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Protest gegen die Hubschrauber-Station auf dem Kölner Kalkberg
Aktion Kalkberg
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Am vergangenen Samstag, dem 14. Januar, gab es eine besondere Aktion auf einer der höchsten Erhebungen in Köln. Auf dem in früheren Zeiten von der CFK, der Chemischen Fabrik Kalk, angelegten Deponieberg neben dem Autobahnzubringer zwischen Zoobrücke und Autobahnkreuz Köln-Ost, an der Grenze zwischen den Stadtteilen Kalk und Buchforst, wurde in großen Lettern Hollywood-ähnlich der Schriftzug „KALKBERG.ORG“ installiert – als Protest gegen die dort geplante Rettungshubschrauber-Station.

Das Ergebnis vorweggenommen: Der weithin lesbare Schriftzug auf der Kuppe des Kalkbergs
Alle Fotos: arbeiterfotografie.com
 
Wie wäre es mit einer Hubschrauber-Station in der Nähe der Villen von Marienburg, Rodenkirchen oder Hahnwald? Was sagt ein Stadtdirektor Guido Kahlen auf derartige Fragen? Nichts! Solche Fragen beantwortet er nicht. Stattdessen spult er (auch in der WDR-Lokalzeit-Sendung am Abend der gelungenen Anwohneraktion) seine Standardantworten ab: „Wir haben 40 Standorte geprüft – wirklich ergebnisoffen. Wir wollen aber über zusätzlichen Lärmschutz an den wirklich heute belastenden Faktoren etwas tun: Flüsterasphalt für die Stadtautobahnen.“ Der Lärm aus der Luft wird dadurch nicht gemildert. Die Stadtverwaltung will von ihrem Vorhaben nicht abrücken: die Hubschrauber-Station soll auf den Kalkberg. Und der Rat der Stadt hat am 20. Dezember 2011 zugestimmt. Die betroffenen Menschen in den benachbarten Stadtteilen Kalk und Buchforst konnten bisher sagen was sie wollten. Ihre Stimme wurde nicht gehört. Da bleiben nur verstärkter Protest und Widerstand.


Auftakt-Kundgebung am Fuß des Kalkbergs unter dem Autobahnzubringer – Material und Werkzeug deuten auf die Dinge, die da kommen werden


Auf dem Weg zum Gipfel des Kalkbergs


Stadthistoriker Martin Stankowski


Die Lasten der Aktion werden auf vielen Schultern verteilt


Jeder weiß, was er oder sie zu tun hat: Sägen, Zusammenlegen, Schrauben, Anstreichen…


Einer der Initiatoren: Boris Sieverts


Auf der Kuppe des Kalkbergs mit Blick nach Kalk und Deutz


Die Pflöcke, an denen später die Riesen-Buchstaben befestigt werden


Die fertig zusammen gezimmerten Riesenbuchstaben werden an ihren vorbestimmten Aufstellort gebracht


Die logistische Operation ist gelungen – Boris Sieverts vor dem entstandenen Protest-Signal

Es waren Menschen verschiedenster Alterstufen und aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft, die am Samstag, dem 14. Januar zum Kalkberg gekommen sind. Auch die Medien waren eingeladen. Und nicht wenige Vertreter dieser Spezies waren zugegen.
 
Auch die Lokalzeit des WDR-Fernsehens war vor Ort und ließ einige Beteiligte zu Wort kommen: Eine Frau (Mitte 60): „Das ist ein ganz toller Aussichtspunkt. In dem mit Grün völlig unterversorgten Kalk ist er eine Grünfläche, die dieses Defizit ein bisschen ausgleichen kann.“ Ein Jugendlicher: „Das war mal ein schöner Berg. Und jetzt soll hier ein Hubschrauberlandeplatz hin. Ich finde, das geht gar nicht. Für die Anwohner ist der Berg was Besonderes, für mich auch. Ich möchte nicht, dass der zugebaut wird.“ Eine Frau (Ende 30/Anfang 40): „Hier treffen sich abends die Jugendlichen und grillen. Das ist doch eine schöne Bereicherung für Stadtteile wie Kalk und Buchforst.“
 
„Das ist wie ein Befreiungsschlag“
 
Wir wollten mehr wissen und haben auch die Akteure befragt. Boris Sieverts, einer der Hauptinitiatoren, sagt auf die Frage, was der Kalkberg für die Menschen bedeutet: „Das ist ein Ort, den man aufsucht, um einen radikalen Perspektivwechsel zu bekommen. Das sind ja außerordentlich dicht bebaute Stadtteile hier zu unseren Füßen. Die Menschen steigen 25 Meter hoch. Das ist wie ein Befreiungsschlag. Das ist ein ganz wichtiges Stichwort. Und sie sind mit einem Schlag mit der ganzen Härte, die sie umgibt, versöhnt."
 
„Das ist so was von manipuliert“
 
Wie ist die Beschlusslage? Boris Sieverts: „Es gibt den Beschluss des Stadtrats. Aber wer A sagt, muss nicht B sagen. Siehe Schauspielhaus. Es werden immer wieder Dinge beschlossen, die später zurückgenommen wurden. Und die Punktematrix, die die Stadt zur Beurteilung verschiedener Standorte gemacht hat, ist so was von manipuliert, nur damit dieser Ort übrig bleibt. Das ist haarsträubend. Die bräuchten nur den Multiplikationsfaktor für den Punkt Lärmbelästigung geringfügig zu erhöhen, dann wäre der Kalkberg schon ausgeschieden oder zumindest unter ferner liefen. Das neue Totschlagargument ist, dass es nur hierfür eine Genehmigung gibt. Aber wenn man in sieben Jahren nur für einen einzigen Standort eine Genehmigung beantragt, ist es natürlich ein Hohn, hinterher die Leute damit abzuspeisen, dass es nur dafür eine Genehmigung gibt.“
 
„Das ist ein Ausverkauf dieser Stadtteile“
 
Was hast Du für eine persönliche Motivation, dass alles zu machen? Boris Sieverts: „Mein Herz hängt an Kalk. Ich mag diesen Ort unheimlich gerne. Das eine Problem ist der Lärm. Dann habe ich erlebt, wie haarsträubend mit den Anwohnern auf der Informationsveranstaltung der Stadt umgegangen wurde, wie übel sich Stadtdirektor Kahlen da raus gewunden hat. Er stand mit dem Rücken zur Wand. Das war eine Farce. Eine Sache ist mir klar geworden: das ist auch ein Ausverkauf dieser Stadtteile. Der Ausverkauf, den wir da drüben auf der anderen Seite der Stadtautobahn sehen (mit der Gewerbebauung), der soll hier fortgesetzt werden.“
 
„Das war nur der Auftakt“
 
Wie geht es jetzt weiter? Boris Sieverts: „Das war nur der Auftakt. Wenn die Sommermonate kommen, geht es erst richtig los: Theater, Musik, Feiern. Wir wollen den Berg bespielen. Die Stadt hat die Kalker nie informiert. Die hat immer nur die Buchforster informiert – mit dem fadenscheinigen Argument, dass der Kalkberg in Buchforst liegt. Aber das ist natürlich der Hohn. Es gibt übrigens doch noch eine Klagemöglichkeit, und die werden wir auch wahrnehmen, weil nämlich 2005, als die Offenlegung war, es die Wohnbebauung da drüben (auf der anderen Seite von der Stadtautobahn hinter Bauhaus und Musicstore) noch nicht gab. Und die Anwohner dort sind unter Umständen noch klageberechtigt.“
 
„Hier sollen die Kölner landen“
 
Auch der Kölner Stadthistoriker Martin Stankowski ist bei der Aktion dabei. Warum ist er heute hier? „Weil ich endlich mal von oben auf Köln runtergucken will. Es ist doch langweilig, wenn man Köln immer aus der Froschperspektive sieht und immer nur wie eine graue Maus durch die Straßen und Gassen rennt. Da hab ich gedacht, ich guck mir Köln mal von oben an. Ich will mal das genießen, was andere tun, wenn sie google earth gucken oder im Flugzeug sitzen. Hier soll kein Hubschrauber-Landeplatz hin. Hier sollen die Kölner landen.“
 
„Die Kölner regen sich“
 
Wie lange bist Du bei der Initiative dabei? Martin Stankowski: „Ich bin überhaupt nicht bei der Initiative dabei. Ich bin nur ein neugieriger Kölner und guck mir an, was so passiert und freue mich, wenn die Leute sich aufmachen. Das find ich wunderbar. Guck mal, das ist doch hier wie ein Bauspielplatz. Die Kinder können hier anstreichen, nageln, Buchstaben zimmern, rechnen lernen – und das Ganze nicht digital sondern analog wie in der wirklichen Welt – können auf die Schnauze fallen, können sich verletzen, alles das, was sie woanders gar nicht mehr haben. Und das andere: die Kölner regen sich, lassen es sich nicht gefallen, dass hier ein Hubschrauberlandeplatz gebaut werden soll. Dafür gibt es andere, bessere Plätze. Hier kann ein Abenteuerspielplatz entstehen – für Jung und Alt."
 
„Das ist mein Wohnzimmer“
 
Anwohnerpaar (ca. 70): „Wir haben zwar Thermopen-Fenster, aber die müssen wir ja auch mal aufmachen. Dann haben wir den Krach. Außerdem finde ich die Umgebung viel zu schön.“
 
Anwohner (Mitte 60): „Wir von der Buchforster Geschichtswerkstatt demonstrieren schon seit 2004 mit den unmöglichsten Aktionen dagegen. Ob es jetzt noch was nützt, das werden wir ja sehen. Die vielen Leute, die auf der Autobahn vorbeifahren, wissen ja gar nicht, dass das hier der Kalkberg ist. Jetzt wird das endlich mal klargemacht.“
 
Anwohner (Mitte 50): „Der Hubschrauberlandeplatz würde für die Anwohner eine Lärmbelästigung und wesentlich Einschränkung ihrer Wohnqualität zur Folge haben. Es ist hier in Kalk und Buchforst ja sehr viel sozialer Wohnungsbau. Die Leute können deshalb nicht einfach woanders hin ziehen.“
 
Anwohnerin (Anfang 40): „Ich habe einen sehr persönlichen Bezug zum Kalkberg. Ich denke, es gibt kaum eine Person, die so oft oben war wie ich. Ich feiere seit 10 Jahren meinen Geburtstag hier. Und Sommersonnenwendfeiern. Da machen wir hier Feuer. Wir haben schon mit 30 Leuten hier gefeiert. Und Kinderexkursionen haben wir gemacht. Die schönsten Sternennächte haben wir hier gesehen und Sternschnuppen. Ich kenne hier jede Pflanze persönlich. Das ist mein Wohnzimmer.“ (PK)
 
 
Weitere Bilder gibt es hier:
http://www.arbeiterfotografie.com/galerie/reportage-2012/2012-01-14-koeln-kalkberg.html
 


Online-Flyer Nr. 337  vom 18.01.2012



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