NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 05. Oktober 2025  

Fenster schließen

Aktuelles
Reden im Rahmen der Kundgebung des Bündnisses "Diplomatie statt Waffen und Sanktionen" am 6. September 2025 in Aachen
Deutschland zum Bestandteil einer "Internationale der Neutralität" machen
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann (Kampagne für ein neutrales Deutschland)

Es war die 38. vom Aachener Bündnis "Diplomatie statt Waffen und Sanktionen" durchgeführte Kundgebung, die am 6. September 2025 in Aachen im Umfeld des Antikriegstages stattfand. Zu dem Bündnis gehören die "Aachener für eine menschliche Zukunft", der Arbeitskreis GewerkschafterInnen Aachen, die Freie Linke Aachen und die Friedensinitiative Querdenken 241 Aachen. Insbesondere für die Freie Linke ist die Neutralität Deutschlands zu einer zentralen Forderung geworden. Aber auch die "Aachener für eine menschliche Zukunft" propagieren diesen Gedanken. Deshalb waren Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann von der "Kampagne für ein neutrales Deutschland" eingeladen zu sprechen. Sie wollen, dass Deutschland zum Bestandteil einer "Internationale der Neutralität" wird.


Deutschland neutral machen! Waffenexporte stoppen! (Fotos: Arbeiterfotografie)


Deutschland neutral machen! Raus aus der NATO! NATO raus!


NATO raus - raus aus der NATO


Rede "Kampagne für ein neutrales Deutschland"


Deutschland NEUTRAL

Andreas: Das ist eben schon sehr gut zur Sprache gekommen: Deutschland soll neutral werden. Was heißt das eigentlich: neutral? Neutral: da könnte man erstmal denken, das ist soviel wie sich aus allem raushalten, egal ob Krieg oder Frieden. Nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Neutralität bedeutet, dass Deutschland zu einem Frieden stiftenden, in Richtung Friedensverhandlungen orientierenden Land wird, nicht Kriegstreiberei betreibt, wie das im Moment der Fall ist.

Zur Neutralität gehört, dass Deutschland sich nicht mehr in Kriege im Ausland einmischt. Dann wird Deutschland keinen Bündnissen mehr angehören, über die es in Kriege hineingezogen werden kann. Das klingt vielleicht ein bißchen abstrakt, aber das heißt im nächsten Schritt zu fragen: was sind das für Bündnisse, die uns in Kriege hineinziehen. Das ist in erster Linie die NATO, das ist aber auch die EU. Auch die EU ist ein Kriegsbündnis. Dann wird es auf deutschem Boden keine ausländischen, der Kriegführung dienenden Militäreinrichtungen mehr geben. Auch das ist eine ganz wesentliche Forderung, um Deutschland friedlicher zu machen - wesentlich friedlicher.

Das würde bedeuten, dass der so genannte Truppenstationierungsvertrag, der Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland gekündigt wurde. Das hätte enorme Konsequenzen. Dann werden in Deutschland keine Atomwaffen mehr sein und keine Mittel- und Langstreckenraketen stationiert werden. All das wäre verhindert, wenn Deutschland neutral wäre. Dann wird Deutschland auch kein Kriegsmaterial mehr ins Ausland liefern. Und die Bundeswehr - wenn sie überhaupt noch nötig ist - würde allenfalls der Landesverteidigung dienen. Dann wird Deutschland - das sagte ich eben schon: Dann wird von deutschem Boden Frieden ausgehen. Und Deutschland wird ein aktiver Friedensvermittler sein. Das ist unsere Vision von einem neutralen Deutschland.

Viele sagen: das geht ja alles gar nicht - Deutschland sei nicht souverän, um das zu entscheiden. Nein! Das ist nicht richtig! Mit dem 2+4-Vertrag, der 1990 die Vereinigung von DDR und BRD gebracht hat, hat Deutschland "volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten". Da gibt es kein Wenn und Aber. Und sobar das Auswärtige Amt - zu dem man stehen kann, wie man will - sagt ganz eindeutig in seinem Text über das Truppenstationierungsrecht: "Der ursprünglich auf unbegrenzte Zeit abgeschlossene Aufenthaltsvertrag [Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland] gilt auch nach Abschluss des 2+4-Vertrags weiter..." Da kann man erstmal sagen: das ist ja schlimm genug. Aber dann kommt der entscheidende Satz: "...er kann nun aber mit einer zweijährigen Frist gekündigt werden." Heute die Kündigung ausgesprochen hieße: in zwei Jahren wären alle Kriegsdrehscheiben in Deutschland weg. Es wäre die US-Militärbasis Ramstein weg. Es wären AFRICOM und EUCOM bei Stuttgart weg. Es wäre Kalkar weg, und so weiter und sofort - und auch die Atomwaffen, wo immer sie auch liegen - in Büchel oder vielleicht auch geheim woanders.

Ich möchte noch kurz ausführen, was die Kündigung des Truppenstationierungsvertrags mit sich bringen würde. Es würde ein Fläche frei werden, die im Moment militärisch genutzt wird - von ein Kilometer Breite von Hamburg bis München. Die würde frei für zivile Nutzung. Das sind Stationierungsorte in

•    Ansbach-Katterbach
•    Baumholder
•    Bielefeld
•    Böblingen
•    Dülmen
•    Geilenkirchen
•    Germersheim
•    Grafenwöhr
•    Griesheim
•    Gütersloh
•    Hohenfels
•    Illesheim
•    Kaiserslautern
•    Kalkar
•    Landstuhl
•    Mainz
•    Mannheim
•    Miesau
•    Mönchengladbach
•    Oberammergau
•    Paderborn
•    Pirmasens
•    Ramstein
•    Spangdahlem
•    Stuttgart
•    Vilseck
•    Uedem
•    Ulm
•    Wackernheim
•    Wiesbaden
•    Wulfen

Das alles wäre dann vom Militär befreit.

Unser Ziel ist es, die Neutralität zu verankern - und zwar am besten im Grundgesetz. Dort steht ja heute schon was von den "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt." Das steht schon drin. Aber wir denken, es sollte erweitert werden im Sinne dessen, was in Österreich als halbwegs neutralem Staat verankert ist. Zum Beispiel könnte es lauten: "Von dem Willen beseelt, dem Frieden der Welt zu dienen..." Das ist die Formulierung aus der Präambel des Grundgesetzes. "...erklärt Deutschland seine immerwährende Neutralität. Demgemäß wird Deutschland in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen angehören, sein Militär nur zur Landesverteidigung bereitstellen, kein Kriegsmaterial exportieren, fremde Kriegsparteien nicht finanzieren und militärische Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zulassen. Deutschland nutzt seine immerwährende Neutralität für die Verhinderung und Lösung von Konflikten und steht als Vermittlerin zur Verfügung." Das ist unsere Vision, dass das ins Grundgesetz aufgenommen wird. Das einzige Problem dabei ist, dass wir leider nicht in der Schweiz leben. In der Schweiz gibt es einen Hebel, um so etwas über Volksentscheid verbindlich durchzusetzen. In Deutschland gibt es diese Möglichkeit bislang nicht. Auch dafür mussen wir kämpfen, dass sie geschaffen wird.

Und jetzt weiter Anneliese!

Von mir noch einige ergänzende Überlegungen. Initiativen in Österreich und der Schweiz arbeiten daran, dass die Neutralität, die schon angeknabbert genug ist, erhalten bleibt. Beide Staaten - das lasse man sich auf der Zunge zergehen - sind Mitglied im NATO-Bündnis "Partnership for Peace". Das nennt Werner Rügemer eine Soft-Mitgliedschaft. Und Daniele Ganser nennt es den Kindergarten der NATO. Es wird dringend daran gearbeitet, dass die Neutralität bekräftigt wird - dass die Unterminierung der Neutralität durch NATO-Kräfte gestoppt wird.

Wir haben schon eine Veranstaltung mit Vertretern aus Österreich und der Schweiz gehabt. Und im Oktober werden wir das wieder veranstalten - am 3. Oktober in Köln. Im März waren wir in Berlin mit Vertretern von Neutralitätsinitiativen aus Österreich und Schweiz. Und da haben wir beschlossen: wir bilden eine "Internationale der Neutralität".

Zur Kampagne ist noch zu sagen: die ist lagerübergreifend. Ich bin Basis-Mitglied. Und seit dem Alter von 20 Jahren bin ich Mitglied der Friedensbewegung und war auch bei der berühmten Demonstration im Bonner Hofgarten dabei. Wir dürfen nicht nachlassen, daran zu wirken. Was ich sagen muss, ist: diese Idee, den Gedanken der Neutralität in eine Kampagnenform zu gießen, ging aus von einer relativ kleinen Gruppe, und zwar von der AG Frieden der Partei dieBasis in Köln. Die Kampagne ist gegründet als lagerübergreifend, nicht als parteipolitische Sache. Das ist klar. Es muss viel breiter werden. Eine sehr gute Sache ist, dass das neu gegründete Jugendbündnis Sahra Wagenknecht sich unserer Kampagne angeschlossen hat. Das finden wir ganz großartig.

Also: wir brauchen eine Internationale der Neutralität. Wir brauchen kein Intermaris mit einem kriegerischen Gürtel von der Ostsee bis zum Mittelmeer. Wir brauchen einen Gürtel der Neutralität.


Hier mehr zur Veranstaltung "Neutralität als Friedensprojekt" am 3. Oktober 2025 in Köln mit Gästen aus Österreich und Schweiz


http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29555


Online-Flyer Nr. 851  vom 24.09.2025



Startseite           nach oben