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Aktueller Online-Flyer vom 06. September 2025  

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Aktuelles
Zur Verurteilung des Bildkünstlers Rudolph Bauer vor dem Amtsgericht Bremen
Rettet den Rechtsstaat – zumindest seine Überreste!
Von Bundesverband Arbeiterfotografie und NRhZ

Es ist nicht zu fassen! Der Politikwissenschaftler und Künstler Rudolph Bauer, Mitglied des Bundesverbands Arbeiterfotografie und häufiger Autor in der Neuen Rheinischen Zeitung, wurde vom Amtsgericht Bremen wegen der Veröffentlichung von Bildcollagen mit Kritik an Corona-Manöver und Kriegstreiberei verurteilt. Beschuldigt war er der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. "Die Richterin hat Rudolph Bauer in skandalöser Weise der Volksverhetzung schuldig gesprochen und zur Zahlung von 120 Tagesätzen [a 100 Euro] verurteilt. Der ganze Saal rief Buuuuh!" So kommentiert ein Besucher der Gerichtsverhandlung am 25. August 2025. "Demokratinnen, Kriegsgegnerinnen, Freundinnen, Demokraten, Kriegsgegner, Freunde, seit dem heutigen Tag wissen wir (wieder einmal), dass die politische Justiz auf der Ebene der Amtsgerichte - auch in der Freien Hansestadt - nicht den Bürger vor dem Staat schützt, sondern den Staat vor den Bürgern." So kommentiert es der Betroffene Rudolph Bauer selbst. Die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung wie auch der Bundesverband Arbeiterfotografie protestieren gegen das politisch motivierte Urteil.

Die Arbeiterfotografie hat ihre Wurzeln in der Weimarer Zeit. 2026 wird sie 100. Sie war eng verbunden mit der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung (AIZ), in der regelmäßig die tiefgründigen Fotomontagen von John Heartfield erschienen sind, häufig auf der Titelseite. Mit bissigem Humor hat er den aufziehenden und dann tatsächlich tobenden Hitler-Faschismus aufs Korn genommen und dabei selbstverständlich Nazi-Symbole verwendet. Wenn jetzt der verurteilte Bildkünstler ihm dies gleich tut, um vor einer Entwicklung in Richtung Krieg und Faschismus zu warnen, dann wäre er dafür von einem Staat - wäre er tatsächlich ein demokratischer - in höchstem Maße zu ehren. Dass das Gegenteil der Fall ist, muss uns ein Alarmsignal sein - und Ansporn, uns mit noch mehr Energie gegen die Entwicklung in Richtung Krieg und Demokratieabbau zur Wehr zu setzen.

Vor allen Dingen darf das Urteil des Bremer Amtsgerichts keinen Bestand haben. Das sieht auch Rudolph Bauer so. Er wird in Berufung gehen. So mancher Freund und Beobachter bestärkt ihn darin: "Ich erinnere mich an einen alten Spruch: Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Kraft und eine erfolgreiche Berufung! Dieses Urteil wird von uns nicht angenommen und nicht ernst genommen! Bitte mach weiter, auch wenn Du in unseren Augen jetzt schon gewonnen hast!" Diesen motivierenden Aussagen können sich Bundesverband Arbeiterfotografie und Neuen Rheinischen Zeitung nur anschließen. "Rettet den Rechtsstaat – zumindest seine Überreste!" rufen sie dem Verurteilten und all denen, die sich und Deutschland noch nicht aufgegeben haben, zu.


Nachfolgend zur Erinnerung Ausführungen zu den Bildcollagen, um die es geht.


Militarimus-kritische Bildmontagen I: Leyen, Selenskyj und der Reichsadler

Bauer wird beschuldigt, eine Bildmontage veröffentlicht zu haben, „welche die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und den Präsidenten der Ukraine Volodymyr Selenskyj und einen schwarz-weißen Reichsadler mit Hakenkreuz zeigt“. Der auf der Bildmontage erkennbare Adler ist die Fotografie einer Skulptur aus den Bombentrümmern des untergegangenen Dritten Reichs. Der das Hakenkreuz umgebende Eichenkranz ist ebenso wie ersteres erkennbar beschädigt, trägt also deutliche Spuren des Niedergangs der NS-Herrschaft und der damit verbunden Befreiung vom Nationalsozialismus.

Der in der Anklage nicht zitierte Bildtitel lautet #zubesuchbeifreunden und #gastgeschenk. Der Hashtag #zubesuchbeifreunden deutet hin auf das freundschaftliche Verhältnis der abgebildeten Politiker. #gastgeschenk persifliert auf ironisch-sarkastische Weise die Waffenlieferungen und Milliarden-Euro-Zahlungen an die Ukraine. Die Bildtitel, der in das Bild eingefügte Adler mit Hakenkreuz und der aus der Bildunterschrift ersichtliche Hinweis #politicalart zeichnen die Bildmontage aus als ein politisches Statement. Die Aussage übt Kritik: sowohl am untergegangenen Nationalsozialismus als auch an der Wiederkehr nationalistischer und faschistischer Tendenzen.

Hintergrund ist die Tatsache, dass auf Seiten der von der EU finanziell und mit Waffen unterstützten Ukraine auch faschistische Bandera-Truppen kämpfen. Zu Bandera siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Stepan_Bandera . Zur aktuellen Bedeutung des ukrainischen Bandera-Kults siehe https://www.deutschlandfunkkultur.de/bandera-kult-ukraine-100.html . Die Kombination Adler + beschädigtes Hakenkreuz + Bildtitel lassen Zusammenhänge erkennen, die zwar dem herrschenden Narrativ widersprechen. Adler und Hakenkreuz werden in der Bildmontage aber nicht zu Propagandazwecken („Volksverhetzung“) verwendet, sondern ganz im Gegenteil als Warnung und Kritik sowohl an der Rolle faschistischer Kräfte in der Ukraine als auch an der politisch zweideutigen Haltung der Europäischen Kommission und ihrer Präsidentin.

Militarimus-kritische Bildmontagen II: Olaf Scholz und Hitler

Wegen einer weiteren Bildmontage wird der Künstler wie folgt angeklagt: „Der Angeschuldigte veröffentlichte eine Bildmontage, die Adolf Hitler und den Bundeskanzler Olaf Scholz mit ähnlichen Handbewegungen zeigt und versah diese mit den Hashtags #seitenwende, #bildmontage und #politicalart.“ Die Bild-Bild-Doppelung ist der pazifistischen Sichtweise des Wissenschaftlers und der Überzeugung des Künstlers geschuldet, dass die deutsche Regierung (verkörpert durch den Bundeskanzler) eine Politik verfolgt, welche dahin tendiert, den Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion unter neuen Vorzeichen fortzusetzen.

Die Bildmontage stellt eine Kriegswarnung dar. Sie signalisiert eine „rote Linie“ und nimmt das Verfassungsgebot des Artikels 26 GG ernst, der besagt: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ Und im ‚Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland‘, dem so genannten ‚2+4-Vertrag‘ vom 12. September 1990 hatte die deutsche Politik sich feierlich verpflichtet, „dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen“ und „Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen“

Scholz hat mit der Ausrufung einer „Zeitenwende“ – im Titel der Bildmontage als #seitenwende ironisiert – und mit der „Schaffung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro, um die Bundeswehr besser auszurüsten“, ein Kriegsprogramm verkündet. In der Ausgabe der US-amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs“ vom 5. Dezember 2022 veröffentlichte der Bundeskanzler einen Beitrag, der den Politikwissenschaftler Bauer veranlasste, einen Kommentar über „Die schreckliche Kontinuität deutscher Außenpolitik“ von 1914 über 1936/37 ff. bis in die Gegenwart zu verfassen; siehe http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28440 .

Der in der Montage ins Auge fallende Bild-Bild-Bezug bedeutet keine Gleichsetzung von Scholz mit Hitler oder umgekehrt. Vielmehr sollte die außen- und militärpolitische Kontinuität deutscher Politik gegenüber Russland sichtbar werden. Im Zweiten Weltkrieg wurden russische Menschen auf brutalste Weise durch Zwangsarbeit erniedrigt, ausgebeutet sowie durch Hunger und die Kriegsmaschinerie vernichtet. Hitler und die NS-Ideologie rechtfertigten die Tötung von 27 Millionen Menschen; siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_des_Zweiten_Weltkrieges#Sowjetunion . Wer angesichts dessen (und angesichts des unblutigen Rückzugs russischer Truppen aus der DDR) nichts aus der Geschichte gelernt hat, derjenige stellt sich selbst auf eine Stufe mit Hitler.

Militarimus-kritische Bildmontagen III: Hofreiter, Strack-Zimmermann und Hakenkreuz

Die Argumentation, dass die „Tradition“ rassistischer Unmenschlichkeit deutsche (!) Politiker veranlassen müsste, sich bedingungslos für diplomatische Verhandlungen und den Frieden einzusetzen, statt mit ihrer Hetze und mit unablässigen Forderungen für Waffenlieferungen den Krieg in der Ukraine weiter anzufeuern – dieselbe Argumentation ist auch gegen die Anklage ins Feld zu führen, welche besagt, der Angeschuldigte habe eine Bildmontage veröffentlicht, „die die Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter und Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann und einen Reichsadler mit Hakenkreuz zeigt“.

Die auf der Bildmontage erkennbaren Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind hinlänglich dafür bekannt zu fordern, die Ukraine im US/NATO-Stellvertreterkrieg gegen die Russische Föderation mit Waffen und Kriegsgerät auszurüsten. Das Zeigen des in der Bildmontage erkennbaren Reichsadlers mit Hakenkreuz dient der Warnung. Diese ist dem Umstand geschuldet, dass die beiden deutschen Abgeordneten durch ihre militaristische Einstellung in einer Tradition stehen, in welcher der Zweite Weltkrieg mit der Notwendigkeit des Siegs über die Sowjetunion propagandistisch begründet wurde.

Es gibt – in der Bildmontage nicht explizit visualisierbar – genügend kriegsaffine Aussagen der abgebildeten Politiker, die sich gegen Russland, die russische Regierung und das russische Volk richten. Die Kriegshetze dieser Politiker ist unverkennbar von der Rassenideologie des Nationalsozialismus geprägt, auch wenn dies den Akteuren nicht bewusst sein muss. Ihr militaristisches Palavern bezieht sich in erster Linie zwar „nur“ auf Putin, erinnert in seiner Diktion aber an die NS-Propaganda gegen die „russischen Untermenschen“. Ist es nicht eine juristisch eingefädelte Volksverhetzung, wenn kritische Bildmontagen durch die Verwendung einer Reichsadler-Abbildung umgedeutet werden zu einer Verherrlichung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen?

Corona-Maßnahmen-kritische Bildmontagen I: #impfenmachtfrei

Die Justiz verfolgt nicht nur den Pazifisten Professor Bauer, sondern gleicherweise seine Kritik an den Corona-Maßnahmen in den Jahren 2020 bis 2023. Zwar wird der medizinische Sinn der politischen Entscheidungen gegenwärtig durch die Veröffentlichung geschwärzter Passagen der RKI-Protokolle in Zweifel gezogen. Das macht die Staatsanwaltschaft jedoch nicht nachdenklich. Sondern sie beschuldigt den Künstler, eine Bildmontage veröffentlicht zu haben, „die ein Konzentrationslager und den zu ‚COVID 19 IMPFSTOFF MACHT FREI‘ abgeänderten Schriftzug zeigt und versah diese u. a. mit dem Hashtag #impfenmachtfrei“.

Abgesehen vom holprigen Deutsch gibt die Anklageschrift den Bildinhalt nicht korrekt wieder. Die Bildmontage zeigt kein KZ, sondern das Tor des Konzentrationslagers Dachau. Aus dem Tor mit der zynisch-verächtlichen Inschrift „Arbeit macht frei“ wanken Menschen in Häftlingskleidung, die das betreffende Zwangsarbeits- und Vernichtungslager aufgrund ihrer Befreiung durch die Alliierten der Anti-Hitler-Koalition verlassen. Allein darin ist keine KZ-Verherrlichung zu erkennen, sondern entschiedene Kritik an den „Straf“-Lagern und der Beifall für die Befreiung der Häftlinge aus dem KZ.

In der Bildmontage sind die drei letzten Buchstaben des Wortes „Arbeit“ durch eine Ampulle verdeckt. Diese trägt die Aufschrift „COVID 19 IMPFSTOFF“. Trotz der verdeckten Schlussbuchstaben des Wortes „Arbeit“ lässt die Bildmontage die menschenverachtend-zynische Lagertorinschrift „Arbeit macht frei“ zweifelsfrei erkennen. Der Schriftzug ist also nicht abgeändert, sondern durch die Ampulle ergänzt. Das Zitat „Arbeit macht frei“ stellt in Verbindung mit der Impfstoff-Ampulle und dem Hashtag #impfenmachtfrei eine Verbindung her zwischen dem nationalsozialistischen Zynismus der Zwangsarbeits- und Todeslager einerseits und den „Impf“- und sonstigen Auflagen im Rahmen der politisch verordneten Corona-Maßnahmen.

Der Angeklagte nimmt mit seiner Bildmontage u. a. Bezug auf „T 4“, die 1940/41 erfolgten systematischen, als „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ bezeichneten Tötungsaktionen an psychiatrischen Patienten während des Nationalsozialismus. Ferner kann eine Verbindung hergestellt werden zu den von Josef Mengele und anderen Ärzte im KZ Auschwitz mit tödlichen Folgen vorgenommenen medizinischen Experimenten an Häftlingen.

Der Künstler Rudolph Bauer wurde 1939 geboren, im Jahr des beginnenden Zweiten Weltkriegs. 1945 war er sechs Jahre alt. Die Grauen des Krieges und die Schreckensberichte über die Konzentrationslager waren prägend für seine Kindheit und Jugend. Er hat sich während seines Studiums und als Hochschullehrer der Universität Bremen eingehend mit der Bezugsthematik (T4, tödliche Menschenversuche) auseinandergesetzt und zuletzt in einem Aufsatz unter dem Titel „Die ‚Nazi Doctors‘. Über Medizin-Fundamentalismus“ darüber publiziert; siehe http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27159 .

Die Bildmontage ist zwar mehrdeutig und interpretationsoffen, wie es einem Kunstwerk angemessen ist. Sie lässt aber bei objektiver, vorurteilsfreier Interpretation keine der in § 6 Abs. 1 des VStR genannten Absichten erkennen. Die Collage mit den befreiten Häftlingen stellt weder eine Billigung, noch eine Leugnung oder Verharmlosung der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlungen dar. Im Gegenteil: Sie zeigt den fotografisch dokumentierten Akt der Befreiung (!) der im KZ geschundenen Häftlinge. Dem Kläger ist entgangen, dass es sich bei der betreffenden Bildmontage um Bild-Bild-Bezüge handelt, die „in den verschiedensten piktorialen Praktiken – in der Werbung (und der Propaganda), in Comics (und Cartoons), in der hohen (und der angewandten) Kunst – eine herausragende Rolle“ spielen (Guido Isekenmeier: Interpiktorialität. Bielefeld 2013: 11).

Corona-Maßnahmen-kritische Bildmontagen II: Lauterbach beleidigt

Der interpiktoriale Charakter der Bildmontage-Technik verbietet eine eindeutige und simplifizierende Interpretation. Diese lässt das gesellschaftskritische Anliegen politischer Bildkunst und erst recht den Verfassungsgrundsatz der Kunstfreiheit außer Acht. Das aufgrund der kunstfeindlichen Erfahrungen des Dritten Reichs im Grundgesetz festgeschriebene Gebot der Meinungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit hinderte das Amtsgericht Stuttgart jedoch nicht, einer Beleidigungsklage des Abgeordneten und jetzigen Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach stattzugeben und Rudolph Bauer zu einer Strafzahlung von dreitausend Euro zu verurteilen.

Was war der Auslöser? Eine Bildmontage Bauers, veröffentlicht in der Broschüre „Charakter-Masken“ der Reihe Edition Kunst des pad-Verlags (Bergkamen 2023), zeigt Professor Dr. Lauterbach mit zwei leicht erhobenen linken Händen, die von der Justiz – und angeblich auch von Lauterbach – als Hitlergruß gedeutet werden. (Ein schlichter Klick bei Wikipedia auf https://de.wikipedia.org/wiki/Hitlergru%C3%9F zeigt den ‚wahren’ Hitlergruß.) Ein unter die Nase des Lauterbach geklebtes Viereck – das kunstgeschichtlich berühmte Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch – gilt dem Abgebildeten und der ihm darin folgenden Justiz als „Hitlerbärtchen“. Vollends in die Hitler-Falle getappt sind beide, der beleidigte Lauterbach und die Amtsrichterin K., durch die schillernde Bildunterschrift: #adolf #lauterbach. Also doch ein Hitler-Vergleich? Ein Skandal?

Die schriftliche Begründung des Stuttgarter Urteils nach der Verhandlung am 26. März 2024 liegt noch nicht vor. Ein Kommentar muss deshalb noch unterblieben. Vorerst nur ein Zitat zum Fortleben des Nationalsozialismus in jenen Denkstrukturen, die sich nicht nur bei Richtern, Staatsanwälten, Bundestagsabgeordneten und Ministern zeigen:

"Der Nationalsozialismus lebt heute ja wohl weniger darin nach, dass man noch an seine Doktrinen glaubte - wie weit das überhaupt je der Fall war, ist fraglich - als in bestimmten formalen Beschaffenheiten des Denkens. Zu ihnen rechnen beflissene Anpassung ans je Geltende, zweiwertige Aufteilung nach Schafen und Böcken, Mangel an unmittelbaren spontanen Beziehungen zu Menschen, Dingen, Ideen, zwanghafter Konventionalismus, Glaube an Bestehendes um jeden Preis. Derlei Denkstrukturen und Syndrome sind als solche, dem Inhalt nach apolitisch, aber ihr Überleben hat politische Implikationen. Das ist vielleicht an dem, was ich mitzuteilen suche, das Ernsteste." (Theodor W. Adorno: Eingriffe. Neun kritische Modelle. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1963, S. 41).

Online-Flyer Nr. 851  vom 05.09.2025



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