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Der Schiffspatron starb den Heldentod in der Skagerrakschlacht
Neues über die und den "Gorch Fock"
Von Wolf Gauer

Auf der "Gorch Fock" soll es zugegangen sein wie auf dem Nazischul..., pardon, wie auf dem Schulschiff der Deutschen Kriegsmarine "Gorch Fock“, das im Mai 1933 vom Stapel lief, am 30. April 1945 von seiner Mannschaft in Stralsund versenkt, danach von den Russen gehoben und instand gesetzt wurde und bis in die 90er Jahre unter dem Namen "Towarischtsch" (russisch "Genosse") unter der sowjetischen Marine fuhr. Warum sollten wir uns darüber wundern?
 

Helden-Reimer Johann Wilhelm Kinau –
bekannter als Gorch Fock
1958, gerade 13 Jahre nach dem Abgurgeln des NS-Reiches, wurde in Hamburg ein Segler identischer Bauart und gleichen Namens vom Stapel gelassen. Die zweite "Gorch Fock“ - mit allem Pomp der wieder aufrüstenden BRD und so als ob da nichts weiter gewesen wäre. Ein bedenkenlo- ses Bekenntnis zu einer mehr als fragwürdigen Tradition, zum alten Wein in neuen Schläuchen. Da war es wieder, das reinweiße Schiff, die "weiße Botschafterin Deutschlands“, das "Aushänge-schild der Deutschen Marine“, unsere "Gorch Fock“. Und auch das Auguren-Lächeln: wartet nur, bis wir auf hoher See sind! Da wird man ihm schon die Hammelbeine lang ziehen, dem "Bürger in Uniform“ - ganz wie damals unter Großadmiral Raeder.
 
Proteste gegen die Neuauflage der Nazibark sind nicht bekannt. Der Windjammer begeisterte die Nation, machte die Katastrophe der "Pamir“ vergessen (1957, 80 tote Kadetten) und veranlasste erst in diesen Tagen einen Herrn zu Guttenberg zu "hartem Durchgreifen“, weil da dummerweise was schief gelaufen ist, das reinweißen Westen und Uniformen abträglich werden könnte.
 
"Boben dat Leben steit de Doot“ (Über dem Leben steht der Tod). So zitierte 1958 die mit der Schiffstaufe betraute Nichte des geistesarmen Fischers und Helden-Reimers Johann Wilhelm Kinau ahnungsvoll ihren Finkenwerder Ahnherrn. Diesem, eher bekannt unter dem Pseudonym "Gorch Fock", hatte die wilhelminische Flotten- und Kriegsbegeisterung sarrazinsche Auflagenhöhen beschert (und auch einen Heldentod in der Skagerrakschlacht).
 
Trotz des eher unappetitlichen Pseudonyms kam die lesende Jugend an Gorch Fock so wenig vorbei wie an Karl May. Sein völkischer Roman "Seefahrt ist not“ (1913) und seine unfassbar kläglich-tumben Sinnsprüche arbeiteten dem Menschenbild der Nazis und deren Volksverblödung vor. "Das damals gefragte Pathos, das sich aus der Sehnsucht des Autors nach eigener Seefahrerschaft speiste, macht die sehr einfach strukturierten Abenteuergeschichten für heutige Leser oft beinah ungenießbar.” (Wikipedia).


Aufgeentert - unser Blauen Jungs und Mädels auf der "Gorch Fock"
Quelle: http://soldatenglueck.de/
 
Von wegen - Pathos ist wieder gefragt. Dem Soldatentod werden neue Ehrenmäler gesetzt. Heldisches ist angesagt und wird mit Orden belohnt. Sei es in Afghanistan oder am Horn von Afrika. "Seefahrt ist not“ wird weiterhin verbreitet, auch gratis im "Projekt Gutenberg" des SPIEGEL-online. Und somit mussten sie weiterhin "aufentern“, unsere Blauen Jungs und Mädels, ganz wie zu Zeiten von Willems Armada - 40 Meter ohne Sicherung. Auch wenn ihnen der Sinn mehr nach Hi-tec-U-Booten oder Drohnenprogrammierung stand.
 
Auf sechs "Doote“ hat es die "Gorch Fock" inzwischen gebracht, darunter zwei Frauen. Schließlich gilt auch im sinnlosen Tod: "Des Mannes bester Kamerad ist die Kameradin” (Gorch Fock). Und für die Kameradin, die - ohne Rettungsweste - ihr junges Leben in den Untiefen der See aushauchte, hält der Schiffspatron adäquaten Tiefsinn bereit: “Du kannst dein Leben nicht verlängern, noch verbreitern, nur vertiefen”. (PK)

Wolf Gauer lebt seit 1974 als Filmemacher und freier Journalist in Brasilien.
Sein Beitrag erschien in ähnlicher Form in Ossietzky, Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft.


Online-Flyer Nr. 289  vom 16.02.2011



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