheren Protagonisten des Systems dessen Zerfall und sie versuchen das Steuer in letzter Sekunde herum zu reißen. Einer von ihnen ist der ehemalige US General Douglas Macgregor. In einem seiner Videos äußert Macgregor die Befürchtung, dass die Politik Netanjahus die arabischen Staaten, namentlich Ägypten, in einen Krieg zwingen wird, einen Krieg, der einen regionalen, ja globalen Krieg auslösen könnte. (8) Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass uns ein ex General eine anti Kriegs Analyse liefert, während so genannt linke Journalisten versuchen, uns eine Kampagne gegen den ägyptischen Präsidenten beliebt zu machen.
Fußnoten:
1 https://www.timesofisrael.com/in-un-speech-saudi-fm-urges-formation-of-palestinian-state-doesntmention-israel/ (Letzter Zugriff März 2025)
2 Siehe dazu auch: «Die Konferenz von Bandung» in NRhZ Flyer 804
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28397 (Letzter Zugriff März 2025)
3 Siehe dazu: Karam Khella: «Ägypten und Revolution»TuP Verlag Hamburg, 2011
4 https://www.zeit.de/politik/ausland/2012-07/aegypten-usa-clinton (Letzter Zugriff März 2025)
5 Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Grossbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessengebiete im arabischen Raum nach der erwarteten Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt wurden. Die arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches wurden in vier permanente Einflusszonen aufgeteilt. Die bolschewistische Revolution öffnete die Geheimarchive des gestürzten Zaren und machte das Geheimabkommen öffentlich.
6 Zum Beispiel auf Youtube: https://www.youtube.com/3arabawy (letzter Zugriff März 2025)
7 «Ich fordere euch dazu auf, eine Kampagne gegen das ägyptische Regime zu führen!»
8 https://www.youtube.com/watch?v=m2ewAfmkKUw (Letzter Zugriff März 2025)
Online-Flyer Nr. 845 vom 17.04.2025