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Sport
Warum wird der bisher erfolgreichste Frauentrainer als "Anti-Profi“ diffamiert?
Merkwürdiger Sportjournalismus in der FAZ
Von Bernd J.R. Henke

Schlagwörter markieren den Gegner und verhindern aber das eigene Denken. Der Frankfurter Sportjournalist Michael Horeni verteidigte in seinem Kommentar "Der Anti-Profi“ das vorherrschende Märchen, dass die Professionalisierung des deutschen Frauenfußballs nur durch "Profi“ Siegfried Dietrich umgesetzt wird und der "Anti-Profi“ Bernd Schröder schweigen sollte, da er davon wohl nichts verstünde.


Fotos: Jan Kuppert

Nun der FAZ-Beauftragte für die "Marke“ DFB, Michael Horeni, gehört zu der Spezies Sportjournalisten, die uns schon seit Jahren mit ideologisch eingefärbten Kommentaren erfreuen. Dabei wird immer wieder sichtbar, dass Horeni bereit ist, in einem kurzen Schachtelsatz die Stimme seines Herrn sprechen zu lassen: „Schröder ist zwar der sportlich erfolgreichste Mann im Frauenfußball, aber wenn sich eine Frau für einen anderen als seinen Weg entscheidet und er das nicht ertragen kann, dann sollte er wenigstens schweigen.“

Den derzeit erfolgreichsten Trainer einer Frauenvereinsmannschaft in Europa als "Anti-Profi“ zu diffamieren, des wirtschaftlichen Feldes zu verweisen oder als Verhinderer der Karriere einer Frau darzustellen, wird Horeni auch nicht mit den Folgesätzen gelingen: „Oder, wenn das gar nicht geht, ganz alleine in der Kabine herumpoltern. Das ist zwar auch kein Beitrag für die guten Sitten im Frauenfußball, aber wenigstens eine schöne Übung in Selbstkontrolle.“
 
Der erfolgreiche Schröder steht nun zum zweiten Male mit seiner Mannschaft in Folge im Endspiel um die Krone im europäischen Frauenfußball. Das bedeutet professionelle Vorbereitung und Arbeit über Jahre. Das ist wohl nur mit Disziplin, Visionen, Werten und Selbstkontrolle zu erreichen. Es ist bezeichnend für Potsdam, dass der Star die Mannschaft ist. Insbesondere ist der Europäische Fußballverband (UEFA) sehr stolz auf die Potsdamer Erfolge, denn sie entsprechen seinem Corporate Governance Rahmen mit seinen elf Werten.
 
Die Qualität des letzten Endspieles 2010 im spanischen Getafe bleibt unvergessen. Die Dramatik dieses Augenblicks war nur möglich, weil in diesem Fight Fairness die Priorität hatte. Die UEFA betont, dass der Fußball immer an erster Stelle stehen und uns in unserem Handeln leiten soll. „Der Fußball ist zunächst ein Spiel und kein Produkt, ist zunächst ein Sport und kein Markt, ist zunächst Spektakel und kein Geschäft.“
 

 
Die UEFA steht ebenso wie Potsdams Cheftrainer Bernd Schröder dafür, dass auch neben dem Spielfeld Fairplay herrschen sollte. „Finanzielles Fairplay bedeutet, dass die Klubs transparent und verantwortungsvoll arbeiten, um den sportlichen Wettbewerb und sich selbst zu schützen. Finanzielles Fairplay bedeutet, dass die Klubs in keine Schuldenspirale geraten, um mit ihren Rivalen zu konkurrieren. Dieses Ziel wird erreicht, wenn die Klubs mit ihren eigenen Mitteln bestehen können, das heißt mit den Ressourcen, die sie generieren."
 
Wenn Schröder sagt: „Wir sind gewissermaßen zu einem "Kulturgut“ des Landes und der Stadt Potsdam geworden, mit einem enorm gewachsenen Bekanntheitsgrad, zu einem Sympathieträger, der einen hohen Leistungsanspruch demonstriert und ihm mit einem hohen Niveau auch entsprechen will“, dann spricht das für sich. Es zeugt auch von einem weiten Kulturbegriff. Es gibt nicht hier Kultur und da Sport, sondern Fußball ist durchaus auch eine Kulturform. Es geht doch immer auch um Ästhetisches, um Kreatives, um Spielerisches, um Kommunikation, um Anerkennungskultur.
 
Anerkennungskultur unterstützt das Selbstwertgefühl einer ganzen Region. Michael Horeni irrt. Seine durch den Männerfußball fixierte Brille verwechselt "Professionalität“ mit kurzfristigem Promotion Business im Vorfeld des Interesses zur WM, um davor und danach mehr Nike-Freizeitschuhe zu verkaufen. Der Weg, den Potsdam geht, ist langfristiger und generiert ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum, auch nach der WM 2011, direkt für den Verein und der immateriellen Stärkung der Region um Potsdam. 



Dietrich meint: „Die persönliche Vermarktung und die professionelle Zusammenarbeit mit den Medien wird für die individuelle Entwicklung der Fußballerinnen, aber genauso auch für den Frauenfußball insgesamt eine bedeutende Rolle spielen.“ Aber diese Einnahmen werden nicht für den Verein 1. FFC Frankfurt als Einnahme zu verbuchen sein. Sie landen direkt auf das Konto des Testimonials, ihrer Berater und des Promotors. Nur eine Förderung der eigenen Jugend- und Nachwuchsarbeit ist die Grundlage für nachhaltige professionelle wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten zehn Jahren.
 
Ein geschätztes monatliches Gehalt einer Fatmire Bajramaj beim 1. FFC Frankfurt von 12.000 € monatlich ist beileibe nicht mal bei einem Zuschauerschnitt von 1500 Zuschauern durch zwei Heimspiele einzuspielen. Professionalität in dem Sinne, dass eine Spielerin von ihrem Grundgehalt leben kann, kann nicht im Dietrich'schen Sinne in wenigen Monaten erträumt werden, sondern benötigt Zuschauerzahlen pro Spiel wie in der 2. Bundesliga der Männer und gleichzeitig genügend Finanzkraft aus der medialen TV Vermarktung der Spiele.
 
Frauenfußball ist bisher eine Randsportart in einer durch Männer bestimmten Welt des Fußballs. Der Sportjournalist Michael Horeni sollte lieber schweigen oder sich mal beim FC Bayern München/Frauen in Aschheim bei München ein Ligaspiel vor 200 Zuschauern ansehen.
 
Ein englisch sprechender Fan in Frankfurt, ein regelmäßiger Besucher des Stadions am Brentanobad, und Kenner der Szene äußerte im Blog www.womensoccer.de wie hier übersetzt:
 

 
"Turbine Potsdam ist der Frauenfußballverein mit Vorbildfunktion für ganz Europa. Der Erfolg ist aufgebaut auf ein brillantes eigenes Ausbildungssystem junger Spielerinnen in Ergänzung durch wenige Spitzenklasse-Zugänge. Der andauernde Erfolg der Mannschaft belebt gleichzeitig den Leistungsstandard neuer junger Spielerinnen. Es ist ein beinahe perfektes System wie sich der Club in sich weiterentwickelt.
 
Ich denke, dass Potsdam auch ohne Lira stark sein wird. Sie ist sehr talentiert, aber sie bietet nicht das große Vermögen einer Marta. Vergesst nicht, als sie zu Turbine kam, hatten die schon die Deutsche Meisterschaft erlangt. Jede talentierte Spielerin kann sich entwickeln bei Turbine. Schröder besitzt das am besten abgestimmte Team in Europa. Neuzugang Patricia Hanebeck wird dies schon nächste Saison zeigen können.
 
Bajramaj geht nach Frankfurt wegen des Geldes und wirtschaftlichen Vorteils. Ihr größtes Problem wird sein, dass Birgit Prinz dort eine Fußballerinnen Ikone ist und ihre Weltklasse seit langem anerkannt ist. Nicht nur, dass sie keine Weltklasse besitzt, Bajramaj ist ausschließlich in ihrem eigenen Kopf eine Fußballikone. Die anderen Spielerinnen und Fans in Frankfurt wissen das natürlich -so denke ich, dass es sehr interessant zugehen wird am Brentanobad. Eine gute PR für Frankfurts Marketing System. "Barbie-Glitzern“ ist der neue Zukunftstraum für den Frauenfußball im Jahr der Weltmeisterschaft. Ist es gut für Frankfurts Frauenfußball?"
 
Die große Bühne Weltmeisterschaft benötigt kritische Begleitung. Willkommen im Profigeschäft der Sportpolitik, Michael Horeni. Nachdenken ist angesagt. (PK)

Online-Flyer Nr. 299  vom 27.04.2011



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