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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Medien
Der UN-Sicherheitsrat die „einzige legislative internationale Körperschaft“???
Volker Perthes' falsche Darstellung in der SZ
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

In der Süddeutschen Zeitung vom 14.6. hat Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, unter dem Titel „Die Welt regieren“ eine richtige Vision veröffentlicht, nämlich Frieden stiften und Armut bekämpfen als eine gemeinsame Aufgabe für die Weltstaatengemeinschaft. Eigentlich ist es diese eine Aufgabe, die Priorität hat. Es handelt sich um eine vorgeschriebene Pflicht für alle Staaten gemäß der Charta der Vereinten Nationen, vor allem, was den Frieden angeht. Die Charta verbietet die Gewaltanwendung und die Drohung mit Gewalt und signalisiert das friedliche Instrumentarium, also den Dialog, um Konflikte zu lösen.
 

Schon Konrad Adenauer unterlag
der Faszination der USA
Quelle: wikipedia
Ein gravierender Irrtum, ja ein Fehlge- danke im Artikel von Perthes ist aber grundsätzlich zu korrigieren: Der UN- Sicherheitsrat ist keine „legislative internationale Körperschaft“. Mit Blick auf die Vereinten Nationen und die klassische Staatsgewaltenteilung ist der Sicher-heitsrat lediglich die Exekutive gegenüber der Vollversammlung, die wie das Parlament der Welt, die Funktion der Legislative erfüllt, während die Judikative das Internationale Gericht in den Haag übernimmt. Allein die Aufstellung des Sicherheitsrates mit fünf ständigen Mitgliedern, die niemand gewählt hat, signalisiert eine Körperschaft ohne demokratische Legitimität. Darüber hinaus sind die fünf permanenten Mitglieder Nuklearstaaten mit Veto-Recht. Daraus folgt ein schweres Ungleich-gewicht ausgerechnet im Exekutiv-Organ der Vereinten Nationen. Um dieses Ungleichgewicht durch ein System von "check and balances" zu überwinden, wäre es angebracht, eine Beschlussfähigkeit mit einfacher Mehrheit zu etablieren, die durch zwei Drittel der Vollversammlung umgestimmt werden könnte. Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sind durch gewählte Mitglieder zu ersetzen wie alle anderen Mitglieder des Sicherheits- rats. Diese Änderungen für die Art und Weise, Entscheidungen zu treffen, wären als Reform der Vereinten Nationen zu bezeichnen.
 
Das Herz und die Seele der Vereinten Nationen liegen bei der Vollversammlung, wo alle Nationen der Welt repräsentiert sind. Den Sicherheitsrat als „einzige legislative internationale Körperschaft“ zu bezeichnen, ist deshalb nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Das zu tun, läuft darauf hinaus, eine Diktatur zu legalisieren mit allen ihren verhängnisvollen Resolutionen, die als Ermächtigung zum Krieg ausgelegt und benutzt worden sind, wie es die Welt seit 1991 erlebt hat.
 
Es gibt kein UN-Mandat für einen Krieg. Es hat nie eines gegeben und es wird keines geben - trotz allen massiven Drucks und Tricks einer rücksichtslosen Hypermacht, die sich ungestraft als Aggressor immer weiter profiliert. Kein NATO-Land ist zu kriegerischer Unterstützung verpflichtet, gewiss auch nicht Deutschland. Der NATO-Vertrag, die NATO-Organisation ist im Wesen defensiv, nicht aggressiv, also gibt es keine rechtliche Grundlage für die Unterstützung einer Aggression oder Solidarisierung damit, auch nicht, wenn diese Aggression von einem Mitglied ausgeht.
 
Also nicht nur die Vereinten Nationen, sondern auch die NATO müssen sich gegen die aggressive Haltung eines Mitgliedes stellen. Dieses Problem blieb bisher von der Öffentlichkeit und der Weltgemeinschaft unbearbeitet, wurde nicht wahrgenommen in seiner gravierenden Tragweite.
 
Der UN-Sicherheitsrat wird weiterhin kein Recht erhalten, „internationale militärische Interventionen zu mandatieren“, aus dem einfachen Grund, weil er kein Recht dazu hat. Mit dem Sicherheitsrat ist kein gesetzliches Völkerrecht zu schaffen. Der Sicherheitsrat kann und darf das Völkerrecht nicht ersetzen und kann es auch nicht neu schaffen. Das statuierte Völkerrecht für die Weltstaatengemeinschaft, für die Vereinten Nationen ist die UN-Charta. Danach ist das erste Völkerrechtsprinzip und Leit-Motiv der UN-Charta das Gewaltverbot für die internationalen Beziehungen.
 
Nicht weil die UN-Sicherheitsratsresolutionen dazu mehrmals verdreht und pervertiert wurden, erlangt der Sicherheitsrat ein "Recht“ für Mandate zum Krieg, da die UN-Charta es ihm verbietet. Das ist der springende Punkt, warum neulich keine weitere Resolution im Sicherheitsrat als mögliche Lösung für aktuelle Konflikte zugelassen wurde, denn die Mitglieder haben zu Recht jedes Vertrauen in die Funktion des Sicherheitsrates verloren und lehnen deswegen jede Resolution im Sicherheitsrat ab, seitdem solche Resolutionen den Weg zum Krieg ebneten, anstatt ihn zu verhindern. Nach der UN-Charta verbietet sich der Krieg, verbieten sich gewalttätige Aktionen und Drohungen, um politische Ziele zu erreichen. Alles andere wäre unvereinbar mit einer zivilisierten Rechtsordnung. Krieg ist Massenmord und Zeichen des Kulturverfalls sowie des Versagens von Politik. Krieg als Mittel der Politik kann heute auch nicht als "letztes Mittel" gelten. Drohung und gewaltsame Aktionen gegen Staaten entspringen terroristischer Denkweise und sind terroristische Handlungen am Rand einer zivilisierten Gesellschaft und nicht zu rechtfertigen. Stimmte der UN-Sicherheitsrat einer solchen Resolution für Gewaltanwendung bzw. militärischer Intervention zu, ist eine solche Resolution völkerrechtswidrig. Sie würde lediglich noch einmal beweisen, dass sich Mitglieder eines Friedensorgans nicht mehr an Recht und Gesetz halten. Deshalb hat Priorität, die Glaubwürdigkeit und Funktionsfähigkeit der UN zu bewahren, damit eine UN-Resolution der Gewalt nicht Tür und Tor öffnet, sondern jeden Angriffskrieg bzw. militärische Intervention ausdrücklich verbietet.
 
Aufgrund dessen ist eine Reform des Sicherheitsrates durch Ausweitung der Mitgliedschaft keine wünschenswerte Reform für die Vereinten Nationen. China opponiert einem solchen Ansinnen, weil nach dem Debakel von ständigen Angriffskriegen, die mit dem Segen des Sicherheitsrates durchgeführt wurden, eine solche Ausweitung mit Ländern, die gerade den unsäglichen Kriegskurs mitmachten, ein Alarmsignal ist.
 
Hinsichtlich der Vorgeschichte zum zweiten Angriffskrieg gegen den Irak sind einige Überlegungen angebracht, die zum richtigen Verständnis der rechtmäßigen Funktion des Sicherheitsrates führen.
 
Der UN-Sicherheitsrat entschied sich mit einer erheblichen Mehrheit gegen das Bush-Kriegsvorhaben schon Anfang März 2003 trotz aller Manipulationen, Nötigungen und Erpressungen der Übermacht, Vorgänge, die nie zuvor in derart skandalösem Ausmaß zu beobachten waren. Die USA erlitten damals die größte diplomatische Niederlage in der Geschichte der Vereinten Nationen bei ihrem Versuch, eine Mehrheit für ihren Krieg gegen den Irak im März 2003 zu gewinnen. Aber diese Mehrheit stimmte entschieden mit 11 zu 4 Stimmen gegen den Kriegstreiber, ohne dass das Veto-System praktiziert wurde. Allein dieser Sachverhalt war ein großer Triumph der Vereinten Nationen, also durch eine rechtmäßige Mehrheit das internationale Friedensgebot zu behaupten. Das statuierte einen vorbildlichen Präzedenzfall für die Zukunft einer friedvollen Weltgemeinschaft. Aus diesem Streit ging das Bewusstsein über die Hauptaufgabe des Sicherheitsrates gestärkt hervor, nämlich die Friedensbewahrung trotz aller Widrigkeiten und enormen Drucks bekräftigt zu haben.
 
Die Welt sehnt sich weiterhin nach einer Vision, nach einem Vorhaben, die ihr Hoffnung und Vertrauen wiedergibt. Die geltende internationale Ordnung enthält diese Vision, dieses Vorhaben. Ein wahrer solider Staatsmann wie der ehemalige Außenminister Frankreichs, Dominique de Villepin, hat sie richtig interpretiert und brillant dargestellt, als er am 14.2.2003 den US-Krieg gegen den Irak ablehnte und stehende Ovationen dafür bei seiner großartigen Rede vor den Vereinten Nationen bekam. Als Ritter der Rechtsstaatlichkeit hat Frankreich damals durch de Villepin das UN-Vorhaben und eine derartige Vision an die Welt weitergegeben, wie kein Staatschef zuvor, weder Amerikaner noch Europäer. Er war der entscheidende Geist und Anstoß für die überwältigende Mehrheit gegen den Krieg innerhalb des UN-Sicherheitsrates. Das Parlament Frankreichs stimmte damals einstimmig der Friedenspolitik des französischen Präsidenten Jacques Chirac zu. Eine existentielle Angelegenheit von Krieg und Frieden hätte ebenso wie in Frankreich Einstimmigkeit im deutschen Bundestag erreicht, wenn nicht die politische Kultur dieses Landes durch die herrschenden Macht-Cliquen der Ewig-Gestrigen so rückständig geblieben wäre. Die überwältigende Mehrheit der Völker ist auf der Seite des Friedens und des Rechts. Dies in die Öffentlichkeit zu bringen ist ein Triumph für die Vereinten Nationen trotz aller zynischen Defätisten und offenen oder verstellten Kriegstreiber.
 
Eine Verurteilung aller US-Angriffe und Invasionen durch den UN-Sicherheitsrat durch dieselbe rechtmäßige Friedensmehrheit und durch die UN-Vollversammlung bleibt jedoch erstrebenswert, um Rechtsbrecher öffentlich bloßzustellen und Druck zu erzeugen, damit Sanktionen gegen die Rechtsbrecher überlegt werden, wie es die UN-Charta vorgibt. Gerade der frühere stellvertretende UN-Generalsekretär Denis Halliday schlug solche Sanktionen gegen die Rechtsbrecher vor - im Einklang mit der UN-Charta. Um die Zukunft der Vereinten Nationen zu bewahren und den Sicherheitsrat in seiner Funktion zu stärken, müssen die kriegerischen Mächte isoliert und ausdrücklich verurteilt werden. Die Logik des Krieges überzeugt niemanden mehr bei den Vertretern der Weltstaatengemeinschaft in New York. Seit Anfang März 2003 war es offensichtlich für die kriegerischen Staaten, dass sie keine Mehrheit im Sicherheitsrat für ihren Kriegskurs erreichen würden. Trotz allem, trotz kaltblütiger Erpressung und Nötigung, hatten sich alle Länder, vor allem die afrikanischen und die lateinamerikanischen wie Chile und Mexiko nicht auf die Seite des Krieges gestellt. Das eklatante diplomatische Scheitern der aggressiven Politik der USA war nicht mehr zu leugnen.
 
Das Foreign Office in London erkannte prompt vor der internationalen Öffentlichkeit, dass eine zweite Irak-Resolution durch den Sicherheitsrat wegen fehlender Mehrheit unmöglich geworden war (BBC-World, 14.3.03, 12 Uhr). „Der französische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Jean-Marc de la Sablière, sagte, es sei klar, dass Washington und London ihre Anstrengungen aufgegeben hätten, eine UN-Unterstützung zu gewinnen, weil sie nicht fähig waren, eine Mehrheit des Sicherheitsrates zu überzeugen.“ Der damalige britische Außenminister Robin Cook, Fraktionsvorsitzender der Labour Party, sagte in seiner Rücktrittserklärung: „I canot defend a war with neither international agreement nor domestic suport... (Ich kann nicht einen Krieg rechtfertigen, der weder internationale Zustimmung noch nationale Unterstützung genießt..." ("Why I had to leave the cabinet" – Robin Cook, The Guardian, 18.3.03.) Frankreich erklärte, die USA hätten die Gewalt über das Recht gestellt. Der Kanzler Deutschlands, Gerhard Schröder, sagte, einem Krieg der USA mit seinen unmenschlichen Konsequenzen mangele jede Rechtfertigung (BBC-World, 18.3.2003, 17 Uhr).
 
Auch wenn der friedfertige Sicherheitsrat vom Aggressor damals missachtet wurde, vermindert diese Missachtung nicht die Verpflichtung des Sicherheitsrates gegenüber dem Friedensgebot gegen Angreifer und Invasoren. Dasselbe ist nachvollziehbar auf nationaler Ebene: Wenn die Kraft des Rechtes und der rechtsstaatlichen Institutionen nicht genügen, um Straftaten zu verhindern, bedeutet das sicher nicht, die Kraft der Gesetze und Institutionen anzuzweifeln, sie zu ignorieren oder sich nicht weiter um sie zu kümmern. Im Gegenteil ist zu überlegen, wie wir solche Institutionen und Gesetze stärken und was zu tun ist gegenüber einer außenpolitisch eigenmächtig und unrechtmäßig agierenden Hegemonialmacht, die keinerlei Regeln anerkennt. Es stellt sich die Frage, was mit einem solchen gesetzlos agierenden Hegemon zu tun ist, eine Frage, die um die ganze Welt geht. Darin liegt der Kern heutiger Außenpolitik, besonders jetzt, wenn sich die Hegemonialmacht gegen die Mehrheit der Weltbevölkerung und gegen die Mehrheit aller Staaten in Gesetzlosigkeit auf konstantem Kriegskurs bewegt.
 
Eine rechtswidrige Aggression ist eine Straftat, und Straftäter gehören vor ein Strafgericht. Der Sicherheitsrat ist nicht dazu da, Mandatierungen zum Krieg bzw. zu „militärischen Interventionen“ zu erteilen. Aggression bleibt Aggression, Krieg bleibt verboten und ist seit den Nürnberger Prozessen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ächten. Die Bundesregierung engagierte sich für das Einrichten eines internationalen Strafgerichtshofes. Diese Institution wurde von mehr als 190 Staaten angenommen. Damit gibt es eine Möglichkeit, juristisch gegen Kriegsverbrecher vorzugehen und Kriegsverbrechen zu ahnden, ganz gleich, von wem sie begangen werden.
 
Völkerrechtswidriges Vorgehen in der Vergangenheit rechtfertigt ganz und gar nicht neue Völkerrechtsverstöße. Das Gegenteil zu behaupten, ist ein grundlegender Irrtum, der von Vertretern US-amerikanischer Stellen in Deutschland vernehmbar war, Stimmen, die versuchen, eine gesetzlose Außenpolitik zu inthronisieren, indem sie das geltende Völkerrecht demolieren wollen angesichts früherer völkerrechtswidriger Kriege. Weil mächtige Staaten gegen das Völkerrecht verstoßen, muss man sich dieser Politik nicht anschließen, auch wenn es von bestimmten Interessen geleitet für einige opportun erscheinen mag. Wird die Herrschaft von Recht aufgegeben, hört jedes zivilisierte Zusammenleben auf, jede bisherige Sicherheit und wir liefern uns der in Deutschland allzu lange geduldeten Macht des Stärkeren aus: dem Diktat der Übermacht. Zivilisation zeichnet sich gerade dadurch aus, dass für sie die Herrschaft des Rechtes und nicht die Macht des Stärkeren über allem steht. Die faschistische darwinistische Mentalität vom „Recht der Stärkeren“ sollte eigentlich längst überholt sein.
 
Jeder Versuch, das Primat des Rechts mit Positionen der Barbarei zu vermengen, um politische Gefolgschaft von möglichst vielen Seiten zu erhalten und Konflikten mit Anhängern und Gefolgschaft einer Hegemonialmacht aus dem Weg zu gehen, wird über kurz oder lang scheitern, denn Positionen, die zu Widersprüchen oder Zweideutigkeit führen, wird kaum jemand Vertrauen schenken.
 
Eine aktualisierte Reform der Vereinten Nationen muss die weitere Kodifizierung des Völkerrechts mit sich bringen für die Demokratisierung der Weltinstitution und die Ahndung des Krieges als größtes Verbrechen gegen die Menschheit. Damit sind die Architekten von Aggression und Krieg als größte Kriminelle zu bezeichnen und zu bestrafen. Dieser erkannte Fortschritt des internationalen Gesetzes erfordert ein neues Denken im Westen. Aus Deutschland ist aber bisher nichts Neues in diesem fortschrittlichen Sinn zu hören. Es sind die Menschen, die die Institutionen korrumpieren.
 
Volker Perthes sieht völlig richtig „aufstrebende Mächte wie Indien, Brasilien, Südafrika, Korea oder Indonesien aufgrund ihres wachsenden wirtschaftlichen Gewichts sollen und wollen auch politisch mitbestimmen“. Die BRICS-Staaten, vor allem Russland und China, versuchen, entschieden gegen die Unglaubwürdigkeit und Inkompetenz der Vereinten Nationen zu wirken, so dass die entgleiste Weltmacht sie ausgerechnet durch den Sicherheitsrat nicht mehr als Instrument für ihre partikuläre Interessenpolitik mittels Manipulation, Korruption, Desinformation, Lügen, Nötigung, Erpressung, militärischer Drohung und Kriegen weiter missbrauchen kann. Nach dem verheerenden NATO-USA-Krieg gegen Libyen sind China und Russland entschlossen, durch ihr Veto gezielt weitere Angriffskriege zu verhindern. Deutschland spielte damals eine sehr unrühmliche Rolle, wie auch derzeit hinsichtlich Syrien, was sehr auffällig ist. Realistisch und ehrlich müsste Deutschland seinen Anspruch auf einen permanenten Sitz in einem so dubiosen, undemokratischen UN-Organ aufgeben. Es sollte sich darauf konzentrieren, dass die grundsätzliche Pflicht der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates erfüllt wird, nämlich Frieden zu bewahren und jeden Angriffskrieg zu verhindern.
 
Die regionalen Institutionen sind zu verstärken, um der internationalen Politik ein Forum zu bieten. Die fortschreitende politische, wirtschaftliche und soziale Emanzipation der Regionen, die nicht zum euro-atlantischen Gebiet gehören, stellen heute neue Weltverhältnisse dar. Russland, China, Indien, Brasilien und andere regionale Mächte ringen um die Neuordnung der Welt. Amerika und die EU haben längst ihre historische Chance verspielt. Kein amtierender europäischer Politiker hat den Mut und das Format, die Führung Europas zu übernehmen, außer staatsmännischen Persönlichkeiten, die in der aktuellen Politik nicht mehr aktiv sind.
 
Die innen- und außenpolitische Lage der USA hat zu vielen Veränderungen geführt, auch in den Beziehungen unter den NATO-Ländern. Es überrascht daher nicht, dass nur sechs NATO-Staaten sich aktiv an dem Libyen-Einsatz 2011 beteiligten und wichtige NATO-Länder im Irak abwesend waren. Die Frustration der USA über diese Entwicklung ist bekannt.
 
Die USA halten jedoch eisern an ihrer abartigen Gewohnheit fest, dass das "Recht der Stärkeren“ diesen Staat über alle Maße regiert, und nach diesem Grundsatz wollen die USA auch die Welt beherrschen. Ein Blick auf den militärischen Industriekomplex und die Finanzwelt sagt schon vieles. Dieser Staat masst sich an, über Wohl und Wehe in der gesamten Welt zu entscheiden, seine Grundsätze als Leitmotiv in die ganze Welt zu tragen – auch mit Hilfe der NATO-Verbündeten. Daraus folgen keine gemeinsamen Werte, keine kulturelle Gemeinschaft, eher ihre Desintegration und der Zerfall aller menschlichen Werte durch die Brutalisierung des Menschen und seine Verwandlung in eine aggressive Bestie. Welche Zukunft ist daraus abzuleiten?
 
Die Verhältnisse in den USA unter dem fast alles beherrschenden industriellen Militärkomplex lassen keinen Raum für einen rationalen Wechsel der US-Außenpolitik erwarten. Aufgeklärte US-Eliten im Umfeld von Barack Obama haben sich bisher nicht durchsetzen können, um den USA und der Welt weiteren Schaden zu ersparen. Angesichts der bedrohlichen Lage im Vorfeld der nächsten US-Präsidentschaftswahl - mit Extremisten und Fanatikern ante portas - ist die Wiederwahl von Barack Obama das kleinere Übel für die USA und die Welt. Ein solches amerikanisches System, das auf weltweite Hegemonie zielt, ist ein unberechenbarer und hoch gefährlicher Welt-Despotismus, der an erster Stelle in unerhörtem Ausmaß den Weltfrieden bedroht.
 
Auch wenn diese Wahrheit wegen der Dimension der Gefahr erschauern lässt, müssen alle Menschen, vor allem die Medien, die Courage behalten, sich mit solcher Realität zu konfrontieren und sie bloßzustellen. Der Widerstand der Welt hat sich schon als Aufstand der Vernunft im Sicherheitsrat und bei den Vereinten Nationen organisiert. Gerade diese Aufgabe gibt den Vereinten Nationen ihren Sinn als Forum der Menschheit, als Parlament der Welt. Die Weltöffentlichkeit hat ein Recht, diese Realität zu kennen trotz allen militärischen Brimboriums, das immer noch gewisse Leute beeindruckt.
 
Im Verhältnis Deutschlands zu Amerika ist eine realistische sachliche Feststellung bitter nötig, um aus dem Traum von der guten Freundschaft zu erwachen: Die USA haben die Existenz der Bundesrepublik und aller Menschen Zentraleuropas planmäßig aufs Spiel gesetzt und ihre Vernichtung kaltblütig in Kauf genommen, indem sie ihre nuklearen Massenvernichtungswaffen mitten im Lande installierten, und indem sie einen konfrontativen feindseligen Kalten Krieg einkalkulierten, inszenierten, ja ein halbes Jahrhundert orchestrierten. Dagegen kam aus der Sowjetunion die Chance, sich aus dem Kalten Krieg mit allen Lasten zu befreien und die Wiedervereinigung ohne Anschließen an irgendeinen fremden Pakt zu erlangen. Aber die Stalin-Note 1952 wurde nicht geprüft. So extrem war der amerikanische Einfluss und Druck auf die westdeutsche Bundesrepublik, dass die westdeutschen Eliten es bevorzugten, im Kalten Krieg mit allen seinen Lasten drin zu bleiben.
 
Sogar der ehemalige britische Premier Minister Winston Churchill war sich in seinen letzten Jahren dieser großen Gefahr der totalen Vernichtung Zentraleuropas bewusst und versuchte vergeblich den mörderischen sinnlosen vergeudeten Kalten Krieg zu beenden. Das geteilte Deutschland vor den 90er Jahren hatte wegen der Hauptlast der westlichen Verteidigung eine besonders große Verantwortung zu tragen. Die alte Bundesrepublik stellte ihr Territorium zur Verfügung, damit die Verbündeten hier auch ihre eigene "Sicherheit“ verteidigen konnten. Schon allein das war grob fahrlässig, verrückt, mitten in der Konfrontation des Kalten Krieges. Diese enorme Last auf der alten westdeutschen Bundesrepublik und auch auf dem neuen vereinten Deutschland wird von den USA nicht anerkannt, auch nicht von deutschen Politikern und Journalisten.
 
Die USA sind heute die einzige Supermacht, und wohl daher meinen viele, gebühre ihnen Bewunderung und Gefolgschaft. Die USA sind unangefochten alleinstehende Supermacht. Gerade darin besteht das höchste aktuelle Problem der Weltgemeinschaft. Im britischen Parlament haben sich dazu schon verantwortungsvolle Stimmen begründet erhoben, die die Vereinten Nationen als eine Art von notwendigen "check and balances" den USA entgegenstellen wollen.
 
Eine merkwürdige Bewunderung Amerikas hierzulande aufgrund seiner Stärke gleicht einer Verherrlichung einer grenzenlosen unkontrollierten Macht, eine fremde Vorstellung in einer funktionierenden Demokratie, aber doch eine bezeichnende Vorstellung vom Absolutismus vor 200 Jahren, wenn nicht die größte Wahnvorstellung im Dritten Reich. Ein provinzieller Konrad Adenauer unterlag derselben Faszination von den USA, so sehr, dass er die Teilung seines Landes an diese Macht opferte.
 
Ohne Echo und ohne Verständnis blieb damals, 1958, der dramatische Appell von Thomas Dehler im Bundestag. An dieser CDU-Blindheit und Torheit hat sich bisher nichts geändert. Von der Basis der Partei und aus ihr nahestehenden kirchlichen Kreisen ist aber eine Erneuerung zu erwarten, denn diese Basis ist weit entwickelter als ihre armselige Führung.(PK)
 
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und Diplomatin a.D., die nach dem Putsch in Chile nach Deutschland geflüchtet war.


Online-Flyer Nr. 360  vom 27.06.2012



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