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Lokales
Roters hat Stadtentwicklung zur Chefsache gemacht
In Mülheim brennt‘s!
Von Rainer Kippe

Als erster Oberbürgermeister in Köln hat Jürgen Roters das Amt für Stadtentwicklung ganz direkt seinem Amt angegliedert und sich persönlich untergeordnet. Am 31. Mai nahm er im Domforum dazu Stellung. Sein Beitrag war brisant und fundiert. Zusammengefasst: immer mehr Stadtteile verarmen und rutschen ab.

Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel und der Anteil von Migranten ergeben eine

Stadtentwicklung zur Chefsache
gemacht: OB Jürgen Roters
gefährliche Mischung. Die Stadt droht auseinander zu brechen. Besonders in den ehemaligen Industriegebieten im Kölner Osten von Mülheim bis Porz, von den Sozialsiedlungen in Flittard über die Hacketäuersiedlung in Mülheim, die Elendsgebiete in Vingst bis zum einstigen Vorzeigeprojekt Demo-Gebiet Finkenberg nimmt die Unterentwicklung dramatische Formen an. Nach Jürgen Roters Auffassung muss hier die Politik gegensteuern – von ganz oben und koordiniert.
Da die städtischen Kassen leer sind, setzt Roters dabei auf Entwicklungsprogramme wie Mülheim 2020, wo die Stadt EU-Gelder neben Landesmitteln erhält. Mülheim hat dabei eine Vorreiterfunktion. Wenn das Programm erfolgreich ist, sollen weitere Stadtviertel angemeldet werden. Und das sieht nicht nur Jürgen Roters so. Grünen–Chef Jörg Frank zum Beispiel will auch den Wegzug der Fachhochschule Deutz in die Südstadt, der für ihn schon beschlossene Sache ist, durch ein solches Programm auffangen.
 
Auf Mülheim kommt es an!
 
Im Programmgebiet Mülheim Nord sollen 40 Millionen Euro ausgegeben werden, mit denen der Stadtteil wieder in Schwung gebracht werden soll. Ziel ist es, die katastrophalem Mülheimer Zahlen bei Arbeitslosigkeit und Bildung wieder an den städtischen Durchschnitt heranzuführen.
Dazu ist zum ersten Mal in einem Programm der Stadt Köln lokale Ökonomie als Schwerpunkt aufgetaucht. Ziel der Wirtschaftsförderung ist es, niedrigschwellige Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür plant die Stadt so mancherlei. Unter lokaler Ökonomie versteht die Stadt beispielsweise die Förderung von Theatergruppen. Aber auch ein Verein für Computer-Ballerspiele mit dem Namen "n-faculty", der jetzt bereit Räume im Rathaus gemietet hat, soll 900.000 Euro für ein Vereinsheim erhalten. Arbeitsplätze schafft die Verwaltung selbst gar keine. Die drei Projekte, die aus der Bürgerschaft vorgeschlagen wurden, ein Baurecyclinghof mit Bauteilebörse, ein deutsch-türkisches Geschäftshaus und die „Neue Arbeit für Mülheim“ des SSM in der Halle am Faulbach werden mit bürokratischen Mitteln verschleppt und erledigt.



Les Banlieus de Cologne: Zerstörte Arbeitsstrukturen und...

Die Verwirklichung lässt auf sich warten

2008 wurde der Plan vorgelegt, aber bislang wurde nichts verwirklicht. Die Verwaltung unter Amtsleiterin Maria Kröger will vermutlich nichts falsch machen. Und gar nichts falsch macht bekanntlich nur, wer gar nichts tut. So werden die Planungen immer weiter verschleppt. Neuester Trick: es wurde beschlossen, alles auszuschreiben. Damit lässt sich wieder ein Jahr gewinnen. Und bis zum Ende haben Frau Kröger und ihre Leute es gar nicht mal so weit: ab dem Jahr 2014 muss abgerechnet werden, bis 2015 muss alles abgewickelt sein. Ein guter Weg also, alles loszuwerden, was Arbeit oder Risiko bedeutet, und sich auf das zu beschränken, was man ohnehin gut kann, zum Beispiel die Fortsetzung des Rheinboulevards aus der „Regionale 2010“. Der soll nach Mülheim Süd verlängert werden. Weil die Stadt pleite ist, und die Landesmittel schon in Deutz in der Kostensteigerung der pompösen Treppe am Landeshaus verbraten wurden, soll nun der Sozialfonds der EU zahlen. Dafür werden mal kurz 2.280.000 Euro aus „Mülheim 2020“ zweckentfremdet. Damit die Eu nichts merkt, wird einfach behauptet, dass durch diesen Boulevard niedrigschwellige Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden, Betriebe angesiedelt und die Erwerbslosigkeit gesenkt wird. Siehe auf den Seiten 128/129 unter "Mülheim 2020", downzuloaden bei der Stadt Köln.

Sozialmittel für Aufwertung
 
Während Jürgen Roters von Stadtentwicklung spricht, von Bildung und Arbeit, wird unter den Händen seiner geübten und fixen Bürokratie ein Aufwertungsprogramm, wie wir es schon in der Stadtsanierung gehabt haben. Da wurden Hunderte Millionen verbraten, ohne einen einzigen Arbeitsplatz zu schaffen. Das Elend wurde durch die Aufwertung und die damit verbundenen Mietsteigerungen nicht verringert, sondern vergrößert.



...fehlende Ausbildung.
Fotos: H.-D. Hey - gesichter zei(ch/g)en
 
Nun ist es heute schwieriger, als in den 80er Jahren, als die Kohle noch aus Düsseldorf und Bonn kam. Jetzt hält Brüssel den Finger drauf. Mal sehen, wie die Herrn der Geldtöpfe reagieren, wenn sie merken, dass zwar viele schicke Sachen gebaut wurden und dass viel Geld als sogenannte „Overhead-Kosten“ direkt im Verwaltungsetat der Stadt landete, dass sich für die Hilfebedürftigen aber gar nichts ändert hat, und dass vielmehr unter der Schminke von „Beratungsschecks“ und Kulturevents die Armen arm, die Ungebildeten ungebildet und die Arbeitslosen arbeitslos geblieben sind.
 
In Mülheim brennt‘s
 
Mit den Feuern unter den Autos haben sich die Mülheimer Arbeitslosen eindrucksvoll zu Wort gemeldet. Hoffen wir, dass Jürgen Roters die Zeichen der Zeit erkennt und seine Versprechungen wahr macht, alles zu tun, damit die Stadt nicht auseinanderbricht. (HDH)
 


Online-Flyer Nr. 265  vom 01.09.2010



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