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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Aktuelles
EM-Finalsieg der deutschen Frauen wird heute abend in Frankfurt gefeiert
Ein medialer Durchbruch
Von Bernd J.R. Henke

Vor 15.877 Zuschauern im Olympiastadion von Helsinki -  darunter neben DFB-Präsident Theo Zwanziger auch Bundespräsident Horst Köhler und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble - schaffte die Frauen-Nationalmannschaft nicht nur einen unerwartet hohen 6:2 EM Finalsieg gegen England. Dem Team der 22 Frauen gelang es gleichzeitig, im ZDF die Zuschauerquote gegenüber dem Halbfinalspiel gegen Norwegen (3:1) zu verdreifachen – ein medialer Durchbruch, der heute nachmittag neben dem 6:2-Sieg auf dem Frankfurter Römerberg ebenfalls gefeiert werden dürfte.
Bundestrainerin Silvia Neid hatte ihre Startformation im Vergleich zum Halbfinale nur geringfügig verändert: Linda Bresonik rückte für Bianca Schmidt auf die Position der rechten Außenverteidigerin, im Mittelfeld kam Simone Laudehr von Beginn an zum Einsatz. Durch die anfangs unsichere und nervöse Annike Krahn schwamm die deutsche Vierer-abwehrkette. Zunächst. Die Nr.7 und die Nr.9 der Engländerinnen, WPS-Mittel-feldstar Karen Carney (Chikago Red Stars) und die WPS-Stürmerin Eniola Aluko (St. Louis Athletica) wirbelten die Abwehr durcheinander. Fara Williams
Erfolgreichste Stürmerin der EM in Helsinki:   (Everton LFC) verfehlte in der
Inka Grings / NRhZ-Archiv                             8. Minute mit einem 20 Meter-
                                                                  Freistoß sehr knapp das Tor. Die deutsche Mannschaft kam nur zu gelegentlichen Kontern. Doch in der 19. Minute spielte Simone Laudehr einen langen Pass auf Inka Grings, die den Ball im 16 Meter-Raum von der rechten Seite aus der Drehung in die Mitte zu Birgit Prinz spielte, die den Ball direkt flach in das rechte Eck zum 1:0 einschoß. Ab jetzt ging es hin und her. Stürmerin Aluko wurde am 16 Meter steil angespielt, schoß sofort und Annike Krahn sprang dazwischen und blockte ab. Daraufhin erkämpfte sich Melanie Behringer den Ball im Mittelfeld und sah, daß die englische Torfrau Rachel Brown (Everton LFC) zu weit vor dem Tor stand. Aus 35 Metern zog sie in der 22. Minute ab und traf ins linke obere Toreck zum 2:0. Solche Weitschüsse sind Melanies Markenzeichen.
 
Schneller Konter
 
Die deutsche Abwehr feierte noch, da leitete Kelly Smith einen schneller Konter ein. Sie umspielte zwei Spielerinnen, dann ein Kurzpass mit viel Übersicht zu Karen Carney, die zehn Meter halblinks vor dem Tor mit Rechts n der 24. Minute ins rechte lange Eck zum 2:1 Anschlusstreffer einschoß. Torfrau Nadine Angerer war ohne Chance. Und die Engländerinnen machten weiter Druck In der 35. Minute flankte Karen Carney den Ball von links scharf in den Strafraum, Jill Scott kam zum Kopfball und setzte das Leder aus zehn Metern per Aufsetzer in das linke Toreck. Nadine Angerer hatte keine Chance, zum Glück stand Melanie Behringer in der linken Torecke und köpfte den Ball von der Torlinie ins Spielfeld zurück. Ab jetzt nahmen die DFB Frauen das Spiel wieder in die Hand. Kerstin Garefrekes (37.) versuchte es mit einem Schuss aus der zweiten Reihe, Inka Grings eilte einem Steilpass nach (39.). Die Linienrichterin erkannte auf Abseits, Casey Stoney (Chelsia FC) erhielt wegen Meckerns die gelbe Karte (44.) Birgit Prinz spielte den Ball links raus zu Melanie Behringer, die aus 25 Meter am Tor (45.) vorbei schoss. Die umsichtige tschechische Schiedsrichterin Dagmar Damkova pfiff kurz danach zur Pause.
 
Hohes Tempo
 
In der zweiten Halbzeit behielten beide Teams das hohe Tempo bei. In der 50. Minute stellte zunächst Kim Kulig den alten Abstand wieder her: Erst traf Laudehr den Pfosten, der spontane Abwehrversuch von Casey Stoney landete vor den Füßen von Kulig, die den Ball aus 5 Metern unhaltbar zum 3:1 ins linke obere Eck beförderte. Doch wieder bewiesen die Engländerinnen Moral. Nach einer schönen Einzelleistung (55.) verkürzte Kelly Smith auf 3:2. Anschließend begann die vielleicht stärkste Phase der deutschen Auswahl. Verdienter Lohn war das 4:2: Torschützenkönigin Grings köpfte nach Flanke von Kerstin Garefrekes den Ball unter die Latte (62.). Elf Minuten später legte Grings mit einem Linksschuss sogar das 5:2 nach (73.), nachdem Birgit Prinz die Spielerin Fara Williams ausgespielt hatte, passte sie zu Grings, die wiederum die Verteidigerin Anita Asante und die zurück laufende Fara Williams überlistete. Für die Duisburgerin waren es die Treffer fünf und sechs in Finnland und die Tore 49 und 50 im Trikot der Nationalmannschaft.
 
Der Schlusspunkt war der Spielerin vorbehalten, die auch den Torreigen eröffnet hatte: In der 76 Minute bedankte sich Inka Grings mit einem Querpass von rechts in die Mitte zu Birgit Prinz, die aus vollem Lauf zum schönsten Tor des Tages und damit zum 6:2 Endstand einschoss. Die mitgereisten deutschen Fans riss es vor Begeisterung von den Stühlen. Damit war den deutschen Frauen der siebte EM-Titel nicht mehr zu nehmen.
 
Torschützenkönigin                                                                                                          

Nationalspielerin Inka Grings hat sich damit zum zweiten Mal in Folge den Titel der Torschützenkönigin bei einer EM gesichert. Die deutsche Fußballerin des Jahres erzielte bei der Endrunde in Finnland insgesamt sechs Treffer und ließ damit ihre Team-Kollegin Fatmire Bajramaj, die Engländerin Eniola Aluko und die Schwedin Victoria Sandell Svensson (jeweils drei Tore) weit hinter sich. Überglücklich jubelte Inka Grings: “Das ist das i-Tüpfelchen, und ich freue mich darüber. Aber viel wichtiger ist, dass wir wieder den Pokal gewonnen haben". Schon bei der EM vor vier Jahren in England holte sich die 30 Jahre alte Angreiferin vom UEFA-Cup-Gewinner und DFB-Pokalsieger FCR Duisburg die Torjägerinnenkrone.
 
Stimmen nach dem Spiel

DFB-Trainerin Silvia Neid bemerkte kurz nach dem Spiel gegenüber Reportern: „Das war eine lange EM und sehr anstrengend. Jetzt bin ich sehr zufrieden und überglücklich. England war wie erwartet große Klasse. Ich hatte zwar erwartet, dass es hin und hergeht. Ich hatte aber nicht damit gerechnet, dass so viel Tore fallen werden. Vor allem in der zweiten Halbzeit haben wir besser gestanden und zum richtigen Zeitpunkt die Tore gemacht.“ Ihre Kapitänin Birgit Prinz ergänzte: „Mit unserer gesamten Mannschaft, den Trainerinnen und Betreuern haben wir einen weiteren Meilenstein für die WM 2011 in Deutschland gelegt. Das war einfach cool. Aber es war ein hart umkämpftes Match, das wir am Ende verdient gewonnen haben. Wir haben im richtigen Moment die Tore gemacht. England war immer wieder dran, und wir haben immer wieder nachgelegt. Im Spiel war viel Tempo, beide Mannschaften haben sehr intensiv gespielt.“
 
Fußballexperte Johann Blaha meinte abschließend: „Sämtliche skandinavische Mannschaften tanzten vor der EM 2009 auf verschiedenen Hochzeiten. Sie absolvierten in ihren nationalen Ligen noch zeitnah meist Meisterschaftsspiele sowie WM-Ausscheidungsspiele Einige Spielerinnen waren kurz davor noch in der US Profiliga WPS tätig. Dadurch war die Spannung zur Leistungserbringung auf Dauer nicht hoch zu halten. Die deutsche Mannschaft hat dagegen zum richtigen Zeitpunkt, die richtigen Vorbereitungen getroffen. Der DFB hatte keine Legionärinnen im Team, damit hatte die Bundestrainerin Silvia Neid die besten Voraussetzungen. So ist die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen ist ihrer Favoriten-Rolle voll gerecht geworden.“
 
Für 14 Uhr (live bei DFB-TV) ist in Frankfurt ein Empfang vorgesehen, bei dem sich die Spielerinnen im Kaisersaal in das Goldene Buch der Stadt eintragen werden. Die Mannschaft wird daher direkt vom Flughafen, wo sie um 13 Uhr angekommen ist, in die Innenstadt fahren. Es wird mit etwa 5.000 Fans auf dem Römerberg gerechnet.  (PK)

Online-Flyer Nr. 214  vom 11.09.2009



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